Kitabı oku: «Phänomenologischer Materialismus»

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Anton Reutlinger

Phänomenologischer Materialismus

Ideenskizzen zur Welterzeugung

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Natur, Erkenntnis, Wissenschaft

Realität und empirische Relativität

Phänomenologie und Bewusstseinsphilosophie

Gehirn-Geist-Dilemma

Formen und Gestalten

Phänomen, Natur, Technik

Erklärungslücke der Begriffe

Phänomenales Bewusstsein und Kausalität

Bewusstsein und Information

Mit Leib und Seele

Vom Materialismus zum Humanismus

Schlussbetrachtung

Impressum neobooks

Natur, Erkenntnis, Wissenschaft

Phänomenologischer Materialismus

Ideenskizzen zur Welterzeugung

Die Wirklichkeit ist immer eine Vorstellung von der Wirklichkeit.

Das Bestreben der Naturwissenschaft, insbesondere der Physik, ist es, objektive und universelle Gesetzmäßigkeiten, im Sinne von Regelmäßigkeiten, in den Erscheinungen der Natur zu erkennen. Als nomothetische Wissenschaft werden den Beobachtungen der Natur Gesetzmäßigkeiten unterstellt und mit den Methoden der Mathematik formuliert. Im Gegenzug wird der Natur selbst eine inhärente Gesetzmäßigkeit unterstellt, die nomologisch erforscht werden kann. Gesetzmäßigkeiten sind die Formen nichtzufälliger Beziehungen zwischen Phänomenen, allgemein zwischen Wirkungen und ihren Ursachen als Kausalität. Die Phänomene selber werden als wahrnehmbare oder spürbare Gegebenheiten, wie Bewegungen und Farben von Gegenständen, Formen und Gestalten, Helligkeit und Dunkelheit oder Wärme und Kälte, als natürlich hingenommen. Die Besonderheit des Menschen ist die Bewusstheit der Erscheinungen als Wahrnehmungen und Empfindungen und ihrer Bedeutungen für die Bewältigung und Gestaltung des Lebens. Zu den sinnlichen Wahrnehmungen gesellt sich die Erfahrung durch gleichzeitige Wahrnehmung von Ereignissen mit verschiedenen Sinnen, sowie durch Vergleich mit früheren Wahrnehmungen derselben oder ähnlicher Dinge. Wiederholte Erfahrungen verfestigen sich in der Bildung und Tradierung von Ideen, sprachlichen Begriffen, Theorien und Handlungsmodellen über Generationen hinweg als Institutionen und schließlich als Gesellschaftsordnung und Kultur. Da Erfahrungen immer wieder neu und anders gemacht werden können, sind viele verschiedene Varianten möglich und können koexistieren.

Für die Tätigkeit des Bewusstseins sind verschiedene Begriffe in Gebrauch, abgesehen von den Deutungen im philosophischen Dickicht: Erscheinungen, Phänomene, Wahrnehmungen, Empfindungen, Erfahrungen und Erlebnisse. Da es dafür keine allgemein gültigen Definitionen der Bedeutung gibt, soll für diese Arbeit eine Regelung gelten: Phänomene zeigen Zustände und Ereignisse in der Außenwelt für ein individuelles oder subjektives Bewusstsein, abhängig von der Situation und Perspektive des Subjekts, aber unabhängig von Wahrheit oder Richtigkeit. Erscheinungen seien hier objektivierte, intersubjektive oder konsensfähige Repräsentationen und Beschreibungen wiederholbarer Wahrnehmungen, die unter definierten oder sogar standardisierten Bedingungen beobachtet und vielleicht gemessen werden. Wahrnehmungen beschreiben Sinnesreize und ihre Deutung, eingeschränkt auf die auf Abstand wirkenden visuellen, akustischen und olfaktorischen Sinnesreize. Empfindungen sind die den Körper direkt betreffenden oder von ihm selber ausgelösten Sinnesreize einschließlich der Gefühle. Zu unterscheiden ist zwischen dem Akt und dem Inhalt der bewussten Wahrnehmung, während bei Empfindungen meist beide zusammenfallen. Erfahrungen beziehen sich auf Wahrnehmungen von wiederholbaren Ereignisfolgen, aus denen eine Bedeutung für die Wirkungen sowie Konsequenzen für das eigene Handeln erkannt werden können. Herausragende oder seltenere Wahrnehmungen, meist mit starken Empfindungen verknüpft, gelten als Erlebnisse. Im Unterschied zum reinen, passiven Erleben umfasst Erfahrung die Folgen eigenen oder fremden Handelns, somit auch das Erkennen vernünftigen und unvernünftigen, nützlichen und schädlichen oder irrtümlichen Handelns.

Nicht immer sind die Grenzen zwischen den Begriffen jedoch klar und eindeutig. Die Wärme eines Gegenstandes wird wahrgenommen, die Wärme des Sommerwetters wird empfunden. Subjektive, situationsabhängige, unregelmäßige Wahrnehmungen von Erscheinungen gelten als Phänomene, wobei Subjektivität nicht auf Individuen beschränkt sein muss, sondern oftmals auch Gruppen umfassen kann. Der Mond erscheint als veränderliche Scheibe regelmäßig am Himmel, eine Mondfinsternis dagegen ist ein Phänomen, das nur temporär und lokal unter bestimmten Bedingungen und daher nicht von allen Menschen gleichzeitig beobachtbar ist. Phänomene entstehen oftmals auf Grund des Zusammentreffens mehrerer Einzelereignisse, treten deshalb unerwartet, selten oder scheinbar zufällig auf. Manchmal schwingt darin Erstaunen oder Verwunderung mit. Logisch denkbar wäre, dass es Erscheinungen gibt, die prinzipiell nicht mit menschlichen Sinnen oder für keinen der biologischen Organismen wahrnehmbar wären. Andererseits ist diese Annahme wieder unlogisch, zumindest unwahrscheinlich, weil jeder Organismus aus derselben Materie wie das Universum besteht und mit derselben Materie interagieren kann. Evident ist wiederum, dass die menschlichen Sinne in ihren Vermögen sehr beschränkt sind.

Das Anschieben des Autos braucht eine größere Kraftanstrengung als das Schieben des Kinderwagens. Das Heben eines Steines braucht eine größere Kraftanstrengung als das Heben eines gleich großen Gummiballes. Die Kraftanstrengung ist offenbar nicht ausschließlich von der Form und Größe des Gegenstandes abhängig. Es gibt also eine Eigenschaft der Gegenstände, die nicht sichtbar ist, aber beim Umgang mit den Gegenständen spürbar wird, wie die Schwere. Durch Experimente, die von Galilei und später von Newton durchgeführt wurden, hat sich gezeigt, dass es nicht verschiedene Eigenschaften sind, sondern nur eine einzige, die über die Kraftanstrengung bestimmt. Es ist die Masse eines Gegenstandes. Die Forscher haben sodann zwischen der Masse und der notwendigen Kraftanstrengung eine zuverlässige Gesetzmäßigkeit festgestellt. Dies ermöglichte den Menschen, die nötige Kraftanstrengung vorauszusagen und entsprechend den Einsatz von Menschen und Werkzeugen im voraus zu planen. Die Kenntnis der gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen Eigenschaften und Erscheinungen der Gegenstände ermöglichte den Bau riesiger und großartiger Paläste und Kathedralen und später die Konstruktion von Maschinen als Ersatz und zur Verstärkung der menschlichen Kraft. Bedingung und Nachweis für gesetzmäßige Kausalität ist die Notwendigkeit in der Relation von Ursache und Wirkung, die ihrerseits nur aus Natur- oder Denkgesetzen logisch abgeleitet werden und nicht empirisch bestimmt werden kann, da der Mensch nie das gesamte Universum überblickt, um begründete Allaussagen machen zu können und nie die Letztursachen kennt, aus denen Notwendigkeit erschlossen werden könnte. Notwendigkeit darf nicht mit Determiniertheit verwechselt werden, denn beide sind voneinander unabhängig. Determiniertheit bedeutet, dass eine Ursache eine oder mehrere eindeutige Wirkungen hat, d.h. jede einzelne Wirkung muss eindeutig sein. Notwendigkeit bedeutet, dass eine Wirkung immer dann eintritt, wenn die Ursache dafür gegeben ist. Sie ist integraler Teil jeder erklärenden Theorie und jedes Naturgesetzes.

Die Sinneseindrücke und Erfahrungen in der Urzeit des Menschen haben sich als Vorstellungen, Denkgesetze und Sprache kristallisiert und wurden immer wieder an nachfolgende Generationen weitergegeben. Die Welt und die Natur wurde als Gegenstände und Bewegungen, als Raum und Zeit, als Gleichartigkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiedlichkeiten erfahren und erkannt. Es sind ursprüngliche Annahmen und regelhafte Denkprozesse zur Ordnung der chaotischen Lebenswelt, ohne die ein Leben in unterschiedlichen und vielfältigen Umwelten, als Bedingung einer globalen Verbreitung, nicht möglich wäre. Es sind die Grundlagen aller Naturerkenntnis und Naturwissenschaft von heute. Die Vielheiten der Gegenstände werden zu Kategorien oder zu Mengen verallgemeinert, Unterschiedlichkeiten werden angenähert oder weggelassen zu Abstraktionen, Relationen von vorher und nachher werden zur Kausalität, Gleichzeitigkeit oder Nebeneinander wird zu Koinzidenzen und Korrelationen, Zusammenhalt wird zu Aggregationen. Es ist das von der Gemeinschaft überkommene Wissen a priori, eine „tacit knowledge“ oder „stilles Wissen“ in der Bezeichnung des Wissenschaftsphilosophen Michael Polanyi (1891-1976), das jede eigene Erkenntnis und jede Wissenschaft erst möglich macht.

Die selbstständige Bewegung von Gegenständen oder Körpern ohne menschliches Zutun wird unter anderem mit der Existenz der Schwerkraft als Ursache begründet. Umgekehrt wird die Existenz der Schwerkraft mit der Evidenz ihrer Wirkungen begründet. Das ist offensichtlich eine zirkuläre oder rekursive Begründung von Naturwissenschaft. Schon der Begriff der Natur selber kann nur zirkulär oder tautologisch definiert werden, denn Natur kann nur sein, was den Erkenntnisvermögen des Menschen als Naturwissenschaft zugänglich ist, das was im engeren Sinn also als Natur schon erkannt ist. Das Erkennen und Bezeichnen von Gegenständen als solche beruht bereits auf bestimmten regelmäßigen Sinneseindrücken, Erfahrungen und daraus folgenden Annahmen über die Natur. Die Schwerkraft ist ein gedankliches und sprachliches Konzept und Modell zur Erklärung verschiedener Phänomene wie das Fallen und Stürzen von Gegenständen, das Fließen des Wassers aus den Bergen ins Meer, das Gewicht von Körpern und Gegenständen. Es gibt keine wahrnehmbare, räumliche Existenz der Schwerkraft selbst, sondern nur ihrer Wirkung. Woher die Schwerkraft - allgemeiner die Natur - letztlich kommt, ist nicht bekannt und empirisch nicht erkennbar. Am CERN in Genf versucht man ihr auf die Spur zu kommen, indem im LHC, der größten Maschine der Welt, die kleinsten Teilchen der Welt untersucht werden. Falls dort die Fundamente der Schwerkraft gefunden werden, speziell das sogenannte Higgs-Boson, dann stellt sich sofort wiederum die Frage nach der Herkunft ihrer Fundamente, ad infinitum. Der Sprachphilosoph A.B.Johnson (1786-1867) schrieb dazu:

"Das Wort Schwerkraft benennt viele interessante und wichtige Phänomene; aber wenn wir zusätzlich zu diesen nach der Schwerkraft an sich Ausschau halten, handeln wir ebenso ahnungslos wie das Kind, das, nachdem es in der Oper mit Ungeduld dem Orchester und den Gesängen zugehört und den Tänzen zugeschaut hatte, den Ausspruch tat: Jetzt hab ich genug davon, jetzt soll die Oper kommen."

Aus erkenntnistheoretischen Gründen gibt es zur Zirkularität der Naturwissenschaft keine Alternative und keine Möglichkeit des Entkommens. Im Geist des Menschen interpretiert die Natur sich selbst. Diese Zirkularität kommt bereits in der wechselseitigen Beziehung von Erscheinung und Wahrnehmung zum Ausdruck. Selbst manche Naturwissenschaftler sind sich dessen nicht bewusst oder leugnen es sogar. Aus der Zirkularität folgt zwingend die Theoriebeladenheit naturwissenschaftlicher Beobachtung und Erfahrung, denn wenn nicht die Natur das Fundament und den Maßstab für Naturwissenschaft liefern kann, dann muss es der Mensch selber sein. Vorhersagen über die Natur werden aus menschgemachten Theorien abgeleitet und anhand menschlicher Wahrnehmungen geprüft. Schon in der Erfahrung steckt die Rekursivität, indem die Erfahrung als Erkennen von Handlungsfolgen und somit als Erkennen von Kausalität eine Grundlage künftigen Handelns bildet. Theorien werden mit Hilfe von Messinstrumenten geprüft und bestätigt und die Messinstrumente werden auf der Basis von Theorien konstruiert. Die ersten Maßeinheiten waren die menschlichen Körpermaße, die ersten Messinstrumente der Körper selber. Das Urkilogramm als Norm für die Bestimmung materieller Masse ist nicht in der Natur, sondern seit 1889 in einem Gebäude in Paris zu finden und wie es scheint, muss es hin und wieder korrigiert und neueren Messungen angepasst werden. Zudem können wir nie wissen, inwieweit wir die Welt vollständig wahrnehmen können, ob es nicht Dinge oder Eigenschaften von Dingen gibt, die nicht wahrnehmbar sind. Wir wissen aus Vergleichen mit der Tierwelt, dass unsere Sinne sehr begrenzt und unvollständig sind. Das darf andererseits wiederum kein Grund sein, willkürlich Existenzen oder spekulative Erklärungen anzunehmen ohne empirische Indizien.

Einen bedingten, pragmatischen Ausweg aus diesem Dilemma bietet nur die konsistente Redundanz von Information über die Natur und den Kosmos. Man stelle sich vor, bei einem Puzzlespiel fehlen einzelne Teile. Man kann die Lücken füllen, wenn man mehrere Puzzlespiele mit demselben Motiv besorgt und aus allen Spielen zusammen das Bild vervollständigt. Wenn das Motiv schon bekannt ist, weil es die Repräsentation eines wirklichen Gegenstandes ist, dann lässt sich vorhersagen, wie die fehlenden Teile aussehen müssen. Damit sind die Lücken des Puzzles aber noch nicht gefüllt, sondern nur identifiziert. So wurden gegen Ende des vergangenen Jahrtausends bei der Beobachtung von Galaxien Lücken im bisherigen Weltbild der Astrophysik entdeckt. Man hat diese Lücken des Wissens dann als "Dunkle Materie" und als "Dunkle Energie" bezeichnet. Genauer müsste es dunkle Masse sein, denn Masse muss nicht notwendig Materie in Form von Atomen und Molekülen sein. Es kommt also jetzt darauf an, auf anderen Wegen der Forschung die fehlenden und passenden Puzzlestücke zu finden, wobei die mehrfach vorhandenen, redundanten Teile in ihren gemeinsamen Gültigkeitsbereichen dann passgenau oder konsistent übereinstimmen müssen. Das heißt, Theorien können mit verschiedenen Messmethoden geprüft und Phänomene können mit konkurrierenden Theorien erklärt werden. Dadurch wird ein immer komplexer und vollständiger werdendes, gegenseitig prüfendes und bestätigendes, widerspruchsfreies und konsistentes Netzwerk von Theorien gebildet. Das ist möglich und berechtigt, weil das Weltgeschehen keine Abfolge zufälliger und voneinander unabhängiger Ereignisse ist, sondern ein Kontinuum von Vorgängen mit empirischer Kausalität, allen voran das Leben selbst. In der Philosophie ist diese Einstellung zur Rechtfertigung von Überzeugungen oder Wissen als Kohärentismus bekannt. Einen völlig neuen Weg dazu eröffnen die Computersimulationen, indem sie künstliche Welten als Alternativen oder als künftige Zustände möglich machen, so dass deren zu Grunde liegenden Theorien auf Konsequenzen und Widersprüche untersucht werden können.

Der nahe Vorbeiflug eines Asteroiden an der Erde ist für den Normalbürger eine eher langweilige Nachricht. Für viele Astronomen ist es eine seltene und daher aufregende Erscheinung, die sie mit Hilfe ihrer Instrumente beobachten und auf wenige nüchterne Zahlen reduzieren. Dagegen ist der Eintritt eines Meteoriten in die Erdatmosphäre eine Erscheinung und für die anwesenden Beobachter ein Erlebnis mit vielen Facetten, wie es Anfang 2012 fast gleichzeitig mit einem nahen Asteroidenvorbeiflug geschah. Dank der Videokameras in vielen russischen Autos, Fernsehen und Internet konnte die ganze Welt innerhalb weniger Stunden daran teilhaben. Leuchtspuren von Nebel am Himmel und ein Explosionsblitz waren die auch für die Kameras sichtbaren Teile, eine Druckwelle mit zersplitterten Fensterscheiben und beschädigten Gebäuden, verletzte Menschen mit Schmerzen und ein Loch in der Eisdecke eines Sees waren weitere wahrnehmbare Erscheinungen für die lokal Anwesenden. Jeder Mensch vor Ort oder am Bildschirm bekam eine phänomenale Repräsentation und einen Eindruck des Geschehens in seinem Bewusstsein und seinem Gedächtnis, obwohl das Geschehen selber weit entfernt war. Wäre das Ereignis während des Kalten Krieges eingetreten, dann könnten bei manchen Menschen auf Grund vorhandenen Wissens zusätzlich Assoziationen und latente Ängste vor einem Nuklearkrieg zum Vorschein gekommen sein.

Alles was der Mensch mittels der Sinnesorgane wahrnehmen und erkennen kann, das sind die Erscheinungen der materiellen Welt. Die Materie selbst in Form von Gegenständen und Körpern ist bereits sinnliche und leibliche Erscheinung ab­strakter und strukturierter Energien und Kräfte. Die subjektiv bewusst erfahrbare Lebenswelt steht in einem Kontrast zur objektivierten, idealisierten und abstrahierten Welt der Naturwissenschaft. Die "Dinge-an-sich" hinter den Erscheinungen, wie Immanuel Kant (1724-1804) es ausdrückte, oder die “wahre Natur“ der Dinge bleiben der Menschheit für immer verborgen. Er schrieb „Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht und brauche es nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann.“ Ihre Existenz wird jedoch nicht bestritten. Weil wiederholt die gleichen Beobachtungen gemacht werden können, muss ihre Existenz unabhängig von jeder Beobachtung sein. Das ist eine unüberbrückbare Erklärungslücke für die Ursachen oder Quellen von Erscheinungen. Gemeint sind damit originäre Eigenschaften der Dinge hinter ihren Erscheinungen, sofern es welche gibt. Die Konstruktivisten um Ernst von Glasersfeld (1917-2010) unterscheiden ähnlich, mit Bezug auch auf Kant, eine von Wahrnehmung, Erfahrung, Sprache und Vernunft konstruktiv selbstbestimmte und selbstreferentielle Wirklichkeit im Bewusstsein von einer fiktiven physikalischen Realität. Daher kann man sogar die Existenz einer gegebenen Realität außerhalb des Bewusstseins infrage stellen wie manche Idealisten und Antirealisten es tun. Das bedeutet keinesfalls, dass die reale Welt nur eine Phantasie, ein Kunstwerk oder eine Erfindung wäre, sondern dass eine Vorstellung oder Repräsentation dieser Welt im Bewusstsein nicht ihr Abbild oder ihre Spiegelung ist, sondern eine Transformation, Interpretation, Simulation und Deskription nach konstruktiven Regeln, die ihre Quellen in der biologischen Phylogenese und Ontogenese haben. Auf der semantischen Ebene, also der Interpretation, Vorstellung und Bewertung des Weltgeschehens gibt es keine Regeln, hier wirken gesellschaftliche Prozesse und individuelles Erleben, sowie Interessen und Intentionen als „soziale Konstruktion von Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann 1966). Das Wissen über den Menschen, die Welt und die Natur als Wirklichkeit ist ein hypothetisches Wissen, das nicht mit der Wirklichkeit selber verwechselt werden darf und ihr nicht aufgezwungen werden kann. Besonders deutlich kommt diese Diskrepanz in der Quantenphysik zum Ausdruck.

Das Ziel der Naturwissenschaft ist es, die Vielgestaltigkeit der Wirklichkeit auf universell gültige, mathematische Objekte und Relationen als Strukturen zu projizieren, sowie Ereignisse und Vorgänge als gesetzmäßige Kausalitäten zu erklären und zu beschreiben. Unverzichtbare Bedingung dafür ist die Isolation, Zerlegung und Reduktion der komplexen Phänomene in idealisierte Einzelelemente, die auch in anderen Phänomenen enthalten sein können. Das Charakteristikum und die Bedeutung der Physik als Basiswissenschaft ist weniger ihre Nähe zur objektiven Realität als vielmehr die schichtweise Reduktion oder Segregation der aggregierten, komplexen Objekte menschlicher Anschauung in ihre elementaren, universalen Bestandteile und ihre strukturellen Relationen zueinander. Der Begriff der Struktur beschreibt eine abstrakte Ordnungskategorie des menschlichen Denkens, indem er Unterschiedliches trennt und Gleichartiges verbindet. Die Struktur des Farbspektrums unterscheidet die Einzelfarben und verbindet sie als gleichartige Objekte zur Gesamtheit wahrnehmbarer Farben. Die Relationen zwischen den Objekten können gleichwertig sein oder einer Ordnung unterliegen. Strukturen werden häufig als Graphen dargestellt, mit Kreisen oder Rechtecken als Objekte und verbindenden Kanten als Relationen.

In Kontrast zur strikten Zufälligkeit von Ereignissen bedingen sich Kausalität und Gesetzmäßigkeit gegenseitig. Das Kausalprinzip ist ein gedankliches Konzept, eine aus der Lebenserfahrung gewonnene nützliche Annahme, um das Naturgeschehen zu ordnen und zu beschreiben. Auch hier lauert die Zirkularität der Erklärung, wenn die Materie und die Gegenstände der Welt sowohl als Explanandum wie auch als Explanans für die Phänomene der Wirklichkeit fungieren. Protonen und Elektronen sind Bezeichnungen sowohl für instrumentell beobachtbare Phänomene anhand ihrer Wirkungen auf Messinstrumente als auch hypothetische Gegenstände in der Form materieller Teilchen, Träger von Eigenschaften und Urheber der Phänomene. Raum und Zeit haben an sich keine physikalischen Eigenschaften, als gedankliche Konzepte oder regulative Ideen strukturieren sie die Wirklichkeit, drücken ihr eine Ordnung auf, die aus den Erscheinungen der Welt selber und ihren Beziehungen zueinander abgeleitet ist. Physikalische Kraftfelder variabler Intensität, die Ausbreitung des Lichtes sowie die Existenz der Hintergrundstrahlung im Kosmos ziehen die Existenz eines Raumes nach sich. Modulationen oder Inhomogenitäten dieser Größen oder Strahlungen liefern ein erkennbares und messbares Strukturierungs- und Ordnungskriterium. Zeit ist der Abstand zwischen Ereignissen oder Zustandsübergängen. Dagegen wäre ein System im statischen, ereignislosen Zustand oder Gleichgewicht, z.B. das wahre Vakuum, nicht als solches und nicht als Raum und Zeit erkennbar. Es wäre im metaphysischen Sinn das Ewige. Eine Wissenschaft der Physik ohne Raum und Zeit wäre denkbar möglich, denn sie sind theoretisch nicht notwendig, wohl aber empirisch hilfreich.

Wichtige Hinweise dazu liefert das Theorem der Mathematikerin Emmy Noether von 1918. Es verbindet in der Physik die Symmetrien von Raum und Zeit mit den Erhaltungssätzen. Hätte das Universum einen festen Hintergrund, der nicht mit dem Urknall entstanden wäre, so wie er früher als Äther postuliert wurde, dann wären diese Symmetrien gebrochen und die Erhaltungssätze wären ungültig. Es gibt keine Wechselwirkungen von Objekten des Universums mit Objekten außerhalb desselben. Daher sind Raum und Zeit homogen und lückenlos, somit mathematisch differenzierbar und integrierbar, und die Physik kann als kausal, in sich geschlossen und gesetzmäßig angenommen werden. Symmetrien haben in der physikalischen Natur eine fundamentale Bedeutung, aber bisher unbekannte Ursprünge. Sinnvollerweise sollten sich die Symmetrien in den Naturgesetzen wiederfinden lassen, weshalb die Symmetrie bewegter Bezugssysteme zur Relativitätstheorie führte.

Da der Mensch in der Natur und mit der Natur leben muss, kann er auf Erkenntnis und auf eine verlässliche Ordnung oder Struktur in der Welt nicht einfach verzichten. Also muss sich der Mensch damit arrangieren, indem er sich behilft mit den Erfahrungen und mit fiktiven Erklärungen des Naturgeschehens als Kausalitäten und Korrelationen, die für die Bewältigung des Lebens geeignet sind, indem sie Erwartungen und eindeutige, zuverlässige Vorhersagen aus Beobachtungen erlauben. David Hume (1711-1776) deutete die Kausalitäten als gedankliche Assoziation und Schlussfolgerung aus der wiederholten Beobachtung der räumlichen Nachbarschaft von Objekten und ihrer Beziehung in Form gleichartiger Ereignisse in bestimmter zeitlicher Folge als Regularität und Gewohnheit. Da passive Naturbeobachtung allein dazu nicht ausreichend ist, greift der Forscher selber aktiv in die Natur ein und beobachtet in wiederholbaren Experimenten - wiederum nicht ohne Zirkularität - die Reaktionen oder Wirkungen auf seine gezielten Interventionen auf Ursachenseite. Ein wichtiges Kriterium ist der kontrafaktische Ausschluss, d.h. die Wirkung darf nicht eintreten, oder ist ausgeschlossen, wenn die zugehörige Ursache fehlt. Diese Bedingung ergibt sich aus der Notwendigkeit der bestimmten Ursache und der Ausschließlichkeit einer Ursache zu einem Ereignis. Das heißt, eine Erscheinung hat genau eine einzige Ursache. Bei komplexeren Vorgängen verliert das Kausalitätsprinzip durch Überlagerung von Ursachen und Wirkungen an Eindeutigkeit und umgekehrt an Ausschließlichkeit, so dass gezielte Experimente zum Nachweis notwendig werden. Überdies darf qualitative Kausalität nicht mit quantitativer Determiniertheit, sowie Zufälligkeit nicht mit Akausalität verwechselt werden.

Zudem muss Kausalität, wie jedes fundamentale Naturgesetz, unabhängig sein von absoluter Zeit und absolutem Raum, was äquivalent ist zur Gleichförmigkeit des Naturgeschehens in Raum und Zeit. Die Gleichförmigkeit ist wie die Erhaltungssätze der Physik eine berechtigte Annahme, die sich als Rückschluss aus der erfolgreichen Anwendbarkeit der Naturgesetze ergibt, beispielsweise in der Raumfahrt. Man kann diese Annahmen als „Schlussfolgerung auf die beste Erklärung“ oder Abduktion deuten. Darauf beruht das Prinzip der positivistischen Induktion, indem beobachtete Eigenschaften von Elementen einer ausgewählten Teilmenge allen Elementen zugeordnet, oder auf die gesamte Menge projiziert werden. Aus gleichartigen Eigenschaften folgt die Erwartung gleichartigen Verhaltens der Elemente. Das Erkennen von Wiederholungen setzt das Erkennen von Ähnlichkeiten voraus und dieses beinhaltet objektive Deutungen vergangener Beobachtungen wie auch Deutungen auf Grund zukunftsbezogener Erwartungen, so dass auch im Induktionsprinzip eine Zirkularität gegeben ist. Somit kann empirische Gewohnheit oder Regularität das Induktionsprinzip zwar logisch nicht begründen, andererseits ist der Mensch zur Bewältigung des Lebens mit Bedürfnisbefriedigung auf die regelmäßige Wiederholung gleichartiger oder ähnlicher Ereignisse angewiesen. Deshalb ist die Annahme des Induktionsprinzips unausweichlich, bedarf jedoch immer wieder der skeptischen Prüfung und empirischen Bestätigung.

Wenn ein Meteorit aus den Tiefen des Weltalls in den Schwerkraftbereich der Erde gerät, dann wird er beschleunigt. Die Schwerkraft der Erde ist also die Ursache für die Änderung von Bahn und Geschwindigkeit. Umgekehrt wirkt der Meteorit auch auf die Bahn der Erde, allerdings ist der Effekt so gering, dass er vernachlässigt wird. Wenn der Meteorit in die Atmosphäre eindringt und auf der Erdoberfläche einschlägt, dann ist er seinerseits Ursache für allerlei Erscheinungen und möglicherweise Schäden. Untersuchungen haben ergeben, dass der Meteorit von Tscheljabinsk Anfang 2012 immense Schäden angerichtet hätte, wenn sein Bahnwinkel durch die Atmosphäre einige Grade steiler gewesen wäre. Offensichtlich liegt es am Beobachter, bzw. seinem aktuellen Interesse, was als Phänomen und als Wirkung gedeutet wird und was als zugehörige Ursache untersucht wird. In der Natur müssen häufig mehrere Bedingungen gleichzeitig gegeben sein, um ein Ereignis auszulösen, wobei das Eintreten der letzten Bedingung die auslösende Ursache bildet. Der Apfel fällt erst vom Baum, wenn er schwerer geworden ist als die Haltekraft des Astes, wobei das Schütteln des Astes die auslösende Ursache bilden kann. Kausalität ist immer nur lokal gültig, als räumlicher, zeitlicher und empirischer Ausschnitt eines umfassenderen Geschehens, denn jede Ursache ist selber wieder Wirkung und Phänomen einer anderen Ursache, bis zurück zum Urknall. Das Universum hat keine statischen Anfangszustände als Ur-Sachen, die eindeutig als alleinige Ursache infrage kämen. So aber kann man jedes Ereignis kausal beliebig weit zurückverfolgen.

Das Überleben der Menschheit über Jahrmillionen zeigt den evidenten Erfolg der Forschung und Wissenschaft. Andererseits deuten die gegenwärtigen Probleme der Umweltzerstörung auf die mit der Unkenntnis zusammenhängender, räumlich und zeitlich global verteilter Kausalketten sowie die mit der disziplinär beschränkten Perspektive und den ökonomischen Erkenntniszielen der Wissenschaft verbundenen Defizite hin. Naturwissenschaft ist nicht ein Produkt der Natur, sondern der Menschen in ihrer jeweiligen Lebenswelt. Der Naturforscher und Naturphilosoph Ernst Mach (1838-1916) schrieb dazu:

Wenn wir Tatsachen in Gedanken nachbilden, so bilden wir nie die Tatsachen "überhaupt" nach, sondern nur nach jener Seite, die für uns "wichtig" ist; wir haben hierbei ein Ziel, das unmittelbar oder mittelbar aus einem praktischen Interesse hervorgewachsen ist.

Die moderne Wissenschaftstheorie hat dafür den Ausdruck "empirische Adäquatheit" erfunden, der von dem kanadischen Philosophen Bas van Fraassen (*1941) im Rahmen des Konstruktiven Empirismus geprägt wurde, als Erkenntnisziel der Wirklichkeit und als Ersatz für einen Wahrheitsanspruch in den Naturwissenschaften. Empirische Adäquatheit bedeutet, dass die Theorie mit einer Klasse von Beobachtungen und Erfahrungen unter definierten Bedingungen übereinstimmt. Sie ist als pragmatisch notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für wissenschaftliche Theorien zu verstehen und liefert der Naturwissenschaft einen Ermessensspielraum, um Forschung effektiver und flexibler zu gestalten, ohne Abstriche an Zuverlässigkeit hinzunehmen. Das ist nicht als willkürlicher Relativismus zu verstehen, sondern als System historisch oder retrospektiv bewährter Konstruktionsregeln. Jede Theorie muss kohärent in den Sprachkanon und in das Netzwerk der Theorien zumindest der Fachdisziplin zusammenhängend eingebettet sein. Die Tragweite der empirischen Adäquatheit für die Praxis der Naturwissenschaft kommt in der Erkenntnis zur Geltung, dass sogar wahre Theorien nicht notwendig empirisch adäquat sind, weil beispielsweise die Instrumente fehlen, um die Theorie empirisch prüfen und bestätigen zu können.

Der Physiologe Johannes Müller schrieb bereits 1826:

"Wir mögen uns die Mahnung gelten lassen, daß Licht, Dunkel, Farbe, Ton, Wärme, Kälte, und die verschiedenen Geschmäcke, mit einem Worte, was Alles uns die fünf Sinne an allgemeinen Eindrücken bieten, nicht die Wahrheiten der äußeren Dinge, sondern die realen Qualitäten unserer Sinne sind, daß die thierische Sensibilität allein in diesen rein subjectiven Zweigen ausgebildet ist, wodurch das Nervenmark hier nur sich selbst leuchtet, dort sich selbst riecht und schmeckt [..] Die Wesenheit der äußeren Dinge und dessen,was wir äußeres Licht nennen, kennen wir nicht; wir kennen nur die Wesenheiten unserer Sinne."

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