Kitabı oku: «Bittersüß», sayfa 4
9. November 2002
So! Gestern habe ich es also hinter mich gebracht. Ich habs geschafft, ich bin doch kein so feiges Weichei, habe mich mutig der Gehaltsverhandlung gestellt! Ich WAR erfolgreich. – Und doch bleibt ein schaler, fast bitterer Beigeschmack.
Meine erotische Konfusion aus dem Frauencafé hatte ich am Tag danach entschlossen im Kopfkissen zurückgelassen und führte mir mein Ziel klar vor Augen: die Gehaltserhöhung! Ein bisschen Sahne auf meinen Stundensatz, verdammt nochmal. Und nicht eigentlich, weil ich es brauchte, nein, ich fühlte mich reich genug mit meinen 30 Euro – es war wegen Alpha. Ich hatte so getan, als ob ich’s locker weggesteckt hätte, aber in Wirklichkeit nagte ihr verächtliches: ‚Ach, du bist ein Weichei’ ganz schön an mir.
Mit einem, wie ich hoffte, stählernen Blitzen in den Augen sprach ich also schon sehr früh bei meinem Chef vor, und siehe da, er meinte, in zehn Minuten hätte er wohl Zeit für mich. Ob ich in der Zwischenzeit Kaffee kochen könne. Klar konnte ich. War ja schließlich eine meiner Aufgaben als Sekretärin. Außerdem wollte ich mich auch gern zuvor mit einem aromatischen Muntermacher stärken.
Vom Kaffeeduft angelockt, erschien auch ACW, klein, flink, im messerscharf gebügelten silbergrauen Anzug, und er trug ein spitzbübisches Lächeln zur Schau.
An diesem Morgen hatte ich mich gegen seine umwerfende erotische Anziehung innerlich gewappnet und starrte ihn deshalb nur ausdruckslos an, als er meinte: »Sie haben mir doch gestern nicht etwa Unterlagen entwendet, Janet, oder?«
Sieh mal an, er nennt mich beim Vornamen, dachte ich. Nimmt sich Freiheiten heraus.
»Nein, Herr Wild«, antwortete ich kühl. Und das war die reine Wahrheit. In aller Frühe (noch nie war ich so früh, praktisch bei Morgengrauen, im Büro gewesen), hatte ich das Faktura-Blatt kopiert und das Original in den entsprechenden ACW-Ordner zurückappliziert.
Gewappnet hin oder her, als seine türkisblauen Augen tief in die meinen tauchten, spürte ich wieder ein leises Prickeln zwischen meinen Beinen. Dann ein kohlensäureartiges Feeling in meinem gesamten Unterleib. Ich betrachtete ACWs lange Wimpern und musste mich sehr zusammennehmen, um nicht doch abermals dahinzuschmelzen.
Verflixt.
»Sehr gut«, sagte er zufrieden. »Dieses Lächeln steht Ihnen viel besser als die ernste, frostige Miene. Sagen Sie, bedrückt Sie etwas? Kann ich helfen?«
Mhmmm … ja, Sie könnten Ihre rechte Hand in meinen Schritt schieben und mit der linken meine Brust umfassen, schoss es mir blitzartig durch den Kopf. Und ich musste mein Gesicht abwenden, damit er es mir nicht von der Stirn ablesen konnte … und er brauchte auch nicht unbedingt zu sehen, wie sich mein von ihm gelobtes Lächeln noch vertiefte.
Nach diesem höchst angenehmen kleinen Intermezzo – nicht umsonst werden Flirts im Büro ja immer als so positiv angesehen, in allen Magazinen und Office Reports, die ich so kenne – fühlte ich mich leicht beschwingt. Nicht so aufgewühlt wie am Tag zuvor, nein, sondern einfach nur gut.
Das sollte ich auch brauchen, denn die Verhandlung wurde extrem ätzend. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Zum Beispiel auch nicht damit, dass auch ein gewisser Subchef an der Besprechung teilnahm. Ausgerechnet der!
Jaaa … stimmt, ich mag diesen beamtenhaften Spießer einfach nicht.
Denk daran, schärfte ich mir selber nochmal ein. Es ist nur ein Spiel.
Das war dann aber gar nicht so leicht durchzuhalten.
»So so, Sie wollen also mehr Geld«, wiederholte mein Chef, nachdem ich mein Anliegen vorgebracht hatte, und er sagte es auf eine scheinbar neutrale Weise, aber mit giftigem Unterton, der für mich deutlich spürbar war.
Der neben ihm sitzende Subchef gab ein missbilligendes Räuspern von sich, als hätte er einen Frosch im Hals.
»Wieviel hatten Sie sich denn vorgestellt?«
»Fünfzig«, erklärte ich kühn und konnte nicht verhindern, dass mein Herz klopfte. In Gedanken funkte ich beiden Herren zu, dass ich genau Bescheid wusste! Mit 60 Euro pro Stunde wurde ich fakturiert, verdammt noch mal!
Ich wusste natürlich, dass ich diese Summe niemals bekommen würde, aber ich war entschlossen zu kämpfen.
Das höhnische Grinsen der beiden Chefs war allerdings ganz schön fies. Und schwer zu ertragen. Ich merkte, dass es etwas ganz anderes war, von ACW auf diese subtil erotische Weise schikaniert und gequält zu werden … ganz anders als dies hier. Ich schlug mich wie ein Löwe und führte all meine Verdienste ins Feld, benutzte aber meine auf zwielichtige Weise beschafften Informationen nicht, auch wenn die Versuchung groß war – und der Lohn für meine Mühen? Dieses ekelhafte Von-oben-herab, diese ostentative Geringschätzung meiner Person … Scheiße, ich fühlte mich real gedemütigt und hätte am liebsten um mich geschlagen.
Stattdessen feilschte ich wie ein Teppichhändler auf dem Basar, und am Ende landeten wir bei 5 Euro mehr. Ein ziemlich unfairer Kampf, denn beide Herren nahmen mich andauernd in die Zange … relativierten meine Leistungen, murmelten etwas von Quality Management … hörten nicht hin, wenn ich sprach, unterbrachen mich – zwei gegen eine, gemein.
Von zwanzig auf fünf runter, das war eine Unverschämtheit. Ich hatte nicht übel Lust, eine Kehrtwendung zu machen, auf die schäbige Kohle zu verzichten und den ganzen Kram hinzuschmeißen.
Ich war für einen Moment wie benommen. Die Demütigung brannte in mir wie Salz in offenen Wunden. Dann erhob ich mich und sagte im Hinausgehen noch: »Rückwirkend ab Anfang November, davon gehe ich doch aus?« Es kam schneidend scharf raus, immerhin.
Mein Chef stimmte zu – ich sah noch, wie der andere Arsch sein knochiges Gesicht verzog, dann war ich weg.
Zuerst dachte ich daran, was Alpha wohl zu diesem Pyrrhus-Sieg sagen würde, und im Geiste spielte ich schon Dialoge mit ihr durch, rechnete ihr vor, dass es bei meinen 14-Stunden-Arbeitstagen ein ganz hübsches Sümmchen war, was da als Mehrverdienst herauskam, und … erst allmählich kam mir auch in den Sinn, dass etwas anderes hinter dem Geiz und der dick aufgetragenen Gemeinheit der beiden Anzugträger stecken konnte.
Auf einmal hatte ich das dringende Bedürfnis, Andy Young anzurufen. Seinen Geheimauftrag hatte ich ja gewissenhaft erledigt, doch seitdem nichts mehr von ihm gehört.
Mir kam der Gedanke, dass das Projekt womöglich kurz davor war, den Bach runterzugehen.
11. November 2002
Ist mein Job in Gefahr? Wieso ist mit Alpha alles so schwierig? Weshalb ist mein Sexleben weiterhin eine derart ätzende Geschichte?
Um mich von all diesen Fragen abzulenken, habe ich gestern mal etwas total Anderes gemacht. Ich habe weder gearbeitet, noch bin ich ins Weibernest gegangen – sondern ich fuhr in eine andere Stadt, um dort eine literarische Lesung zu besuchen.
Es las Manfred, ein etwa 36 Jahre alter Dichter, Lockenkopf mit umflorten Blick, den ich flüchtig von früher kannte, noch von der Uni her; wir hatten uns gemeinsam durch ein unsägliches Mörikeseminar hindurchgequält. Würde sicher ganz amüsant sein, den mal wiederzusehen.
Schon als ich mit dem Zug losfuhr, war ich gehobener Stimmung – ich hatte das Gefühl, dass es ein schöner Abend werden würde. Endlich mal mit der Bahn unterwegs OHNE zum Job jachtern zu müssen, das hatte was. Gemütlich räkelte ich mich in meinem Fenstersitz – das Abteil war ansonsten leer – genoss es, nach draußen zu schauen und vor mich hin zu träumen. Das Wetter gab, wie im November üblich, nicht viel her: grauer Nebel über feuchten Wiesen und Feldern, die nur noch von Krähen besucht wurden und deshalb schwarz gesprenkelt aussahen.
Ich hatte mich schick angezogen, trug mein eng anliegendes sandfarbenes Strickkleid, das meine Kurven gut zur Geltung brachte, und meine Schuhe waren hoch genug, um sexy zu sein, aber nicht zu hoch: Ich konnte noch ganz ordentlich damit laufen.
Als ich – ganz gegen meine sonstige Gewohnheit viel zu früh – in S. ankam, das Bürgerhaus glücklich gefunden und es soeben gutgelaunt betreten hatte, wartete gleich eine erfreuliche Überraschung auf mich: ein gut aussehender dunkelhaariger Fremder sprach mich an.
»Verzeihung, sind Sie nicht Janet S.?«
»Ja – und woher kennen Sie mich?«, lächelte ich zurück.
»Ich habe soeben einen kleinen Verlag gestartet«, antwortete er selbstbewusst, »und mit Manfred über die Autorenkollegen und –kolleginnen gesprochen, die er so kennt. Mein Name ist Jason Schuster.«
»Das ist ja interessant«, murmelte ich. »Welche Werke verlegen Sie denn … ich meine: Welchen Schwerpunkt soll Ihr Verlag haben?«
Er strahlte mich gewinnend an. »Besprechen wir das doch bei einem Kaffee, was halten Sie davon? Wir sind beide dermaßen überpünktlich zu Manfreds großem Auftritt erschienen, dass dafür noch genug Zeit bleibt.«
Ich nahm Jasons freundliche Einladung sofort an, wobei ich nicht recht wusste, ob ich es a) einfach so tat, b) wegen seiner klaren grauen Augen und des hübschen Grübchens am Kinn oder c) weil ich mich als Autorin für seine verlegerischen Pläne interessierte. War ja eigentlich auch egal.
Als ich dann aber mit ihm am Tisch saß und wir fröhlich plaudernd unseren Cappuccino schlürften, spürte ich von Minute zu Minute deutlicher, wie attraktiv ich ihn fand und wie ausgehungert ich nach gutem Sex war. Punkt b) wurde übermächtig.
Verdammt, Janet, benimm dich doch mal professionell!, schimpfte ich mit mir selbst. Denk dran, das ist ein VERLEGER! Für die junge noch um Beachtung kämpfende Autorin doch so eine Art Märchenprinz! Egal wie erfolgreich der wird, er sieht auf jeden Fall smart und dynamisch aus, wäre doch megacool, von Anfang an mit dabei zu sein. Doch diese vernünftigen Gedanken konnten nicht verhindern, dass ich eine angenehme Wärme durch meinen Unterleib fluten fühlte; mein Kopfkino sprang an und lieferte mir erregende Bildsequenzen. Wie üblich verzerrten sich meine Phantasien sogleich ins Bizarre, Sonderbare.
Jason erzählte voller Begeisterung von seinem Verlag: SCHATTENGOLD würde er heißen, von seinen Plänen, wie er sein Erstprogramm gestalten wollte, und ich hörte nur mit halbem Ohr zu, ich sah mich von ihm gepackt und auf den Tisch gedrückt, sah vor mir, wie er mich grob entkleidete und dann die Kellner rief, damit die mich anfassten. Er befahl mir, stillzuhalten. Spreizte mir die Beine … Kurz verwandelte sich der Phantasie-Jason wieder in den realen, und er holte aus seiner Aktentasche mehrere Beispielcover für die ersten Werke, die er zu veröffentlichen gedachte. Sein Verlag befasste sich mit Horror, Hardcore-Mystery und Endzeit-Erotik. Ja, gerne mit dunkler Erotik, »ruhig auch viel davon. Das verkauft sich auf jeden Fall«, sagte er mit seiner schönen klangvollen Stimme.
Ich merkte, wie die Hitze mir bis ins Gesicht stieg, mit Sicherheit wurde ich erdbeerrot, mir war nur nicht klar, ob durch die sehr erregenden Coverbilder oder durch die Nennung des dritten Genres. Es schien hervorragend zu meiner Suche zu passen, zu meiner Suche nach meinen wahren Wünschen und Begierden. Ich beugte mich über die Din A4 Fotopapiere, die er mir hinschob.
Die Cover waren extrem geil. Ich sah staunend auf eine halbnackte, an einen Baum gefesselte Frau, die von einem Drachen bedroht wurde – Flammen züngelten aus Nüstern und Maul des Fabeltieres, und erstaunlicherweise schrie die junge Dame nicht, sondern schien zu lächeln.
Das zweite Bild zeigte eine weitere Nackte, goldhäutig und in Ketten. Sie war im Begriff, zugleich von einem Abgrund verschlungen als auch vom Blitz getroffen zu werden. Eine sturmzerwühlte Endzeitlandschaft in poppigen Farben breitete sich um sie herum aus.
Und beim dritten Coverentwurf handelte es sich um eine Schar Tier-Mensch-Mischwesen, die von gesichtslosen, gepanzerten, mit Peitschen ausgerüsteten Wächtern durch eine Wüste getrieben wurde – auch dieses Bild empfand ich als äußerst erotisch.
Sowie ich das allererste gesehen hatte, stieg meine Erregung sprunghaft an, und ich wurde sehr plötzlich sehr nass. Mhmmm … pures Verlangen schoss wie ein Stromstoß durch mich hindurch, und ich hatte größte Mühe, mich zu beherrschen und mich einigermaßen normal zu verhalten. Ich wollte aufspringen, aufs Klo rennen und es mir selbst besorgen, aber ich fürchtete, dass das nicht REICHEN würde. Die Orgasmen, die dabei herauskamen, ließen mich fast immer hungrig zurück.
Nebenbei hoffte ich ganz enthemmt, Jason würde meine Erregung bemerken und gleichfalls darauf reagieren, egal wie. Allein schon seinen Fuß streifend an mir zu spüren, wäre mir jetzt sehr recht gewesen.
Doch nichts dergleichen geschah, obwohl er mich ohne Zweifel sympathisch und anziehend fand, das verriet seine Körpersprache. Seine Augen glitten über mein Gesicht, meinen Körper, flirteten mit mir … ja, das schon, aber auf harmlose Weise, fügte meine Lebenserfahrung seufzend hinzu. Mit der Hand hatte er mich bis jetzt nicht einmal andeutungsweise berührt.
Ohne sie stoppen zu können, gab ich mich wieder meinen Phantasien hin. Sie waren durch den Stoff, den mir die Bilder geliefert hatten, jetzt förmlich entzündet und vollführten ein wahres Feuerwerk in meinem Geist.
»Hm …?!« Ich schrak sehr abrupt hoch.
Jason hatte sich mitten im Satz unterbrochen und lehnte sich nun in seinem Stuhl zurück, mich leicht ironisch betrachtend.
»Weißt du, Janet«, wir waren inzwischen zum Du unter Literaturkollegen übergegangen, »du siehst so aus, als würdest du dir jetzt gerade eine Geschichte ausdenken. Als seist du mittendrin, wie in einer anderen Bewusstseinssphäre. Ich kenne das und verstehe es. Autoren sind so.«
Abermals errötete ich sanft und spielte verlegen mit meiner leeren Cappuccino-Tasse. In gewisser Weise hatte er ja recht. Nur: Erotik schrieb ich nicht. Bis jetzt jedenfalls.
»Du brauchst dich also nicht zu entschuldigen«, sagte der nette Verleger. »Nur eine Frage hätte ich noch: Wirst du bei dem Projekt, von dem ich dir vorhin so vorgeschwärmt habe, mit von der Partie sein?«
Himmel, welches Projekt? Als er davon geredet hatte, war seine Stimme für mich nur ein undeutliches Murmeln gewesen, während der »andere Jason« mich gerade auf den Tisch gepresst, seinen Schwanz herausgeholt und mich hart gefickt hatte.
»Ja, sehr gern«, behauptete ich und wurde dunkelrot.
»Das freut mich! Hey, das finde ich total klasse. Wir bleiben in Verbindung, Janet«, sagte er, ließ mir seine Visitenkarte da und erhob sich.
Meine Augen folgten ihm und dann wurde mein Lächeln wässerig, denn ich sah, wie er von einer bildhübschen rothaarigen Frau in Empfang genommen wurde, die soeben das Café betrat, als er es verlassen wollte. Sie küssten sich innig und strahlten ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl aus, dass mir klar sofort klar war: Meine Phantasien, die sich um Jason drehten, mussten Phantasien bleiben, denn dieser Mann war glücklich liiert.
Der holte sich höchstens Appetit, indem er unverbindlich flirtete.
Na gut, wenigstens würden wir Kontakt halten, und offenbar war mein anderer, mein Profi-Wunsch in Erfüllung gegangen, er wollte mich als Autorin, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie das zugegangen war. Mein Eindruck ging eher dahin, dass ich ungefähr so intelligent und sinnvoll geredet hatte wie eine Steckrübe. Trotzdem musste ich ihn überzeugt haben – oder hatte ich das vor allem Manfreds Fürsprache zu verdanken? Unglaublich, meiner Erfahrung nach waren die meisten Autoren egozentrisch und sahen in ihren Kollegen oftmals nur die Konkurrenz, die es auszubooten galt. Ich fühlte ein warmes Gefühl von Dankbarkeit in mir aufsteigen.
Äußerst beschwingt machte ich mich auf den Weg zum Lesungsraum, dachte dabei darüber nach, wie nett es war, einen Verleger zu haben, den frau erotisch anziehend fand.
Manchmal genügte genau das ja. Manchmal war die Andeutung besser, als den Akt wirklich zu vollziehen. Eine zarte Andeutung von Hors d’Oeuvre konnte gelegentlich der beste Teil einer Mahlzeit sein.
Allerdings tröstete mich das im Moment nicht übermäßig. Ich war auf der Jagd, und ich lechzte nach einem Erfolg, nach Erfüllung, nach Sättigung, und wenn es nur für kurze Zeit wäre. Meine Situation war nicht mehr lustig.
Ich schaute mich in diesen neuen Jagdgründen um, musste aber feststellen, dass – abgesehen von Jason, der mit seiner Frau oder Freundin in einer der hinteren Reihen Platz nahm – kein sonstiger sonderlich attraktiver Mann unter dem Publikum zu entdecken war. Niemand, mit dem es sich zu flirten gelohnt hätte.
Blieb nur noch Manfred. Au weia, dachte ich, wenn ich schon mit diesem Unterton an ihn denke … »nur« … kann das denn etwas werden? Und sei es nur für einen ONS? Trotz aller Dankbarkeit? Die macht eh nicht erotisch?
Andererseits – mit Frankie hatte es ja auch einigermaßen geklappt. Besser als nichts. In der Not frisst der Teufel … ärgerlich stoppte ich meine so gar nicht positiven Gedankengänge. Wo war die Beschwingtheit hin, die ich noch vor wenigen Augenblicken empfunden hatte?
Ich hatte in der vordersten Sitzreihe Platz genommen. Nun seufzte ich tief auf, und meine Nachbarin streifte mich mit einem Blick. Sicher nahm sie an, mein Seufzer hätte dem soeben erschienenen Dichter gegolten.
Da war Manfred, und er hatte noch genau diesen verträumten, leicht melancholischen, also fast klischeehaft typischen »Poeten-Habitus« an sich, an den ich mich noch genau erinnerte. Mal was anderes. Ein leger angezogener Künstlertyp, keiner von diesen scharf gebügelten Herren, die skrupellos lächelten und gnadenlos den Chef raushängen ließen.
Innerlich entspannte ich mich, und das war ein gutes Gefühl.
Die Lesung war gar nicht so schlecht besucht, ich zählte mehr als 25 Leute. Manfred erkannte mich sogleich; seine etwas trist wirkende Miene hellte sich auf und er winkte mir sogar zu … ich freute mich schon auf das After-Event-Treffen mit ihm. Bestimmt würde es sehr nett sein. Vielleicht sogar etwas mehr als das.
Die Lesung begann, und ich stellte fest, dass mir seine Gedichte gut gefielen: sie hatten bei aller Sanftheit und Melodik etwas sehr Männliches an sich, die Bilder waren farbig, aber nicht überladen, die Sprache reich und doch ausgesprochen klar. Ich muss allerdings einräumen, dass ich nicht die ganze Zeit konzentriert zuhörte. Wie alle Lesungen dauerte auch diese hier zu lange, und es gab zu wenig Pausen. Zwangsläufig irrten die Gedanken da mal ab, und ich war noch dazu in einer besonderen Situation, da ich nach wie vor fast schmerzhaft erregt war. In meiner Scham pulsierte es.
Hin und wieder bewegte ich mich unruhig, schlug die Beine übereinander, so dass mein Rocksaum hochrutschte … und es war noch dazu sehr mini, mein Kleid – Manfred entging dies nicht. Seine Augen, die von einem ungewöhnlich hellen Blau waren, fast wie die Ränder von Eisbergen, streiften mich immer wieder, seine Blicke hüpften von meinen Lippen zurück zu meinen glanzvoll bestrumpften Beinen und umgekehrt. Bewundernswerterweise verlor er dabei nicht ein einziges Mal den Faden, verhaspelte sich nicht im Text. Er war schon immer ein sehr guter Lesender gewesen. Zwar fand ich seine Stimme einen Tick zu hoch und zu dünn, doch das machte er wett durch sein phänomenales Gedächtnis, das ihn die meisten seiner teils doch sehr komplexen Gedichte fast auswendig vortragen ließ. Das kam gut, weil er seinen Blick dabei wie entrückt über uns schweifen ließ.
Fand ich ihn erotisch anziehend? Ich wusste es nicht. O je, schlechte Antwort, schlechtes Zeichen!, rief die Spielverderberstimme in mir sogleich missbilligend aus, doch ich beschwichtigte sie ohne allzu große Mühe. Macht doch nichts, wir versuchen unser Glück trotzdem. Und wenn gar nichts geht, dann nehmen wir eben den gleichen Trick zuhilfe wie bei Frankie …
Es gefiel mir nicht übermäßig, dass ich von vornherein mit so etwas rechnete und derart kühl planend meine Strategie entwarf. Andererseits: Was blieb mir denn anderes übrig, wenn nun einmal ein gelungenes Sex-Abenteuer für mich nicht auf die simpel gestrickte Weise zu haben war?
Flüchtig zuckte es mir durch den Sinn, dass es mir niemand verbieten konnte, bereichernde, garnierende Phantasien beim Sex zu haben, die nicht unbedingt um den aktuellen Partner kreisen mussten. Stand in jedem Frauenmagazin, dass das in Ordnung war. Nur, bei mir lag der Fall anders: In der Regel wünschte ich mir verzweifelt, dass Realität (banal und öde) und Phantasie (dunkel-glitzernd-herrlich antörnend) die Plätze tauschen mochten! Ich spürte, dass dies ein Schlüsselsatz war, dass ich dabei war, mir selbst auf die Schliche zu kommen …
Mein Herzschlag beschleunigte sich bei dieser Erkenntnis, und ich konnte sie nicht weiterverfolgen. Aus Angst? Ja, später gab ich das vor mir auch zu. Aus Angst, diese Erkenntnis könnte einen ungeheuren Drachenschwanz hinter sich herschleppen.
Nun, erst einmal landete ich mit Manfred in einer netten urigen Kneipe, die sich »Semikolon« nannte, und später dann in der kleinen Pension, in der man ihn untergebracht hatte.
»Es ist nichts Besonderes«, meinte er mit sympathischer Schüchternheit, um allen Mut zusammen zu nehmen und zaghaft hinzuzufügen: »aber vielleicht magst du trotzdem mit hinaufkommen, ich habe da noch einen sehr ordentlichen Rotwein, den könnten wir uns gemeinsam zu Gemüte führen …?« In seinen unglaublich hellen Augen flackerte es sehnsüchtig, beinahe flehend, fast so, als erwarte er, zurückgewiesen zu werden.
Das rührte mich, natürlich, und ich sagte mit mehr Begeisterung »ja, gerne«, als ich empfand. Denn im Grunde genommen mochte ich keine zaghaften Männer. Verflixt, der Manfred hatte sich seit damals nicht sehr geändert! Und dabei wusste ich, dass er jetzt eigentlich mit Selbstbewusstsein geradezu aufgeladen war, da er eine erfolgreiche Lesung hinter sich hatte. Sein Lyrikband war mehrfach verkauft worden, und im »Semikolon« erfuhr ich auch, dass er ein Lesungs-Honorar bekommen würde. Ich erfuhr sowieso alles Mögliche über ihn und seinen lyrischen Werdegang, alles über seine Teilnahme an Poetry-Slam-Veranstaltungen, über interessierte Verlage und Produzenten, »ja, von Hörspielen, Hörbüchern, Theaterstücken und so, verstehst du, Janet?« Also ich hörte Interessantes und Wissenswertes, klarer Fall, aber zusätzlich noch als Dreingabe bekam ich all das um die Ohren gehauen, worauf ich wirklich hätte verzichten können. Langweiliger Selbstbeölungskram. Das hätte mir zur Warnung gereichen sollen. Tat es aber nicht, denn ich war im Notstand. Ein brutaler, eher zum groben Geschlecht passender Ausdruck, aber so war es nun einmal.
Ich ließ Manfreds endlose Suada mit einem ziemlich erstarrten, wie an meinen Mundwinkeln festgefrorenen Lächeln über mich ergehen, was ihm gar nicht weiter auffiel. Männer merken sowas nie, glaube ich. Besonders enervierend fand ich es, dass er jeden zweiten Satz mit seinem blöden »verstehst du, Janet?«, beendete. Ob er auch mal mich was fragte, sich nach meinem Ergehen erkundigte oder irgendeine kleine Interessensfrage stellte? Nix da. Totale Fehlanzeige.
Ich duldete standhaft und tapfer wie ein Indianer am Marterpfahl und dachte bei mir: Nachher im Bett werden wir – halt auf einer anderen Ebene – schon zu einem Ausgleich kommen. Zu einem erfüllenden Austausch von Energie. Bestimmt.
Später gab ich mir dafür auf der Naivitätsskala sieben satte Punkte …
Okay, ich will nicht allzu sehr meckern. Es gab während unseres erotischen Stelldicheins auch schöne Momente. Ein paar.
Manfred hatte einen recht annehmbaren Körper, wenn sich auf seinem Bäuchlein auch einige Pfund zuviel breitmachten, er verfügte über schönes Brusthaar und sensible Hände, die er zunächst nur ganz scheu einsetzte.
Auch sein Schwanz gefiel mir, erst ebenso zaghaft wie der ganze Mann reckte er sich hervor, hell und glatt und gerade, mit prallen Adern am Schaft und einer Eichel wie Samt – dann kecker werdend, als ich meine Brüste entblößt hatte und mich rittlings auf seine Schenkel setzte, auch wenn ich das gleich zu Anfang nicht so gern mache. Die Haltung lässt den Mann zu passiv werden, finde ich. Er braucht sich dann nur noch zurückzulehnen und zu genießen.
Zu Manfreds Ehrenrettung musste ich sagen, dass er sich zunächst wirklich wacker bemühte. Seine Küsse waren zärtlich und weich. Und er hatte lange muskulöse Arme, die er ausstreckte und mit Gefühl über die zarte Haut meiner Titten gleiten ließ.
»Mhmm … mhmmm«, machte ich und schloss die Augen. Nachdem Manfred sich »freigestreichelt« hatte, wie er selbst es mit rauchiger Stimme nannte, benutzte er nicht nur seine Fingerspitzen, sondern auch die Handteller, aber eher noch sanfter als zuvor. Natürlich genoss ich seine Berührungen. Ein bisschen. Ich versuchte den »Kellner-Trick« anzuwenden, doch diesmal misslang mir das. Enttäuschender noch, ich konnte überhaupt keine helfenden inneren Bilder in mir aufsteigen lassen.
Frust überschwemmte mich, und die Spuren von Feuchtigkeit, die meine Schamlippen überzogen hatten, verabschiedeten sich ganz.
Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Ich war drauf und dran vor Ungeduld aufzustöhnen, während Manfred mich so zart berührte, und stattdessen entfuhr mir urplötzlich ein raues: »Fass mich fester an. Hart. Bitte!«
»Spinnst du?« Seine Hände zuckten weg von mir, er rückte regelrecht ein Stück von mir ab, und seine hellen Eis-Augen starrten mich voller Abscheu an.
Der flehende Ruf war tief aus meinem Innern gekommen, und jetzt wäre ich am liebsten im Boden versunken vor Scham.
Es war eine grässliche, demütigende Erfahrung, vergleichbar jener, als die QUASI-Chefs mit mir um meine Gehaltserhöhung feilschten. Doch diesmal betraf es mein Intimleben, nicht meine Jobexistenz. Und das war um ein Vielfaches schrecklicher.
In meinem Gesicht musste Manfred lesen, dass ich mir wirklich diese andere Gangart gewünscht hatte, und doch stieß er eilig hervor (während er nach seinen Zigaretten grabbelte): »Sag mir, Janet, dass das nicht dein Ernst ist?! Diese fragilen, weichen Gebilde, diese femininen Kostbarkeiten soll ich HART anpacken? Sie womöglich quetschen? Dir etwa WEH tun??« Das letzte schrie er fast.
»Nein, nein«, entgegnete ich hastig (und hasste mich dafür, wobei ich gleichzeitig auch von Angst gepackt wurde, von Verwirrung, Verstörtheit), »es … es ist mir bloß so …« Ich verstummte. Ich begab mich auf den Pfad der Lüge. Ich konnte nicht weiterreden.
Musste ich auch nicht. Er beendete den Satz für mich. »… rausgerutscht, ich verstehe«, murmelte er und zündete sich eine Lulle an. »Vielleicht hast du zuviel von dem perversen Kram im Internet gesehen, ohne es zu wollen. Man kommt ja kaum mehr vorbei an dem Zeug.«
Ein Teil von mir fragte sich sarkastisch, wieso er das so genau wusste, doch der Großteil meines Ichs war damit beschäftigt, die Wogen der Scham über sich zusammenschlagen zu lassen.
»Na komm«, sagte er und zog mich großzügig an sich. Mir war schrecklich zumute, und obwohl ich auch damit nicht so recht einverstanden war, ließ ich mich ohne Widerstand am Nacken nach unten ziehen, sanft natürlich, und schon öffnete ich den Mund und stülpte meine Lippen über seine schöne Eichel, schleckte den Lusttropfen ab und begann dann mein Werk, leckte und saugte und lutschte sehr engagiert, ohne aber im Mindesten bei der Sache zu sein. Ich täuschte es bloß vor. In den nächsten fünfzehn oder zwanzig Minuten tat ich nichts anderes, und es kam mir wie eine Ewigkeit vor, doch ich war unfähig, das einseitige Liebesspiel abzubrechen und mit Manfred über den Vorfall zu reden. Er schien ihn rasch wieder vergessen zu haben, in mir glühte er weiter wie ein Feuermal, das mich von innen brandmarkte.
Ich blies Manfreds ausgesprochen angenehmen Schwanz, was irgendwann sogar auf eine blasse Art und Weise tröstlich war, denn ich machte meine Sache so gut, dass er nach dieser zeitlosen Weile zu stöhnen und zu zucken anfing.
Hatte ich mich nicht wenigstens auf einen ordentlichen sauberen Fick gefreut? Auch in dieser Hinsicht sollte ich enttäuscht werden.
Es war so, als hätte Manfred unbewusst beschlossen, dass ich es nicht mehr wert war, von ihm penetriert zu werden. Ein furchtbarer Gedanke, doch ich konnte ihn nicht abschütteln. Kurz bevor er kam, fuhrwerkten seine Finger ganz oberflächlich in meiner Möse herum. Ich empfand nichts dabei und blieb knochentrocken.
Als er abspritzte, tat er es halb über meinen Schenkel und halb über den Po hinweg. Gab dabei Laute von sich wie ein kollernder Truthahn.
Nachdem er sich erholt hatte, drehte er sich zu mir hin, musterte mich kühl und meinte missbilligend-vorwurfsvoll: »Du bist gar nicht gekommen.«
DAS war zuviel.
Sprachlos starrte ich ihn an, fühlte Wut in mir aufwallen – endlich mal zum passenden Zeitpunkt! – sprang vor Zorn schnaubend auf und zog mich in Windeseile an.
An der Tür schrie ich: »Du egoistischer, ignoranter BLÖDMANN!« Scheißkerl, hatte ich eigentlich sagen wollen, doch dafür war ich noch zu wohlerzogen. Ich zitterte ohnehin am ganzen Leibe wie Espenlaub, so heftig war für mich ein solcher Ausbruch, ich, die ich in einer so idiotisch harmoniesüchtigen Familie großgeworden war.
Aber immerhin.
Ich hatte ETWAS gesagt. Gut gebrüllt, Löwin. Für den Anfang.
Ohne ein weiteres Wort schmetterte ich die Tür zu, und das war der Abschluss meines ONS mit dem lockenköpfigen Poeten Manfred. Und vermutlich auch das Ende meiner »Freundschaft« mit ihm.
Mir war nun endgültig klar: So ging es mit mir nicht weiter, in erotischer Hinsicht. Sonst würde ich mehr und mehr zum Tantalus werden, verdammt. Zu einer Tantalusine. Ich hatte schon manchmal echt den Eindruck, als hätte ich ein geheimes Verbrechen begangen, für das ich von den Göttern der Lust und der erotischen Erfüllung bestraft wurde.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.