Kitabı oku: «Tatort Ostsee», sayfa 13

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27

Stefan saß in seinem Büro und starrte die Wand an. Wie sollte er jetzt weiter vorgehen? Sollte er nach Olli fahnden lassen? Die berühmte Nadel im Heuhaufen suchen? Warum war ihnen diese Geschichte mit Oliver Konrad erst so spät aufgefallen? Durch diesen Fehler hatten sie ihm genug Zeit gelassen zu verschwinden. Ingmar würde ausflippen. Das Telefon klingelte. Stefan schnauzte seinen Namen in den Hörer.

»Wie ich deiner Laune entnehme, weißt du bereits, welche Schlagzeile uns morgen erwartet.«

Was kam denn jetzt noch? »Nein, Herr Staatsanwalt.«

»Nein? Dann hör mal gut zu. ›Serienkiller auf Fehmarn‹.

Finde den verdammten Mörder! Von mir aus kannst du auch diesen Schreiberling verhaften. Der hat einen Haufen Ärger angerichtet. Wegen nichts!« Ingmar Harder korrigierte sich schnell. »Wegen zwei toten Frauen auf Fehmarn. Die Medien machen einen Serienmörder aus unserem Mann! Die suchen einen zweiten Blaubart für ihre Verkaufszahlen.«

Stefan zündete sich die nächste Zigarette an. Der Blaubart von Fehmarn hatte in den 70er-Jahren vier Frauen ermordet und zersägt. Stefan hoffte wirklich, dass er es nicht mit so einem Irren zu tun hatte. »Ingmar, was soll ich denn machen? Wir arbeiten wie die Tiere und vielleicht haben wir auch eine heiße Spur. Dieser Typ, Oliver Konrad, der hat sich in Widersprüche verstrickt.«

»Dann nehmt ihn in die Mangel!«

Stefan zog noch einmal tief an seiner Zigarette, bevor er die Bombe platzen ließ. »Er ist weg.«

Am anderen Ende der Leitung wurde es für eine Sekunde still. Stefan hielt den Hörer etwas von seinem Ohr entfernt. Er wusste, dass der Staatsanwalt gleich toben würde.

»Er ist was?«

»Keine Sorge! Wir kriegen ihn!« Stefan fragte sich, woher er seine Zuversicht nahm.

»Das will ich schwer hoffen! Gib eine Fahndung raus! Verdammt! Was wollen wir denn der Presse sagen? Wir müssen uns jetzt mal äußern, sonst schreiben die weiter diese Horrormeldungen. Verdammte Scheiße! Ruf mich an, wenn ihr irgendwas in der Hand habt oder diesen Surflehrer findet.«

Ingmar hatte aufgelegt. Stefan atmete tief durch. Er öffnete den Ordner und sah sich die Autopsieberichte noch einmal genauer an. Die Bilder der jungen Frauen auf dem Sektionstisch ließen ihn frösteln. Er zog seine Schreibtischschublade auf und kramte die unscheinbare Flasche Apfelsaft hervor. Chivas Regal. Zwölf Jahre alt. Er kippte den kalten Rest Kaffee in den Topf des längst eingegangenen Gummibaums und schenkte die Tasse halb voll. Nach einem kräftigen Schluck ging es ihm besser. Er konnte wieder denken. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder, Oliver Konrad hatte seine Freundin umgebracht und vorher schon mal geübt, oder ein Irrer hatte die beiden Frauen zufällig ausgewählt, weil sie sich ähnlich sahen. Stefan pfiff durch die Zähne. Oder sahen sie einer unbekannten Dritten ähnlich, von der sie noch nichts wussten?

Ben ließ das letzte Lammfilet unauffällig unter den Tisch fallen.

»Das hab ich gesehen!«, schimpfte Sophie. »Morgen macht Pelle Diät!«

»Wenn sein herzloses Frauchen ihm nichts übrig lässt!«

»Ich hab hier einfach Hunger, das ist alles!«, rechtfertigte sich Sophie. »In Hamburg bin ich so eine Salat- und Sushizicke.«

»Sushizicke?«

»Ja, Sushi! Ich esse mit großer Begeisterung rohen Fisch.«

»Ach, darum bist du ständig unter Wasser!« Er nickte verständnisvoll. »Du naschst ein bisschen!« Sophie lachte laut. Er stimmte mit ein. Ihr Lachen war einfach ansteckend. »Wie wäre es noch mit einem Bierchen am Strand?«

»Gute Idee!«

Sie zahlten und fuhren zurück nach Gold. Sophie parkte ihren BMW auf der Wiese. »Und wo kriegen wir nun Bier her? Hanjo scheint die Bude schon geschlossen zu haben.«

Ben klimperte mit dem Wohnmobilschlüssel. »Ollis Kühlschrank ist voll mit dem Zeug und ich habe seine Erlaubnis, weil ich morgen seinen Kurs übernehme.«

»Wow!«

Sie gingen zum Wohnmobil. Ben schloss auf und holte ein Sixpack aus dem Kühlschrank. Schweigend spazierten sie an den kleinen Sandstrand, setzten sich in den Sand und öffneten die ersten Flaschen.

»Was für eine warme Nacht!«, schwärmte Sophie und fummelte eine Zigarette aus der Schachtel.

Ben gab ihr Feuer. »Ja! Bei so einem Wetter kann ich mich wunderbar an Phuket erinnern, an den Strand von Bang Tao. Das abendliche Bier war Pflicht. Na ja, dafür fiel das Frühstück meistens aus.«

Sie lächelte. »Ich war mal da und habe im Banyan Tree Resort gewohnt. Kennst du das?«

Ben pfiff durch die Zähne. »Ob ich das kenne? Ja klar, von außen. So einen wie mich lassen die da nicht rein. Das Hotel hat doch mindestens 17 Sterne, oder so.«

Sophie lachte. »Sechs, um genau zu sein.«

»Aber du warst doch nicht nur im Hotel? Du warst doch bestimmt auch mal am Strand, ein Stück weg von den großen Hotels?« Sie schüttelte den Kopf. »Wie jetzt? Willst du mir erzählen, du warst auf Phuket und hast außer dem Hotel nichts von der Insel gesehen? Du warst nicht einmal in einem der Strandrestaurants Fisch essen, die Füße im warmen Sand?«

»Ich war dort nicht allein und damals erschien mir das Bett in einem Hotelzimmer schöner als alles, was die Insel mir hätte bieten können. Wir hatten uns ein paar gemeinsame Tage gestohlen und …« Sie überlegte kurz und zog an ihrer Zigarette. »Das war alles in einem anderen Leben. Und mittlerweile auch uninteressant. Erzähl mir lieber, wie du da gelebt hast.«

Alles war in dieser Sekunde wieder da. Ben atmete tief durch. »Ich war dort sehr glücklich und ich habe dort eine Katastrophe erlebt.« Sophie sah ihn fragend an. Ben beschloss, ihr alles zu erzählen. Am Ende liefen ihm Tränen über die Wangen, ohne dass er es bemerkte. »Und dann wollte ich nicht mehr dort sein ohne sie. Ich wollte …« Sophie nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn. Er hatte nicht erwartet, dass es sich so gut anfühlen würde. Er zögerte noch kurz, dann erwiderte er ihren Kuss. Sie lagen im Sand und küssten sich. Sie schien genauso verzweifelt nach Nähe zu suchen wie er. »Sophie?«

Sie schnurrte leise. Ben griff in seine Hosentasche und zog den Wohnmobilschlüssel raus. Er zeigte ihn ihr schweigend. Sie suchte seine Hand. Er ergriff sie. Sein Körper kribbelte. Nein, so was würde ihm nicht wieder passieren. Er würde aufpassen.

Tina genoss die Ruhe und die warme Nacht auf der Terrasse. Die Kinder schliefen und Sophie war noch nicht zurück. Sie überlegte gerade, ob sie sich ein Buch holen sollte, als das Telefon klingelte.

»Ich bins. Hallo Schatz«, meldete sich Stefan. »Na, was machst du gerade?«

Tina lachte leise. »Ich sitze im Garten und habe gerade überlegt, ob ich einen Krimi lesen will. Ich hab das erste Mal seit Monaten einen entspannten Abend allein. Die Bande pennt. Wir waren zusammen am Strand und …«

»Wo ist denn Sophie?«

»Sie ist nicht da. Sie ist essen gegangen, mit ihrem Surflehrer.«

»Mein Gott! Doch nicht mit diesem Olli?«

»Nein, mit Ben«, antwortete sie gereizt. »Was zum Teufel ist denn los mit dir? Sophie ist erwachsen!«

»Entschuldige! Ich hatte einen beschissenen Tag und ausgerechnet du bekommst jetzt meine miese Laune zu spüren. Wir waren heute Morgen schon auf Fehmarn …«

»Du warst hier?« Tina fragte sich, ob sie ihn richtig verstanden hatte. »Und du sagst nicht mal deinen Kindern ›Hallo‹?«

»Ich war nicht zu meinem Vergnügen da. Wir haben einen Verdächtigen.«

»Was? Wen?«

»Du weißt genau, dass ich dir das nicht sagen darf!«

Tina zählte schnell ein und eins zusammen. »Das ist doch Quatsch! Olli würde keiner Fliege was antun.«

»Wie kommst du denn auf Olli? Ich habe ihn nicht erwähnt.«

Ihr eigener Mann schien sie für blöd zu halten. »Verdammt, Stefan! Du bist ganz verrückt geworden, als du dachtest, Sophie sei mit Olli aus.«

Stefan schwieg ein paar Sekunden. »An dir ist ja eine echte Detektivin verloren gegangen«, seufzte er dann. »Tina, du darfst niemandem was davon sagen, aber Olli hat sich tatsächlich verdächtig gemacht. In seiner Zeugenaussage hat er angegeben, dass er Sarah Müller nur flüchtig kannte. Soviel ich weiß, hatten sie aber eine Affäre.«

»Das ist alles?«, fragte sie erleichtert. »Was beweist das schon? Olli wird einfach Angst bekommen haben. Und eine Affäre ist doch auch keine Beziehung. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht, woran er bei ihr war.«

»Er ist weg!«, fügte Stefan trotzig dazu.

Tina trank einen Schluck Schorle. »Dann frag doch Ben. Der weiß bestimmt, wo Olli steckt.«

»Der Vogel, der jetzt in seinem Wohnmobil haust? Der sagt, er weiß nichts. Schatz, ich muss Schluss machen. Auf meinem Tisch stapeln sich die Akten und der Staatsanwalt geht mir auch auf die Nüsse. Lies morgen die Zeitung und du verstehst, warum Ingmar nicht besonders entspannt ist. Ich liebe dich.«

Tina ließ sich wieder in den Liegestuhl sinken. Wozu brauchte sie einen Krimi, fragte sie sich zynisch. Sie hatten doch selbst einen Mörder. Aber doch nicht Olli? Der war doch ein harmloses Schaf. Schon in der Schule war er immer das arme Schwein gewesen, das man beim Mogeln erwischt hatte. Tina grinste, als sie sich an die alten Zeiten zurückerinnerte. Olli hatte nur Augen für Fenja gehabt. Er hatte sie angebetet und in seiner Schwärmerei nicht mal mitgekriegt, dass sie einem anderen heimlich Kekse zusteckte. Tina schüttelte kichernd den Kopf. Gott, wie lange war das alles her! Ob man heute noch mit Keksen beeindrucken konnte? Jedenfalls hatte sich dieser dünne Junge immer sehr über die Plätzchen gefreut. Wie hieß er denn noch gleich? Ach ja, der dünne Benny. Tina rutschte das Glas aus der Hand und zersplitterte auf dem Boden.

Ben!

28

Sophie ging Hand in Hand mit Ben den Strand entlang. Was machte sie nur, fragte sie sich verwirrt. Sie hatte das Gefühl, überhaupt nicht mehr sie selbst zu sein. Sie benahm sich wie ein verknallter Teenager. Es musste am Alkohol liegen. Sie war dabei, mit einem Surflehrer in die Kiste zu springen. Doch anstatt dieses Abenteuer einfach zu genießen, war in ihrem Magen ein Kloß. Sie hatte das Gefühl, Felix zu betrügen. Der Gedanke war absurd. Sie musste ihn endlich aus dem Kopf kriegen, die Flucht nach vorn angehen. Schon aus diesem Grund war die Idee, mit Ben zu schlafen, eine gute. Sie war Felix immer treu gewesen und konnte sich kaum noch an die Geschichten erinnern, die vor seiner Zeit lagen. Und wenn sie sich gleich lächerlich machte? Sophie wurde plötzlich unsicher. Ben hatte sicher unzählige Schülerinnen verführt. Auf der anderen Seite hatte er seine große Liebe verloren. Würde er sie mit dieser schönen Thailänderin vergleichen? Vielleicht sollte sie doch einfach nach Hause fahren. »Pelle?«

»Er ist hier«, flüsterte Ben und küsste ihren Hals. Sein Kuss fühlte sich weich an. Sophie wusste, dass sie es nicht mehr stoppen konnte und wollte es auch nicht. Ben schloss das Wohnmobil auf und sie trat ein. Er zündete eine Kerze an. In dem flackernden Licht zog er sie zu sich.

»Was machen wir mit Pelle?«

»Er hat draußen mehr Spaß. Pelle! Hey, du darfst draußen bleiben! Aber nicht zu weit weglaufen.« Pelle grunzte zufrieden und trabte schnüffelnd davon. Sophie schloss die Tür und sah Ben an. Er erwiderte ihren Blick und zog lächelnd die Augenbrauen hoch.

»Komm!«, flüsterte er und zeigte auf das Alkovenbett.

Sophie nickte und stieg die Leiter hinauf. Ben nahm die Kerze und folgte ihr. Sie zogen sich gegenseitig langsam aus. Immer wieder küssten sie sich. Erst sanft, dann wurden sie immer leidenschaftlicher. Sophie vergaß alles um sich herum. Als sie später erschöpft dalagen und sich immer noch festhielten, musste Sophie wieder an Felix denken. An die Nächte in den vielen Luxushotels. Es war immer alles perfekt und sauber gewesen. Der Champagner hatte auf dem Nachttisch gestanden und die Kleidung ordentlich über einem Stuhl gelegen. Selbst der Sex war gewissermaßen aufgeräumt. Sie hatten gewusst, was der andere erwartete und erfüllten sich gegenseitig ihre Wünsche. Danach waren sie unter die Dusche gesprungen. Als Sophie jetzt verschwitzt in Bens Armen lag und den Sand auf ihrem Körper spürte, fühlte sie sich einfach wohl. Er küsste zärtlich ihren Nacken und sie schmiegte sich an ihn. Sie würde sich doch jetzt nicht verlieben? Ausgerechnet in einen Typen, der in einem Bus hauste. Lächelnd schlief Sophie ein. Mitten in der Nacht schreckte sie plötzlich hoch. »Pelle!«

Ben zog sie zu sich und strich ihr Haar aus der Stirn. »Pst! Du weckst ihn noch auf.« Sophie sah ihn fragend an. Er nickte mit dem Kopf. »Er schläft da unten. Ich hab ihn reingeholt.«

Tatsächlich, ihr Liebling lag auf einer Decke am Boden und schnarchte zufrieden. »Danke.«

»Purer Egoismus! Wenn dein Hund mich nicht mag, hab ich bei dir doch keine Chance.«

»Du bist ja ganz schön berechnend!«

Ben lachte leise. »Ich versuche einfach nur, an alles zu denken, wenn ich mir dadurch eine blonde Schönheit einfangen kann.«

29

Dienstag

Ben rollte sich auf die Seite. Lächelnd beobachtete er Sophie im Schlaf. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücken und atmete ruhig. Die Morgensonne fiel auf ihr Gesicht. Nachdenklich schüttelte Ben den Kopf. Er hatte sich nach Lamais Tod fest vorgenommen, sich nie wieder zu verlieben. Neben einer anderen Frau aufzuwachen, wäre ihm wie ein Verrat erschienen. Und jetzt lag Sophie neben ihm und er würde sie am liebsten hierbehalten, obwohl er sie kaum kannte. Plötzlich schlug Sophie die Augen auf und sah sich verwirrt um.

»Guten Morgen«, flüsterte Ben.

Sophie setzte sich panisch auf. »Wie spät ist es?«

»Halb acht und für mich wird die Nacht auch unvergesslich bleiben«, schmunzelte er.

Sie rieb sich verschlafen die Augen. »Entschuldige! Ich bin wohl ein bisschen neben der Spur. Ich …«

Ben küsste sie zart auf den Mund.

»Tina wird sich Sorgen machen.«

Er streichelte ihren Hals.

»Ben, ich muss los!«

Seine Hand wanderte tiefer und er küsste sie wieder. Sie ließ sich zurück ins Kissen fallen und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Er zitterte leicht. Selten hatte eine Frau ihn so verrückt gemacht. Plötzlich bellte Pelle wie verrückt.

»Meine Güte, was hat er denn?«

Sophie fing an zu kichern. »Er ist eifersüchtig! Außerdem springt er morgens gerne zu mir ins Bett. Das schafft er hier ja wohl kaum.«

Ben stöhnte und rollte sich auf den Rücken. »Sie hat einen Anstandswauwau!«

Sophie kletterte die Leiter hinunter. Ben hatte sich eigentlich einen anderen Start in den Tag erhofft und jetzt brauchte er dringend eine kalte Dusche. Er hörte, wie Sophie ihren Hund begrüßte und ihm die Tür öffnete.

»Kannst du mir bitte meine Klamotten runterwerfen?«

Ben setzte sich auf und sah zu ihr nach unten. »Hol sie dir doch!« Sie lächelte ihn bezaubernd an und schüttelte den Kopf. »Dann sag, dass ich nicht nur ein Mann für eine Nacht war!«, flehte er ironisch und bemühte sich, möglichst dramatisch auszusehen.

»Aber, so ist es eben, mein Liebster«, entgegnete Sophie ernst. Dann fing sie an zu lachen. Ben stimmte mit ein. Ihr Lachen liebte er wirklich. Er sammelte ihre Sachen ein und kletterte nach unten. »Ihre Kleidung, Madame.«

Sie nahm ihm das Bündel aus dem Arm. »Danke, der Herr!«

»Sophie!« Er sah sie ernst an. »Ich bin wirklich sehr gern mit dir zusammen. Der Abend war toll, auch wenn wir nicht im Bett gelandet wären.«

»Ich bin ehrlich gesagt ziemlich durcheinander. Es ist eine Weile her, dass ich die Nacht mit einem Mann verbracht habe, den ich kaum kenne.«

Sein Herz klopfte plötzlich. »Du bereust es doch nicht?«

»Was? Nein!« Sie lächelte. »Wir hatten doch jede Menge Spaß! Du bist ein interessanter Mann und ich möchte noch viel mehr über dich wissen. Aber jetzt muss ich erst mal Pipi und dann schleunigst zurück zu Tina.« Sophie ging ins Bad.

Er sah ihr nach. Ihr Körper war bei Tageslicht genauso umwerfend wie im Kerzenschein. Ben fuhr sich durch die Haare und beschloss, Kaffee zu machen. Ob sie das wirklich ernst gemeint hatte? Mochte sie ihn wirklich? Ben stellte einen Topf mit Wasser auf die Gasflamme und löffelte löslichen Kaffee in zwei Becher. Seine Hände zitterten leicht. Diese Frau machte ihn wirklich nervös. Sie war schön und clever. Die Nacht mit ihr war unglaublich gewesen. Er würde sich ins Zeug legen müssen. Nach all den langweiligen Frauen war sie eine echte Herausforderung.

Sophie schloss aufgewühlt die Badezimmertür hinter sich. Was für eine Nacht! Sie musste komplett verrückt geworden sein. Anders war es wohl kaum zu erklären, dass sie mit einem mehr oder weniger obdachlosen Womanizer ins Bett gegangen war. Die Sache mit Felix hatte zwar auch mit einer spontanen Nacht angefangen, aber sonst hatten die beiden Geschichten nichts gemein. Sie konnte Ben immer noch riechen. Wenn sie an seine kräftigen braunen Arme dachte, kribbelte es in ihrem Bauch. Und er küsste fantastisch, unter anderem. Was auch immer geschehen würde, sie hatte jetzt zumindest eine Erinnerung, die den Sex mit Felix übertraf. Allein dafür war es doch gut, sagte sie sich und sah in den Spiegel. Eine zerzauste Frau grinste ihr dämlich entgegen. »Ach du meine Güte!«, murmelte Sophie. Sie sah tatsächlich aus wie ein verknalltes Mädchen. Sie sollte schleunigst abhauen und einen klaren Kopf bekommen. Sophie setzte sich auf die Toilette und sah sich um. Das Badezimmer war viel größer, als sie gedacht hatte, und hervorragend ausgestattet. Es gab eine kleine Badewanne, die auch als Duschkabine diente, ein Waschbecken und natürlich das Klo. Auf einem modernen Regal aus Edelstahl lagen Duschgel, Zahnpasta und Zahnbürste. Sogar zwei exklusive Rasierwasser standen dort. Olli hat es wirklich nicht schlecht hier. Das Badezimmer ihrer ersten Studentenbude war nicht größer gewesen. Olli! Hatte die Polizei wirklich ihn in Verdacht? Das war doch lächerlich! Wahrscheinlich gab es eine ganz einfache Erklärung, warum Stefan persönlich auf die Insel gekommen war. Olli konnte zwar ein Hitzkopf sein, das hatte sie selbst zu spüren bekommen, aber doch kein Mörder. Außerdem waren zwei Frauen tot und die Todesursache hatte nichts mit einer spontanen Tat zu tun. Die Morde waren genau geplant gewesen. Warum war Olli nur so dumm und lief davon? Das machte doch alles keinen Sinn. Sophie ließ sich kaltes Wasser über das Gesicht laufen, bis sie sich wieder frischer fühlte. Dann griff sie nach der Zahnpasta und putzte mit dem Finger.

»Bist du ins Klo gefallen?«, fragte Ben durch die dünne Tür.

»Nein! Ich bin gleich da.« Plötzlich wurde sie unsicher. Es war eine tolle Nacht gewesen, doch jetzt im Sonnenlicht sah die Welt ganz anders aus. Ben passte wirklich nicht in ihr Leben und sie nicht in seins. Auf der anderen Seite wollte sie ihn nicht gleich heiraten. Sophie schlüpfte schnell in ihre Klamotten und sah noch einmal in den Spiegel. Ihre Lippen formten einen stummen Satz. ›Du bist eine dumme Kuh!‹ Ein Lächeln umspielte ihren Mund und sie bekam es nicht weg. Das Ganze war doch total verrückt! Energisch drehte sie sich zur Tür. Dann blieb sie ruckartig stehen. Ollis Zahnbürste! Sie müsste reichen, um eine DNA-Analyse machen zu können. Hastig ließ sie die Zahnbürste in ihrer Hosentasche verschwinden.

Olli erwachte verwirrt. Irgendwer hatte seine Schulter gepackt und schüttelte ihn.

»Steh endlich auf! Ich komm nun schon das dritte Mal vorbeigefahren, um dich wachzurütteln.«

Olli öffnete die Augen. Ach ja, er war in Hamburg.

»Hier! Aspirin!« Tobias und reichte ihm ein Glas. Olli setzte sich stöhnend auf und trank gierig, ohne einmal abzusetzen. »Danke! Ich hab vielleicht nen Schädel. Wie spät ist es?«

»Es ist nach acht und ich muss um neun im Laden sein. Wenn du noch mit mir frühstücken möchtest, dann steh endlich auf! Bagels mit Räucherlachs warten auf dich. Dazu wunderbarer Milchkaffee und frisch gepresster Orangensaft. Hast du den Rotwein noch plattgemacht?«

Olli nickte. Er war nicht stolz drauf und ärgerte sich, dass er so neben der Spur war. »Sorry, ich bin ein Idiot. Ich spring schnell unter die Dusche.«

10 Minuten später zog Olli sich seinen Jogginganzug an. Seine Beine waren wie Brei, doch er musste an die frische Luft. Er musste sich bewegen und den Kopf klar bekommen. Wenn er sich immer nur zuschüttete, würde er nicht weiterkommen. Er musste es endlich mal verarbeiten, statt sich zu betäuben. Olli ging in die Küche. Tobias blätterte in einer Surfzeitschrift.

»Jogginganzug wegen Sofavormittag vor der Glotze? Oder hast du wirklich vor ein bisschen Sport zu machen?«

»Ich will mich tatsächlich ein bisschen um die Häuser quälen. Ich muss wieder fit werden. Ach, Tobias. Ich lass mich hier gehen und dabei bist du derjenige, der Grund zu jammern hätte.«

»Ich?« Tobias sah ihn mit gespieltem Entsetzen an. »Mir geht es prächtig! Mein Geschäft läuft bombig. Olli, deine Freundin ist tot. Du hast jeden Grund, dir eins auf die Lampe zu gießen, aber ich freu mich, dass du jetzt den Arsch hochkriegst.«

Olli schluckte. »Sie war nicht so richtig meine Freundin … Sie hat Schluss gemacht.«

»Mensch, Olli, das macht doch keinen Unterschied. Ihr seid euch mal sehr nah gewesen. Wir frühstücken jetzt erst mal und dann lässt du dir die Birne freipusten. Ich koch uns später was Feines!«

Olli nickte und trank einen Schluck Kaffee. Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass er keinen Bissen runter bringen würde, aber als er die üppig belegten Bagels sah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

»Du hast geduscht. Du isst.« Tobias grinste ihn an und nickte. »Lass dir das von einem Mann mit Erfahrung sagen, du bist auf dem Weg der Besserung.«

Olli atmete tief durch. Er konnte sich wirklich glücklich schätzen, Freunde wie Ben und Tobias zu haben. »Du bist ein Schatz. Wirklich!«

Tobias machte ein entsetztes Gesicht. »Du wirst dich jetzt aber doch nicht in mich verlieben, oder? Ne Olli, vergiss es. Ich habe es vielleicht mal nötig, aber du bist nicht mein Typ!«

Olli sah ihn erschrocken an. Erst als Tobias anfing zu lachen, stimmte er erleichtert mit ein. »Du Arsch! Warum bist du nicht Schauspieler geworden. Mann! Eine Sekunde dachte ich, du meinst das ernst!«

Tobias wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Dein Gesichtsausdruck eben! Wenn ich könnte, würde ich mit den Beinen trampeln.« Es dauerte noch ein paar Minuten, bis Tobias sich wieder im Griff hatte. »Olli, das hier meine ich wirklich ernst. Ich möchte eine zweite Filiale eröffnen und ich brauche einen Mann, dem ich absolut vertrauen kann. Ich kann schwer von einer Ecke der Stadt in die andere fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Zumindest noch nicht. In zwei Jahren habe ich hoffentlich die Kohle für ein behindertengerechtes Auto zusammen. Wird aber leider eher ein Golf und kein Mustang. Egal jetzt. Vielleicht ist das eine Alternative zu deinem jetzigen Leben? Ich muss jetzt los. Wir sehen uns heute Abend.«

Die Tür fiel ins Schloss. Olli trank seinen Orangensaft und dachte nach. Vielleicht war das wirklich eine Chance, aus allem rauszukommen und eine echte Perspektive zu haben. Geschäftsführer in einem Laden, voll mit Equipment, mit dem er sich wirklich auskannte. Eigentlich wollte er Fehmarn nie verlassen. Aber jetzt? Er war doch bereits dabei, verrückt zu werden.

Sophie lenkte den BMW auf Tinas Auffahrt. Sie öffnete die Autotür, um Pelle rauszulassen. Sie selbst blieb im Wagen und wählte die Handynummer von Lutz.

»Ja!«, meldete sich der Rechtsmediziner schlecht gelaunt.

»Lutz? Hey, ich bins, Sophie!«

»Ich weiß! Steht auf meinem Display!«

Ich gehe ihm auf die Nerven, stellte Sophie fest. Und ich werde ihm gleich noch viel mehr auf die Nerven gehen! »Keinen guten Start in den Tag gehabt?«

»Was willst du jetzt schon wieder?«

»Auf den neusten Stand der Dinge kommen. Was kam bei der zweiten Obduktion raus? Ich dachte, du wolltest mich anrufen!«

»Derselbe Scheiß!«, brummte Lutz Franck. »Ich weiß das jetzt ganz sicher.«

»Dann gibt es tatsächlich zwei Mordopfer. Was ist mit den weißen Partikeln?«

»Weiß ich noch nicht.«

»Salz oder Zucker?«

»Nee, löst sich in Wasser auf. Jetzt geh mir nicht auf den Keks.«

Sophie beschloss, sich nicht einfach abschütteln zu lassen.

»Mehl?«

»Auch nicht. Mehl klumpt. Du wirst dich schon gedulden müssen, bis die Jungs vom LKA mit der Stoffanalyse fertig sind«, meinte Lutz genervt. Dann atmete er tief durch. »Außerdem ist Mehl feiner. Das Zeug sieht eher aus wie Waschpulver, aber das hätte sich auch aufgelöst.«

»Waschpulver?« Sophie dachte einen Moment nach. »Was ist mit Scheuerpulver oder Scheuermilch?«

»Was?«

»Na Ata, Viss, das Zeug eben, mit dem man Waschbecken und Wannen reinigt?«

»Nicht übel! Würde gut zu dem Fall passen. Da muss ich tatsächlich mal ›Danke‹ sagen.«

»Brauchst du nicht«, meinte Sophie großzügig. »Du kannst mir stattdessen lieber einen Gefallen tun.«

»Vergiss es!«

Sophie beschloss, ihm keine Wahl zu lassen. »Es ist eine Kleinigkeit. Ihr habt doch die DNA von ihrem letzten äh …?«

»Stecher? Stimmt, aber was heißt das schon? Nur, dass sie vor ihrem Tod noch mal Sex hatte. Und sie ist nicht vergewaltigt worden. Ist doch schön für sie.«

»Ihr Pathologen habt einen kranken Humor!«

»Was ist?«

Sophie schluckte. »War das Sperma frisch?«

»Sophie, ich kann dir nicht sagen, wann genau sie Sex hatte. Aber es war an dem Tag, Abend, was weiß ich. Jedenfalls hatte sie noch nicht geduscht. Krank genug, dass es jemand heute noch ohne Gummi macht.«

»Aber dann gibt das doch einen Hinweis auf den Menschen, der sie kurz vor ihrem Tod noch gesehen hat.«

»Gevögelt hat!«, sagte Lutz kalt.

»Ich habe einen Verdächtigen!«

»Sag mal, spinnst du jetzt?«, schnauzte er in den Hörer.

»Nein! Es dauert zu lange, dir das alles zu erklären, aber ich habe seine Zahnbürste. Damit muss sich doch was rausfinden lassen.« Ein paar Sekunden lang sagte er kein Wort.

»Lutz?«

»Schon gut, ich bin noch dran! Die Antwort lautet ja. Wenn die Zahnbürste ihrem letzten Lover gehört hat, dann kann man das beweisen. DNA-Analyse! Das weißt du doch!«

Sophie ignorierte seinen gereizten Tonfall und plauderte mit Begeisterung weiter. »Das ist doch super! Lutz, ich würde dich nicht drum bitten, wenn es nicht sehr wichtig wäre, aber du musst die Proben mal kurz vergleichen.«

»Kurz vergleichen? Das ist nicht so schnell gemacht! Du spinnst doch!«

Sophie wusste, dass eine DNA-Analyse Tage dauerte, aber sie hatte die Hoffnung, dass Lutz sich persönlich darum kümmern würde. Vielleicht ließ sich das Ganze irgendwie beschleunigen. Er musste es einfach versuchen. »Ich muss auflegen! Ich bin in zwei Stunden da und bring dir die Zahnbürste! Ich danke dir!«

»Sophie …«

Sophie drückte das Gespräch weg, atmete tief durch und ging ins Haus. Wenn es wirklich Ollis DNA war, dann war Sarah vor ihrem Tod ohne Zweifel mit ihm zusammen gewesen. »Das beweist rein gar nichts!«, zischte sie leise. Aber warum zum Teufel war Olli dann untergetaucht?

Tina saß auf der Terrasse und starrte in den Garten. Sie war wütend. Auch wenn Sophie erwachsen war, konnte sie doch nicht einfach die ganze Nacht wegbleiben, ohne sich abzumelden. Immerhin lebten sie im Handyzeitalter und da draußen war vielleicht ein Irrer unterwegs. Tina wollte gerade einen Schluck Kaffee trinken, als Pelle in den Garten preschte. Sie stellte den Becher ab und sprang auf.

»Pelle! Wo ist denn dein Frauchen?« Der Labrador stürmte begeistert auf sie zu und bellte glücklich. Sie kraulte ihm den Nacken und wartete. Drei Minuten später kam Sophie endlich um die Ecke.

»Morgen, Tina!«

»Wo warst du?«

»Ich habe noch kurz telefoniert«, erklärte Sophie mit Unschuldsmiene. »Im Auto.«

»Wo du warst?«

»Ich hab die Nacht mit meinem Surflehrer verbracht, Mum.«

Tina ließ die Faust auf den Tisch krachen. »Hab ichs doch gewusst! Du musst verrückt geworden sein!«

Sophie klaute sich ihre Tasse und trank einen Schluck. »Igitt, der ist ja kalt. Was stört dich dran? Es war sehr nett.«

»Es war sehr nett? Mensch, Sophie, der Typ ist doch nicht ganz dicht.«

»Warum? Weil er ein paar Jahre weg war von eurer Insel oder wieso?«, fragte Sophie trotzig.

»Er lebt in einem Bus!«

»Ich wollte ihn auch nicht heiraten und bei ihm einziehen! Ich hab einfach mal …«

»Ich will keine Einzelheiten!«

Sophie lächelte sie entschuldigend an. »Ach Tina, tut mir leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast. Ich hatte das wirklich nicht geplant. Es ist einfach passiert. Stell dir vor, ich habe es endlich mal geschafft, Felix für eine ganze Zeit zu vergessen. Ich hatte Spaß und Ben ist ein toller Mann.«

»Klingt ja fast so, als hättest du dich verknallt!«

»Mir wird das jetzt zu blöd. Mir scheint, du gönnst mir mein kleines Abenteuer nicht.«

»Was hast du denn bis jetzt herausgefunden?«

»Wenn dein Mann dich hören könnte! Na ja, nicht viel. Zumindest weiß ich, dass Stefan auf der Suche nach Olli ist. Und ich habe erfahren, dass Fenja damals rausgesurft und nie zurückgekommen ist. Sie war wohl eigentlich sehr gut. Ob das irgendwas mit den Morden zu tun hat, ist wohl eher auszuschließen. Viel zu lange her.«

»Ich verstehe«, flüsterte Tina übertrieben geheimnisvoll.

»He, verarsch mich nicht! Merkwürdig ist es doch trotzdem, dass auch Sarah eine Freundin von Olli war, oder?«

»Du denkst doch nicht auch, dass Olli …?«

»Nein, das glaub ich nicht. Er ist sicher nicht ganz glücklich bei dem Gedanken, dass er früher oder später den Hof übernehmen muss, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass er den Knast vorzieht.«

»Wäre doch ne tolle Schlagzeile:

›Mörder wollte weg von Mama‹.« Tina sah Sophie ernst an. »Die von heute ist auch nicht schlecht: ›Serienkiller auf Fehmarn‹. Willst du den Artikel mal lesen?«

»Später. Ich muss kurz nach Lübeck, beruflich! Ich bin heute Mittag wieder da und ich bring uns irgendwas Feines zu essen mit. Kann ich Pelle hierlassen?«

»Klar kann er hierbleiben und ich hätte gerne Sushi. Und ich will heute Mittag alles wissen!«