Kitabı oku: «Der Virus-Code», sayfa 3
Die Besprechung
„Was also schlagt ihr vor?“, fragt sie, nachdem sie sich wieder gefasst und etwas erholt hat.
Da bricht ein Stimmengewirr los, der Upgrounder ruft: „Lasst uns Orkane, Tornados und Sturmfluten schicken, damit können wir alles reinigen, und die Menschenmenschen müssen sich verkriechen!“
Der Undergrounder brüllt, und seine Schreie erzeugen sonderbare Echos: „Wir lassen die Erde beben, Erde beben, die Vulkane, Vulkane rauchen, und glühende Lava, Lava ausspucken. Das Meer, Meer soll sich zu meterhohen Riesenwellen auftürmen, das Land, Land überfluten und alles mitreißen, mitreißen, was sich ihm in den Weg stellt, Weg stellt! Wir wollen die Menschenmenschen das Fürchten lehren, so wie es früher einmal war, und sie sollen uns wieder Respekt, Respekt entgegenbringen!“
Muttererde Terra schaut von einem zum anderen, nickt ab und zu, dann schüttelt sie wieder den Kopf. Das alles scheint ihr nicht wirklich zu gefallen.
Stellarus, der Sprecher der Universianer, hat als Einziger bisher nichts gesagt. Er lehnt, die beiden unteren Zacken überkreuzt, an dem Baum, der am Hang auf der Wiese steht, hört sich das ganze Gezeter an und poliert seine mittleren Zacken. „Das habt ihr doch alles schon gemacht!“, säuselt er, und Benni kann ganz deutlich erschnaufeln, dass der Typ etwas Ungeheueres im Schilde führt.
Stellarus schubst sich vom Baumstamm ab und kommt ganz langsam, Zacke für Zacke, wieder nach vorn.
„Also, wenn ich mir das alles so anhöre“, spricht er weiter, „dann sollten wir Universianer da wieder einmal einschreiten. Wir werden ganz einfach einen Megameteoriten herunterschicken, ihn auf den richtigen Punkt schießen und dann fliegt alles so richtig schön in die Luft! Die Gasanos können nach Herzenslust Schwefelsäurewolken schieben, die Sylphen haben einmal Urlaub, denn Luft gibt es erstmal keine mehr, und die Lichtalben dürfen auf Blitzen Feuerfunken durch die Gegend schleudern!“ Stellarus lacht und seine Lache ist grell und hässlich.
Muttererde Terra legt ihre sechs Hände auf den Bauch und windet sich. „Nein, Nein“, ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, „nein, das werde ich nicht zulassen!“, stöhnt sie und wendet sich hilfesuchend an die hinter ihr stehenden Devas. Der größte der Devas lässt seinen Blick über die Runde der anwesenden Kläger gleiten und jeder, den er anschaut, tritt ein paar Schritte zurück und schüttelt den Kopf. Die meisten halten sich die Hände vor den Mund und schauen ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Solch eine Zerstörung, solch eine Zerstörung“, murmeln sie und Benni erschnaufelt ihre große Angst. Er richtet sich von seinem Sessel auf, macht einen Schritt auf Muttererde Terra zu, umgreift ihr Knie. „Nicht alles totmachen“, schluchzt er, „nicht all die unschuldigen Tiere, all die prächtigen Bäume, all die wunderschönen Blumen kaputtmachen, bitte, bitte nicht!“
Er weint und drückt sein Gesicht in den Schoß von Muttererde Terra, seine Tränen durchnässen ihr buntes Blumengewand und durch seine Tränen erstrahlt Muttererde Terra zu neuer, großer Schönheit. Sie umfasst den Jungen, hebt ihn hoch und stellt ihn auf ihre gewaltigen Oberschenkel. Nun schauen sie sich direkt in die Augen und Benni kann sich im Spiegel ihrer Pupillen sehen. Er spürt eine tiefe Freude, Wärme und Geborgenheit und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Erschrocken beugt er sich zurück, denn so etwas hat er noch nie in seinem ganzen Leben getan!
„Du bist unsere Rettung!“, sagt Muttererde Terra und stellt ihn behutsam auf den Erdboden zurück. „Du bist ein Menschenkind, und es sind die Menschenkinder, die uns retten können … und werden!“
Benni wiegt seinen Kopf hin und her. Menschenkinder, Menschenkinder, Menschenkinder, hallt es in seinem Kopf, und er weiß nicht so richtig, wer oder was damit gemeint ist. Er kennt nur die Menschenmenschen, also all diejenigen, die sich in der Welt viel besser zurechtfinden als er, und ausgerechnet er sollte da helfen können?
Die Beobachterin
Bennis Augen wandern über die Gruppen der Upgrounder, Natminders, Feen und Kobolde, er sieht hinüber zu den urigen Globanten, Undergroundern, Undinen und Oilanten und alle nicken sie ihm zu.
Auch die Sylphen, Gasanos und Lichtalben lächeln ihn freundlich an, nur die Universianer, ganz besonders jedoch ihr Anführer, wenden sich ab und alle schauen den Abhang hinauf. Benni folgt ihrem Blick.
Oben, am Rand der Wiese, steht eine leuchtende Gestalt und sie ist so strahlend und schön, dass sich Benni über die Augen streichen muss, erst dann kann er sie genau erkennen. Es ist eine junge Frau, ganz in funkelndem Silber gekleidet, ihre Arme und Beine leuchten schneeweiß, wie frisch gefallener Schnee in der Mittagssonne, und ihre Haare fallen in silber- und goldstrahlenden ellenlangen Locken über ihre Schultern.
Sie zieht ihn magisch an, er steht auf, und als er auf sie zugeht, hat er das Gefühl, als würde er schweben.
„Komm“, flüstert sie, „komm, Menschenkind!“
„Theia, liebste Schwester“, dringt da die Stimme von Muttererde Terra zu Benni vor, und als würde er aus einem Traum erwachen, dreht er sich um.
Schwester? Die sehen sich aber überhaupt nicht ähnlich, denkt Benni und wendet seinen Kopf hin und her, von Muttererde Terra zu Theia und wieder zurück. Da fasst Theia Benni an der Hand und schreitet mit ihm zusammen den Abhang hinunter. Sie stellt sich in einigem Abstand zu Muttererde Terra hin und lässt schließlich Bennis Hand los.
Benni hebt die Nase und schnaufelt. Das ist ein sonderbares Gefühl, was er so noch nicht kennt. Die beiden Schwestern scheinen miteinander sehr eng zusammenzuhängen, und Muttererde Terra liebt ihre Schwester Theia aufrichtig, das spürt er. Aber Theia, was ist nur mit Theia? Da sind Hass und Liebe, da ist ein Band, das sie zerreißen möchte, aber andererseits klammert sie sich mit ihren schneeweißen Händen geradezu an Muttererde Terra.
„Hast du auch immer Zoff mit deiner Schwester?“, fragt er Theia und schaut sie verständnisvoll an.
„Ach, weißt du“, antwortet Theia und beugt sich – auf einmal ganz schlank – nach vorn zu Benni, „wir sind nur Halbschwestern und ich war früher ein eigener, sehr temperamentvoller Planet. Ich konnte viel schneller tanzen als Muttererde Terra und habe mich so schnell gedreht wie ein Wirbelwind.“
Sie will Benni eine Drehung vormachen, aber es gelingt ihr nicht, sie hängt mit ihren endlos langen silbernen Haarstrahlen an Muttererde Terra fest.
„Damals sind wir einmal ganz feste zusammengestoßen“, sagt sie und zieht und zerrt dabei an den silbernen Fäden „und bei diesem Unfall wäre ich fast draufgegangen. Damals hat mir Muttererde Terra einiges an Gestein gespendet, sozusagen ein paar Organe transplantiert, wie die Menschenmenschen das heute nennen würden. Das hat mir das Leben gerettet, aber seitdem bin ich für immer mit ihrer Energiebahn verbunden.“
Benni nickt. „Verstehe ich gut“, sagt er, „Muttererde ist die Große und du fühlst dich manchmal ganz schön klein und mies. Habe ich recht?“
Theia nickt leicht, doch im nächsten Augenblick wirft sie ihre silberne Lockenpracht über die Schulter, ergreift den Saum ihres bodenlangen silbernen Kleides, breitet die Arme aus und zeigt ihre volle, hell strahlende Schönheit, sodass Benni vor Entzücken ausruft: „Oh, so schön wie der leuchtende Vollmond am schwarzen Himmelszelt! So schön“, singt er eine kleine Melodie, „so schön!“
Jetzt lächeln beide, Theia und Muttererde Terra.
„Siehst du“, sagt Muttererde Terra zu Theia, „die Menschenkinder lieben dich, du musst also gar nicht eifersüchtig auf mich sein.“
Theia lässt ihre Arme wieder sinken und sieht ihre Halbschwester lange und ernst an. Dann schüttelt sie den Kopf. „Aber die Menschenmenschen verehren mich gar nicht mehr“, sagt sie seufzend. „Für die bin ich nur noch ein Trabant der Muttererde Terra, auf den man alle möglichen Gerätschaften hinaufschießt, in dessen Staub man herumwühlt und auf dem man vielleicht sogar eine Müllkippe einrichten möchte.“ Sie stampft mit ihren Silberschühchen auf. “So geht das nicht! Die Universianer haben recht! Lasst uns die Menschheit auslöschen, wir sind doch Millionen von Jahren auch ohne sie klargekommen!“
„Ja, löschen wir sie aus!“, schreit Stellarus, und seine Universianer grölen einstimmig: „Auslöschen, auslöschen!“
„Wir löschen sie aus und entwickeln eine neue Menschheit!“, schlägt Stellarus vor und lässt seine Zacken glitzern und funkeln. Die ganze Sternenmeute ist aus dem Häuschen und begeistert sich mit tosendem Kriegsgeheul.
Benni dreht sich zu den kreischenden und tobenden Universianern um, er muss schlucken, aber er ist sehr wütend und hat jetzt keine Lust, als Heulsuse dazustehen. Er stampft mit dem Fuß auf den Boden, und Mo springt auf und bellt Stellarus wütend an.
Da klatscht der oberste der Devas in seine Hände, sodass es wie ein Donner über die ganze Wiese dröhnt. Mit einem Mal sind alle still.
Benni nimmt seinen ganzen Mut zusammen. „Habt ihr vielleicht auch einmal an mich gedacht? An mich, meine Mutter, meinen Vater, meine Oma und meine Schwester? Wenn ihr alle auslöschen wollt, dann müsst ihr aber gleich mal mit mir anfangen!“, ruft er wütend in die Runde und seine Augen sprühen Funken vor hilflosem Zorn. Er dreht sich um und stapft ein Stück den Wiesenhang hinauf, dann wendet er sich um und schaut zurück. „Und denkt ja nicht“, faucht er, „dass ich auch nur noch ein einziges Mal ein Lied über die Sterne und den Mond singe! Das könnt ihr euch abschminken!“
„Benni, so bleib doch“, ruft ihn der oberste der Devas zurück, „nichts geschieht ohne die Zustimmung der höchsten Mächte.“
Benni sieht ihn an und die warme, wunderbar wohltuende Kraft, die von dem Deva ausgeht, umgibt ihn wie die Wolldecke, die seine Oma immer um seine Schultern legt, wenn sie ihm ein Märchen vorliest. Langsam geht er wieder den Hang hinunter und setzt sich in seinen verflochtenen Baumkorbsessel. „Wir haben dich gerufen“, setzt der Deva seine Rede fort, „weil wir mit dir zusammen die Probleme lösen wollen.“
Der Beschluss
„Und wie wollt ihr die Probleme nun lösen?“, fragt Benni und schaut von einer Gruppe zur anderen.
Der Globant macht einen Schritt auf Benni und Muttererde Terra zu und streckt ihnen seinen Eisenstab entgegen. Jetzt sieht Benni, dass der Stab oben mit einer Kappe verschlossen ist und wohl kein Stab, sondern eher ein langes Rohr mit einem Inhalt ist.
„Da, hier drin steckt die Lösung!“, erklärt der Globant mit dröhnender Stimme. Er fuchtelt mit dem Rohr vor Bennis Nase herum und hält es ihm schließlich hin. „Dreh du mal bitte den Deckel ab“, kommandiert er, „dann wirst du sehen, was in meinem Zauberstab steckt“, und ein breites, nicht besonders schönes Grinsen huscht über sein kantiges Gesicht.
Benni greift nach dem Eisen und will den Deckel abschrauben.
„Halt! Halt, Benni!“, gebietet plötzlich Muttererde Terra. „Warte!“ Sie erhebt sich von ihrem Baumgeflechtthron, kommt zu Benni und schaut ihm tief in die Augen. Benni wird plötzlich ganz müde, ihm fallen die Augen zu, aber er reißt sich zusammen und wehrt sich dagegen. Schlaftrunken hört er Muttererde Terra sagen: „Mein Menschenkind, höre und sprich mir nach:
„Sanctus sanus est!“
Benni flüstert: „Sanctus sanus est.“
Muttererde Terra nimmt Bennis rechte Hand und fährt mit ihrer Hand über Bennis Handteller. „Gut so, mein Menschenkind, nun sprich: Sanitas sancta est!“
Benni wiederholt: „Sanitas sancta est!“
Muttererde Terra hält nun seine linke Hand und streicht mit den Fingern ihrer rechten Hand über seinen Handteller. „Der Heilige ist gesund, die Gesundheit ist heilig“, spricht sie und legt dabei beschwörend zwei Hände auf Bennis Kopf.
„Nun bist du geschützt und kannst das Eisenrohr des Globanten öffnen“, sagt sie lächelnd und geht wieder zurück zu ihrem Thron.
Die Müdigkeit ist wie fortgeblasen und Benni greift entschlossen nach dem Eisenrohr, dreht den Deckel mit zwei Umdrehungen nach rechts und sofort fliegt die Kappe in hohem Bogen ins Gras. Ein Gequietsche, Geschmatze, Geröchel und Gekreische ertönt, und Abermillionen kleiner, bunter, kugelförmiger, schleimiger und blubbernder Gestalten quellen aus dem Rohr, eine hässlicher als die andere!
„Iiiiiih!“, schreit Benni. „Wer seid ihr denn?“
„Wir sind die Ersten, wir sind die Urgestalten, wir sind die wahren Herrscher über die Planeten“, singen die grauslichen Wesen und umkreisen Benni.
„Lasst uns nach ihm greifen! Lasst ihn uns besetzen! Lasst ihn uns auffressen!“, johlen sie und umschwirren ihn wie ein Schwarm angriffslustiger Wespen. Aber etwas hält sie zurück, sie kommen nicht an ihn heran und schließlich setzen sie sich auf das Eisenrohr, auf die Grasbüschel und auf die kantigen Füße von dem Globanten.
„Das ist“, sagt Muttererde Terra langsam und ihre Stimme klingt müde, „die einzige Hoffnung, wie wir die Menschenmenschen zur Vernunft bringen und ihr Verhalten korrigieren können.“
Sie schaut Benni an und er erschnaufelt ihre tiefe Trauer und Verzweiflung, doch bevor er etwas sagen kann, fährt der Globant dazwischen und ruft: „Wir haben doch alles versucht, und das schon seit so langer Zeit! Wir haben ihnen die Vermittler gesendet, die allerhöchsten Boten des Schöpfers, wir haben Unwetter und Erdbeben geschickt, wir haben sie vom Meer verschlingen lassen, wir haben ihnen die Musik gegeben und in der letzten Zeit ein Mädchen sprechen lassen! Und? Haben sie gehört?“
Er schlägt wütend mit seinem Eisenrohr gegen einen Stein und es dröhnt, als würden Felsen zerbersten. „Nichts wollen sie verstehen, die Gaben ihrer Heimat missachten sie, sie fressen und saugen dich aus, verehrte Muttererde Terra, du schönstes Juwel unter der strahlenden Sonne, du Ort der göttlichen Freude! Sie haben es nicht anders verdient!“
„Wir kommen schon!“, kreischt die bunte, schleimige Meute abscheulich. „Wir kommen, wir werden uns ganz schnell vermehren und wir werden sie zwingen, sich zu verändern – oder sie töten!“
Alle versammelten Wesen sind ein paar Schritte zurückgewichen. Benni saugt ihre Gefühle ein und erschnaufelt, dass ganz besonders die Natminders besorgt und verängstigt sind.
„Aber wer oder was sind nun diese Schreihälse?“, fragt Benni und reißt sich mächtig zusammen, denn eigentlich findet er diese Schleimmonster ober-eklig und einfach nur widerlich.
Ganz leise beginnt es zu summen, dann wird es lauter und lauter, und schließlich brüllt es über das ganze Tal: „VIREN! Wir sind Viren, wir sind die Armee des Todes!“
Benni hält sich die Ohren zu und möchte am liebsten weg, weg von dem Geschrei, weg von diesen ekligen Monstern und einfach nur seine Ruhe haben. Er streckt die Hände weit vor und will das ganze Geschehen am liebsten fortschieben – und tatsächlich ist es plötzlich still.
Die labbrigen, schlabbrigen Schleimkugeln liegen als grauer Haufen vor seinen Füßen auf dem Boden. Erstaunt hebt er den Kopf und sieht Muttererde Terra fragend an.
„Du bist doch geschützt“, sagt sie lächelnd, „du musst keine Angst haben!“ Sie macht eine kurze Pause. „Wir schicken die Viren aus“, erklärt sie ihm und ist nun sehr gefasst und ruhig, „damit die Menschenmenschen lernen müssen – ob sie wollen oder nicht!“
„Doch du bist unsere Brücke“, meldet sich nun jetzt der oberste der Devas zu Wort, „du kannst ja mit uns sprechen. Du wirst der Vermittler sein zwischen uns, dem Geschehen und den Menschenmenschen. Wir haben dich heute hierher geführt, damit du all das weißt und dich nicht erschreckst. Nun geh nach Hause. Unser nächstes Treffen ist in einer Woche!“
Der Deva erhebt sich, breitet seine Arme aus und alle verneigen sich vor ihm. Die Gasanos, Sylphen und Lichtalben verlieren ihre Gestalt im Dunkeln. Die Universianer gleiten auf einem breiten Lichtstrahl, der sich vom Nachthimmel herunter auf die Erde gesenkt hat, nach oben in das endlose, tief dunkle Blau und erscheinen zuletzt nur noch als kleine, helle, glitzernde Punkte. Die Globanten, Undergrounder und Oilanten werden von dem dunkelbraunen Erdhaufen aufgesogen, die Undinen schlüpfen in das Wasser des kleinen Bächleins und rinnen singend davon.
Nur die Upgrounder mit ihrem Gefolge stehen noch als letzte um Muttererde Terra und Theia auf der Wiese. Muttererde Terra erhebt sich, kommt auf Benni zu, nimmt ihn bei der Hand und bittet ihn, sich nun auf den Weg nach Hause zu machen. Sie werde ein paar Elfen und Kobolde mitschicken, die ihn begleiten, damit er gut und sicher den Weg durch die Dunkelheit heimfinde.
Langsam steigt Benni den Wiesenhang hinauf, er ist jetzt doch recht müde und freut sich auf sein Zimmer und sein warmes, kuscheliges Bett. Mo trottet neben Benni her und zwei Elfen machen sich einen Spaß daraus, auf seinem Rücken zu reiten. Die Kobolde kullern mit den kleinen Kieselsteinen, die auf dem Weg herumliegen, dass es leise scheppert, und Benni muss lachen, denn er schießt normalerweise auch immer die Steine über den Weg.
Bevor er ins Dorf kommt, dreht er sich noch einmal um und schaut zurück. Das Tal liegt nun ganz friedlich da, als wäre nichts geschehen. Die Universianer senden ihr Licht als kleine Sternenpunkte und Theia schickt den Glanz ihrer silbernen Schönheit herunter. Benni winkt noch kurz nach oben und Mo lässt ein leises „Wuff“ ab.
Der frechste der Kobolde zupft Benni am Ärmel. „Los, ab nach Hause und ins Bett“, sagt er kichernd, rennt bis zu Bennis Haustür und wirft dort eine kleine Holzfigur um, dass sie an die Tür scheppert. Drinnen geht das Licht an, Schritte ertönen, die Tür wird mit einem Ruck aufgerissen und Anna steht im Schlafanzug vor ihm. „Wo warst du denn?“, flüstert sie aufgeregt. „Wieso kommst du so spät vom Gassigehen? Weißt du überhaupt, wie spät es ist?“
Benni schüttelt den Kopf, er mag es gar nicht, wenn seine Schwester so viel und alles auf einmal fragt.
„Du kannst froh sein, dass Mama und Papa bei den Nachbarn sind und ich sie nicht angerufen habe“, plappert sie ungebremst weiter, und eigentlich ist er auch wirklich froh darüber. Er nickt und fasst ganz schnell nach ihrer Hand. Danke, denkt er, ja, danke.
Anna lächelt jetzt und schubst ihn nach oben in sein Zimmer. „Los, zieh dich aus, Schlafanzug an, putz dir die Zähne, dann sofort ins Bett und Licht aus!“, kommandiert sie, schließlich ist Anna ja schon vierzehn und damit richtig groß. Sie weiß, was zu tun ist, und Benni gehorcht ihr heute ausnahmsweise einmal ganz gern.
Die Nachrichten
Sie sitzen, wie fast jeden Abend, im Wohnzimmer um den runden Esstisch, Mutter, Vater und Anna. Benni hockt im Schneidersitz auf seinem kleinen karierten Sitzkissen in seiner Ecke.
Mutter hat gerade seine Tupfenlieblingstasse mit dem heißen Kakao auf seinen selbstgebastelten Tisch gestellt, da dringt die Stimme aus dem Fernseher plötzlich lauter als sonst in Bennis Gedanken. Langsam hebt er den Kopf und schaut zur Gruppe am Esstisch.
Mutter, Vater und Anna sitzen bewegungslos da und starren auf die bunt flimmernde Mattscheibe des großen Flachbildschirms. Mutter legt die Hand an den Mund, auf Vaters Stirn bildet sich eine tiefe, steile Falte und Annas blaue Augen sind weit aufgerissen!
„Jetzt ist diese fürchterliche Pandemie auch in unserem Land angekommen!“, hört er die Mutter nach einer ganzen Weile des düsteren Schweigens sagen, und der Vater nickt langsam und bedeutungsvoll.
Benni hebt das Kinn und schnaufelt in ihre Richtung. Sie haben alle Angst – und dann ist da noch etwas, das er bisher bei seinen Familienangehörigen noch nie erschnaufelt hat: Ihre Gedanken jagen herum, wie wilde Bienen oder aufgescheuchte Vögel. All die Abende zuvor hat Benni schon immer wieder die Worte Epidemie oder Pandemie gehört, die er nicht kennt, und die ihn auch nicht sonderlich interessieren, nur wenn sie in dem flachen, großen Bild von dem Virus sprechen, hebt er jedes Mal den Kopf, steht auf, geht dicht vor die Mattscheibe und schaut sich die Gesichter an.
„Wer sind denn diese Leute, die da von dem Virus sprechen?“, hat er schon ein paar Mal gefragt, und dann hat ihm Anna immer geantwortet, dass das Nachrichtensprecherinnen oder -sprecher seien, die über die aktuelle Entwicklung einer sehr schlimmen Krankheit berichten. Benni hat dann immer genickt und ist, nachdem ihn seine Schwester über den Kopf gestreichelt hat, was sie eigentlich normalerweise nie macht, wieder in seine Ecke gegangen. Er hätte ihnen so gerne zugerufen: Habt doch keine Angst! Muttererde Terra will doch nur gesund werden! Aber stattdessen summt er dann meist leise vor sich hin. Er fragt sich schon manchmal, warum eigentlich nie der Globant, einer der Oilanten oder noch besser einer der Upgrounder spricht, aber wahrscheinlich haben die eben keine Nachrichtensprecher, sagt er sich dann ganz leise.
Aber heute Abend erscheint ihm seine ganze Familie wie die kleinen süßen Kälbchen in einem Stall. Sie sind eingesperrt, als wäre ihr Leben in Gitterstäben gefangen.
Er steht auf, geht zur Mutter und drückt sich kurz ganz fest an sie. Sie fasst ihn bei den Schultern und sieht ihn mit Tränen in den Augen an. „Du musst jetzt ein ganz starker großer Junge sein“, flüstert sie, „du kannst morgen nicht in die Schule und auch nicht übermorgen und überübermorgen. Deine Lehrer und Freunde siehst du nur über Skype und deine Aufgaben musst du zu Hause alleine mit deinen Büchern machen. Papa und ich gehen auch nicht zur Arbeit, wir müssen hier arbeiten und brauchen dann dazu unsere Ruhe.“
„Und Anna?“, fragt er. „Anna macht doch immer alles anders als ich“, hakt er nach, „was ist mit Anna?“
Für einen winzigen Augenblick huscht ein kleines Licht durch Mutters braungrüne Augen, sie schiebt eine Strähne ihrer braunen, schulterlangen Haare zur Seite und lächelt, doch dann ist ihr Gesicht wieder sehr ernst, und bedrückt antwortet sie: „Kein Kind darf mehr in die Schule und auch nicht mehr in die Kindertagesstätten, Benni. Es ist eine schlimme Krankheit in unserem Land, auf unserem Kontinent, ja auf der ganzen Welt, und wir sollten alle am besten zu Hause bleiben, hat die Regierung gesagt.“
Die Regierung?, denkt Benni und schüttelt heftig den Kopf. Laut sagt er: „Ich weiß! Muttererde Terra ist schwer krank und die Menschenmenschen müssen etwas lernen!“ Er geht in seine Ecke, nimmt ein Blatt Papier und beginnt zu malen. Sein Kopf ist wieder tief nach unten gesenkt, er ist voll konzentriert, denn er zeichnet jetzt die Natminder-Prinzessin.
„Benni!“ Die Stimme seines Vaters dringt etwas strenger und lauter als gewöhnlich zu ihm herüber. „Das ist sehr, sehr ernst und es ist nicht die richtige Zeit für deine Geschichten, hörst du? Du musst jetzt wirklich folgen und brav sein. In der nächsten Zeit dürfen wir nicht mehr einfach so nach draußen und da hingehen, wohin wir wollen. Hast du mich verstanden?“
Benni hebt den Kopf, und wenn die Menschenmenschen schnaufeln könnten, hätte sein Vater gespürt, wie tief verletzt Benni ist. Aber so sieht er Benni einfach nur streng und fordernd an. Benni nimmt das Blatt Papier, auf das er die Natminder-Prinzessin gezeichnet hat. Er hat sie seiner Familie zeigen und ihr alles erklären wollen, aber jetzt steht er auf und rennt, gefolgt von Mo, hinauf auf sein Zimmer. Er knallt die Tür zu und stellt zwei Stühle davor. Tränen steigen in seine Augen und sein Hals ist eng, aber er will nicht weinen, jetzt extra nicht, denn er muss doch stark sein! Er muss stark sein für seine Familie, für seine Oma, für all die vielen Naturwesen und für Muttererde Terra! Tief in seinem Herzen spürt er, dass sie ihn brauchen!
Benni schiebt die beiden Stühle wieder zur Seite, öffnet ganz vorsichtig und leise die Tür einen winzigen Spalt weit und lauscht.
Mutter und Vater reden hektischer als sonst. Er hört, wie die Mutter den Vater bittet, nicht so streng mit dem Jungen zu sein, er lebe nun einmal in einer anderen Welt, und wie der Vater daraufhin entgegnet, dass die Nachrichten in dieser schlimmen Zeit auch für Träumer wie Benni gelten würden und er befolgen müsse, was sie ihm sagten.
Behutsam schließt er die Tür wieder und setzt sich auf sein Bett. Nachrichten, Träumer, Nachrichten, Träumer, klingt es in seinem Kopf nach. „Weißt du, was Vater damit meint?“, sagt er zu Mo. Mo scharrt sanft an der Tür und da erinnert sich Benni, dass ja heute wieder die Versammlung auf der Wiese in dem kleinen Tal hinter dem Dorf ist.
„Wir müssen noch ein bisschen warten“, flüstert er Mo ins Ohr, „dann gehen wir zur Versammlung.
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