Kitabı oku: «Wenn nichts ist, wie es scheint», sayfa 4
Wir waren beide aufgesprungen und suchten mit den Augen die Gegend ab. Weit und breit war kein Dackel zu sehen.
„Geht er gern schwimmen“, wollte Füßler wissen und lief schon in Richtung Brücke, die über einen Bach führte. Seine beiden Hunde blieben brav und völlig ungerührt im Platz liegen, auch Elfie regte sich nicht.
„Kein Hund zu sehen“, rief er über die Schulter, und starrte dann wieder angestrengt in das recht schnell fließende Wasser.
„Scheiße, wo ist der denn nur hin, eben war er noch hier, ich verstehe das nicht, der haut sonst niemals ab“, klagte ich und merkte, wie mir das Herz in der Kehle schlug.
Da erregte eine entfernte Bewegung meine Aufmerksamkeit und gleichzeitig stimmte Elfie einen lauten Gesang an. Ich konzentrierte mich darauf, genauer zu erkennen, was da war. Eine Frau, eine Frau mit einem Hund, genauer gesagt, eine Frau mit einem Dackel. Ich rannte in ihre Richtung, überhörte die warnende Stimme des Polizeibeamten in meinem Rücken und dann wurde ich von Elfie überholt. Sie stand schon aufrecht, beide Pfoten auf den Schultern meiner Freundin Tabea und begann mit ihrer Morgenwäsche. Mein ungetreuer Dackel tanzte um ihre Füße herum und sang laut: „Wuhuhuhuhuhu.“
„Was machst du hier, wie kommst du hierher, ich meine, wieso …“
„Ist es schon so weit, dass du wieder anfängst zu stottern, wenn du mich siehst“, wollte sie wissen und kicherte vergnügt. „Hund, geh runter, deine vier Pfoten gehören auf den Boden“, befahl sie dann und Elfie gehorchte umgehend.
„Mein Gott, ich glaube, ich war noch nie so froh, dich zu sehen. Ich habe gedacht, Alli wäre weggelaufen, dabei legt doch hier ein Irrer Giftköder aus und wenn der davon was gefressen hätte, ich glaube Hella hätte mich gekillt.“
„Ich verstehe, du bist so froh, mich zu sehen, weil ich deinen Hund eingefangen habe, und wer ist dieses Riesenvieh?“
„Das ist Elfie, und nein, natürlich nicht nur deswegen, ich bin auch so mega froh, dich zu sehen, wir haben eben noch von dir gesprochen. Ich habe mich nämlich gefragt, was du sagen würdest, wenn du erfährst, dass ich schon wieder eine Leiche gefunden habe.“
„Menke! Sag, dass das nicht wahr ist! Wie ist sowas möglich? Du bist gerade einen Tag in dieser Stadt, es ist Sonntagmorgen, gerade sieben Uhr und du findest eine Leiche? Wie machst du das nur?“
„Frag mich nicht, Tabea, echt, frag mich nicht, aber eigentlich ist das Allis Schuld. Der ist mega verknallt in Elfie und konnte nicht schlafen, hat schon in aller Herrgottsfrühe um sechs Uhr angefangen zu jammern. Hella ist davon wach geworden und da sie so spät ins Bett gekommen ist, habe ich ihr angeboten, mit beiden Hunden Gassi zu gehen, damit …“
„Hella, aha. Ihr habt also zusammen geschlafen und es ist spät geworden, wenn ich das richtig verstanden habe?“
„Was? Nein, natürlich nicht zusammen, ich meine, wir haben im gleichen Haus geschlafen, aber in getrennten Zimmern, was denkst du denn von mir? Ich bin streng liiert.“
„So, so, dann will ich dir das mal glauben“, lachte sie und kraulte Elfie unter dem Kinn.
Mittlerweile waren wir wieder an der Bank angekommen, vor der Füßler mit den beiden Beamten stand und uns entgegensah.
„Mein lieber Mann, wir hatten gesagt, bis zur Bank, nicht weiter“, grummelte der Grauhaarige, wurde aber schnell wieder friedlich. „Oh, Frau Oberkommissarin, guten Morgen, sind Sie dienstlich hier oder …“
„Rein privat, ich wusste bis vor einer Minute nichts von einer Leiche, ist ja auch nicht mein Zuständigkeitsbereich“, lächelte Tabea und reichte allen drei Männern die Hand.
Als sie meinen fragenden Gesichtsausdruck bemerkte, schob sie nach: „Ich kenne Herrn Schwerer von einer Geburtstagsfeier bei Sand. Ist noch gar nicht so lange her, stimmt´s?“
„Stimmt, war im Juni.“
Bevor ich fragen konnte, wer denn Geburtstag gehabt hatte und warum ich davon nichts wusste, kamen mehrere Autos über den Platz und parkten neben dem Streifenwagen. Ich packte die Hundeleinen fester, griff nach Tabeas Hand, bereit, der Kripo unter die Arme zu greifen, da fiel mein Blick auf zwei dicke rote Blutflecken direkt vor meinen Füßen.
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Er wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn und verfluchte die Hitze, die diese dicken, grün-schillernden Fliegen hervorbrachte. Eddy hatte ihn darauf hingewiesen, dass der Vorrat an präparierten Fleischbällchen erschöpft war, daher musste er für Nachschub sorgen, auch wenn er sich lieber eine Abkühlung im Freibad gegönnt hätte. Sie hatte Besuch bekommen, von einem Kerl mit Dackel. Der war samt seinem Köter aus seiner Angeberkarre gestiegen und hatte bei ihr geklingelt. Kurze Zeit später waren sie zusammen ins Valentin´s gefahren, lachend und offenbar vertraut miteinander. Mit finsterer Miene hatte er mitansehen müssen, wie sie sich amüsierten und mit Bier anstießen. Dann schienen sie sich über irgendwas zu streiten und später hatte sie geweint. Er wusste, warum und hatte heftige Schadenfreude empfunden. Dabei war es reiner Zufall gewesen, dass ihr eigener Hund eines der ersten Opfer seiner Fleischbällchen geworden war. Trotzdem hielt er es für ein Zeichen; er war auf dem richtigen Weg. Das musste er ihr später unbedingt erzählen, später, wenn alle Heimlichkeiten vorbei waren und er sie in seiner Hütte gefangen halten würde. Bis dahin musste er sich damit begnügen, ihr aus der Ferne Schmerz zuzufügen. Mit jedem verletzten oder sterbenden Hund sollte sie leiden, immer an ihren Verlust erinnert werden, deutlich ihre Hilflosigkeit und ihr Versagen spüren. Je mehr Hunde ihr unter den Händen verreckten, umso lauter würden außerdem die Leute reden. Oh, er wusste genau, wie die Menschen hier tickten. Gestern mochte sie noch die „Frau Doktor“ gewesen sein, „die beste Tierärztin weit und breit.“ Doch schon bald würden die ersten sie meiden, sich zuraunen, dass sie nichts konnte, dass bei ihr zu viele Tiere starben. Dabei stand es ohnehin nicht gut um ihre Praxis. Er wusste, dass sie ernste finanzielle Probleme hatte. Dazu hätte es nicht das Gespräch zwischen ihr und ihrem Vater bedurft, das laut und heftig gewesen war. Sie stritten um Geld, um zu hohe Kosten für Versicherungen, Anschaffungen und dergleichen und darum, dass sie nicht genug Einnahmen hatten, weil viele Leute ihre Rechnungen nicht begleichen konnten oder wollten. Er hatte es zufällig mit angehört, und obwohl er das alles schon vorher gewusst hatte, erst in diesem Augenblick verstanden, dass dieses Wissen ihm helfen würde, ihr Leben Stück für Stück zu zerstören. Er hatte es Eddy erzählt, der sofort auf die Idee mit den Hunden gekommen war. Er war damit nicht einverstanden gewesen, warum sollten unschuldige Tiere leiden? Aber Eddy hatte ihm klargemacht, dass es um ein höheres Ziel ging, und dass dafür immer Opfer gebracht werden mussten. Immer noch zögernd hatte er damit begonnen, Köder zu präparieren und auszulegen. Es machte ihm keine Freude, auch wenn er Hunde nicht besonders leiden konnte. Er liebte dafür Katzen, genau wie Eddy auch. Eine Weile hatte er befürchtet, auch sie würden etwas von den ausgelegten Leckereien fressen, aber dazu waren die zum Glück zu schlau. Genau wie die Heerscharen von Krähen; die pickten nur das Fressbare aus den Ködern und ließen Nägel und Krampen zurück. Darum brauchte er so häufig Nachschub. Was er leider auch nicht verhindern konnte, obwohl es ihn sehr ärgerte, dass auch die zwei anderen Tierärzte, die ihre Praxen ebenfalls in der Nähe hatten, von seinem Plan profitierten. Trotzdem brachten noch genügend Halter ihre Tiere zu ihr, die dann auf ihrem Tisch starben, weil sie unfähig war, sie zu retten. Das wusste er, so wie er alles über sie wusste. Schon als er sie das erste Mal gesehen, diese Faszination gespürt hatte, war er sicher gewesen, in ihr die eine gefunden zu haben, die es wert war, an seiner Seite zu leben. Eddy hat ihn ausgelacht und behauptet, so eine Frau gäbe es nicht. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, musste er sich sicher sein, dass sein Gefühl ihn nicht täuschte. Damals hatte er damit begonnen, sie zu studieren, wie andere Medizin oder Jura studierten, gewissenhaft und gründlich. Er beobachte jeden ihrer Schritte, kroch buchstäblich in sie hinein, bis er sie schließlich fast besser kannte als sie sich selbst. Er wusste, dass sie einsam war, sich nach Liebe und Geborgenheit sehnte. Nur darum trank sie zu viel, kochte sich selten etwas Vernünftiges und ließ sich dazu herab, fremde Typen mit nach Hause zu nehmen, die sie in einer Bar oder einem Club kennenlernte. Diese Tage hasste er, das machte ihn rasend vor Wut. Es passte nicht zu seinem Bild von der perfekten Frau. Eddy verschwieg er es, es sollte ihr gemeinsames Geheimnis bleiben. Nur, um sie wissen zu lassen, dass es jemanden gab, der sie auserwählt hatte, hatte er begonnen, ihr Geschenke vor die Tür zu legen. Eine einzelne Rose, exklusive Pralinen und den Umschlag mit der Konzertkarte. Sie war nicht gekommen und es hatte ihn viel Kraft gekostet, sich zu beherrschen, sie nicht umgehend für ihre Ignoranz zu bestrafen. Es war ihm nur gelungen, weil er sich klargemacht hatte, dass sie nicht wissen konnte, wen sie vergebens hatte warten lassen. Daher war er ihr in diese Bar gefolgt, bereit ihr zu verzeihen, und sich zu erkennen zu geben. Siegessicher war er zu ihr rübergegangen, hatte sie zu einem Drink eingeladen. Und wie hatte sie reagiert, nachdem sie ihm einen kurzen, gänzlich uninteressierten Blick zugeworfen hatte? Sie hatte einfach Nein gesagt. Nicht einmal „nein danke“, nur ein kurzes, knappes Nein. Später hatte sie sich einem Kerl zugewandt, der seine Abfuhr grinsend beobachtet hatte und war kurz darauf mit ihm verschwunden. Zuerst war er nur fassungslos über diese Zurückweisung gewesen, später wütend und als der Morgen kam, war er voller Hass auf sie gewesen. Jetzt endlich hatte er Eddy davon erzählt, alles, nichts verschwiegen und der stimmte ihm zu. Ein solches Verhalten ging einfach nicht, das konnte er unter keinen Umständen dulden. Keine Frau durfte sich das herausnehmen, keine hatte das Recht, ihn abzuweisen, dafür gehörte sie bestraft. Nicht gleich, erst musste sie begreifen, was sie getan hatte, und erkennen, dass sie sich alles, was geschah, selbst zuzuschreiben hatte. Dass sie es hätte verhindern können, ja verhindern müssen. So lange musste er sich gedulden, aber das war kein Problem. Um seine Bedürfnisse zu befriedigen, gab es genug Frauen. Er hatte nie Probleme damit eine aufzureißen. Er sah gut aus, war ein aufmerksamer Zuhörer, aber das Besondere an ihm, das, was ihn von den heutigen Männern unterschied, war seine ausgesuchte Höflichkeit. Ein Wesenszug, den Frauen liebten und der es ihm leicht machte, sie für sich zu gewinnen. Er half ihnen in den Mantel, hielt Türen auf, rückte Stühle zurecht, er gab Feuer, fragte nach ihren Wünsche und erfüllte sie. Kleinigkeiten, die nichts kosteten, aber viel einbrachten. Manchmal stieß er allerdings auf eine dieser schrecklichen Emanzen, die darauf bestanden, ihren Mantel allein anzuziehen und die Türen selbst öffnen zu können. Die waren ihm verhasst, solche Frauen verschwendeten seine Zeit. Er liebte das Gefühl gebraucht zu werden, zu behüten und zu beschützen, so, wie es von der Natur vorgesehen war. Frauen waren nicht grundlos das schwache Geschlecht, allein durch ihren Körperbau waren sie dem Mann unterlegen. Und auch, wenn keiner es mehr aussprach, so blieb es doch eine Tatsache, dass ihr Gehirn leichter war als das eines Mannes. Welche Auswirkungen das auf ihre geistigen Fähigkeiten hatte, haben musste, war leicht zu erkennen. Wer das bestritt, sollte sich nur einmal vergegenwärtigen, wie wenig weibliche Führungskräfte es gab, wie viele Nobelpreise oder andere wichtige Auszeichnungen an Frauen verliehen wurden. Verschwindend wenige. Natürlich beklagten sie sich darüber in albernen Magazinen und Talkrunden, behaupteten, dass läge nur daran, dass die Welt von Männern regiert würde. Männer seien schuld daran, dass sie weniger Aufstiegschancen hätten und deutlich weniger Gehalt bekämen. Für ihn war das der lächerliche Versuch von mangelndem Durchsetzungsvermögen und dem Wunsch nach einem bequemen Leben abzulenken. Darüber mit ihnen zu diskutieren hielt er für vollkommen überflüssig und wich sofort auf ein anderes Thema aus. Die meisten bemerkten das in ihrer Einfältigkeit nicht einmal, aber manche begannen tatsächlich mit ihm zu streiten. Sie hielten sich für ebenbürtige Gesprächspartner und das war ihm gänzlich zuwider. Wenn sie dümmlich über Gleichberechtigung redeten und behaupteten, Frauen würde nach wie vor von Männern unterdrückt. Eine war nicht einmal davor zurückgeschreckt zu behaupten, die meisten Frauen seien wesentlich intelligenter als Männer. Das hatte ihn so wütend gemacht, dass er rote Kreise vor seinen Augen gesehen hatte und er sich schwer zusammenreißen musste, dieses Miststück nicht zu packen und gegen die nächste Wand zu schleudern. So, wie sein Vater es mit der Mutter gemacht hatte, als er noch ein Kind war. Das tat er selbstverständlich nicht, er war kein Prolet, er war ein höflicher, gebildeter Mann, ein Auserwählter. Er hatte es nicht nötig, körperliche Gewalt anzuwenden. Darum war es ihm auch gelungen; sich zu beherrschen und nur zu lächeln. Das hatte sie zum Schweigen gebracht und er hoffte, sie würden verstehen, wie dumm sie daher geredet hatte. Natürlich war es ihm nicht möglich, solche Frauen mit zu sich nach Hause zu nehmen. Ihr Verhalten nahm ihm alle Lust, darum verabschiedete er sich kurze Zeit später mit einer höflichen Entschuldigung und ließ sie enttäuscht zurück. Das passierte zum Glück nur noch selten, denn über die Jahre hatte er ein Gespür dafür entwickelt, welcher Typ Frau so reagierte. Die schlanken, gut aussehenden, in den teuren Klamotten waren es nicht. Die waren leicht zu beeindrucken, seine galante Art gefiel ihnen. Sie bildeten sich ein, er würde sie bewundern und genossen, eitel, wie sie waren, das Gefühl ihrer vermeintlichen Macht. Keine realisierte, für wie naiv und dumm er sie hielt. Nein, es waren die Unscheinbaren, die grauen Mäuse, die froh sein sollten, dass ein Mann wie er ihnen Aufmerksamkeit schenkte, die ihn verärgerten. Seither mied er diesen Typus und konzentrierte sich auf die, die seine Bemühungen zu schätzen wussten. Hella passte weder in die eine noch in die andere Kategorie. Zweifelsohne attraktiv, war sie von ganz besonderer Art. Sie trug meist Jeans und Shirt, die langen blonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden und sah eher unauffällig aus. Sie hatte auch nicht diese grässlichen, krallenartigen Fingernägel, die von vielen Frauen heute so geschätzt wurden und die er abstoßend fand. Sie lösten Kastrationsängste in ihm aus, von denen er nicht wusste, wo sie herkamen. Nein, Hellas Nägel waren kurz und frei von Lack, was in ihrem Beruf vernünftig war. Vernünftig war genau das Wort, das auf Hella passte. Sie war auf eine erregende Art vernünftig und das war es, was sie von allen anderen Frauen unterschied und sie zum Inbegriff der Begierde für ihn gemacht hatte. Wie konnte es sein, dass sie das nicht begriffen und ihn so schrecklich gedemütigt hatte, während sie andere, mittelmäßige Typen nicht abwies. Außerdem war es nicht ungefährlich was sie tat. Es bestand immer die Gefahr, dass so ein Typ, den sie für einen Fick mit nach Hause nahm, ihn um sein Vergnügen bringen würde. Er beruhigte sich erst, wenn sie am frühen Morgen aus dem Haus kam und er sah, dass ihr nichts passiert war. Sie blieb seine Obsession, nur seine Motive hatten sich geändert. Und nun war dieser Kerl gekommen, hatte sogar bei ihr übernachtet. Ganz früh am Morgen war er allein mit seinem Dackel und ihrer Elfie aus dem Haus gekommen. Sollte sich da etwas anbahnen, mit dem er nicht gerechnet hatte, was nicht in seinen Plan passte, würde er vorbereitet sein.
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Tabea war hin und hergerissen, wenn es um Menke ging. Einerseits war er genau der Typ Mann, auf den sie abfuhr, selbstsicher, jungenhaft, liebevoll, mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Außerdem war er, im Gegensatz zu einigen ihrer früheren Beziehungen, immer gesprächsbereit. Andererseits benahm er sich oft wie ein verwöhntes Kind, dem die Mama ein Eis verweigert. Er reagierte gekränkt und schnell beleidigt. Er verstand ihren Wunsch nach Unabhängigkeit nicht, fühlte sich abgelehnt, warf ihr vor, ihn nicht genug zu lieben, drängte umso mehr auf eine gemeinsame Wohnung, Heirat und Familiengründung. Alles Dinge, die für sie in weiter Ferner lagen, für die sie noch nicht bereit war. Vielleicht nie bereit sein würde, zumindest nicht mit ihm. Darüber grübelte sie seit ihrem letzten Streit nach. Sie hatte Abstand gewollt und zu ihrem Erstaunen hatte er sich daran gehalten, sie weder angerufen noch Blumen geschickt, nicht vor dem Präsidium auf sie gewartet, nichts. Erst gestern war eine kurze WhatsApp gekommen, in der er ihr mitgeteilt hatte, wo er war und warum. Mit dieser Nachricht war sie zu ihrem Kollegen Sand gefahren, mit ihm und seiner Frau verband sie mehr als eine berufliche Beziehung; sie waren längst Freunde geworden. Sie hatte ihre Zweifel, ihre Ängste und Unsicherheiten auf den Tisch gelegt, um Rat gebeten und ihn bekommen.
„Wie du dich erinnern wirst, war Menke nicht unbedingt mein Freund, ich fand ihn arrogant, verwöhnt und nervtötend, viel zu sehr von sich eingenommen. Ich habe echt nicht verstanden, was du an dem Typen gefunden hast, aber mit der Zeit habe ich meine Meinung geändert. Warum? Weil ich hinter seine Fassade geguckt und ihn besser kennengelernt habe. Ja, er ist manchmal übereifrig, hört selten auf das, was man ihm sagt und bringt sich dadurch in unmögliche Situationen und Gefahren. Genauso oft war er aber auf der richtigen Spur, hatte den besseren Riecher. Das musst sogar du zugeben, Tabea. Hast du das mal anerkannt, es ihm gesagt, wenn er etwas richtig gut gemacht hat? So wie ich dich kenne, eher nicht. Obendrein ist er ein echt guter Freund, auf den man sich jederzeit verlassen kann. Und – wie Pawenka schon gesagt hat – wir Männer tun oft dumme Dinge, um euch Frauen zu imponieren. Nimm ihm nicht immer alles gleich so schrecklich übel, kritisier ihn nicht dauernd, schon gar nicht in Gegenwart anderer. Ich glaube, das würde ihn sehr beruhigen.“
Dann hatte seine Frau, die bislang geschwiegen hatte, hinzugefügt: „Ich kenne dich nicht sehr gut und auch den Menke habe ich erst zwei- oder dreimal getroffen, daher kann ich nicht beurteilen, was er für dich empfindet, aber wenn Norman sagt, er sei ein Guter, dann ist das so. Darauf kannst du dich verlassen, er irrt sich nicht. Und noch etwas solltest du bedenken. Ihr mit eurem Beruf seid auch nicht gerade ein Hauptgewinn. Ständig auf Abruf, immer im Einsatz, wenn nicht unmittelbar, so doch in Gedanken. Der Job kommt immer an erster Stelle, alles andere erst danach. Daran muss man sich auch erst einmal gewöhnen und wer das auf sich nimmt, muss schon einen guten Grund dafür haben. Hast du Geld? Nein? Na also, dann wird es wohl tatsächlich so was Altmodisches wie Liebe sein.“
Sie hatte gelacht, aber Tabea war klar gewesen, dass sie es ernst meinte. Eine Weile hatten sie noch über Belanglosigkeiten geplaudert, über dienstliches war verboten, da Normans Ehefrau dabei war, und dann hatte der Sandmann sie mit einer Neuigkeit überrascht.
„Tabea, ich möchte, dass du es vorerst für dich behältst, aber ich habe mich versetzen lassen, ich gehe zum K1 nach Kaiserlautern.“
Sie hatte geschluckt, überlegt, ob sie selber etwas sagen sollte. Das K11 war nicht mehr das, was es einmal gewesen war, nachdem sie Pawenka vor zwei Monaten in den Ruhestand verabschiedet hatten. Jetzt ging also auch noch Sand.
„Du weißt doch selber, ohne unseren Chef ist es nicht mehr das gleiche, egal, wie gut der neue auch sein mag. Dazu kommt, dass mein Vater mir sein Haus in Waldmohr vererbt hat, ein Geschenk des Himmels, könnte man sagen. Hier, in Ludwigshafen, zahlen wir Miete, und die frisst einen Großteil meiner Bezüge, na ja und zwei Kinder kosten auch. Da ist mir die Entscheidung nicht sonderlich schwer gefallen, aber dich, Tabea, dich werde ich wirklich vermissen.“
Sie hatte ihm versichert, seine Entscheidung sehr gut verstehen zu können, behielt aber für sich, dass sie selbst ebenfalls bereits eine Entscheidung getroffen hatte. Sie wusste nicht, warum, aber ihr war nicht mehr nach einer Diskussion darüber zu Mute gewesen. Nach einer fast schlaflosen Nacht war sie am nächsten Morgen sehr früh aufgestanden, hatte nach Tierärzten in Zweibrücken gegoogelt und da es nur eine Hella darunter gab, die Adresse schnell gefunden. Eine Stunde später war sie bereits vor der Praxis angekommen, in der am Sonntag natürlich niemand war. Ratlos hatte sie sich umgesehen und Detis Porsche wenige Meter entfernt stehen sehen. Das Klingelschild am Haus bestätigte ihr, dass sie richtig war. Sie hatte geklingelt, sich der verschlafenen Frau, die, in ihre Bettdecke gewickelt, die Tür öffnete, vorgestellt, für die Störung um Entschuldigung gebeten und erfahren, wo sie Menke vermutlich finden würde. Nun, zuerst hatte Alli sie gefunden, mit fliegenden Ohren und aufgeregtem Fiepen war er die lange Allee entlanggerannt gekommen. Seine Nase war untrüglich, wenn es um sie ging. Seit sie ihn das erste Mal bei sich aufgenommen hatte, als Menke verletzt im Krankenhaus lag, (s. „Biertrinker sind verdächtig“) liebte er sie und sie ihn. Wenige Augenblicke später sah sie auch Menke angerannt kommen, der sichtlich verblüfft reagierte, als er begriff, neben wem sein Hund da lief.
Nun stand sie neben ihm und starrte ebenso entsetzt auf die Blutstropfen am Boden und die, die noch immer aus Allis Schnauze tropften. Noch bevor sie ein Wort sagen konnte, irgendwie reagieren, hatte Menke seinen Hund schon hochgenommen und rannte los. Über die Schulter rief er ihr zu: „Pass du auf Elfie auf und sag den Leuten, ich kann jetzt nicht.“
Sie nickte, auch wenn er das nicht sehen konnte, nahm die Leine fester, aber Elfie hatte andere Pläne. Sie legte einen Schnellstart hin, den keiner diesem so behäbig aussehenden Hund zugetraut hätte, riss ihr die Leine aus der Hand und flog förmlich über den Platz, überholte Menke mühelos und rannte Richtung Heimat.
„Wie erklären wir das jetzt der Kripo?“, fragte Füßler verblüfft, bekam aber keine Antwort.
Das Team aus Pirmasens bestand aus der noch sehr jungen Kommissarin Saskia Foster, ihrem älteren Kollegen, Hauptkommissar Sven Burkhardt und den Leuten der Spurensicherung. Die beiden Kommissare ließen sich von den Streifenbeamten berichten, was sie bislang wussten, betrachteten den Toten von allen Seiten, überließen ihn dann der Spusi und kamen auf Füßler und Tabea zu.
„Wer von Ihnen hat den Toten gefunden?“, wollte Foster wissen und Füßler antwortete: „Na ja, eigentlich war das der Menke, der ist aber grad anderweitig beschäftigt. Ich war allerdings fast gleichzeitig mit ihm hier, daher kann ich sagen, dass wir niemanden gesehen und nichts angefasst haben, bevor wir unserer Bürgerpflicht nachgekommen sind und die Polizei informiert haben. Seitdem warten wir hier brav.“
„Na, offenbar nicht, sonst wäre dieser Menke ja noch hier, oder?“, widersprach die Kommissarin und wandte sich an Schwerer. „Ich hoffe, Sie haben die Personalien des Mannes aufgenommen, wenn Sie ihn schon nicht daran hindern konnten, den Tatort zu verlassen?“
„Natürlich, die Personalien haben wir, und den Fundort hat er gerade erst verlassen, weil sein Hund verletzt wurde. Aber ich bin sicher, Oberkommissarin Kühn wird für ihn bürgen“, antwortete der Gefragte sachlich, aber man merkte ihm an, dass ihn der Eifer der jungen Beamtin amüsierte.
„Oberkommissarin Kühn von der Moko Ludwigshafen“, brachte sich nun Tabea in das Gespräch ein. „Es stimmt, Herr Menke war bis vor wenigen Augenblicken noch hier. Allerdings wurde sein Hund verletzt, und zwar so sehr, dass es einer umgehenden tierärztlichen Behandlung bedurfte. Sie finden ihn sicher in der Praxis von Hella Labrius, ich habe aber auch seine Handynummer, wenn es ganz dringend sein sollte.“
„Hat dieser Menke denn überhaupt was gesehen, was uns weiterhelfen kann?“, wollte Burkhardt wissen und begrüßte erst Tabea, dann Füßler mit Handschlag.
„Nein, hat er nicht“, gab Füßler Auskunft. „Wie gesagt, wir sind im Abstand von einer halben Minute an der Leiche eingetroffen. Es war keine Menschenseele weit und breit, wir können absolut nichts zum Tathergang, oder wenn es gar keine Tat war, zu seinem Tod sagen. Ich habe die Leiche allerdings fotografiert, um eventuelle Veränderungen dokumentiert zu haben.“
„Aha, ja, das ist gut, aber kommen Sie bitte nicht auf die Idee, die im Internet zu präsentieren. Wir haben keine Ahnung, wer der Tote ist und möchten gern vermeiden, dass vielleicht eine Ehefrau über Facebook oder Twitter erfährt, dass sie Witwe ist.“
„Keine Sorge, mache ich nicht, ich bin von der Presse und weiß, wie man in solchen Fällen vorgeht.“
„Presse? Du lieber Himmel, was macht ihr denn schon hier und woher wussten Sie …?“
„Ich wusste gar nichts, ich bin rein privat als Hundehalter hier spazieren gegangen, genau wie Menke und dabei haben wir eben unglücklicherweise den Toten gefunden. Wenn nicht, wäre ich längst wieder zuhause und würde gemütlich mit meiner Frau frühstücken.“
„Ja, das wäre mir auch lieber, als mich jetzt mit einem unbekannten Todesfall abgeben zu müssen. Na gut, hilft ja nichts. Die Moko in Kaiserslautern ist verständigt, müssten jeden Augenblick eintreffen, der Staatsanwalt weiß auch Bescheid, wird sich aber kaum persönlich her bemühen. Wie kommt es eigentlich, dass ich hier eine Kollegin aus Ludwigshafen antreffe?“, wandte er sich dann an Tabea.
„Ich bin rein privat hier, keine Sorge, ich mische mich nicht in Ihren Fall ein“, lachte sie, „zumal ich Sie darum überhaupt nicht beneide. Unbekannter Toter ist immer schlecht.“
„Na ja, heute werden wir seine Identität vermutlich nicht klären können, aber morgen, spätestens übermorgen, wird ihn sicherlich jemand vermissen, dem wir dann leider mitteilen müssen, dass er tot ist.“
„Genau und das ist wenig angenehm, macht keiner gern. Also, wenn ich nicht mehr gebraucht werde …“
„Nein, vielen Dank, Sie können gehen, vielleicht sagen Sie aber ihrem Freund, dass er sich auf alle Fälle bei mir melden soll“, grinste Burkhardt und reichte ihr eine Visitenkarte. „Gucken Sie nicht so verblüfft, Frau Kollegin, wir leben in Pirmasens auch nicht hinter dem Mond und haben schon von Ihnen gehört … von Ihnen und ihrem dackelbewaffneten Superdetektiv.“
Tabea seufzte tief und schüttelte resigniert den Kopf.
„Alles klar, ich wusste nicht, dass wir bundesweit Polizeigespräch sind, aber ich sag´s ihm, sobald ich ihn sehe. Vorläufig sehe ich nur ein Auto kommen, vermutlich das K1 aus Kaiserslautern.“
Burkhardt schaute dem Fahrzeug entgegen und nickte. „Stimmt und wenn ich es richtig erkenne, die neue Chefin höchstselbst. Kennen Sie sie?“
„Was? Nein, ich wusste nicht einmal, dass die eine Chefin haben. Seit wann das denn?“
„Seit ein paar Wochen erst, kommt aus Köln, liebt Karneval und dieses fürchterliche Gesöff, das da als Bier durchgeht“, lachte er und ging mit schnellen Schritten auf das Fahrzeug zu.
„Jode Morje, Burkhardt, hat’s sie auch erwischt? Was liegt denn an, unbekannter Toter habe isch gehört?“
„Genau, keine Anzeichen äußerer Gewalt, kein Blut, nur Erbrochenes. Kommen Sie, er liegt da drüben, die Spusi ist schon fertig und hat ihn eingetütet.“
„Gut, dann kann ich wohl davon ausgehen, dass alles Wichtige getan wurde, niemand was übersehen hat und der Tote jetzt abgeholt werden kann. Wenn ihn niemand als vermisst meldet, wenden wir uns an die Presse und lassen ein Bild von ihm veröffentlichen. Irgendjemand muss den Mann schließlich gekannt haben, aber das hat Zeit bis Mittwoch, erstmal warten wir ab. Ich will vorher erst wissen, was die Obduktion ergibt. Wä sein Se dann?“, wandte sie sich plötzlich an Tabea, die einige Meter entfernt stand und zwei Beamte beobachtete, die offensichtlich Probleme hatten.
„Oberkommissarin Kühn vom K11 in Ludwigshafen, rein privat hier und nur neugierig“, gab Tabea Auskunft.
„Ach wat, die Kühne, das isch Sie heute hier treffe, damit hätte isch wirklich nicht gerechnet. Freut misch aber, habe viel von Ihnen gehört in letzter Zeit. Kollege Sand lobt sie in den höchsten Tönen, han Se a Fisternöllchen met im ov woröm maach d´r dat söns?“
Tabea sah ratlos zwischen Burkhardt und der Hauptkommissarin hin und her. Die hatte ohne Vorwarnung vom reinsten Hochdeutsch in diesen merkwürdigen kölschen Dialekt umgeschwenkt, der sie an Karneval und Songs von BAP erinnerte.
„Was meinen Sie? Kollege Sand und ich sind Partner, allerdings bin ich auch privat mit ihm befreundet, mit ihm und seiner Frau, falls Sie also andeuten wollten …“
„Kappes, isch well jar nix andeuten, erlebe nur selten, dass männliche Kollegen sich derart positiv über ihre weiblichen Partner äußern. Freut mich, dass Kollege Sand da eine Ausnahme ist. Ich bin Hauptkommissarin Sarah Schmitz us Kölle, des Hochdeutschen aber auch mächtig, seit exakt dreieinhalb Wochen Leiterin des K1 in Kaiserslautern und damit demnächst Sands’ Chefin.“
Tabea lachte laut auf, die Vorstellung der Frau amüsierte sie. Aber noch konnte sie sie nicht recht einschätzen, war nicht sicher, ob ihre joviale Art echt oder nur der Versuch war, harmlos zu erscheinen. Sie blieb erstmal reserviert. „Das weiß ich natürlich, und ich bedauere es sehr, dass Norman das K11 verlässt. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sie den besten Kollegen bekommen, den Sie sich wünschen können.“
Die Schmidt zögerte einen Moment mit der Antwort: „Davon bin ich überzeugt, auch wenn isch …“ Sie verstummte, weil die Unruhe an der Brücke zugenommen hatte. Ein Streifenbeamter winkte ihnen unter vollem Körpereinsatz, zu ihm zu kommen.
„Kümmern Sie sich da mal drum, Burkhardt, ich glaube, ich werde hier nicht mehr gebraucht und verabschiede mich. Ich bin sicher, wir sehen uns bald wieder.“
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.