Kitabı oku: «Anders – aber trotzdem glücklich», sayfa 4
Nuria – die spanische Sanftmut aus dem Internet
von Martina und Stefan Zeißler

Während der letzten 25 Jahre hatten wir immer mindestens einen Hund in der Familie gehabt. Auch seitdem unsere inzwischen erwachsenen Kinder aus dem Haus waren, hatte sich daran nichts geändert. Nachdem im November 2003 unsere Tibet-Terrier-Hündin Lou-Lou über die Regenbogenbrücke gegangen war, war es entsetzlich leer im Haus. Und Heinrich, ein zwölfjähriger Dobermann und unser sporadischer Pflegehund, war wieder einmal bei seiner Besitzerin.
Eines Tages stöberte ich im Internet und sah Nuria: Auf der Homepage einer spanischen Tierschutzorganisation wurde die sechsjährige Hündin vorgestellt. Es hieß, sie sei sehr groß, ein Pastor-Malloquin-Mix mit schwarzem Fell und auf einem Auge blind. Auf dem Foto war Nuria nicht besonders gut zu erkennen, aber irgendetwas fesselte mich an diesem Hund. Drei Tage lang rief ich immer wieder die Internetseite auf und schaute mir das Foto an. Schließlich nahm ich mir ein Herz und sprach mit meinem Mann. Seine Meinung war hart, aber ehrlich: »Was willst du mit so einem großen Hund, den du nicht kennst? Warum aus Mallorca und nicht, wenn schon aus zweiter Hand, hier aus dem Tierheim? Was ist, wenn er eine unbekannte Krankheit hat? Wir wissen nichts über diesen Hund, was er frisst, ob er stubenrein oder leinenführig ist. Wer soll den Hund beaufsichtigen, wenn wir nicht zu Hause sind? Vor allem aber: Denke an Heinrich, er ist alt. Was passiert, wenn die beiden sich nicht verstehen, vielleicht sogar beißen?« Viele offene Fragen ließen meinen Mann und mich Nächte hindurch diskutieren. Trotzdem wählte ich die im Internet angegebene Telefonnummer auf Mallorca an und wollte mehr über die Hündin wissen. Ich kam einfach nicht von ihrem Foto los und auch der Name gefiel mir. Was ich erfuhr, verstärkte meinen Wunsch, Nuria zu uns zu holen. Irgendwann sagte dann auch mein Mann Ja und ich weiß, dass es eine überzeugte und freudige Zustimmung war.
Nach Absprache der Formalitäten mit der Tierschutzorganisation kam schließlich der 12. Februar – der Tag, an dem wir wieder richtige Hundebesitzer werden sollten. Keiner unserer Freunde oder Familienangehörigen wusste von unserer Entscheidung. Wir waren mächtig aufgeregt. Spätabends übergab uns eine Flugpatin unser »Paket« auf dem Flughafen Berlin. Wegen der übergroßen Transportbox hatten wir uns einen Van geborgt, mit dem wir nun nach Hause fuhren. Bei der Ankunft hatten wir lediglich etwas sehr Ruhiges, Schwarzes in der Box sehen und mit den Fingern durch die Gitterstäbe berühren können. Nuria war noch von einer leichten Narkose benommen, die sie gegen den Flugstress erhalten hatte. Zu Hause angekommen, öffneten wir die Tür der Hundebox und leinten Nuria sicherheitshalber an. Da stand sie nun vor uns, die große schwarze Hündin, aber sie bewegte sich nicht, keinen einzigen Meter. Mit ihren traurigen braunen Augen – in einem war ein dick hervortretender, offensichtlich erkrankter Augapfel zu erkennen – schaute sie uns an. Mein Mann und ich fanden sie bildschön und spürten sofort eine große Zuneigung zu ihr. Vorsichtig zog mein Mann an der Leine, um die Hündin ein paar Schritte in den Garten zu führen. Ohne Widerstand kam sie mit und auch wieder zurück ins Haus, das sie vorsichtig zu erkunden begann. Dicke Teppiche hatte sie noch nie mit ihren Pfoten ertastet und in einen Spiegel zu schauen, war ihr auch gänzlich unbekannt.
Natürlich sollte Nuria mit uns im Haus wohnen. Im Korridor war ihr Platz vorbereitet, ausgestattet mit einer großen, neuen Hundematratze. Da es schon sehr spät in der Nacht war und wir dem armen Tier Ruhe nach diesem langen Tag gönnen wollten, gingen wir ins Bett. Nuria legte sich auf ihre bequeme Matratze, aber so ganz recht schien ihr das zunächst nicht zu sein. Wir rechneten damit, dass sie bellte oder jaulte, erwarteten Pfützen im Korridor, angeknabberte Schuhe oder Taschen und eine kurze, unruhige Nacht. Doch am nächsten Morgen begrüßte uns ein artig auf seinem Platz liegender Hund, der sogar schon ansatzweise mit dem Schwanz wedelte. Nichts war kaputt; kein Haufen, keine Pfütze waren zu sehen. Wir grüßten in unserer »Hundesprache« zurück; freundlich, mit etwas höherer Stimmlage und vielen Streicheleinheiten.
Dann war alles wie immer. Ich bereitete das Frühstück vor, während mein Mann den ersten Gassigang mit unserem Hund machte. Ein ehemaliger Grenzstreifen direkt in unserer Nähe war für all unsere bisherigen Hunde ein beliebtes Auslaufgebiet gewesen. Für den ersten Gassigang war dieser Ort ideal: keine Autos und eine überschaubare Anzahl neuer Eindrücke. Als mein Mann nach einer halben Stunde strahlend wiederkam, sagte er nur, die Hündin sei fantastisch und ein Schleifenband als Leine hätte es auch getan. Nuria begrüßte mich abermals mit einem aufmerksamen Blick und einem zaghaften Schwanzwedeln.
Nun stand die erste Mahlzeit an. Wir fütterten den Hund mit einer Kombination aus Trocken- und Dosennahrung, so wie sie Heinrich immer bekommt, wenn er bei uns ist. Auch hier rechneten wir damit, dass Nuria mäkeln oder vielleicht auch ihren Futternapf gegen uns verteidigen würde. Aber sie fraß ihre Portion wie selbstverständlich aus dem erhöht stehenden Fressnapf. Wieder waren wir mehr als überrascht. In den ersten drei Tagen wiederholten wir absichtlich den gleichen Tagesablauf. Wir wollten Nuria langsam an die fremde Umgebung und ihr neues Leben gewöhnen. Deswegen duldeten wir auch keinen Besuch, obwohl wir natürlich Nuria zu gerne allen auf einmal vorgestellt hätten. Wir gingen viel mit der Hündin spazieren. Sie wich keine Leinenlänge von uns und erledigte ihre Geschäfte immer draußen. Am schönsten fand sie es offenbar, andere Hunde zu treffen. Egal ob es Rüden oder Hündinnen waren, groß oder klein, ob sie bellend oder ruhig auf sie zukamen – jeder wurde freundlich begrüßt. Schon am vierten Tag ließ mein Mann Nuria frei laufen. Ohne Kommando, fast nur bei Fuß gehend, blieb sie bei uns.
Natürlich ließen wir Nuria gleich nach ihrer Ankunft tierärztlich untersuchen, obwohl sie einen gültigen Impfpass hatte und eine negative Titerbestimmung über Mittelmeerkrankheiten. Nuria ertrug sämtliche Prozeduren gelassen und voller Vertrauen. Eine Fachtierärztin für Augenheilkunde untersuchte ihr blindes Auge. Die Befürchtung, es könne sich um einen Tumor handeln, ließ uns nicht los. Die Ursache ihrer Erblindung blieb unklar, aber laut Aussagen der Tierärztin kann die Hündin hervorragend damit leben, benötigt keinerlei Medikamente, nur regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Nuria selbst scheint ihr blindes Auge in der Tat überhaupt nicht zu stören, sie hat sich offenbar längst an das eingeschränkte Sehen gewöhnt. Wenn wir spazieren gehen, läuft sie jedoch ausschließlich rechts von uns, weil sie dann ihre Umgebung mit dem rechten, sehenden Auge fixieren kann und links den Körperkontakt zu uns wahrnimmt. Wir sind sprachlos, fast schon irritiert wegen der großen Anzahl ihrer guten Eigenschaften. Nuria lernt hervorragend schnell: Autofahren – kein Problem; Katzen – kein Problem; mit anderen Hunden spielen und dann von Herrchen oder Frauchen abgerufen werden – kein Problem. Inzwischen beherrscht sie viele Grundgehorsamkeits-Kommandos und führt diese zuverlässig aus. Als die ersten Besucher zu uns ins Haus kamen, verhielt Nuria sich zwar sehr zurückhaltend, aber immer freundlich. Ihre Freude und Anhänglichkeit zeigt sie uns inzwischen immer mehr, indem sie häufig mit dem Schwanz wedelt, »Pfötchen gibt« oder uns übers Gesicht leckt. Manchmal legt sie uns ihre Vorderpfoten auf die Schultern und wir schauen uns Auge in Auge an. In solchen Momenten habe ich nur einen Gedanken: Wie kann ein derartig liebenswerter Hund jemals ausgesetzt worden sein?
Nuria wurde zum Glück gerettet. Die Tierschutzorganisation auf Mallorca hatte sie aus der dortigen Tötungsstation befreit. Wir würden gern mehr über unsere Hündin wissen: Wo und wie lebte sie vorher? Wie alt ist sie wirklich – die Tierärzte schätzen sie erst auf zwei oder drei Jahre – und warum zeigte sie anfänglich Furcht und Misstrauen gegenüber gewöhnlichen Hausratsgegenständen? Woher stammt ihre »Macke« – die sie sich allerdings inzwischen weitgehend abgewöhnt hat –, benutzte Papiertaschentücher aufzustöbern und dann im Maul herumzutragen? Weshalb hegt sie Fremden gegenüber noch heute eine Zurückhaltung, obwohl sie doch jetzt mit vielen Menschen zusammenkommt, die sie lieben und wegen ihres sanften Wesens und ihrer Schönheit streicheln wollen? Welchen Grund hatte ihre Angst vor Ball- oder Stöckchenspielen? Wieso geht sie manchmal in Deckung vor einer plötzlichen Armbewegung? – Es gibt viele Fragen, auf die wir wohl nie eine Antwort erhalten werden.
Als Nuria etwa zwei Wochen bei uns war, hatten wir auch wieder große Sehnsucht nach Heinrich, unserem lieben Dauerpflegehund. Wir wollten sehen, ob sich die beiden verstehen würden, und hofften sehr auf ein gutes Zusammenleben, wie wir es seinerzeit zwischen Heinrich und Lou-Lou auch erlebt hatten. Deshalb trafen wir uns mit Heinrichs Besitzerin zum gemeinsamen Waldspaziergang. Nuria sprang, wie immer freundlich und kontaktfreudig, auf Heinrich zu. Dieser war davon gar nicht begeistert, zeigte Nuria erst einmal seine alten Zähne und wies sie damit in ihre Schranken. Wir hatten den Eindruck, dass Heinrich sich nicht wohlfühlte. Irgendwie kam er uns verändert vor. Er war sehr dünn, seine Augen hatten einen unglücklichen, traurigen Blick und er lief schlecht; seine alten Knochen schmerzten offenbar stark. Der Spaziergang schien ihm nicht zu gefallen, das zeigte er deutlich. Spürte Heinrich, dass jetzt ein neuer Hund Lou-Lous Stelle eingenommen hatte, und befürchtete er vielleicht negative Konsequenzen für ihn? Das Ende des Spaziergangs war schlimm wie immer, wenn wir uns verabschieden mussten. Heinrichs gläserner, trauriger Blick, als wir in unser Auto stiegen und er von seiner Besitzerin wortlos an der Leine weggeführt wurde, gab uns jedes Mal einen Stich ins Herz.
Kurz nach diesem Erlebnis kam ein Anruf von Heinrichs Frauchen. Sie müsse dringend verreisen, ob wir wohl Heinrich nehmen könnten. Natürlich sagten wir zu, wenn wir auch Angst vor dem, was uns bevorstand, hatten. Wir dachten an unsere Berufstätigkeit und daran, dass die beiden Hunde dann allein zu Hause sein würden. Trotzdem wollten wir den alternden Heinrich bei uns haben. Ich nahm Nuria mit, als ich Heinrich abholte. Bei der Begegnung mit Heinrich bellte Nuria, stürzte sich auf ihn, drückte ihn mit der Schnauze herunter und knurrte dabei ein wenig. Das dauerte nur etwa zehn Sekunden und ich stand dabei, ohne einzuwirken. Heinrich fiel gleich um, erhob sich aber sofort wieder und schüttelte sich. Die Fronten schienen geklärt zu sein. Erst dann konnte er sich richtig über meine Anwesenheit freuen. Seit diesem Tag ist Heinrich ständig bei uns, zusammen mit Nuria. Anrufe von seiner Besitzerin enthielten immer nur oberflächliche Nachfragen, bis auch die weniger wurden und sie uns eines Tages Heinrich für immer überließ. Sie muss wohl gemerkt haben, wie sehr dieser alte, kranke Dobermann bei ihr gelitten hat. Heute zeigt er uns wieder täglich sein Lachen, läuft gerne und spielt mit seiner Gefährtin. Er frisst sogar mehr als Nuria, die wesentlich größer ist als er. Wir sind begeistert und auch ein klein wenig stolz, dass »Heini« bei uns offensichtlich richtig auflebt. Für diese sehr agile, auf der anderen Seite aber auch leicht nervöse Rasse sind 12 oder 13 Jahre ein biblisches Alter. Anfangs dachten wir, Heinrich würde nur zum Sterben bei uns sein, aber in der Zwischenzeit ist er äußerst munter und vor allem lebensfroh geworden. Es ist jeden Tag schön zu beobachten, wie Nuria und er eine dicke Freundschaft füreinander empfinden. Gegenseitig lecken sie sich das Gesicht, gemeinsam schnüffeln sie an Bäumen oder Wegen. Dabei lassen sie sich nicht aus den Augen und passen stets aufeinander auf.
Viele Menschen empfinden unsere Hunde und damit unser Leben als sehr anstrengend. Stets müssen wir organisieren, uns immer wieder einstellen auf neue Situationen und unsere zeitlichen Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Sicherlich könnten wir, nachdem unsere Kinder das Haus verlassen haben, ein ruhigeres Leben führen, aber wir wollen es nicht. Jeden Tag empfangen wir unsagbar viel Liebe und Herzlichkeit von unseren beiden Hunden; im Verhältnis dazu ist die Belastung sehr gering. Die Hunde sind unser Hobby, welches nicht zuletzt deshalb so schön ist, weil mein Mann und ich es gemeinsam pflegen. Wir haben uns immer viel zu erzählen und können unsere Erlebnisse miteinander teilen; wir lieben unsere Hunde über alles und freuen uns, dass sie so wunderbar sind: groß, schwarz, alt, blind, unbekannter Herkunft und erst recht ohne Stammbaum. All das sind typische Merkmale, die Menschen selten bei einem Hund bevorzugen, wenn sie eine Anschaffung in Erwägung ziehen. Wir aber werden uns immer wieder für einen Hund mit Handicap oder aus zweiter Hand entscheiden, denn diese Tiere zeigen uns jeden Tag ihre Dankbarkeit und ihre wieder gewonnene Lebensfreude.
Oma – die Lady aus Stahl
von Ulrike Feifar

Im Juni 2002 trat Oma in unser Leben. Die damals etwa elfjährige Galgo-Grey-Hündin aus Madrid wurde uns von unseren spanischen Tierschutzfreunden vorgestellt. Jäger hatten sie jahrelang zur Zucht missbraucht. Als sie einen nicht rassereinen Wurf zur Welt brachte, sollten die Welpen getötet werden. Bei der Verteidigung ihrer Jungen – sie legte sich schützend über sie – hatte man ihr ein Auge ausgetreten. Tierschützer hatten diese Szene beobachtet, eingegriffen und sie und einen Welpen retten können. Oma hat – von ihrem fehlenden Auge abgesehen – Leishmaniose, schwerste Arthrose und schlimme körperliche sowie seelische Narben aufgrund der jahrelangen Misshandlung durch ihre Vorbesitzer. Man sagte uns, sie hätte nicht mehr lange zu leben, und so wollten wir ihr die Gelegenheit geben, vor ihrem Tod noch etwas Liebe und Zuwendung zu erfahren.
Die ersten Wochen mit ihr waren schwer auszuhalten. Ein »zivilisiertes« Leben in einem Haus, in einer Familie mit einem Rudel aus Menschen, Hunden und Katzen war Oma völlig fremd. Sie war nicht nur interessiert daran, unsere Katzen zu töten, sondern verhielt sich auch Menschen gegenüber sehr aggressiv. Offenbar war sie es gewohnt sich durchzusetzen. Und ihre Traumata saßen tief. Um ganz ehrlich zu sein: In den ersten Wochen zweifelten wir fast jeden Tag daran, dass wir es schaffen würden. Aber wir gaben nicht auf, und das Durchhalten hat sich gelohnt. Als wir uns damit abfanden, dass sie eine reife Persönlichkeit war, und uns auf einige Kompromisse im Zusammenleben geeinigt hatten, wurde das Verhältnis zusehends entspannter. Eines war uns völlig klar: Einen Hund mit Omas Vergangenheit umzuerziehen, war nahezu aussichtslos. Aber wir konnten ihr wichtige Verhaltensregeln beibringen.
Erstes Gebot: Du darfst keine Katzen fressen! Das hinzubekommen, war eine echte Herausforderung und nur durch ein mehrwöchiges, intensives Training möglich. Wir entwickelten ein »Codewort«, das immer, wenn Oma im Begriff war, eine unserer Katzen zu jagen, angewandt wurde, während wir sie gleichzeitig festhielten und beruhigten. Das »Codewort« funktioniert mittlerweile sogar in 80 Prozent aller Fälle, wenn wir draußen eine Katze treffen. Ein – wie wir meinen – beachtlicher Erfolg.
Zweites Gebot: Du sollst nicht stehlen! Da alle Windhunde exzellente Diebe sind, war es wichtig für Oma zu verstehen, dass gelbe Säcke, Mülltonnen etc. keine »Supermärkte« sind. Durch konsequente Anwendung des Kommandos »Nein« konnten wir Oma innerhalb weniger Tage beibringen, solchen »Wundertüten« keine Beachtung mehr zu schenken.
Drittes Gebot: Du sollst deine Menschen nicht beißen! Hier mussten wir schon etwas massiver eingreifen und ihr klar machen, dass WIR die Rudelführer sind. Oma wurde beim leisesten Versuch, sich aufzulehnen, streng zurechtgewiesen und durch entsprechende Unterordnungsübungen trainiert. Auch hier waren die Fronten innerhalb weniger Tage geklärt. Oma lernte außerdem Kommandos wie »Steh«, »Warten« und natürlich »Komm«, wobei Letzteres nur funktioniert, wenn sie in einem geschützten Raum ist. In freier Wildbahn dagegen sind unsere Chancen eher gering. Befehle wie »Sitz«, »Platz«, »Fuß« haben wir erst gar nicht mit ihr geübt, da sie unserer Meinung nach nicht notwendig sind und Oma sich aufgrund der häufig auftretenden Schmerzen gar nicht auf Kommando in eine sitzende oder liegende Position begeben kann. Hält man sie an der kurzen Leine, geht sie sehr brav. »Fuß« ohne Leine ist aufgrund ihres sehr ausgeprägten Jagdtriebes ohnehin nicht möglich. Wir denken, dass gerade bei einem sehr alten und stark von seinem Vorleben geprägten Hund Kompromisse dieser Art unumgänglich sind, und sie erschweren das Miteinander auch nicht.
Ihre gesundheitlichen Behinderungen haben Oma in ihrem Verhalten nicht verändert, d. h. sie war und ist eine leidenschaftliche Jägerin und eine sehr dominante, selbstbewusste Hündin. Sie schließt keine Hundefreundschaften, verhält sich entweder neutral oder – speziell Rüden gegenüber – oft auch aggressiv. Man merkt deutlich, dass sie früher gezwungen war sich durchzusetzen, um zu überleben. Menschen gegenüber verweigert sie jede tiefe Bindung, da die negativen Erfahrungen tief verwurzelt sind. Je schlechter allerdings ihr Gesundheitszustand – auch altersbedingt – wird, desto mehr sucht sie nun die menschliche Nähe, wenn auch immer noch äußerst zurückhaltend. Ich nehme an, ihre sehr ausgeprägten Überlebensinstinkte signalisieren ihr, dass sie es allein nicht mehr schaffen würde, und deshalb schließt sie sich enger an uns an. Als sie das erste Mal ihren Bauch zum Kraulen anbot, waren wir völlig begeistert. Unser schönstes Erlebnis war, als Oma – die ehemalige Katzenkillerin – unsere Samtpfoten gegenüber einem fremden Hund verteidigte. In diesem Moment wussten wir, dass sie endlich ihr Rudel gefunden hatte.
Oma ist mit ihrem Leben – soweit wir das beurteilen können – sehr zufrieden und wenn sie heute ab und zu sogar mit Emily, einem unserer anderen Hunde, spielt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Vor einer Woche zeigte Oma erste Anzeichen, sich mit einem Plüschtier beschäftigen zu wollen. Sie hat offensichtlich nie die Gelegenheit gehabt zu spielen und es war ein merkwürdiger Versuch … Aber immerhin! Wenn wir sehen, wie sie es genießt, in der Sonne zu liegen, und ab und zu sogar kommt, um ihren Kopf an unseren Beinen zu reiben, oder sich – selten, aber doch – ganz fest an uns drückt, wissen wir, dass sie alles gibt, was elf Jahre Misshandlung ihr noch möglich machen. Oma, die eigentlich keine vier Wochen mehr zu leben hatte, hat ganz offensichtlich beschlossen, es doch noch ein wenig länger zu versuchen und beeindruckt uns mit ihrem Stolz und ihrer Würde jeden Tag aufs Neue. Sie ist ein Gewinn für unser Leben und wir bereuen nicht, sie aufgenommen zu haben.
FAZIT: Wenn man als Mensch nicht den Anspruch hat, der unumschränkte Herrscher über ein Lebewesen zu sein, kann man auch mit einem Hund wie Oma sehr harmonisch zusammenleben. Hat man zudem die Fähigkeit, sich auch über die kleinsten Fortschritte zu freuen, ist die Aufnahme eines solchen Hundes ein echter Gewinn. Wir würden es jederzeit wieder tun.
White – der schwarze Blitz
von Gaby Schwab

White ist eine bildschöne Groenendael-Hündin mit einem glänzenden schwarzen Fell und einem kleinen weißen Fleck auf der Brust. Bevor sie zu uns kam, hatte sie in ihrem Leben schon einige schlechte Erfahrungen gemacht. Sie war bei einem ungarischen Züchter aufgewachsen, der seine Hunde nicht gut behandelte. Tierschützer hatten daher die Zucht aufgelöst und White in ein Tierheim vor Ort gebracht. Dort lebte sie mit etwa 50 Hunden zusammen. Es fehlte der natürliche Auslauf, die Rangordnung wurde gnadenlos bestimmt und wer schwach war, hatte verloren.
White hatte Glück. Eine Tierschützerin sah, wie sie hilflos und verschreckt in einer Ecke stand, und nahm sie mit nach Deutschland. Wenige Wochen später wurde sie vom Tierheim in eine Familie nach Hamburg vermittelt. Von der Puszta in die Großstadt, das war für die kleine, ängstliche Hundeseele zu viel. Der ständige Lärm und der Verkehr machten ihr Angst. Die Familie kümmerte sich nicht viel um sie und daher war es kein Wunder, dass Erziehungsmaßnahmen keinen Erfolg zeigten und die neuen Besitzer die Hündin zurückbrachten. Erneut war sie nun ohne ein richtiges Zuhause. Eine Hundetrainerin, die gleichzeitig auch Physiotherapeutin war, nahm sich schließlich ihrer an. Durch Tellington-Touch (TTouch) gelang es allmählich, der Hündin das verloren gegangene Zutrauen wiederzubringen.
Unsere Schäferhündin, die fast zwölf Jahre lang bei uns gelebt hatte, war im Januar gestorben. Obwohl wir immer noch um sie trauerten, hatten wir uns entschlossen, wieder einen Hund in die Familie zu holen. Nachdem wir bereits einige Monate lang die Hunde aus dem Tierheim in unserer Stadt ausgeführt hatten, stand auch die Entscheidung fest, dass es auf jeden Fall ein Tierheimhund sein sollte. Wir waren gerade in einem Gespräch mit der Tierheimleiterin vertieft, als plötzlich ein schwarzer Blitz durch den Zwinger schoss, kurz bellte, an den Gittern hochsprang und mit beiden Vorderpfoten meinen Arm festhielt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Auch die Herzen meiner Familie eroberte White im Sturm und nachdem wir einige Tage mit ihr spazieren gegangen waren, nahmen wir sie zu uns nach Hause.
Der erste Abend im neuen Heim verlief problemlos. Schon nach wenigen Stunden hatte White das Haus inspiziert und die Couch zu ihrem Eigentum erklärt. Sie kannte keine Treppen, also schlief sie im Wohnzimmer und begrüßte uns jedes Mal stürmisch, wenn wir vom ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss kamen. Doch nach einigen Tagen zeigte sie uns, dass sie nachts nicht alleine bleiben wollte, und hielt jeden, der nach oben ging, an den Hosenbeinen fest. Wir konnten das nicht mit ansehen, also wurde sie abends nach oben getragen. Diese Prozedur war für alle Familienmitglieder ziemlich aufwändig, denn die Treppe war steil und der Hund hing mit seinen 25 Kilo wie ein schweres Paket in unseren Armen. Fast zwei Wochen später kam Whites große Stunde: Nachdem wir sie immer wieder gelockt hatten, nahm sie allen Mut zusammen und rannte die Treppe hinauf, als wenn es um ihr Leben gehen würde. Mit glücklichen Hundeaugen schaute sie uns an; sie hatte nun das ganze Haus erobert.
Das Leben außerhalb des Hauses war allerdings ganz schrecklich für sie. Sie hatte eine panische Angst vor Autos, Fahrrädern, Bussen, LKWs, lauten Kindern, ja sogar vor Bobby Cars schreckte sie zurück. Schon der erste gemeinsame Spaziergang endete mit einem Desaster. Ein Radfahrer kam zu schnell um die Ecke und White versuchte alles, um zu entkommen. Nur mit Mühe und Not schafften wir es, sie zu beruhigen und nach Hause zu bringen. Auch ein Besuch am Uni-See gehörte nicht gerade zu den Höhepunkten. Wir wussten, dass White über ein ausgesprochen gutes Sozialverhalten verfügt und das große Rudel liebt. Also fuhren wir mit ihr in ein Naturschutzgebiet nahe der Uni, Uni-Wildnis genannt, in dem Hunde frei laufen dürfen. Doch schon das aufgeregte Bellen einiger spielender Hunde versetzte die Hündin derart in Panik, dass das Halsband riss und White erst einmal irgendwo zwischen Bäumen und Büschen verschwunden war. Nach fast 20 Minuten hatten wir sie gefunden; sie kam uns zitternd entgegen und beruhigte sich erst wieder, als sie im Auto saß. Fortan blieben wir erst einmal in der Nähe unseres Hauses, um kein weiteres Risiko einzugehen. Doch auch das war keine gute Idee. Beim Spielen auf einer nahe gelegenen Wiese machten Kinder plötzlich einen Höllenlärm. White erschreckte sich so sehr, dass sie wiederum sofort losrannte und, noch bevor jemand reagieren konnte, in einen Graben fiel, aus dem mein Sohn sie nur mühsam befreien konnte.
Von da an war White nicht einmal mehr zu bewegen, vor die Tür zu gehen, um ihr Geschäft zu machen. Zum ersten Mal fiel uns auf, wie viele Menschen, Autos und Busse es selbst in unserer ruhigen Wohngegend gab. Etwas weiter entfernt lag ein kleiner, idyllischer See. Hier waren keine Autos, selten Radfahrer oder Spaziergänger und die Gartenbesitzer kamen meist erst später. Also verlegten wir unsere morgendliche Gassi-Runde dorthin. Der abendliche Gang gestaltete sich sehr viel schwieriger, denn an »unserem« See war zu dieser Tageszeit Hochbetrieb in den Gärten. Es war ein wunderschöner Sommer, den alle ausnutzen wollten. Oft mussten wir bis ein oder zwei Uhr nachts warten, denn erst, wenn wirklich alles still war und sich auch der letzte Nachbar endlich von seiner Terrasse oder seinem Balkon entfernt hatte, wurde die kleine Hündin etwas mutiger. Ausgestattet mit einem speziellen Geschirr aus bunten Nylonseilen, das uns unsere Hundetrainerin extra für White gebastelt hatte, marschierten wir durch die Gegend, immer in der Hoffnung, niemandem zu begegnen. Natürlich sah White mit ihren bunten Seilen ziemlich albern aus, aber es war die einzige Möglichkeit, sie bei Panikattacken sofort festzuhalten, normale Halsbänder und Geschirre hatten bei ihr keine Chance mehr.
Für uns war solch eine Erfahrung völlig neu. Schließlich waren wir ausgedehnte Hundespaziergänge gewohnt und nun saßen wir in einem Jahrhundert-Sommer mit einem Hund zu Hause, der sich lieber versteckte, anstatt baden oder spielen zu gehen. Aber die Fachfrauen aus dem Tierheim standen uns ständig mit Rat und Tat zur Seite. Neben einem wöchentlichen Training, das wir mit unserer Hündin absolvierten und das der Stärkung ihres Selbstbewusstseins dienen sollte, hatten sie uns Bach-Blüten zusammengestellt, die langsam zu wirken begannen. Inzwischen hatten wir am Hafen ein weiteres »hundefreundliches« Gebiet entdeckt ohne Menschen, Autos oder Radfahrer. White lebte auf, konnte ihrem unglaublichen Bewegungsdrang endlich freien Lauf lassen, rannte wie ein schwarzer Blitz am Deich entlang und war einfach nur ein glücklicher Hund, der die Welt eroberte. Auch der Waller See gehörte bald zu unseren bevorzugten Routen, denn dort waren ausschließlich freundliche Hunde und verständnisvolle Hundebesitzer unterwegs.
Doch trotz der Liebe und Fürsorge, die White von allen Familienmitgliedern erhielt, waren wesentliche Erfolge immer noch nicht sichtbar. Eine Bekannte riet uns daher, es mit Reiki zu versuchen. Und siehe da: Wir erlebten ein kleines Wunder. Schon nach wenigen Behandlungen wurde White ruhiger, ausgeglichener und tapferer. Am See traute sie sich sogar ins Wasser und bekannte Hunde und Menschen wurden nunmehr freundlich begrüßt. Die Verwandlung eines Nervenbündels zu einer selbstsicheren Hündin veranlasste viele unserer Freunde zu der Frage: »Ist das wirklich die Kleine aus Ungarn? Das ist ja ein völlig anderer Hund!«
Allerdings gab es weitere Hürden zu nehmen, denn vor Fahrrädern hatte White immer noch eine Höllenangst. Das Problem mussten wir als Nächstes angehen. Womit lockt man einen Hund am meisten? Natürlich mit Leckerlis. So wurde das Fahrrad kurzerhand ins Wohnzimmer gestellt und mit kleinen Wurstscheiben ausgestattet, denen White nicht widerstehen konnte. Sie versuchte, sich die Leckerbissen so vorsichtig wie möglich zu holen. Nachdem das geklappt hatte, schoben wir das Fahrrad pro Tag immer ein Stück weiter durch das Haus und schließlich auf die Terrasse, weiterhin mit feinster Wurst bestückt. Langsam verschwanden bei White Angst und Skepsis. Nach 14 Tagen machte mein Sohn mit ihr die erste Radtour – nachts, versteht sich. Heute ist es sogar möglich, mit der Hündin per Rad in die Redaktion zu fahren. Seitdem unsere nette Postbotin jeden Morgen eine kleine, leckere Überraschung dabei hat, gibt es auch mit fremden Fahrrädern keine Probleme mehr. Einen letzten Schritt in Richtung Selbstbewusstsein machte White, als ein zweiter Hund in die Familie kam. Ein junger Schäferhund-Rüde, der im Tierheim abgegeben worden war, eroberte ebenfalls sofort unsere Herzen und wir beschlossen seine Adoption. White zeigte sich als »große Schwester« und übernahm den Part der Anführerin. Die beiden sind inzwischen unzertrennlich geworden.
Fast vier Jahre sind seitdem vergangen. Heute ist White eine ausgesprochen liebevolle und anhängliche Hündin geworden, die aufgeschlossen und zufrieden durchs Leben geht und endlich die schönen Seiten für sich entdeckt hat. Es war ein langer und nicht ganz leichter Weg, den wir gehen mussten, aber die Mühen haben sich gelohnt.