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Kitabı oku: «Der Sternsteinhof», sayfa 14

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Helene hatte die Augen gesenkt, nun blickte sie auf. »Was bezweck‘st denn mit dein‘m Raunzen?«

»Bezwecken?« Er lachte schmerzlich auf. »Frag‘ ‚n g‘schlagenen Hund, warum er heult. Weil ihm weh is. O, du mein Gott, wann mer sich nur damal besser miteinand‘ verstanden hätten. Ich stund‘ hitzt großjährig und frei da; – hätt‘st nur du auf mich g‘wart‘t!«

»‘leicht gäbst du gar noch mir a Schuld?! Narr du, sollt‘ ich mich af Jahr‘ h‘naus all‘n Anfeindungen von Groß- und Kleinbauern aussetzen und warten, die g‘wisse Schand vor ‚n Augen, af‘s Ung‘wisse? Bist du denn nit von mir g‘rennt, wie der ertappte Dieb vom Rüb‘nfeld, und wie der sein Sack hast mich dahinter lassen?«

»Du brauchst mir‘s nit vorzurupfen! Hätt‘ ich damal getan, wie recht g‘wesen, so blieb‘ mir hitzt, nach drei Jahr‘n in der Fern‘ und im zweiten daheim, ‚s Einsehen erspart, daß ich verspielt hätt‘, was mir allein taugt.«

»So laß‘ verspielt auch für verloren gelten, trag‘, was auf dich zu liegen kommt, und sinn‘ nit, das Unglück, was dich mit deiner Bäu‘rin betroffen, durch anderer Leut‘ Schaden ausz‘gleichen! Mir mut‘ wenigstens nit zu, weil dir d‘ Weibernarrischkeit einschießt, daß ich dir die Narrin dazu abgäb‘. Und hitzt war‘ g‘nug g‘redt über so ‚n Unsinn!«

»Leni, ein Wort noch! Nit oft noch auffällig, nur zeit- und randweis verlaub‘ mir ‚s Herkommen, ich will ja auch ‚m Kind nachschau‘n, —«

»‘m Kind? Das geht dich doch gar nichts an und mich nur so weit, daß ‚s sein Leben b‘halt und sein Pfleg‘ hat; ‚s is af ein‘s andern Duldung ang‘wiesen, einer ledigen Dirn‘ Kind und hat kein‘ Vadern.«

»Wer weiß, was d‘Zeit bringt! Es könnt‘ ‚n ja noch krieg‘n. —«

»Dir is wohl ‚s Geblüt in Kopf g‘stiegen?«

»Nein, Leni, nein, ich red‘ nit unüberlegt. Wie lang‘ kann ‚s denn mit meiner Bäuerin währen? Vielleicht nimmt s‘ unser Herrgott bald zu ihm, war‘ ja auch ‚s Beste für sie, denn heil und nütz‘ wird s‘ doch nimmer.«

»Schon dein‘m Reden nach wär‘ der arme Hascher wohl besser im Himmel aufg‘hoben. Aber ob sie fortlebt oder wegstirbt, das hat kein‘ Bezug; ich hab kein‘ Anlaß, mein‘m Mon ‚n Tod z‘wünschen, der is nit siech und steht in dein‘n Jahr‘n.«

»Er lebt auch nit ewig.«

»Toni! – Unser Herrgott verzeih‘ dir die Sünd‘ und mir, daß ich solch‘s anhör‘!«

Toni hielt sie an der Hand zurück. »Er muß ‚s, Leni, er kann gar nit anders; sonst ließ er mich meiner Gedanken Herr werd‘n, sonst ließ er mich an dein‘m Trutz vertrutzen, sonst ließ er‘s nit zu, daß ich dir nachtracht‘, als wär‘n wir die zwei alleinigen Leut‘ af der Welt und uns b‘stimmt! Und wär‘s a Sünd‘, Leni, dir könnt‘ er nit an! Ich nimm alle af mich, – für dich nahm‘ ich jede Sünd‘ af mich, – für dich, was a himmelschreiende wär‘! – für dich – Leni —«

Sie stieß ihn kräftig von sich und eilte hinaus.

Als die alte Zinshofer den Kopf zur rückwärtigen Türe hereinsteckte, lehnte der Bauer an einem Pfosten der vorderen, beide Handflächen an die Stirne gepreßt.

Der Mond schien in die Schlafstube des Holzschnitzers. Helene ruhte und träumte. Es war ein verworrenes Träumen.

Sie stand in der Stube ihrer Mutter vor der blanken Spiegelscherbe, die dort im Fensterwinkel lehnte, sie hatte das stillvergnügte Gefühl einer frohen Erwartung; das kleine Gemach war gedrängt voll von Leuten, unter denen ihr welche, die sie täglich sah, wie fremd vorkamen, und andere, die sie gesehen zu haben sich nicht erinnerte, wie längst bekannt; zu dem Fenster guckten der Muckerl und die alte Kleebinderin herein und schlugen wundernd die Hände zusammen; und hinter ihr stand Toni und zupfte sie an den Zöpfen und kitzelte sie unter den Armen und fragte: Bist bald fertig? Und sie schrie ungehalten, aber doch lachend: Gleich, gleich!

Dann lief sie an den Leuten vorüber, – die eine Gasse bildeten, – unmittelbar in den Flur des Sternsteinhofes und die Treppe hinauf. In den schönen Stuben standen alle Schränke offen, nicht nur die mit Leinen- oder Gewandzeug, auch der Silberschrank, aus dem es funkelte und leuchtete, und der Geldschrank, aus dem Papier- und Bargeld fast herausquoll. Von unten hörte man das Geblök der Rinder, das Getreibe des Geflügelhofes, das Pfauchen der Maschinen, dann Raketenprasseln, Musik, jenen Hochzeitslärm, und plötzlich fand sie sich unter Tanzenden und Singenden und tanzte mit und sang.

Darüber wachte sie auf.

Es war alles ruhig. Doch nein, von der nächsten Ecke schallte es her, der Mann dort im Bette mochte wohl auf der Nase liegen, denn er vollbrachte ein wundersames Geschnarche, und zu dieser Musik hatte sie im Schlafe zu singen versucht.

Tief aufseufzend erhob sich Helene mit halbem Leibe, da machte der Schläfer eine Wendung, und das Geräusch verstummte. Sie lauschte, nach einer Weile erst vernahm sie seine ruhigen, regelmäßigen Atemzüge.

Helles Mondlicht erfüllte den Raum der Stube, tiefschwarz lagen die Schatten der Fensterbalken wie gespenstische Grabkreuze breit über der Diele.

Zwei, just zwei, lagen da.

Helene klammerte sich an den Bettrand und beugte sich über denselben hinaus. So war es ihr möglich, die letzten Fenster des Sternsteinhofes zu erblicken; ein schwaches Licht blinkte von dorther, es leuchtete in der Krankenstube der Bäuerin.

Wie lang‘ wird‘s mit der währen?

Wenn sie auch jetzt wieder auf die Fuß‘ kommt, so schlimmer für sie, wenn wahr ist, was die Leut‘ sag‘n, daß die Magd behauptet, es hätt‘ es der Doktor gesagt.

Der Bauer hat heißes Blut.

Ließe sich eines darauf ein, ihn unsinnig zu machen und heimzu zu jagen, er ertrotzte dort sein Recht und – Tu‘ ‚s flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Davon ließe sich nichts austragen, noch erweisen, – Tu‘ ‚s, flüsterte es wieder, aber diesmal war es, als spräche es ganz nah‘ von außen auf sie ein.

Herr du, mein Jesus, was sind das für Gedanken?! Was will mir da an? – Dummheiten! – So sündhaft, wie dumm! – Blieb‘ doch der andere – Der lebt auch nit ewig.

»Lebt auch nit ewig,« murmelte sie, als wiederhole sie Worte, die ihr vorgesagt worden.

Da besann sie sich plötzlich, daß sie gesprochen habe nach niemand und nirgend hin; sie sah mit scheuen Blicken um sich, dann streckte sie sich rasch aus, zog die Decke über sich und schloß die Augen. Aber während sie den Kopf in das Kissen drückte, dachte sie trotzig: Unsinn! Ewig lebt keiner, doch überlang‘ mancher. Was g‘schäh‘ dann?

Das find‘t sich! flüsterte es in ihrem Inneren.

Kalter Schweiß troff ihr aus allen Poren, dann schauerte sie wieder wie im Fieber zusammen.

Das find‘t sich! klang es ihr, wie von außen, unmittelbar an dem Ohre.

In diesem Augenblicke tat der Mann drüben einen schweren Atemzug mit weit offenem Munde, es klang wie Geröchel.

Mit Anstrengung unterdrückte Helene einen lauten Aufschrei. Nun begannen ihre Pulse zu hämmern, sie unterschied jeden einzelnen Schlag dem Gefühle nach, sie empfand es auch, ohne zu zählen, daß in einer genau wiederkehrenden Frist das regelmäßige Klopfen wie durch rasendeDoppelschläge unterbrochen wurde, und dann flüsterte, wisperte und raunte es ihr zu: Tu ‚s – tu ‚s – tu ‚s – es find‘t sich – es find‘t sich! Und das kehrte wieder und wieder, sie wußte es genau, wann; und trotzdem sie sich die Ohren mit den Händen zuhielt und den Kopf im Kissen und unter der Decke vergrub, es klang immer verwirrender, drängender, gebietender: Tu ‚s – tu ‚s – tu ‚s – es find‘t sich – es find‘t sich!

Da warf sie sich aus dem Bette zur Erde und kroch auf den Knien in den Winkel hinter ihrer Liegestatt; sie stieß den Kopf hart gegen die kalte Mauer und blieb mit der Stirne auf derselben lehnen, ihre Hände falteten sich krampfhaft, sie krümmte sich zusammen aus Furcht vor sich selbst oder vor dem, was aus ihr heraus wie leibhaft sie anzufassen und zu bewältigen drohte. Sie begann zu beten, erst im stillen, dann mit halblauter Stimme; ohne auf den Sinn zu achten, murmelte sie eifrig die Worte, um ihre Gedanken zu verscheuchen und die unheimlichen Rufe zu übertäuben. Manchmal erhob sie die Stimme, als wollte sie etwas zurüdsschrecken, das nach ihr fasse; dann ward ihr Gemurmel mählich eintöniger, und gegen Morgen brach sie kraftlos in der Ecke zusammen und schlummerte ein.

So fand sie der Herrgottlmacher. Unter seiner Berührung schrak sie auf.

»Um Jesu Willen,« sagte er, »was is ‚s denn mit dir?«

»Schlecht is mir g‘west,« antwortete sie, »mein Leb‘n hab‘ ich kein‘ so schlechte Nacht g‘habt.«

»No, wär‘ nit aus,« meinte er kopfschüttelnd.

18. Kapitel

Etliche Tage nachher fand sich mit einmal der kleine, säbelbeinige Agent der »Handelsgesellschaft für religiösen Hausrat« in Kleebinders Hütte ein. Er hatte sich die Jahre über äußerst selten blicken lassen und war dann immer mit einer gewissen Zurückhaltung, aber auch mit aller gebührenden Rücksicht empfangen worden; der letzteren konnte für diesmal allerdings der Umstand einigen Eintrag tun, daß seit längerer Zeit die Bestellungen merklich abnahmen.

»No, auch einmal anschau‘n lassen?« rief der Holzschnitzer nach der ersten Begrüßung. »Hoffentlich bringt‘s mer doch Gut‘s? Schon a schöne Weil‘ her laßt‘s mich völlig feiern. Braucht‘s auch gar nix?«

»Recht haben Se, Herr Kleebinder, wenn Se sich aufhalten,« sagte das Männlein. »Die Geschäfte gehen flau. Mein‘, was wollen Se? Die Gesellschaft war verfallen in ä grausamen Irrtum, se hat gemeint, mit de Wor‘ werd‘ sich verbreiten der rel‘giöse Sinn un mit‘m rel‘giösen Sinn wieder de Wor‘, un es werd‘ kan End‘ nehmen; nu verlangt aber nor der rel‘giöse Sinn nach der Wor‘, die Zahl der Abnehmer is ä beschränkte, un die Zahl is erschöpft. Gott, was haben dagegen die Engländer for a reiches Absatzgebiet for indische Götzen, was werden gefabriziert in London! Se sein aber ach ä groißes Handelsvolk, un is mer immer afgefallen, daß se ihr‘n Sabbat esoi heiligen.«

»Sein s‘ Juden?«

»Wo denken Se hin, Herr Kleebinder? Christen, – Christen, sag‘ ich Ihnen, vom reinsten Wasser. Aber hören Se af ein‘ Rat, Herr Kleebinder, sehen Se sich um um ä Nebenverdienst, wie ich mer hab‘ umgeseh‘n um an‘n.«

»Ich wüßt‘ mer kein‘.«

»Lassen Se sich sagen, machen Se heidnische Figuren!«

»Wenn auch kein‘ Sünd dabei wär‘, ich verstünd‘ mich nit d‘rauf.«

»Sein Se nix ängstlich, ich an Ihrer Stell‘ würd‘ mit de Götter ach noch fertig werden. Schnitzen Se ein‘ Mann, was gar kein Kleidungsstück tragt, wie anstatt ‚n Hosenlatz ä Weinbeerblatt, und setzen Se ihn af ä Weinfaß, haben Se n‘ Bacchus, geben Se ihm in die Hand ‚nen Tremmel, werd‘ es sein der Herakles, lassen Se ihm tragen Flügel an de Füß‘ un ä Stangen, woran sich statt ‚er Bretzeln ringeln e poor Schlangen, is der Merkur fertig, de Hauptsach‘ in der Mythologie ist de Natürlichkeit. De Farb‘ kennen Se ach daran ersporen, machen Se de Figürcher nur recht schmutzig, das is ä Kunstwert, was Patina heißt. Ich besorg‘ Se, wenn Se wollen ä ganzes Mythologien-Buch, worein se alle stehen afgeseichnet, de Götter un de Göttinnen.«

»Dös sein dö Weibeln von dö, was nix anhab‘n? Schau‘n dö auch so aus?«

»Einselweis tragen welche esoi alte Kleidungsstücke; aber wenn Se mer folgen, Herr Kleebinder, so machen Se nor Venussen, se sein immer verkäuflich. Übrigens was red‘ ich Ihnen vor, als ob das wär‘ for Se was ganz Neues? Sieht doch de Venus af ä Hoor gleich der heiligen Eva, af soi ane werd‘n Se doch schon ämol effektuiert haben ä Bestellung?«

»Da irrt‘s eng groß,« sagte der Herrgottlmacher überlegen, »z‘erst merkt‘s eng, is d‘Eva so wenig heilig wie der Adam, und nachher trag‘n dö, ‚vor s‘ der Herr aus‘m Paradeis jagt, ein Schurz von Laubwerk und dann, in der Wildnuß ein‘ von Tierfell.«

»Nu, was ä groißer Irrtum!? Lassen Se de Heiligkeit samt‘m Laub un ‚m Fell weg, so haben Se, was Se brauchen.«

Muckerl schüttelte ärgerlich den Kopf. »Dös verstehst ös nit. Nie noch is Adam und Eva verlangt word‘n, begreiflich, wer stellt denn auch so was in d‘Stub‘n, ‚n Kindern unter d‘Augen?«

»Es gehört ach nix for de Kinder. Schnitzen Se, wie ich gesagt hab‘, ä Eva, un heißen Se se Venus, was liegt daran? Sie werden mer danken, un um ä Vorbild brauchen Sie ach nix zu sein verlegen.« Er deutete nach der Küche, wo Helene am Herde beschäftigt war. »Was haben Se vor ä Prachtweib!«

»Pfui Teufl!«

»Wie heißt: ›Pfui Teufl‹, wenn andere sagen: ›Gott, wie schön‹ un lassen Se verdienen dabei ä Geld? Nu, tun Se‘s, oder tun Se‘s nix! Ich hab‘s gemeint gut mit Ihnen. Weil mer aber gerad‘ reden vom Geldverdienen; Herr Kleebinder, ich hab‘ Se verdienen lassen, lassen Se mer ach verdienen!«

»Habt‘s was z‘verhausieren?«

»Trag‘ ich ä Bünkl?« fragte das Männlein beleidigt. »Ich bin ä Agent for ä Lebensversicherungs-Gesellschaft, un als solcher möcht‘ ich gern machen mit Se ä Geschäft; lassen Se sich versichern!«

Muckerl schüttelte abwehrend die Rechte. »Lebensversicherung? Dös kennen mer, ich hab‘ mer sagen lassen, ‚s selb‘ wär‘ eigentlich a Sterbensversicherung; einer, was lang lebt, find‘t ‚s Zahlens kein End‘, und ‚n Vorteil hätt‘ nur der, was sich gleich nach‘n ersten Einzahlungen hinlegt und verstirbt.«

»Hebe, recht hab‘n Se, Herr Kleebinder, es is eigentlich ä Versicherung for‘n Todesfall, aber Se glauben gar nix, was ankommt af soi ä Titel! Mer kenn‘s doch nix heißen: Todesversicherung? Was ä Menge Leut‘ möchten sich scheuen beisutreten?«

»Heißt‘s wie d‘r will, ich bin nit für‘s lange Zahlen noch für‘s gache Sterben.«

»Gott, de Lung‘ kenn‘ mer sich ‚eraus reden bei de Bauersleut‘, um se af zuklären über das Wesen von de Assekuranz! Wenn ich afzeig‘ de Vorteile von aner Versicherung for‘n Todesfall, ‚n Hagelschlag, Brand- un Wasserschaden, Einrichtungsstücke un Reiseunfälle, stehen se nix da und schütteln mit de Köpf‘ un ferchten un wünschen sugleich aus pur‘n Geiz, daß möcht‘ kommen schon in de erste Zeit ‚s Sterben un der Hagel un Feuer un Wasser un Gerätschafts- und Körperschaden! Gott der Gerechte, wär ä Geschäft das, wobei könnt‘ florieren ä Gesellschaft! Liegt es doch for jeden vernünftigen Menschen af der bloßen Hand, daß mer kenn‘ nor aus‘n Einsahlungen von Tausende ‚erausbesahlen for de wenigen, was ä soi ä Unglück betrifft, ä Vergütung.«

»No, dö sein doch schön dumm, was für andere zahlen.«

»Des sein de Gescheiten, Herr Kleebinder. Weil keiner von de vielen kenn‘ wissen, ob er nit morgen werd‘ sein unter de wenigen, was ä Malör betrifft! Manche tun ach erschrecklich fromm un kümmen su steigen mit de Redensort, ihr Leben un Hab un Gut stünd‘ in Gottes Hand, und wenn der se oder de Ihren will treffen, werd‘ er sie treffen.«

»Dö hab‘n doch g‘wiß recht.«

»Recht haben se als fromme Leute; aber es werd‘ doch nix verstoßen gegen die Frommheit, es werd‘ doch nix verstoßen gegen die Ergebung in den Willen Gottes, wenn einen trifft ä Schlag von oben, daß unterhält de Assekuranz de Hand, damit es nix ausfällt su grob?!«

»Dös is mer z‘fein. Ich weiß, de Assekuranz halt‘t schon früher dö Hand unter, und dö soll mer ihr füll‘n.«

»Wie kommen Se mer vor? Aus nix werd‘ nix! Glauben Se, mer werd‘ Ihnen unentgeltlich helfen aus ein‘m Unglück ‚eraus su einer Zeit, wo mer muß besahlen, daß andere kommen ‚enein?! Sahlen Se nix for‘n Krieg, for de Gefängnissen, for de Findelhäuser, for de Irrenanstalten, for de Spitäler? Nu? Was wollen Se also haben umsonst ä Versorgung für Witwen un Waisen, ä Versicherung von Ernte un Grund, ä Schutz vor Feuer un Wasser? Sein Se gescheit, lassen Se nix ungenützt vorübergehen de günstige Gelegenheit; unsereiner kommt selten in der Gegend.«

»Von mir aus könnt‘s schon wegbleiben. Was habt‘s denn ös davon?«

»Das will ich Se sagen, Herr Kleebinder, ä klane Profision wie for jede Kundschaft, was ich subring der Gesellschaft.«

»Dö soll ‚leicht ich eng zahlen?«

»Bewohr‘, de sahlt de Gesellschaft.«

»Und woher nimmt‘s dös?«

»Von de Kosten.«

»Und wer tragt döselb‘n?«

»Se sein sehr neugierig, Herr Kleebinder, —«

»Ahan, seht‘s, da steckt der Betrug! Brav einzahl‘n soll‘n mer, daß andere a gut‘ Leb‘n führ‘n können!«

»Weiß Gott, ich tat‘ Ihnen wünschen ä soi ä Leben! Se möchten mehr schwitzen dabei, als jemals Se hinter Ihr‘m Arbeitstisch geschwitzt haben! Meinen Se, ä soi groißartige Unternehmung führt sich von selber? Da muß es geben Agenten un Unter- un Oberbeamte un Buchhalters und an Direkter – was wissen Se? – de alle müssen leben; un de Profision for de Agenten un de Gehalte for de Beamten un ‚er Profit for de Gesellschaft werd‘ alles genümmen von de Int‘ressen, von de Prosente von den eingesahlten Kapital! Versteh‘n Se? Nix von ‚nen Kapital selber! Zeigen Se mer so ä billige Verwaltung anerswo! Der Steuerbeamte nimmt sein Gehalt von de Steuer, von Kapital, nix von de Int‘ressen, der Herr Pfarrer, was verwaltet de Armengelder, nimmt nix von ‚m Kapital noch von de Int‘ressen, er muß obenein sei Gehalt krieg‘n, un in‘s Steueramt un in de Armenkasse tragen Se nor Ihr Geld ‚enein, von üns aber kriegen Se ‚erraus bei Heller und Fennig, was is worden ausbedingt un worauf Se haben ä Geschrift in Händen! Gott, was ich mer echoffier‘, dürft‘ sein ä Angelegenheit, wobei su verdienen ä Sack voll Geld! Machen Se keine Geschichten, es is doch nor Ihr Vorteil. Was ä Umständlichkeit! die Sach‘ is gleich berichtigt. Ich bring‘ Se in de Kreisstadt zum Ärzten – es soll Se nix kosten – Se werden lachen, es is wie bei aner Assentierung. Er werd‘ Se abklopfen erst am Rücken, damit sich de Lung‘ loslöst vom Rippenfell un er se besser hört, un dann von vornen, weil er – doch was wissen Se? – aber Se werden lachen, un daß Se dabei erfahren, was Se for ä gesunder Mensch sein, das haben Se umsonst, und als ‚m gesunden Menschen berechnet mer for Se ach de Einsahlung billiger.«

Helene stand vorgeneigt an der Schwelle der Stubentür. »Sei still!« beschwichtigte sie das Kind, das, einige Worte lallend, an ihren Rockfalten zerrte.

Muckerl war so mißtrauisch wie nur irgendeiner vom Dorfe, aber auch durch vieles Einreden leicht verlegen gemacht; er fühlte sich der Mundfertigkeit des kleinen Mannes durchaus nicht gewachsen und versuchte daher, der ihm immer unangenehmer werdenden Lage mit einmal ein Ende zu setzen, indem er entschieden sagte: »Spart‘s eng‘re Wort, wend‘t ‚s weiter kein‘s af! Ich mag nit!«

»Sein Se ä Familljenvater? Seit es gibt ä Lebensversicherung, kenn mer es von jeden verlangen, daß er vor de Seinen sorgt. Denken Se af Weib und Kind!«

Helene trat mit dem Kleinen auf dem Arme zur Türe herein. »Schau Muckerl,« sagte sie lächelnd, »so uneb‘n wär‘s nit, wann d‘ uns z‘lieb was tät‘st, daß wir nit einsmals betteln geh‘n dürften.«

Der Herrgottimacher blickte erstaunt auf. Woher dieses plötzliche Einmengen? Er zog die Mundwinkel herab und starrte Helene mit großen Augen an. Es erbitterte ihn, daß sie, anstatt zu ihm zu stehen, so unversehens einem Fremden das Wort redete und noch dazu in einer Sache, wo es sich um Auslagen auf Jahre hinaus handelte und die Aussicht auf seinen Tod ihr einen Gewinn versprach. Sollte er sagen, was ihm schon auf der Zunge lag: daß, wenn sie ‚mal betteln gehen müßte, sie es vollauf um seine selige Mutter verdient habe und daß sie ihm ja bisher jede Sorge für das Kind förmlich verübelte, das übrigens …? Doch was würde der Jud‘ denken, wenn er ihn gegen das Weib in der Weis‘ aufbegehren hörte? Nein. Er versprach, daß er sich‘s überlegen und sich schon »einmal« versichern lassen werde.

»Gott sei davor!« schrie der kleine Agent und focht dazu mit den Händen in der Luft. »Gott sei davor, daß ich Se gäb‘ ä Zeit, su bereuen soi ä guten Vorsatz. Nix da; Herr Kleebinder, Se werden sich jetzt setzen su Tisch, dann geh‘n mer ‚enauf sun Wirt und nehmen uns su leihen seinen Leiterwagen, —«

»‘n Leiterwagen?!«

»Wir werden nix bleiben allein, in de Dörfer, wobei wir fahren vorüber, sitzen noch ä Fünfe, was sich haben gleichfalls entschlossen; Se machen grad‘ ‚s halbe Dutzend voll, Herr Kleebinder. Se seh‘n, es geht in einem! Wo käm‘ ich sonst af de Kosten?«

»Na, da mußt wohl fahren, Muckerl,« sagte Helene, »wann sich schon für umsonst a G‘legenheit schickt.«

»Du kannst‘s wohl gar nit abwarten, daß‘s zun Zahlen kimmt?«

»Sei nit kindisch, ich mein‘ nur, wann d‘ schon entschlossen bist, wozu‘s h‘nausschieben?«

Muckerl war zwar nichts weniger als entschlossen, und daß die Sache so über Hals und Kopf abgemacht werden sollte, machte sie ihm nur noch bedenklicher. Er kraute sich in den Haaren.

Aber der Agent drängte: »Hören Se af Ihre Frau, Herr Kleebinder; af Frauen hören is in viele Fäll‘ gut, wenn ach nit in jeden. Wir sein drüben in der Stadt in ä poor Stunden, un der Afenthalt dort is ä geringer. Mit Abend sein Se wieder daheim, Herr Kleebinder.«

»No, siehst, da is ja all‘s schon ganz prächtig eing‘teilt. Hitzt komm‘, Muckerl, essen, daß mer d‘Zeit auch einhalt‘t. Nimmt der Herr ‚leicht auch ein‘ Löffel Suppen?«

Der Agent lehnte dankend ab. Er hielt sich strenge an die Speisegesetze, welche noch aus den Zeiten naiver Gottesfurcht herstammen, wo die Menschen nicht nur mit Hand und Mund den Göttern dienten, sondern auch mit eigenen und fremden Eingeweiden.

Schwere, niederhangende Wolken trieben vor dem Winde einher, als gegen Abend der Leiterwagen durch das Dorf polterte.

An der Seite des kleinen Mannes auf dem Sitzbrette kauerte der Herrgottlmacher, den Hut tief in die Stirne gedrückt, bleich, mit stieren Blicken unter den blinzelnden Lidern, das Haar klebte ihm an den Schläfen.

»Jesses, Muckerl, was hast denn?« fragte Helene, aus dem Vorgärtel herzueilend.

»Sö nehm‘ mich net,« brachte er mit zitternder, angstvoller Stimme hervor.

»Da haben Se‘s,« sagte der Agent, »erst will er nix, un nu is er verzagt, weil wir nix woll‘n. Sein Se kein Kind, Herr Kleebinder, machen Se sich nix d‘raus! Hundert Johr‘ sein Leute alt geworden, was de Ärzte haben ‚s Leben abgesprochen. Setzen Se sich nix in‘ Kopf wegen e dem, was sagt so aner! ‚s kenn ja ach sein nor gewesen ä Bosheit, um mich su bringen um ä Profision; de Herren erlauben sich manchmal soi unfeine Späß‘ mit ünserein‘m. Schlagen Se sich‘s aus‘m Sinn, Herr Kleebinder! Grübeln Se nix d‘rüber! Hör‘n Se, was ich sag‘, gor nix geben Se d‘rauf!«

Helene half ihrem Manne vom Sitze und führte ihn in das Haus, sie verließ ihn unter der Türe, als er zur Stube hineinschwankte, und lief hurtig an den Wagen zurück. »Sagt‘s mir nur,« flüsterte sie, »was is denn eigentlich mit dem Mann los? Könnt‘s mer‘s schon anvertrau‘n, ich fall‘ nit gleich hinth‘nüber.«

Der kleine Mann schnitt ein faunisches Gesicht und kräuselte die wulstigen Lippen, vermutlich kitzelte ihn »ä ausgeseichneter Witz«, sicher ist, daß er gut daran tat, ihn für sich zu behalten. Er beugte sich etwas vorneüber. »Se müssen nix erschrecken,« sagte er halblaut, »was ä Doktor red‘t, is lang nix soi gefährlich, als was er schreibt, de Resepten. Ihr Mann soll stecken in kaner guten Haut. Bei üble Sufälle kann mer nix wissen, was es ‚s nächste Johr brächt‘. Mein‘, ä Wort macht kan Toten lebendig, werd‘s ach kan Lebendigen tot machen. Lassen Se sich kan graues Hoor d‘rüber wachsen, wär‘ schod‘ for soi ä schöne Frau. Mei Empfehlung.«

Helene kehrte in die Stube zurück. »Laß‘s gut sein,« sagte sie, »wollen s‘ dich nit nehmen, soll‘n sie‘s bleiben lassen! Tu du dir nur nix einbilden! So arg wie sie‘s machen, wird‘s lang‘ nit sein.«

Sie setzte sich an den Tisch ihm gegenüber.

Außen begann ein mächtiger Regen niederzurauschen, dessen Plätschern, Prallen und Geträufe alsbald jeden anderen Laut überbrauste.

So saßen sie denn schweigend. Der Mann, noch immer mit dem Hute auf dem Kopfe, beide Ellbogen aufgestützt, vor sich in das Leere starrend; das Weib, mit dem Schürzensaume spielend und von Zeit zu Zeit scheu nach dem Bekümmerten blickend.

Mählich ließ der Regen nach; als es nur mehr »nieselte«, sprühende Tröpfchen wie fallender Nebel niederrieselten, erhob sich Helene. »Mach‘ dir nix d‘raus,« sagte sie zu dem Manne und strich mit der Rechten über die nasse Stirne. Einen Augenblick hielt sie die feuchte Hand vor‘s Gesicht, dann rieb sie selbe sorgfältig und wiederholt mit der Schürze ab. Sie schlich hinaus zur Stube und ging in das Vorgärtchen und mit langsamen Schritten der Hütte ihrer Mutter zu.

Nahe derselben drückte sie beide Hände gegen die Brust, die Knie begannen ihr vor Aufregung zu zittern, und sie ließ sich auf das Bänklein neben der Türe nieder.

Wie sie so saß und der Bach an ihr vorübergischte und die feuchte Luft sie umfächelte, in der sich die Düfte von Erdbrodem und Pflanzenodem mischten, da erwachte in ihr immer lebhafter die Erinnerung an eine Zeit und an einen Tag, wo sie als kleine Dirne von derselben Stelle träumend zu dem Sternsteinhofe aufsah.

Und nun lag er wieder – keinen Schritt entrückt – vor ihr, wie sie ihn als Kind gesehen, mächtig und breit dort oben ragen, als luge er in der Runde aus nach seinesgleichen; nur die goldigschimmernden Fenster fehlten, – die Sonne war untergegangen.

Ei, du stolzer Hof, du brauchst nit von der Sonn‘ z‘borgen!

Die Türe der Hütte öffnete sich, und die alte Zinshofer steckte den Kopf heraus. »Na, kommst‘ h‘rein oder nit? Schon d‘längst‘ Zeit seh‘ ich durch‘s Fenster dich da hocken.«

»Ich war ganz in Gedanken,« sagte Helene, dann fuhr sie in klagendem Tone fort: »Hörst, stell‘ dir vor, mein Mon wollt‘ sich verassekurieren lassen, fahrt h‘nüber zun Arzten in die Kreisstadt, und der nimmt‘n nit an; völlig ‚s Leb‘n spricht er ihm ab, ‚m armen Teufl, so viel krank soll der sein.«

Die Alte blinzelte mit den Augen und grinste mit dem Maul. »Geh‘ zu!«

Helene schnellte von der Bank empor und kehrte der Mutter den Rücken. »«Wann d‘ mir so kommst, dann auch gleich auf der Stell‘.« Sie schritt hinweg, die Arme an den Leib ziehend und die Schultern zusammenrückend, wie oft eigenwillige Kinder im Ärger tun.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
330 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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