Kitabı oku: «Tatort Ostsee», sayfa 14
Sophie lachte kurz und stürmte nach oben, um zu duschen. 10 Minuten später startete ihr Wagen. Was hatte sie jetzt nur wieder vor, fragte sich Tina. Sie schämte sich ein bisschen. Warum hatte sie nur so hysterisch reagiert? Wenn ihre Freundin eins verdient hatte, dann wohl ein bisschen Ablenkung. Tina kicherte, als sie sich plötzlich erinnerte. Bens Eltern hatten doch diesen Fimmel für Gartenzwerge. Ja, der ganze Garten stand voll mit kleinen Tonmännern. Wahrscheinlich wäre sie dann auch von zu Hause weggerannt. In ihrem Magen war plötzlich ein Kloß. Sie schluckte, doch sie bekam das ungute Gefühl nicht weg. Da war noch was anderes. Es lag schon viele Jahre zurück. Ihre Eltern hatten davon gesprochen und sie hatte es als kleines Mädchen zufällig mit angehört. Es war entsetzlich und hatte mit Bens Schwester zu tun.
30
Hanjo sah sich erschöpft in der Bistroküche um. Sie glich einem Schlachtfeld. Auch wenn er heute Morgen keine Horde Schüler hatte, die er bewirten musste, waren doch einige Gäste zum Frühstück gekommen. Irgendwie hatte er es ohne Hilfe geschafft. Jetzt waren noch fünf Tische besetzt, an denen Surfer und Kiter ihren letzten Schluck Kaffee tranken. In der ganzen Hektik hatte Hanjo das dreckige Geschirr überall dort abgestellt, wo ein bisschen Platz war. Er wollte sich erst mal einen klitzekleinen Rum genehmigen, bevor er sich ans Aufräumen machte. Er goss sich gerade ein Gläschen ein, als in der Gaststube das Telefon klingelte.
»Surf- und Kiteschule Gold.«
»Hallo! Anja Schneider hier. Ich würde gerne mit Hanjo …«
»Am Apparat«, ging er dazwischen. Lieber Gott, lass es die Aushilfe sein, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel.
»Oh, sehr gut«, fuhr Anja Schneider fort. »Ich habe ihre Nummer vom Hotel Ostseeblick. Man hatte mir dort …«
»Wann können Sie anfangen?«, unterbrach er sie glücklich.
»Sie scheinen ja wirklich dringend Hilfe zu brauchen, Herr Peters. Sofort?«
»Wunderbar! Kommen Sie einfach vorbei.« Hanjo legte auf und gönnte sich zur Feier des Tages gleich noch ein Schnäpschen. Die Bistrotür öffnete sich und Clara kam rein. »Schnaps? Um diese Zeit?«
Kümmere dich doch um deinen eigenen Kram, dachte Hanjo mürrisch. Clara mochte eine sehr begabte Sportlerin sein und zudem ein hübsches Mädchen, aber sie war ihm unsympathisch. Und dabei kam sie von der Insel. Wo hatte sie nur diese Arroganz her? Sie war überheblich und ihr ständiger Begleiter war noch schlimmer.
»Morgen, Clara«, grüßte Hanjo trotzdem. »Ich wünsche dir auch einen guten Tag. Was kann ich für dich tun?«
Sie setzte sich mit einer schwungvollen Bewegung auf einen der Barhocker an der Theke. »Du darfst mir ein großes Rührei bringen und einen Milchkaffee.« Ohne ihn weiter zu beachten, schnappte sie sich die Zeitung und begann zu lesen. Hanjo rührte sich nicht vom Fleck. Irritiert sah Clara ihn an. »Gibt es irgendein Problem?«
»Die Küche ist leider geschlossen. Einen stinknormalen Kaffee kannst du haben.« Es freute ihn, dass Clara beleidigt nach Luft schnappte. »Es sind auch noch ein paar Brötchen da, wenn du so hungrig bist«, bot er ihr versöhnlich an. »Aber die Küche ist im Moment nicht zu gebrauchen. Ab morgen wird alles besser.«
»Was ist das heute nur für ein Scheißtag«, zischte Clara. Erstaunt bemerkte Hanjo, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. »Clara? Ist alles in Ordnung?« Sie schüttelte den Kopf. Er bemerkte einen Bluterguss an ihrer Schläfe. »Du hast dich verletzt!«
»Nein, das ist nichts. Blöder Stein!« Clara hatte zu ihrem zickigen Tonfall zurückgefunden.
»Wo ist denn dein … ich hab seinen Namen vergessen«, fragte Hanjo.
»Ich auch! Und er ist weg!«
Daher weht der Wind, schlussfolgerte Hanjo. Karl, oder besser Kalle, hatte sie sitzen lassen. Das waren doch mal gute Nachrichten. Hanjo schenkte zwei Gläschen Rum ein und stellte ihr eins auf den Tresen. »Na komm, Mädchen, trink das. Medizin! Und ich mach dir jetzt ein Brot.« Clara lächelte ihn zaghaft an. Vielleicht war sie gar nicht so schrecklich kalt, überlegte Hanjo und ging in die Küche. Clara hatte eigentlich gar keine Freunde. Sie war immer nur die Konkurrentin von Sarah gewesen und mit den alten Weggefährten hatte sie es sich längst selbst verdorben. Ihr fehlte es an Menschlichkeit und Humor. Diese Sophie, die war in Ordnung. Obwohl sie fremd war und aus der Großstadt kam, hatte sie einen Instinkt für Menschen. Sie war so freundlich und begeisterungsfähig. Fee war auch so gewesen. Warum hatte er sie nicht beschützen können?
Stefan stand im Waschraum des Präsidiums vor dem Spiegel und versuchte, ein bisschen Ordnung in seine Frisur zu bringen. Sein Outfit war in Ordnung. Dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, klassische Krawatte. Er war rasiert und duftete nach dem Eau de Toilette, das Tina ihm geschenkt hatte. Die Pressekonferenz war für 10 Uhr angesetzt. Ihm blieben nur noch fünf Minuten. Dann musste er rein in die Höhle des Löwenrudels. Die Kamerateams waren bereits dabei, ihre Stative aufzubauen und die Tontechniker verkabelten die Mikrofone, die sie auf sein Rednerpult gestellt hatten. Es war eine ganze Meute Journalisten gekommen. Der Fall hatte durch die reißerischen Schlagzeilen ein ungeheures Interesse in der Bevölkerung geweckt. Außerdem war Sommer. Aus Verzweiflung über mangelnde Themen in der Urlaubszeit wurde gerne eine Geschichte für die Titelseite zurechtgebastelt, auch wenn sie zu einer anderen Jahreszeit als kleine unscheinbare Meldung geendet wäre. Stefan atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür. Es war wirklich die Hölle los. Sofort schleuderten die Journalisten ihm ihre Fragen entgegen. Stefan ging stur zum Pult und hob beschwichtigend die Hände. »Guten Morgen! Schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Bevor Sie mir jetzt alle durcheinander Fragen an den Kopf werfen, schlage ich vor, ich setze Sie erst mal über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis.« Die Pressevertreter beruhigten sich und Stefan gelang es, sie im üblichen Rahmen zu informieren. Die Journalisten schrieben hektisch mit und die Kameramänner sahen ihn durch ihre Objektive an. Nach 15 Minuten hatte Stefan viel geredet und wenig verraten. »Meine Damen und Herren, soweit die Infos von unserer Seite. Selbstverständlich können Sie mir jetzt noch Ihre Fragen stellen.« Diesen Teil jeder Pressekonferenz hasste Stefan besonders. Er kam sich immer vor wie in einem Kugelhagel.
»Polizeioberkommissar Sperber«, begann der Erste. Er kannte den Journalisten. Frantzen oder Frentzen. Ein zäher kleiner Mann, der einem Terrier ähnelte. Er war von einem örtlichen Fernsehsender und schien mit nervtötender Penetranz seine Karriere ankurbeln zu wollen. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden auf Fehmarn zwei Frauen brutal ermordet. Was tut die Polizei, um junge Frauen vor diesem Serientäter zu schützen?«
»Ich habe nie von einem Serientäter gesprochen«, wiegelte Stefan die Frage ab. »Im Moment überprüfen wir, ob es zwischen den Morden überhaupt einen Zusammenhang gibt. Wahrscheinlich handelt es sich, wie bereits gesagt, um ein Beziehungsdrama. Also kein Grund …«
»Können Sie Touristinnen noch mit gutem Gewissen einen Aufenthalt auf Fehmarn empfehlen«, kreischte eine junge Frau, die er noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich eine Praktikantin.
»Die Frage gehört nicht in diese Pressekonferenz«, wies Stefan die Frau zurecht.
»Sie eiern herum, Polizeihauptkommissar!«
Stefan erkannte die Stimme von Andreas Becker vom Hamburger Abendblatt. Er war ein ruhiger Mann mit dem Blick fürs Wesentliche. »Herr Becker. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Mir scheint, Sie tappen vollkommen im Dunkeln. Sind Sie sich sicher, dass wir in den nächsten Tagen nicht wieder ein Mordopfer zu beklagen haben?«
Stefan verbot sich, einen Schluck Wasser zu trinken. Man hätte es zu Recht seiner Nervosität zugeschrieben. Nein, er konnte nicht ausschließen, dass es weitere Opfer geben könnte. Im Gegenteil. Er fürchtete, dass auf Fehmarn etwas vor sich ging, das noch lange nicht zu Ende war.
Sophie stoppte mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz des Universitätsklinikums. Das Gebäude des Rechtsmedizinischen Instituts lag auf dem Krankenhausgelände. Sie stieg aus dem Wagen und rief Lutz an. »Hey! Ich bin da.«
»Wo genau?«, fragte er genervt.
»Auf dem Besucherparkplatz. Ich komm jetzt rüber.«
»Auf keinen Fall! Dich muss hier wirklich niemand sehen. Da ist ein Café, gleich auf der anderen Straßenseite. Siehst du das?«
Sophie blickte sich um. »Café … den Namen kann ich nicht aussprechen.«
»Genau das ist es. Geh dahin und warte. Ich bin in 20 Minuten da.«
Sophie steckte die Tüte mit der Zahnbürste in ihre Handtasche und überquerte die Straße. Das Café war gut besucht, doch sie fand einen kleinen freien Tisch am Fenster. Sophie bestellte sich einen Kaffee und ein Sandwich, obwohl sie keinen Hunger hatte. Sie war viel zu aufgewühlt. Sie hatte immer noch Bens Geruch in der Nase. Er roch nach Salz und Sonne. Das Gefühl, Felix betrogen zu haben, konnte sie nicht abschütteln, obwohl sie wusste, wie lächerlich das war. Felix hatte die meisten Nächte mit seiner Frau verbracht. Sie hatte nur ein paar geklaute Stunden gehabt. Sophie riss sich zusammen. Über ihre Gefühle konnte sie später noch nachdenken. Im Moment sollte sie sich auf die Opfer und Olli konzentrieren. Wenn er tatsächlich so dumm gewesen war, der Polizei nichts von seinem Verhältnis zu Sarah zu erzählen, dann war die Frage: warum? Hoffentlich würde Lutz ihr tatsächlich helfen.
»Du hättest mit dem Essen nicht auf mich warten müssen!«
Sophie sah ihn verwirrt an. Tatsächlich hielt sie das Sandwich seit fünf Minuten in der Hand und hatte noch nicht einmal abgebissen. »Ich hab wohl doch keinen Hunger.« Sie legte das Sandwich zurück auf den Teller und warf die Papierserviette drüber. »Willst du dich nicht setzen? Einen Kaffee vielleicht?«
Lutz schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich hab keine Zeit. Ich arbeite, falls dir das entgangen sein sollte. Das Ganze ist sowieso total bescheuert! Jetzt gib die olle Zahnbürste schon her! Dir ist doch klar, dass eine DNA-Analyse nicht in fünf Minuten gemacht ist.«
Sophie nickte. Sie wusste, dass es Tage dauern würde und diese Zeit hatte sie nicht. »Und wenn du dich ganz doll beeilst?«
»Mich ganz doll beeile?« Lutz sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Du wirst es nicht glauben, aber ich habe durchaus noch ein paar Dinge zu erledigen, die mit tatsächlichen Fällen zu tun haben.« Lutz atmete durch. »Gut. Das PCR-Gerät beschleunigt die Sache!«
Sophie verstand nur Bahnhof. »PCR-Gerät?«
»Polymerase Chain Reaction, auf Deutsch, das Gerät vervielfältigt die DNA.«
»Und wie lange dauert es dann, bis du ein brauchbares Ergebnis hast?«
»Brauchbar? Brauchbar ist die ganze Sache sowieso nicht. Sie ist einfach nur illegal und als Beweismittel nicht zulässig. Das ist dir doch klar.«
Sophie nickte. »Aber wenn die DNA identisch ist, dann könnte man die Person zu einem Speicheltest schicken. Ich bin dir dankbar.« Sophie steckte ihm die Tüte zu.
»Ich werde mich heute Abend nach Feierabend an die Sache machen.«
»Heute Abend?« Sophie sprang entsetzt auf. »Lutz, ich brauch die Zahnbürste aber sofort wieder. Ich muss sie zurückbringen.«
Lutz stöhnte. »Eins sage ich dir, wenn du mir nicht so einen guten Tipp gegeben hättest, könntest du mich mal mit deinen Sonderwünschen.«
»Tipp?« Sophie wurde hellhörig.
Lutz schüttelte den Kopf. »Ich muss wieder los. Warte hier. Ich brauche mindestens eine Stunde.«
Sophie ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Also hatte sie mit ihrer Idee richtig gelegen. Scheuermilch! Die beiden Frauen waren in einer gründlich geschrubbten, aber nachlässig ausgespülten Wanne ertrunken.
31
Stefan hatte sich in sein Büro zurückgezogen. Die Pressekonferenz war ein Albtraum gewesen. Diese Horde von sensationsgeilen Karrieremenschen kotzte ihn an. In seinen Augen hatte ihre Arbeit wenig mit Journalismus zu tun. Sie wollten doch alle nur möglichst viel erfahren, um eine grauenhafte und Angst einflößende Story daraus zu machen. Für diese Meute waren Pressekonferenzen doch nichts anders als ein Brainstorming. Stefan löste seine Krawatte und starrte das Telefon an. Wieso klingelte es nicht? Warum konnten die Kollegen diesen Oliver Konrad nicht finden? Stefan stand auf und trat ans Fenster. Dieser Bursche schien tatsächlich niemanden in seine Pläne eingeweiht zu haben. Und wenn sie doch den Falschen jagten? Endlich klingelte sein Handy. Stefan riss es hektisch aus der Brusttasche. »Habt ihr ihn?«, rief er aufgeregt.
»Was? Wen? Ich bins, Sophie.«
»Was willst du? Die Pressekonferenz ist vorbei!«
»Pressekonferenz?«, fragte sie unschuldig. »Jetzt komm mal wieder runter. Ich wollte nur wissen, ob du heute Mittag zu Hause bist? Ich besorge Sushi und wenn du auch kommst, bringe ich natürlich entsprechend mehr mit.«
»Was soll der Scheiß?«
»Bitte?«
Sophies naives Getue ging ihm gehörig auf die Nerven. Für wie blöd hielt sie ihn eigentlich? »Was willst du wirklich? Du kannst dir doch denken, dass ich nicht die Zeit habe, für ein paar zickige Häppchen rohen Fisch meine Arbeit zu unterbrechen.« Stefan hörte Sophie schlucken.
»Ihr sucht Olli. Warum?«, fragte sie plötzlich ganz sachlich.
»Warum? Wie kommst du eigentlich auf die Idee?«, fragte Stefan überrascht. Dann fiel es ihm wieder ein. »Ach ja! Hatte schon ganz vergessen, dass du mit seinem Kollegen zum Essen warst. Du gehst ganz schön weit, um deine Neugier zu befriedigen. Oder wolltest du nicht nur die befriedigen?«
»Du bist geschmacklos.«
Das war er tatsächlich. Stefan schloss die Augen und schaltete einen Gang zurück. »Tut mir leid, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir was über laufende Ermittlungen verrate? Du spinnst doch!«
»Kannst du mir nicht wenigstens sagen, ob Olli ein wichtiger Zeuge ist oder ob ihr ihn tatsächlich verdächtigt?«
»Ich leg jetzt auf!«
»Stefan! Warte! Ben und ich, wir verstehen uns ganz gut. Ich bin mir sicher, dass er sich mehr Mühe gibt, sich an Ollis Bekanntenkreis oder Ähnliches zu erinnern, wenn ich ihn drum bitte statt der Polizei.«
Stefan fragte sich, ob er sie richtig verstanden hatte. Schlug Sophie ihm ein Geschäft vor? Sie würde diesen Ben aushorchen, wenn er ihr verriet, was Ollis Problem war?
»Wenn du was weißt und es mir nicht sagst, steck ich dich in den Knast.«
»Bis jetzt weiß ich ja gar nichts. Aber ich könnte mich natürlich bemühen, etwas herauszufinden.«
Stefan zündete sich eine Zigarette an. »Ich kann dir nichts sagen! Und das weißt du auch.« Ach, zum Teufel! Stefan klopfte die Asche ab. »Gut! Stell dir einfach vor, jemand hatte ein Verhältnis mit einem Mordopfer und erwähnt das in seiner Aussage mit keinem Wort.«
»Sondern taucht ab.« Sophie schnalzte mit der Zunge. »Ich verstehe. So rein theoretisch wäre das nicht sehr clever, wenn derjenige nichts mit dem Tod seiner Freundin zu tun hätte. Aber es beweist auch nichts.«
»So, und nun ist die Plauderstunde beendet.«
Stefan ließ den Hörer auf die Gabel krachen und fluchte. Hatte er zu viel gesagt? Wahrscheinlich hatte Sophie sich die Zusammenhänge schon gedacht. Herumschnüffeln würde sie sowieso. Er konnte nur hoffen, dass sie wirklich zuerst mit ihm reden würde, falls sie von diesem Ben etwas erfahren sollte, und nicht auf die Idee kam, selbst nach Olli zu suchen.
Ben stand in der Bucht und gab einem Touristen aus Bremen Einzelunterricht. Der Typ machte sich wirklich gut. In kürzester Zeit hatte er den Bogen raus und den Kite vollkommen unter Kontrolle.
»Nicht schlecht!«, lobte Ben.
»Ich war vor zwei Jahren schon mal ziemlich weit, aber dann musste ich pausieren«, erklärte sein Schüler. »Bandscheibenvorfall.«
Ben verzog das Gesicht. »Aua! Was ist? Soll ich ein Board holen?«
»Wenn du meinst! Ich würde es schon gerne versuchen.«
Ben stiefelte an Land. Seine Gedanken drehten sich schon den ganzen Morgen nur um Sophie. Nicht mal den Namen seines Schülers hatte er sich merken können. Er musste Sophie unbedingt heute noch sehen. Er wollte wissen, woran er bei ihr war. Ob sie die Nacht bereute? Statt zum Schuppen zu gehen und das Brett zu holen, steuerte er die Hütte an und wühlte sein Handy aus der Tasche. Gut, dass sie am Morgen noch daran gedacht hatten ihre Nummern auszutauschen. Es klingelte gerade einmal. Dann hörte er ihre Stimme.
»Willst du mir plötzlich doch noch was sagen?«
Sie klang schrecklich sachlich. Ben lief es kalt den Rücken runter. »Was?«
»Ben? Sorry, ich dachte, es wäre jemand anderes«, erklärte Sophie freundlicher.
»Was ist denn los?«
»Hör mal, nur weil wir die Nacht zusammen verbracht haben, musst du nicht alles wissen.«
Ben schnappte nach Luft.
»Entschuldige! Du bist gerade der Dumme, der meinen ganzen Frust zu spüren kriegt.«
Ben wurde ruhiger. Es war alles in Ordnung. »Ist schon gut«, erklärte er erleichtert. »Ich wollte dich auch nicht stören, sondern eigentlich nur zum Abendessen einladen.«
»Sehr gern. Wann und wo dinieren wir?«
»Um halb acht auf der Terrasse vor meinem Anwesen.« Ihr wunderbares Lachen schallte durch den Hörer direkt in sein Ohr.
»Ich komme sehr gern! Sag mal, hast du überlegt, wo Olli stecken könnte?«
»Jein. Ich bin noch nicht so richtig dazu gekommen. Ich habe hier gerade Unterricht und außerdem war ich zu lange weg, um alle Freunde von Olli zu kennen. Um ehrlich zu sein, schweifen meine Gedanken auch immer wieder ab. Kann mich kaum auf den Kurs konzentrieren, wenn du verstehst.« Sophie schwieg einen Moment und er hatte Angst, dass er zu weit vorgeprescht war.
»Na, vielleicht fällt dir ja noch was ein. Ich freu mich jedenfalls auf heute Abend. Sehr sogar. Bis dann.«
Sie hatte aufgelegt. Ben seufzte und ging endlich zum Schuppen, um das Board zu holen. Er musste jetzt erst mal den Unterricht zu Ende bringen und am Nachmittag den Verleih von Surfbrettern und Kiteequipment organisieren. Dann konnte er sich auf den Abend freuen. Er konnte es kaum noch erwarten, sie wieder bei sich zu haben. Er würde sich für sie etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Er würde sie überraschen. Ben lächelte. Damit würde sie nie und nimmer rechnen.
Felix stand in seinem begehbaren Kleiderschrank und wählte schlecht gelaunt die Klamotten aus, die er auf dieser elenden Vietnamreise brauchte. Bei dem Gedanken an den stundenlangen Flug wurde er so wütend, dass er die Kleiderstange aus den Angeln riss und sie auf den Boden schleuderte. Designeranzüge im Wert eines Sportwagens lagen auf der Erde. Sollte sich doch die Haushälterin um den Scheiß kümmern! Sein Handy klingelte. Fluchend lief er ins Wohnzimmer. Er griff nach dem Telefon und sah auf das Display. Eddy! Felix nahm das Handy mit an die Hausbar. Noch eine schlechte Nachricht würde er ohne doppelten Scotch nicht ertragen. »Was ist jetzt schon wieder los?«, schnauzte er in den Hörer. Nebenbei schenkte er sich das Glas voll.
»Felix, beruhige dich.«
»Ich soll mich beruhigen? Du tickst doch nicht ganz richtig! Jedes Mal, wenn du anrufst, berichtest du von neuen Katastrophen. Und morgen muss ich in dieses Scheißkaff in diesem Scheißland.« Felix trank einen tiefen Schluck und nahm eine Zigarette aus dem Silberetui.
»Felix, komm runter! Diesmal habe ich gute Nachrichten.«
»Ach ja? Kommt das Balg hierher? Das wäre mal eine gute Nachricht.«
»Um das Balg geht es nicht.«
Felix wurde ungeduldig. »Jetzt mach es nicht so spannend! Ich bin hier der Quizmaster! Verstanden?«
»Ich war heute Morgen auf dem Golfplatz und stell dir vor, mit wem ich in einem Flight war?«
Felix war kurz davor, das Telefon wegzuschmeißen. Wollte Eddy ihn provozieren?
»Professor Huniklich vom UKE!«, fuhr Eddy fort.
»Es freut mich, dass du dich in so feinen Kreisen bewegst. Kann dir nicht schaden, wenn du einen neuen Job suchen musst.«
»Jetzt warte doch mal. Huniklich ist ein unsympathisches Arschloch und eine dumme Plaudertasche. Na ja, wir kamen jedenfalls nebenbei so auf die Prominenz zu sprechen«, erklärte Eddy.
»Ach, hast du mal wieder damit angegeben, dass du der Manager von Felix van Hagen bist?«
Eddy ignorierte seine Bemerkung. »Er fand die Enthüllungsstory über dich jedenfalls auch schrecklich. Er ist der Meinung, dass Privates doch auch privat bleiben sollte. Na, und dann wunderte er sich, dass seine Patientin Sophie Sturm, die er doch eigentlich so sympathisch gefunden hatte, hinter dieser Sache steckt.«
Felix lauschte gespannt.
»Und er wunderte sich, dass sie schon wieder so viel Energie hat nach der Fehlgeburt!«
Fehlgeburt? Hatte er gerade richtig gehört?
»Felix? Ich dachte, du würdest jetzt Jubelschreie von dir geben. Diese Sorge bist du los! Sophie wird nie ein Kind von dir bekommen und sie wird dich nie damit erpressen können!«
Felix nickte langsam. »Das sind wirklich fantastische Nachrichten. Eddy, dass hast du sehr gut gemacht. Sehr gut! Liebäugelst du noch immer mit dieser Rolex? Kauf die verdammte Uhr und schick mir die Rechnung!« Felix legte auf, bevor Eddy ›Danke‹ sagen konnte. Er hatte jetzt für so was keine Zeit. Sophie hatte das Kind verloren. Natürlich hatte sie es nicht für nötig gehalten, ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Aber so einfach würde er das nicht hinnehmen. Plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Für sie war die Situation bestimmt schlimm. Ein Kind, auf das man sich so gefreut hatte, einfach zu verlieren. Nein, das war bestimmt nicht schön. Wahrscheinlich war sie in Therapie, um den Verlust zu verarbeiten. Vielleicht sollte er sie lieber dran erinnern. Blumen für die Dame! Hämisch grinsend griff er zum Telefon.
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