Kitabı oku: «Studieren und Forschen mit Kind»

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Annette C. Cremer

Studium und Wissenschaft mit Kind

Böhlau Köln Weimar · 2018

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

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Umschlagabbildung: Autorin / Michaela Wappler-Dorst, Gleisweiler

© 2018 by Böhlau Verlag Gesellschaft m.b.H & Co. KG,

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Korrektorat: Rebecca Wache, Castrop-Rauxel

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Satz: data2type GmbH, Heidelberg

UTB-Band-Nr. 4877 | ISBN 978-3-8252-4877-2 | eISBN 978-3-8385-4877-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel IStudium und Wissenschaft mit Kind

1Einleitung

1.1Zur Einstimmung: Vom täglichen Irrsinn

1.2Was will das Buch? Entscheidungshilfe und Wegbegleiter

1.3Die Konkurrenz um die Ressource Zeit

1.4Universität mit Kind in Deutschland

1.5Mütter und Väter: Ein bedeutsamer Unterschied

1.6Alleinerziehende

2Studieren mit Kind

2.1Studieren als Ausbildungsstufe oder Lebensphase?

2.2Studieren und Forschen an der Universität – die einzelnen Phasen

2.3Was ist unter Vereinbarkeit zu verstehen?

2.4Muss ich wirklich (mit Kind) studieren?

2.5Welches Fach eignet sich gut in Bezug auf die Vereinbarkeit?

2.6Was Sie persönlich an Eigenschaften mitbringen sollten

2.7Eine stabile Partnerschaft

2.8Ein gutes soziales und familiäres Netzwerk

2.9Wohnen mit Kind

2.10Finanzen

2.11Ein Alien sein?

3Erleichterungen der Studienbedingungen für Mütter und Väter

3.1Beurlaubung

3.2Teilzeitstudium

3.3Fernstudium

4Informelle Lösungen: Kleine Helfer im Hochschulalltag

4.1Verlängerte Buchausleihe

4.2Hilfe durch Korrekturleser

4.3Mit dem Kind ins Seminar?

4.4Am effektivsten zu Hause

5Promotion mit Kind

5.1Die Promotion – eine gute Zeit zum Kinderkriegen?

5.2Hoher Druck von allen Seiten

5.3Arbeitsweise während der Promotion

5.4Verschärfung der Ressourcenkonflikte

5.5Gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Promotion mit Kind

5.6Ein ‚gutes‘ Promotionsthema finden

5.7Exposé und Zeitplan

5.8Wege in die Promotion

5.9Ein gutes Betreuungsverhältnis zu Doktorvater oder -mutter

5.10Promotionsmodelle

5.11Finanzielle Absicherung während der Promotionsphase

5.12Schreiben Sie von Anfang an

5.13Sekundäre Kompetenzen während der Promotion

5.13.1Tagungen

5.13.2Konferenz mit Kind?

5.13.3Publikationen

6Habilitation mit Kind

6.1Vom Regen in die Traufe

6.2Späte Mutterschaft

6.3Mobilitäts- und Internationalisierungszwang

6.4Hilfen auf dem Weg in die Wissenschaft

6.5Chancen der Erreichbarkeit

6.6Alternativen: Wissenschaftsmanagement oder Selbstständigkeit

7Professur mit Kind

8Familienfreundliche Universität gesucht

8.1Frauen- oder Gleichstellungsbüros

8.2Was leistet das Siegel „audit familiengerechte hochschule“?

8.3Studentenwerk

8.4Still- und Wickelräume

8.5Spielflächen

Kapitel IIDen Alltag meistern

9Kinderbetreuung

9.1Eingewöhnung

9.2Vor- und Nachteile von Fremdbetreuung

9.3Kinderbetreuung durch Einzelpersonen

9.3.1Tagesmütter

9.3.2Kinderfrau

9.3.3Nachteile der Einpersonenbetreuung

9.4Kinderkrippen, Kindergärten und Kindertagesstätten

9.4.1Flexible Betreuung oder Ganztagskita?

9.4.2Kinderkrippe

9.4.3Universitätskindertagesstätte

9.4.4Private Initiativen

9.4.5Kindergarten/Ganztagskindergarten

9.4.6Die Problematik Grundschule/Hort für Schulkinder

9.4.7Betreuungscocktail nachmittags

9.4.8Kinderhotels

9.4.9Ferien als Betreuungsproblem

9.4.10Au-pair

10 Alltagslogistik: Einkauf, Reifenwechsel und Studium/Forschung

10.1(Frei-)Räume zum Arbeiten

10.1.1Von der Gestaltung des Arbeitsplatzes

10.1.2Arbeiten in der Bibliothek

10.1.3Hände weg von Facebook, WhatsApp und Co.

10.1.4Von Frühaufstehern und Nachteulen

10.1.5Studieren und forschen, wenn das Kind zuhause ist

10.2Arbeitsrhythmus und Pausen

10.2.1Schaffen Sie Routine(n)

10.2.2Arbeiten Sie täglich vier Stunden

10.2.3Pausen

10.2.4Tägliche Arbeitseinheiten im Semester

10.2.5Lesen Sie jeden Tag einen Artikel oder ein Kapitel

10.2.6Sonntags haben Sie frei

10.3Schlafen Sie gut

11 Sekundäre Aufgaben

11.1Immer wiederkehrende Qual: Bibliografieren

11.2Vom Warten: Leidige Sprechstunden

11.3Zeitfresser Formalien

12Psychohygiene

12.1Vom schlechten Gewissen

12.2Suchen Sie das Gespräch

12.3Machen Sie Kompromisse

12.4Vergleichen Sie sich nicht dauernd

12.5Suchen Sie Vorbilder

12.6Wie geht es mir?

12.7Wie geht es meinem/r Partner/in?

12.8Wie geht es meinem Kind?

13Krisen

13.1(Kinder-)Krankheiten

13.2Termindruck

13.3Durststrecken überbrücken

13.4Holen Sie Hilfe

Kapitel IIISchluss

14Eine Herausforderung trotz guter Planung

14.1Manchmal doch: Kind oder Universität?

14.2Ausstieg ist kein Scheitern

15 Die Sache mit dem biologischen Alter

15.1… Studium und Berufseinstieg

15.2… Promotion

15.3… Hochschulkarriere

16 Was Eltern potenziellen Arbeitgebern bieten können

16.1Von der Bewertung der ‚Nachteile‘: höheres Lebensalter und fehlende Flexibilität

16.2Was Eltern können

17Bleiben Sie mutig, realistisch und aufmerksam

Anmerkungen

Literatur

Weiterführende Links

Vorwort

An die Leserin, an den Leser,

bevor Sie dieses Buch lesen, möchte ich Sie kurz über mich informieren: Ich bin Mutter von drei Kindern. Zwei wurden während meines Studiums geboren, eines zu Beginn der Promotion. Heute arbeite ich als Akademische Rätin im Fach Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Mein jüngstes Kind ist jetzt 12 Jahre alt. Inzwischen lässt sich meine Stelle in Forschung und Lehre gut mit meiner Aufgabe als Mutter vereinen. Die Kinder verstehen, was ich tue, und sie sind so unabhängig von mir, dass sie mich auch mehrere Tage entbehren können, wenn es sein muss. Als sie kleiner waren, war das für alle Seiten schwer. Für meinen Partner, der zum Teil unter großen persönlichen und beruflichen Einschränkungen alles alleine stemmen musste, während ich manchmal wochenlang irgendwo im Archiv saß, für die Kinder, die mich schmerzlich vermisst haben und für mich als Mama, die die Kinder vermisste und zugleich schreckliche Selbstzweifel (Stichwort: Rabenmutter) hatte.

Auch wenn man zwei Einkommen braucht, gibt es immer einen anderen Weg. Warum also habe ich den steinigen Weg auf mich genommen? Weil ich der Meinung bin, dass man seine persönlichen Fähigkeiten ausbilden und sich selbst gerecht werden muss, im besten Sinn!

Ich habe an den verschiedenen Universitäten, an denen ich war, aufgrund meines biografischen Modells einigen Gegenwind – und zwar meist von Personen ohne Kinder – erfahren. Manchmal war klar, dass ich aufgrund meiner Mutterschaft und der damit verbundenen fehlenden örtlichen Flexibilität und nicht etwa aufgrund fehlender Kompetenzen nicht weiter gefördert wurde. Nach der Geburt des zweiten Kindes wurde ich von einem männlichen Privatdozenten ernsthaft gefragt, „ob das denn sein musste“, im Sinn von: „Wir hatten so viele Hoffnungen in Sie gesetzt, aus Ihnen hätte wirklich etwas werden können!“ (Vermutlich meinte er es sogar gut.) Als ich mit 30 Jahren ins Ausland gehen wollte, bekam ich von der fachlichen Beratungsstelle mitgeteilt, dass ich dazu ja wohl ‚zu alt‘ sei. Ich ging nicht ins Ausland.

Ich habe aber zugleich auch viel Rückenwind und Unterstützung erfahren, von Vorgesetzten, die primär meine fachlichen Fähigkeiten sahen und die familiäre Situation in Kauf nahmen oder von solchen, die das im Sinn einer Pluralisierung begrüßten oder mich gerade wegen meiner Erfahrungen als Mutter u.a. zur Betreuung des Bereichs Combining Career and Family am Graduate Center for the Study of Culture der Justus-Liebig-Universität Gießen einstellten. Größte Unterstützung erhielt ich von Vorgesetzten, die selbst Kinder haben.

Inzwischen hat sich die Stimmung an den Universitäten auch aufgrund der wissenschaftspolitischen Steuerung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft wesentlich verändert, nicht jedoch das Anforderungsprofil der universitären Qualifikationsstufen und die noch sehr wirksamen Vorstellungen über die Verfasstheit eines immer noch primär männlichen Lehrstuhlinhabers (2015: 11,4% Frauen auf W3/C4-Stellen laut Statistischem Bundesamt). Bis zur quantitativen Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Statusgruppen ist es noch ein weiter Weg. Sollten wir dies jemals erreichen, wird es nach wie vor fraglich sein, ob die, die es schaffen, Kinder haben, und die, die es geschafft haben, noch Kinder bekommen werden. Oder ob es jenseits des Studiums doch heißen wird: Kind ODER Uni.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die dieses auf Erfahrungen, Recherchen und Beobachtungen basierende Büchlein lesen, viel Mut und Kraft, Durchhaltevermögen, funktionierende soziale Netzwerke, gute Vorbilder und verständnisvolle Mentorinnen und Mentoren.

Annette C. Cremer

Gießen, im Oktober 2017

Kapitel I Studium und Wissenschaft mit Kind

1 Einleitung
1.1 Zur Einstimmung: Vom täglichen Irrsinn

Mit Mama (37), Tochter (14), Söhnen (9 und 4), Babysitterin und Nachbar.

Heute ist Donnerstag und donnerstags und montags bin ich eigentlich immer an der Uni. Dienstags und mittwochs arbeite ich und freitags muss ich alles tun, was so liegen bleibt (Wäsche waschen, aufräumen etc.). Heute ist es ein bisschen anders. Heute wird ein langer Tag. Mein Partner ist bei einer Tagung und ich bin mit den Kindern alleine. Das heißt: um sechs Uhr aufstehen, Tochter wecken, Brotdosen vorbereiten. Aber Achtung: Für die Tochter alles einzeln einpacken, weil es sonst zermatscht, für Sohn 1 keinen Käse, dafür Sohn 2 nur Salami, und wenn Mandarine, dann schon geschält. Mensch, wo sind denn die ganzen Brotdosen und Trinkflaschen wieder hin?

Zwanzig vor sieben, die Tochter ist immer noch nicht beim Frühstück, also noch mal scheuchen. Als nächstes Sohn 1 wecken, er wird gern wütend, wenn man ihn zu spät weckt, weil er immer ganz früh in der Schule sein will. „Ich hab so Bauchweh, und überhaupt ist mir schlecht und heute Nacht war es wieder kalt und der Hubschrauber hat wieder krach-bumm-bäng gemacht.“ Also trösten und anspornen: „Jetzt ist der Hubschrauber ja weg. Du schaffst das schon!“

Drei vor sieben. In sechs Minuten geht der Bus und Madame ist noch nicht einmal aus dem Bad raus. Nun ja, Schönheit geht eben vor! „Ach Mami, ich brauche noch sieben Euro für so'n Heft und du musst noch was unterschreiben!“ – „Sag mal, spinnst du? Frag gefälligst abends!“, antworte ich, aber es hilft ja nichts, also schnell das Geld heraussuchen. Weil sie vergisst, die Brotdose einzupacken, renne ich ihr noch zur Bushaltestelle nach. Dann ist sie weg. Puh! Nummer eins geschafft. Dabei stelle ich fest, dass die Nachbarn vergessen haben, die gemeinsamen Mülltonnen rauszustellen, und mache das noch schnell. Wieder zurück in der Wohnung erzählt Sohn 1 indes von der Bundeswehr und dass es heute Nacht gebrannt habe (hat es nicht) und dass die Feuerwehr mit drei Autos an unserem Haus vorbei gefahren sei (ist sie nicht) und fragt, was wir an Silvester machen, ob wir wie letztes Jahr hundert Kracher (es waren zehn) anzünden würden. Ich muss ihn zum Essen nötigen, er hat einfach immer zu viel zu tun. Inzwischen ist Sohn 2 wach und ist ‚aus Versehen‘ direkt in das Zimmer seines Bruders zu dessen Lego gelaufen und hat ‚alles kaputtgemacht‘ (in Wahrheit: den Rotor des Hubschraubers entfernt, also gar kein Problem). Es gibt eine handfeste Auseinandersetzung, in der viele Schimpfwörter fallen, Sohn 2 sich verletzt, ich schimpfe und der Hund wedelnd mitspielen will. Aber da ist es zum Glück schon halb acht und Sohn 1 rennt, halbwegs vollständig, aus der Tür, nur hat er wieder den Pulli von gestern an, aber was soll's! Nummer zwei: erledigt!

Kind Nummer drei will jetzt Flöte spielen, das aber kann man auch seinen besten Nachbarn so früh nicht zumuten. Ich kann ihn von einer Weihnachtslieder-CD überzeugen. Gemütlich mümmelt er sein Müsli und singt Rudolph the Red-Nosed Reindeer. Ich habe kurz Zeit, selbst etwas zu essen und mich anzukleiden (gut aussehen geht anders). Danach ziehe ich Sohn 2 unter Protest an, denn das Nachbarskind wartet draußen schon auf seine Mitfahrgelegenheit zum Kindergarten. Um neun Uhr komme ich von dort zurück. Drei Stunden Arbeit und ich bin schon fertig und mein eigentlicher Arbeitstag hat noch nicht einmal angefangen.

Um eins muss ich nach Frankfurt, wir haben mit ein paar Kommilitonen einen Termin im Museum. Aber heute bin ich mit Kochen im Kinderhort dran und muss bis Mittag ein Drei-Gänge-Menü für 25 Kinder zaubern. Also wieder Nudeln! Den Hund habe ich auch vergessen, der muss dringend raus, ich hoffe, er kann es noch einhalten.

Weil ich ja heute nach Frankfurt muss, habe ich meine teure Babysitterin (8 Euro pro Stunde) angefleht, heute viel früher zu kommen. Sie kommt also schon um eins, passt Sohn 1 ab, bringt ihn und das Essen mit dem Auto in den Hort und holt danach Sohn 2 vom Kindergarten ab, geht mit dem Hund und sammelt um halb sechs die zwei Großen im Hort ein und macht Abendessen. Sie muss die Kinder heute das erste Mal alleine bringen und holen und hat nur eine gekritzelte Wegbeschreibung, hoffentlich geht also alles gut. Dummerweise muss sie heute schon um halb acht weg, das wird also zeitlich eng.

Ich merke: Frankfurt schaffe ich einfach nicht, denn in einer Woche muss ich wieder ein Referat an meiner Uni halten und weiß eigentlich noch gar nicht, worüber. Ich flüchte also ganz kurz vor eins aus dem Haus vor der Babysitterin, die ja denkt, ich wäre in Frankfurt, dann sage ich Frankfurt ab (sehr peinlich) und setze mich in Marburg in die Bibliothek. Auf dem Weg dorthin bringe ich das Auto in die Werkstatt, es braucht Winterreifen. Um sechs muss ich es wieder abholen. In der Bibliothek arbeite ich tatsächlich auch ganz gut, drei Stunden lang, dann hab ich Hunger und Durst, und weil es dort keine Cafeteria gibt, gehe ich wieder. Es ist zwanzig vor sechs und ich würde gerne ein Buch über Nacht aus der Präsenzbibliothek mitnehmen. Der Mensch hinter der Theke sagt zu mir, Übernachtausleihe wäre erst ab sechs, ich solle in zwanzig Minuten wiederkommen. Auf meinen Verweis, ich hätte Kinder und müsse jetzt nach Hause, zuckt er mit den Schultern und sagt, die Regeln seien nun einmal so. Na klasse.

Ich hole ohne Buch mein Auto wieder ab und gehe dann einkaufen, weil alles alle ist. Um kurz vor halb acht schleppe ich einen riesigen Einkauf zuhause die Treppen hoch, drei Kinder, der Hund und die Babysitterin kommen angerannt. Natürlich wollen alle mich ganz alleine und sofort, schließlich haben sie mich ja den ganzen Tag entbehrt. Vier Leute reden also gleichzeitig auf mich ein, die Tochter will noch in den Reitstall, der Sohn noch Fernsehen und ein Nutellabrot, der Kleine hängt sich an mein Bein und will ein Buch lesen und die Babysitterin will ihr Geld und wissen, wann sie wiederkommen soll. Ich versuche verzweifelt, mich auszuziehen. Zu allem Übel kommt noch der Nachbar und braucht eine Zwiebel: „Klar“, sag ich, „geh einfach in die Küche und hol dir eine!“ Und jetzt reicht es mir plötzlich und ich plärre die Babysitterin an: „Kannst du BITTE mit den Kindern ins Bad gehen? Und nein, jetzt gibt es kein Nutellabrot mehr. Und du, hör auf zu motzen, heute geht es nicht mehr in den Reitstall. Und du, LASS ENDLICH MEIN BEIN LOS!“

Um viertel vor neun sind die Jungs tatsächlich im Bett und schlafen sogar. Die Tochter wird jetzt erst so langsam wach, hört laut Musik und wird gleich wieder eine Stunde lang das Bad blockieren. Ich bin so fertig, fertiger geht es gar nicht. Aber ich muss jetzt eigentlich noch 150 Seiten bis morgen lesen, da haben wir wieder Forschungskolloquium. Ich lese quer, bis mir die Augen zufallen und nehme mir vor, morgen früh schon um fünf Uhr aufzustehen, damit ich die restlichen Texte noch schaffe. Aber natürlich werde ich das nicht schaffen, unzureichend vorbereitet sein und mich an der Uni wieder schlecht fühlen.

Die Babysitterin hat wohl doch vergessen, mit dem Hund zu gehen, das merke ich aber erst, als ich die Bescherung auf dem Teppich entdecke. Die nächsten zwanzig Minuten verbringe ich mit Putzen. Bevor ich umfalle, beneide ich nochmal kurz all die Leute, die keine Kinder haben und sich ihren Tag frei einteilen können. Und dann frage ich mich immer: Warum haben die eigentlich Zeitprobleme?

So (oder ähnlich) passiert zu Beginn meiner Promotion.

*

Zugegeben: Nicht jede Mutter oder jeder Vater hat drei Kinder; nicht jede/r muss zusätzlich zum Studium arbeiten; nicht jede/r hat einen Partner, der viel reisen muss, oder einen Hund, der zusätzlich Mühe macht. Nicht jeder Tag muss sich so gestalten, aber manchmal kommt es zu solchen Zuspitzungen. Im Zentrum der kleinen Glosse zum Rollenkonflikt stehen die verschiedenen Anforderungen, die sich aus der Kombination von Studium, Wissenschaft und Familie ergeben. Diese Anforderungen können im Spannungsfeld zwischen den eigenen und den kindlichen Bedürfnissen, den alltäglichen Notwendigkeiten und den Anforderungen der Universität schnell zu Überforderungen werden.

1.2 Was will das Buch? Entscheidungshilfe und Wegbegleiter

Wer als Frau oder Mann, Student/in, Doktorand/in oder Professor/in mit einem Kind an der Universität studiert, forscht oder lehrt, muss vielem gleichzeitig gerecht werden: den oft gegensätzlichen Bedürfnissen und Anforderungen des/der Kindes/Kinder, des/r Partners/in und der eigenen Person sowie denen der Universität. Mütter und Väter können nicht frei über ihre Zeit verfügen, sondern müssen sich dem Schlaf- und Wachrhythmus ihrer Kinder und den gesicherten Kinderbetreuungszeiten unterordnen. Dabei muss ein mindestens aus zwei Personen bestehender Haushalt bewältigt werden. Alltagsorganisation sowie Fahr- und Bringzeiten, Kindergeburtstage, (Kinder-)Krankheiten und zusätzliche Arztbesuche dezimieren weiter die Zeit, die zumindest theoretisch für das Studium oder die Forschung zur Verfügung steht.

Auf den ersten Blick lässt sich der im Vergleich zur Industrie oder Dienstleistungsunternehmen wie zum Beispiel Banken scheinbar flexiblere Ausbildungs- und Arbeitsort Universität leichter mit einer Familie vereinbaren. Doch die Kehrseite der Flexibilität sind Pflichtveranstaltungen zwischen 18 und 20 Uhr und Konferenzen am Wochenende, außerhalb betreuungsgesicherter Zeiten, die nur schwer zu organisieren sind.

Es liegt inzwischen primär aus demografischen Gründen politisch im Interesse Deutschlands, die (werdenden) Akademiker/innen als dringend benötigte Fachkräfte zu fördern und zugleich Familienplanung möglich zu machen. Die erhoffte Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie wird daher seit einigen Jahren einerseits mit staatlicher Förderung, andererseits innerhalb der Wissenschaften durch gezielte Forschungsförderprogramme und innerhalb der Universitätslandschaft durch die universitären Frauen- und Gleichstellungsbe­auftragten unterstützt. Ziel der meisten Maßnahmen sind neben Förderplänen zur Herstellung von paritätischen Stellenbesetzungen die campusnahen Einrichtungen universitärer Kinderbetreuungsinstitutionen für Kinder unter 3 Jahren, das regelmäßige Abhalten von Coaching­seminaren zum Studieren/Forschen mit Kind oder Studienabschluss­stipendien für Mütter. Die Institution Universität hat inzwischen erkannt, dass es strukturelle Hindernisse bei der Vereinbarkeit gibt, und ist bemüht, diese abzumildern. Allerdings sind diese Bemühungen nur wohlwollende ‚Tropfen auf den heißen Stein‘, denn die traditionsorientierte Universitätslandschaft verändert sich in Bezug auf Studien- und Arbeitsbedingungen nur sehr langsam.

Dieser Ratgeber ist gedacht für Betroffene und Interessierte aller akademischen Statusgruppen, besonders aber für Studierende und Promovierende, für Eltern und die, die es werden (wollen). Der ersten Gruppe will er Entscheidungshilfe und Wegbegleiter sein und zugleich eine praktische Unterstützung anbieten. Der zweiten Gruppe, also denen, die Eltern werden wollen oder sich aus beruflichen oder wissenschaftspolitischen Gründen für das Thema der Vereinbarkeit von Studium und Familie interessieren, will der Ratgeber einen Einblick in die Herausforderung der Doppelbelastung und die strukturellen Bedingungen des Arbeitsfeldes Universität ermöglichen.

Mit Kind zu studieren, zu promovieren und zu habilitieren, ist kein leichtes Unterfangen. Wer postuliert, die Vereinbarkeit sei „kein Problem“, der betreibt Augenwischerei und tut dies vermutlich aus Gründen der Political Correctness. Denn was gewollt ist, muss auch machbar sein. Fast alle, die mit Kind an der Universität studieren oder forschen – und damit in einem System, das einen hohen Grad an Flexibilität fordert, ohne zugleich Sicherheit zu bieten –, betonen in der Öffentlichkeit die Machbarkeit. Hinter vorgehaltener Hand jedoch werden zugleich immer Zweifel an der Vereinbarkeit und Probleme aufgrund der hohen Belastung laut. Zweifel und Belastung steigen mit der Anzahl der Kinder, mit der fehlenden finanziellen Versorgung und der Beschaffenheit der sozialen Situation, in der sich die Mutter oder die Eltern befinden.