Kitabı oku: «Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden», sayfa 6

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5.10 Sonder- und kriegsunterstützende Dienste in der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädchen

Zumeist volkswirtschaftlich und politisch begründet, nahmen die Mitglieder von HJ und BDM regelmäßig an Sonderdiensten teil. So sammelten sie Spenden für das Winterhilfswerk (WHW) und die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), jeweils orientiert an dem momentanen Bedarf, d. h. den aktuellen, politischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Reiches. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Materialien wie Flaschen, Altpapier, Altmetallen, Knochen, aber auch um Geld. Die gesammelten Materialien, sogenannte Sekundärrohstoffe, sollten den Mangel an fehlenden Primärrohstoffen ausgleichen.

Darüber hinaus wurde nach 1939 versucht, die durch den Krieg bedingten Ernährungsengpässe auszugleichen.249 Um die Nahrungsknappheit zu kompensieren, sammelten die Mädchen und Jungen Beeren, Pilze, Obst, Bucheckern, Eicheln, Lindenblüten und Kräuter.

Selbst die finanzielle Situation der Staatsjugendorganisation wurde durch derartige Sammelaktionen verbessert und in einigen Teilen des 'Dritten Reiches' konnte der regelmäßige Organisationsbetrieb nur so aufrechterhalten werden.

Halb spöttisch-ironisch, doch auch zur Selbstaufmunterung, sangen damals die Jugendlichen folgendes Lied: 'Lumpen, Flaschen, Eisen und Papier – ausgehaune Zähne sammeln wir', welches forsch und im Stakkato vorgetragen wurde.250

Die Arbeits- und Ernteeinsätze, anfangs oft auf freiwilliger Basis der HJ- und BDM-Mitglieder durchgeführt, wurden während der Kriegsjahre zur Pflichtveranstaltung, auch bedingt durch den Verlust an männlichen Arbeitskräften.

Diese Entwicklung kennzeichnete die gesamte Jugendarbeit der Gesamt-HJ, deren geregelter Dienst nun nicht mehr aus Heimabend und Sportveranstaltungen, sondern oft nur noch aus kriegsbedingten Hilfsaktionen bestand. Die zuvor propagierte geschlechtsspezifische Erziehung in der Staatsjugendorganisation, mit getrennten Erziehungszielen und –methoden wurde während des Krieges aufgehoben. Gebraucht wurde jede Arbeitskraft, unabhängig vom Geschlecht.

Der BDM beteiligte sich während der Kriegsjahre verstärkt in der „Soldatenbetreuung (z. B. Lazarettbesuche, Feldpostbriefe schreiben, Strümpfe stopfen) und [in der] […] BDM-Nachbarschaftshilfe […] für Kinderreiche, Alte und Soldatenfrauen.“251 Hier sammelten die Mädchen Kleider für bedürftige Personen, bastelten Spielzeug für Kinder mittelloser Familien, halfen bei der Betreuung von Kleinkindern oder der Versorgung verletzter Personen.

In späteren Jahren, als der Verlust vieler Männer bereits deutlich spürbar wurde, nahmen die Mädchen auch gezielt und aktiv am Kriegsgeschehen teil. Sie wurden an Flakgeschützen eingesetzt und zu „Luftwaffenhelferinnen im Nachrichtendienst, Flugmeldedienst, im Luftwarndienst, im Wetter-, Büro- und Sanitätsdienst“252 ausgebildet.

Die sogenannten BDM-Gesundheitsmädel, welche im Krieg durch das 'Deutsche Rote Kreuz' ausgebildet wurden, erhielten Aufgaben in Krankenhäusern, Flüchtlingslagern und Lazaretten, darunter auch solche in Frontnähe. Insgesamt wurden während des Krieges ca. 35.000 BDM-Mädchen in diesen Bereichen ausgebildet und eingesetzt.253

Zudem wurden die BDM-Mädchen auch am 'Osteinsatz' beteiligt und übernahmen im Rahmen dieses Einsatzes sogar Posten und Hilfsaufgaben bei der Polizei oder der Post.254

Ein weiteres Aufgabengebiet von HJ und BDM in Kriegszeiten lag in der Kinderlandverschickung (KLV). Im Rahmen dieser Aktion wurden Kinder aus besonders kriegsbedrohten und -zerstörten Gebieten im gesamten Klassenverband in weniger gefährdete Regionen umgesiedelt. Da die gesamte Organisation und Durchführung bei der Staatsjugendorganisation lag, besaß sie zudem die vollständige Entscheidungsgewalt und Kontrolle hinsichtlich politisch-ideologischer Ausrichtung der Lager.

Die Jungen der HJ fanden ihren Einsatz in Bereichen der „Polizei, Feuerwehr- und Streudienste“255, so unter anderen als „Melder nach Bombenangriffen“256.

Darüber hinaus übernahmen sie „Urlaubsvertretungen bei den Kommunen, Post- und Bahndienst sowie Verpflegungsausgabe und Austragen von Gestellungsbefehlen für die Wehrmacht“257.

Die Sonderdienste der HJ weiteten sich vorwiegend in den letzten Kriegsjahren bis hin zum Frontdienst aus. Ca. 16.000 Hitlerjungen wurden im Jahr 1943 davon überzeugt oder überredet, sich der '12. Panzerdivision Hitler-Jugend' zur Verfügung zu stellen, welche 1944 größtenteils an der Küste der Normandie gegen die eintreffenden Alliierten kämpfte. Viele bezahlten diesen erfolglosen, erbarmungslosen Kampf mit dem Leben.258

5.11 Bundestracht/​Uniformierung und Symbolik

Die Bundestracht, als äußerliches Erkennungszeichen der Zugehörigkeit zur Staatsjugendorganisation, war für Jungen und Mädchen Pflicht. Die Uniform der Mädchen bestand aus einer „kurzärmeligen weißen Bluse, blauem Rock, Halstuch und Lederknoten, im Winter ergänzt durch die braune BDM-Weste“259. Die Jungen trugen eine Hemdbluse, Halstuch mit Lederring, Kniestrümpfe und eine Cordhose. Im Sommer wurde darüber hinaus eine Sommermütze getragen.260 Die Uniform spiegelte die Gleichschaltung der Jugend wider und nahm ihnen weitgehend ihre äußerliche Individualität. „Durch eine gleiche und einheitliche Kleidung entwickelt sich eben ein Gruppenbild, und aus diesem äußeren Gruppenbild könnten wir dann schon schließen auf den Gehalt und das Wesen dieser Gruppe.“261 Die Uniform hob zugleich sichtbare Klassenunterschiede auf und förderte dadurch das Selbstwertgefühl und die Disziplin. Die sozialen Unterschiede wurden durch eine innerorganisatorische Hierarchisierung ausgetauscht, welche durch Fleiß und vorbildliches Benehmen im Sinne des Nationalsozialismus von jedem Mitglied erreicht werden konnte. So formulierte Schirach folgendermaßen: „Die Uniform der HJ. ist der Ausdruck einer Haltung, die nicht nach Klasse und Besitz fragt, sondern nur nach Einsatz und Leistung.“262

Neben der Kleidung hatten die Mädchen und Jungen eine festgelegte Frisur zu tragen, und es war ihnen nicht erlaubt, Schmuck anzulegen. „Kein winziges Zeichen einer eigenständigen Ausdrucksform“263 war erlaubt. Auch hier wird wieder erkennbar, dass die Gemeinschaft im Vordergrund stand und sich keiner von ihr absetzen durfte.

Während im BDM die verschiedenen Dienstgrade anhand von Schulterriemen sichtbar gemacht wurden, zeigte sich dies in der HJ durch unterschiedliche Abzeichen.


Abb. 24: Hitlerjunge


Abb. 25: BDM-Mädchen

Die Fahnen

Die Fahnen der HJ und des BDM spielten eine wichtige symbolische Rolle. Zu fast jeder Gelegenheit kamen sie im HJ- und BDM-Dienst zum Einsatz, sei es beim morgendlichen Fahnenappell, bei Feiern und Festivitäten oder bei großen Aufmärschen. Stets wurden die Fahnen voran getragen, wie es im Refrain des Liedes 'Vorwärts, vorwärts'264 besungen wird: „Unsere Fahne flattert uns voran“. Beim Eintritt in die Organisation der Gesamt-Hitlerjugend mussten die jungen Mädchen und Jungen einen Eid auf die Fahne schwören. Dies lässt darauf schließen, dass der Fahnenkult im Nationalsozialismus durchaus eine religionsähnliche Funktion besaß, für den auch in den Tod gegangen werden sollte, so erneut erkennbar in der letzten Zeile des Refrains des bereits erwähnten Liedes, in der es heißt: „ja die Fahne ist mehr als der Tod“.

Die Flagge der HJ, ähnlich der der NSDAP, war rot-weiß-rot gestreift und zeigte im Zentrum ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis. Die Fahne des BDM zeigte einen roten sowie einen weißen Längsstreifen. Auch hier befand sich das schwarze Hakenkreuz mittig auf einem weißen Kreis.


Abb. 26: Fahnenappell


Abb. 27: Propagandafoto zum „Adolf-Hitler-Marsch“ mit Fahnen


Abb. 28: Lied: Feindwärts knattert die Fahne

Hitler selbst beschrieb in seinem Buch 'Mein Kampf' die Beziehung der Menschen zu ihrer Fahne folgendermaßen: „Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalsozialistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird“265.

Das Fahnensymbol fand sich auch auf den Armbinden, den Wimpeln und auf den Instrumenten der Hitlerjungen und BDM-Mädchen wieder. Das allseits vorhandene Hakenkreuz symbolisierte die nationalsozialistische Weltanschauung. Nach Alfred Rosenberg (1893 - 1946) geht das Hakenkreuz auf das germanische Symbol des Kampfes zurück, Werte und Bräuche der eigenen Kultur reflektierend. Mit dem Hakenkreuz sollten die Menschen „Lebensraum, nationale Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Rassereinheit und lebenserneuernde Fruchtbarkeit assoziieren“266.

Dass das Hakenkreuz, die Swastika, auf vorgermanische Quellen zurückzuführen ist, jüngste Ausgrabungen sogar auf den semitischen Raum hinweisen, wurde im Nationalsozialismus teils verschwiegen, um sich ein schlüssiges NS-Gedankengebilde errichten zu können bzw. war das den NS-Ideologen womöglich nicht bekannt.

Begrüßungsritual der Gesamt-HJ

Wie im gesamten 'Dritten Reich' üblich und verpflichtend, grüßten sich die Jugendlichen in der HJ und im BDM mit dem Hitlergruß. Dabei wurde der rechte Arm leicht nach oben ausgestreckt und nach vorn gerichtet, die Finger dabei nebeneinander geschlossen. Dazu wurden die Worte 'Heil Hitler' rezitiert. Die Bedeutung der Geste wurde wohl von Benito Mussolini (1883 - 1945) übernommen, der sich wiederum an dem römischen Gruß 'Ave Caesar' aus der Zeit des römischen Reiches orientierte.

Dem Wort 'Heil' können verschiedene Bedeutungen zugesprochen werden. So galt zum einen in Österreich, Hitlers Geburtsland, das Wort 'Heil' als Begrüßungsformel.

Zum anderen jedoch kann es auch auf religiösen biblischen Charakter zurückgeführt werden, bei dem Hitler mit dem Heiland Jesus Christus gleichgesetzt werden sollte. Das 'Heil' symbolisierte so den Wunsch, Hitler möge Kraft und Glück beschert werden und solches als Heilsbringer senden. Der eschatologische Charakter der NS-Symbolik ist bei näherer Untersuchung immens aufschlussreich.

Bei Verweigerung des Grußes konnte es zu schweren Sanktionen und Bestrafungen kommen.

Trotzdem kursierten Berichte, dass beim obligaten Hitlergruß die Finger der linken Hand hinter dem Rücken verknotet wurden, ein altbekannter Abwehrzauber, der den Eid ungültig werden ließ bzw. dass statt 'Heil Hitler' ähnlich klingender Nonsens wie 'Drei Liter' gebrummt wurde.267

5.12 Die Leitung der Jugendgruppen durch die HJ- und BDM-Führer/​innen

Die Reichsjugendführung versuchte auf vielfältige Art und Weise, die Jugend für sich zu gewinnen, um mit ihr die angestrebte neue Gesellschaftsform und einen neuen Typus Mensch zu erschaffen. Ausschlaggebend war dabei der Gedanke, dass einerseits insbesondere die Jugend als Generation im Verlauf der Geschichte oft „Raum für eine Hoffnung auf gesellschaftliche Erneuerung“268 bot, andererseits sich gerade die Jugendphase durch einen kritischen Umgang mit der Gesellschaft auszeichnete. Infolge dessen werteten die Machthaber des NS die Generation der Jugend stark auf. Die Leitung der einzelnen HJ- und BDM-Jugendgruppen wurde durch das Prinzip „Jugend muss von Jugend geführt werden“269 gestaltet. die Führung sollte nicht Vertretern der älteren Generation überlassen werden, die noch in einer früheren Zeit mit einem anderen Gesellschaftssystem aufgewachsen waren und deren Denken und Verhalten anderweitige Prägung erfahren hatte. Auch gingen sie davon aus, dass sich die Jugendlichen eher der Kritik gleichaltriger Vorgesetzter als der Kritik Erwachsener beugen würden.270 Somit vermittelte die RJF den jugendlichen Führern Vertrauen in deren Vorstellungs- und Handlungskompetenzen. Dabei ging es jedoch nicht um die Erlangung einer unabhängigen Individualität der Jugendführer. Jene erhielten in ihrer Funktion nur Freiraum und Anerkennung, wenn sie ihr Tun gänzlich den Bedürfnissen und Anforderungen des nationalsozialistischen Staates unterordneten.271 Ihre Aufgabe lag wiederum darin, durch unbegrenztes Vertrauen und Suggestion272 in den ihnen anvertrauten Jungen und Mädchen Fähigkeiten wie Ehrgeiz, Verantwortungsbewusstsein und Selbstvertrauen hervorzurufen und zu fördern. Dabei stellte die „Bindung der Gefolgschaft an die Führerin“273 oder den Führer ein wesentliches Element dar, bei dem es nicht um ein inniges Freundschaftsverhältnis ging. Vielmehr sollten diese Bindungen gezielt dazu genutzt werden, ein bestimmtes Ziel zu erreichen bzw. „Kontrolle und Macht über die Jugend“274 zu erlangen.

Das Alter der Jugendführer spielte dabei eine nebensächliche Rolle, da Alter nach der geistigen Befähigung und nicht nach den Jahren bemessen wurde.275 Die Führer waren oft nicht wesentlich älter als ihre Kameraden. Gerade in den jüngeren Jahrgängen lagen nur zwei oder drei Jahre zwischen Führer und Gefolgschaft. In einer Gruppe von Jugendlichen offenbarte sich nach Schirachs Ansicht von allein, wer die Qualitäten zur Führung besitzt. Die anderen Mitglieder der Gruppe würden dem Auserwählten „von selbst die nötige Achtung zollen und seine Autorität anerkennen.“276 Diese jugendlichen Führer hatten sich bereits durch bestimmte Charaktereigenschaften gegenüber den Gleichaltrigen ausgezeichnet: „Autoritätsgläubigkeit nach oben, fähig, Autorität nach unten zu vermitteln, jung, durch moralisch und politisch vorbildhaftes Verhalten ihre Gruppe im NS-Sinne zu formen.“277 Darüber hinaus sollten sie eine „körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit, charakterliche Veranlagung, geistige und seelische Frische und entwicklungsfähige Anlagen“278 besitzen. Ein Ahnennachweis über die arische Herkunft, der mindestens bis ins Jahr 1799 zurückverfolgt werden konnte, musste ebenfalls vorgelegt werden.

Hitler und Schirach gingen beide von einem „angeborene[…][n] Führertum“279 aus, welches durch effizientes Fördern stärker herausgebildet werden konnte. „Zum Führertum gehört nicht nur Wille, sondern auch Fähigkeit. […] Am wertvollsten ist eine Verbindung von Fähigkeit, Entschlusskraft und Beharrlichkeit“280. Um dem genannten Prinzip gerecht zu werden, benötigten die HJ und der BDM eine große Anzahl an Jugendführern. Die Hitlerjugend konnte in der Anfangszeit ihren Bedarf auch aus den Reihen der ehemaligen bündischen Jugendgruppen decken. Der Nachwuchs an Führerinnen für den Bund Deutscher Mädchen musste erst aufgebaut werden.281 Um alle Kinder und Jugendlichen, speziell die ehemaligen Mitglieder anderer Jugendorganisationen, mit den ideologischen Zielen und Inhalten der Staatsjugendorganisation vertraut zu machen, wurde das Jahr 1934 als 'Jahr der Schulung' ausgerufen. Im Verlauf dessen sollten alle Mitglieder der HJ einen einheitlichen Wissensstand und die Führer/​innen den gleichen Ausbildungsstand erlangen. Aufgrund regionaler und struktureller Unterschiede verlief die Umsetzung jedoch nicht in allen Teilen des 'Dritten Reiches' gleichermaßen wie geplant. Um den Führernachweis innerhalb der Organisation zu sichern und die aktiven Führer von Zeit zu Zeit in neuen „historischen politischen und rassebiologischen Kenntnissen“282 zu unterrichten, wurden sie regelmäßig in entsprechenden Kursen, strickt nach Jungen und Mädchen getrennt, an sogenannten Führerschulen zusammengezogen. So dauerte beispielsweise eine Ausbildung für eine 'Schaft', d. h. der kleinsten Einheit innerhalb der HJ und dem BDM ein halbes Jahr. Neben der theoretischen Vermittlung nahm dabei auch das Körpertraining einen großen Stellenwert ein.

Abgesehen von den extra geschaffenen Ausbildungsschulen, gab es mehrwöchige Lager, in denen die angehenden Führer/​-innen für ihre praktischen Tätigkeiten unterrichtet wurden. Zu ihren Hauptaufgaben gehörte neben der Leitung und Durchführung der Heimabende, das Einüben von Liedern und die Organisation und Durchführung von Feiern und Veranstaltungen. In ihren Verantwortungsbereich fielen zudem „Organisationsarbeit und Kontrollaufgaben.“283

Für die Vermittlung von Wissen, sowie auch für die Ausrichtung und Gestaltung der Zusammenkünfte, gab es genaue Richtlinien und Anweisungen, wie beispielsweise die Schulungsmappen für den Heimatabend.284 Die Jugendführer empfingen hierarchisch abgestuft auf den jeweiligen Ebenen von den höheren Diensträngen ihre Anweisungen und waren jenen zur Rechenschaft verpflichtet. Lediglich auf den untersten Ebenen, an der Basis, blieb ein wenig Platz und Raum für eigenständiges Handeln.285 Dabei muss beachtet und gegebenenfalls gesondert untersucht werden, wie sich jene Führer verhielten, die nicht aus vollständig indoktrinierten nationalsozialistischen Bereichen kamen, sondern durch Intellekt und Persönlichkeit in die neue Führerrolle gelangt waren.

Um den männlichen „Führernachwuchs von Partei und Staat“286 zu sichern, wurden verschiedene Eliteschulen gegründet. Da Frauen nicht auf den höheren Ebenen eingesetzt wurden, erhielten sie keinen Zugang zu diesen speziellen Schulen. Die bekanntesten Erziehungsanstalten waren die 'Adolf-Hitler-Schulen', die 'Ordensburgen', die 'NS-Deutsche-Oberschule Starnberger-See' (später umbenannt in 'Reichsschule der NSDAP') und die 'Hohen Schulen', welche jedoch mehr Planung als Realität blieben.

Auch die 'National-Politischen-Erziehungs-Anstalten' ('N.P.E.A.’S'), volkstümlich auch 'Napola' genannt, waren fast ausschließlich für Jungen gedacht, nur zwei nahmen Mädchen auf. Die 'N.P.E.A.’S' waren staatliche Internatsschulen und hatten dementsprechend nichts mit der HJ oder dem BDM zu tun.287 Die Erziehung der zukünftigen Elite des Landes lag hier ausschließlich in den Händen des Staates bzw. der politischen Machthaber.

5.13 Totalitätsanspruch

Der Totalitätsanspruch der Gesamt-HJ vollzog sich auf unterschiedlichen Ebenen. So formulierte Schirach in seinem 1934 erschienen Buch zur Staatsjugendorganisation folgendermaßen: „Die HJ will sowohl die Gesamtheit der Jugend, wie auch den gesamten Lebensbereich des jungen Deutschen erfassen.“288 Dieser Forderung kam Schirach durch die Gleichschaltung und Auflösung konkurrierender Jugendorganisationen nach. Kurz nach seiner Ernennung zum Reichsjugendführer des Deutschen Reiches am 17. Juni 1933 (seit 30. Oktober 1931 Reichsjugendführer der NSDAP) begannen die Nationalsozialisten, jüdische und sozialistische Jugendverbände aus dem Reichsausschuss auszuschließen, gefolgt von den politischen und kirchlichen Verbänden.289 Die durch Zwangsmaßnahmen abgeschaffte Konkurrenz ermöglichte einen schnellen Anstieg der Mitgliedszahlen in HJ und BDM in der Folgezeit.

Als weitere Maßnahme galt die Gleichstellung der Erziehungsinstitutionen Gesamt-HJ, Elternhaus und Schule als „Träger der völkischen Erziehungsgedanken“290. Um einen Konflikt zwischen den einzelnen Institutionen zu vermeiden, erhielt jede Einheit ihre eigenen Aufgaben und Bereiche zugeteilt. So sollte ein „sinnvolles Zusammenwirken“, gegründet auf gegenseitige „gute Beziehungen“ und „Einblicke in die Arbeit“291 der jeweiligen anderen Institutionen entstehen.

Die Einteilung sah folgendermaßen aus: das Elternhaus war für die grundlegenden Erziehungsfragen zuständig, die Schule sollte auf Basis des nationalsozialistischen Gedankenguts unterrichten und die Hitlerjugend Werte wie kameradschaftliche Haltung, Gemeinschaftsgedanken und Führungsfähigkeit entwickeln.292

Den Eltern wurde gleichsam nahe gelegt, ihre Kinder im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung zu erziehen. Hitler definierte in einer Rede die „Familie als Keimzelle unseres Volks- und Staatskörpers“293 und ein Großteil der Eltern folgte bereitwillig seinen Vorstellungen, da das politischideologische Gedankengut der Nationalsozialisten fast alle Bereiche des Lebens durchdrungen hatte.

Es gab aber auch Eltern die versuchten, ihre Kinder vor den Einflüssen des Nationalsozialismus zu schützen.

Das Elternhaus blieb in damaliger Zeit die letzte Institution, in der es möglich war, individuelle Vorstellungen bezüglich Weltanschauung und Erziehung zu leben. Da jene jedoch im Widerspruch zu der nationalsozialistischen Gesinnung stehen konnten, versuchten die Führer/​innen aus HJ und BDM, die Kinder in zunehmendem Maß dem Einfluss ihrer Elternhäuser zu entziehen. Sie sollten sich mehr der Staatsjugendorganisation verbunden und zugehörig fühlen, als dem eigenen Elternhaus. Des Weiteren wurden Kinder dahingehend beeinflusst, ihre eigenen Eltern bei Verstößen oder Äußerungen gegen das nationalsozialistische Regime anzuzeigen, wodurch ein psychologisch problematisches System des Denunziantentums erzeugt wurde.

Zwar fanden die Erziehungsgedanken der Nationalsozialisten Eingang in die schulischen Lehrpläne, doch wurde eine scharfe Trennung zwischen der Staatsjugendorganisation und der Lehrerschaft gezogen, da laut nationalsozialistischer Meinung „Lehren und Führen“294 grundsätzlich unterschiedliche Kategorien seien. Hinzu kam, dass kognitive Fertigkeiten im Nationalsozialismus nur gering geschätzt wurden, d. h. der Institution Schule ohnehin ein niederer Stellenwert eingeräumt wurde. Schwierigkeiten erhielten vor allem die Lehrer, die sich nicht dem NS-Gedankengut verschrieben hatten bzw. sich entsprechend opportun verhielten. Sie wurden oft mit einem Berufsverbot aus dem Schuldienst entlassen.295

Zu komplizierten Verhältnissen kam es bisweilen auch, wenn in einer Schulklasse Jugendführer/​innen der HJ oder des BDM innerhalb der nationalsozialistischen Dienstgrade höher gestuft waren als die Lehrkraft, infolgedessen befugt waren, diese zu maßregeln. Um es nicht zu Kompetenzstreitigkeiten kommen zu lassen, wurden die Lehrer angewiesen, in einem derartigen Fall dem jeweiligen Jugendführer das nötige Taktgefühl entgegenzubringen und nicht dessen Autorität vor seinen Kameraden in Frage zu stellen.296

Entsprechend der vielfältigen Vorgaben wurde die Woche für die Kinder und Jugendlichen genau strukturiert in fünf Schul- bzw. Arbeitstage, einen Tag für HJ/​BDM und staatspolitischer Bildung und den siebten Tag für die Familie.297 Das Leben der Jugendlichen wurde durch diese Einbindung und die permanente Bevormundung seitens ihrer Führer/​innen in derart festgelegte Bahnen gelenkt, dass eine eigenständige, individuelle Entwicklung kaum möglich war. 298


Abb. 29: Schüler mit Lehrer in Winterdorf 1937, 13 von 37 Schülern sind in HJ-Kleidung


Abb. 30: Schülerinnen mit Lehrer in Wintersdorf 1937, 19 von 37 Schülerinnen in BDM-Kleidung

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