Kitabı oku: «Der Sternsteinhof», sayfa 5
7. Kapitel
Schon einigemale hatte die Sepherl, wenn sie vom oberen Ende nach dem unteren kam, um Helene aufzusuchen, diese nicht daheim getroffen.
Die alte Zinshofer sagte, sie wäre nach dem toten Walde gegangen, und lachte über die närrische Dirn‘, die jeden andern Tag dahin liefe, Klaubholz sammeln, wobei sie immer für einen gesunden Span hundert mit Wurmmehl heimbrächte; aber besser sei doch, sie tue etwas, wenn sie damit auch nichts richte, als sie möcht‘ gar faulenzen und etwa auf dumme Gedanken gebracht werden.
Eines Tages aber setzte sich‘s Sepherl in den Kopf, die Kameradin wieder zu sehen und entschloß sich, selbe auf dem Heimweg oder an Ort und Stelle zu überraschen. Sie ging nach dem toten Walde. Die lange Strecke bis hin hatte sie keine Begegnung, doch als sie vor den Tannen stand und eben beide Hände hohl vor den Mund legte, um durch einen lauten Ruf ihre Anwesenheit und Wartestelle der gesuchten kundzugeben, da krachten im Gehölze dürre Zweige unter nahenden Tritten. Sie ließ erschreckt die Arme sinken, als sie an der Seite Helenens den Toni vom Sternsteinhof herankommen sah. Der Bursche duckte sich allerdings hinter die Stämme, aber es war zu spät, um nicht bemerkt zu werden.
Helene schritt auf Sepherl zu. »Je, du bist da? Grüß‘ dich Gott!«
»Grüß‘ dich auch Gott,« antwortete kurz die Angesprochene.
Helene faßte die Dirne an der Rechten, um Hand in Hand mit ihr dahinzuschlendern, aber da Sepherl mit unwilliger Gebärde sich losriß, fragte sie: »Na, was is‘s denn? Was hast denn?«
»Du warst nit allein!«
»Wer sollt‘ denn bei mir g‘west sein?«
»Für blind müßt‘s mich nit nehmen, und Verstecken is vor klein‘ Kindern gut. Ich hab‘n ganz gut g‘seh‘n, ‚n Bauerssohn vom Sternsteinhof.«
»Und wann er‘s war? Kann ich ihm ‚n Ort verwehren?«
»Davon is kein‘ Red‘, aber heut is nit‘s erstemal, daß dhertriffst. Er sucht dich da, und du laßt dich finden. Sollt‘st dich wohl schämen!«
»Ich wüßt‘ nit warum. Denkst du von mir Schlecht‘s?«
»Ich will just nix Schlecht‘s von dir denken, aber Recht‘s kann ich doch auch nit, wo du zu noch ein‘m halt‘st neb‘m Muckerl.«
»Du sollt‘st dich hüten z‘sag‘n, daß ich‘s mit ein‘ andern halt‘. Wo hast denn ‚n Beweis? Übrigens schätz‘ ich, bist du weder zu mein‘ Richter, noch zu sein‘ Wachter b‘stellt!«
»Trotzig tun steht dem gar wohl an, den man af üblen Weg‘n betrifft.«
»Auf üblen Weg‘n?!« schrie Helene.
»Ja, af üblen Weg‘n,« ereiferte die Sepherl, »ich sag‘ af üblen Weg‘n, weil ‚s seitab von Ehrlichkeit und Ehrbarkeit führ‘n. Von zwei‘n muß doch allweil einer der Betrogene sein, nit? Und wer‘s da war‘, is für mich gar kein‘ Frag‘! Was willst denn mit dem reichen Bauerssohn? Vielleicht dein‘ G‘spaß hab‘n, weil‘s doch zu kein Ernst führen kann? ‚s selbe steht schon ein‘m Weibsleut übel g‘nug an und is nit ehrlich geg‘n den, der‘s ernst meint; denn ehrlicherweis kann man nur ein‘m ang‘hör‘n für‘s Leben, oder verlangst du‘s leicht paarweis für Zeit und Weil‘?!«
»Purr! Hast du ein Maul! Kann mich aber von dir nix beleidigen. Ich weiß ja, geg‘n eine, die bei mehr Mannleuten Anwert find‘t, da red‘t der Neid aus euch, bei denen sich der eine einzige für‘s Leben ewig nit einstell‘n will! Überhaupt versteh‘ ich nit, wie du da so aufbegehr‘n magst! Dir kann ja recht sein, wenn ich mich mit‘m Muckerl entzwei, vielleicht wirst du dann eins mit ihm.«
»Laß‘ dir sagen,« schrie zornrot Sepherl, »laß‘ dir sagen, du bist‘n gar nit wert, du grauslich‘s Ding, du! Und daß d‘ es weißt, mit dir geh‘ ich auch gar nimmer.« Sie lief etliche Schritte voraus.
»Geh‘ zum Teuxel, wann d‘ willst! Wer bist denn du, daß ich mir a Gnad‘ aus deiner Freundschaft machen müßt‘?!« Schweigend rannten die beiden auf der Straße dahin, eine voran, die andere hinterher.
Helene biß sich auf die Lippen. Nach einer Weile rief sie: »Du, Sepherl!«
»Was gibt‘s?« fragte die Angerufene, ohne stehenzubleiben oder den Kopf zu wenden.
»Du wirst doch von dem heutigen nix weiter verlauten lassen? Gelt nein?«
»Wenn ich nit darnach g‘fragt werd‘, nit!« lautete die trockene Antwort.
Sepherl wurde aber gar bald darnach gefragt, die Entfremdung zwischen ihr und Helenen fiel zuerst der alten Matzner Resl auf, und diese machte das in Erfahrung gebrachte der Kleebinderin zu wissen, welche den Muckerl davon in Kenntnis setzte und am Schlüsse einer sehr eindringlichen Rede fragte: ob er nach allem, was er sich schon habe gefallen lassen, sich auch das noch gefallen lassen wolle. Muckerl erklärte mit aller Entschiedenheit, die ihm zu Gebote stand, daß er das nicht gesonnen sei und die Dirne rechtschaffen zur Rede stellen werde. Er machte sich auch denselben Abend noch auf den Weg nach dem toten Walde; doch als er des Gehölzes ansichtig wurde, stand er von dem Gedanken ab, es zu betreten. Scheute er ein Zusammentreffen mit dem Burschen, oder fürchtete er, bei einer Überraschung vielleicht mehr zu sehen, als ihm lieb sein möchte? Darüber gab er sich keine Rechenschaft, meinte nur, daß er es eigentlich ja doch nur mit der Dirne allein zu tun habe, und setzte sich unweit des Tanns auf einen Geröllhaufen, um die Heimkehrende zu erwarten; als er sie endlich herankommen sah, erhob er sich und ging ihr entgegen. Als er vor ihr stehenblieb, tat sie noch einen Schritt auf ihn zu und stand so hart an ihm, daß er hätte aufblicken müssen, um ihr in die Augen zu sehen, aber er hob den Kopf nicht und sagte leise:
»Ich hätt‘ mit dir z‘reden.«
»So red‘!«
»Ich weiß, wo du herkommst.«
»Das is kein‘ Kunst, es weiß jeder, woher der Weg führt.«
»Ich mein‘, von wem du herkommst, mit wem du warst, weiß ich.«
»Nun?«
»Mit‘m Sternsteinhoferbub‘n treibst d‘ dich da herum.«
»Was weiter?«
»Das brauch‘ ich mir nit g‘fallen z‘lassen!«
»Wann d‘ dich überhaupt d‘rum z‘bekümmern hätt‘st, freilich nit!«
»Was sagst du?« fragte, durch die kurzen Reden der Dirne erregt, der kleine Bursche mit erhobener Stimme. »Was sagst du? Ich hätt‘ mich da d‘rum nit zu bekümmern? Ich mich nit? Mußt ich nit dasteh‘n, wie aus‘n Wolken g‘fall‘n, wie d‘Mutter davon z‘reden ang‘hob‘n hat?!«
»So, dein‘ Mutter hetzt dich also geg‘n mich auf? Gut, daß ich‘s weiß.«
»Sag‘ du nur nix geg‘n mein‘ Mutter, damit kommst du nit auf; mein‘ Mutter is ein Ehrenweib —«
»Mag sie zehnmal ein Ehrenweib sein,« schrie jetzt Helene, »deßtwegen bin doch ich auch noch keine schlechte Dirn‘! Kein einzig‘s find‘ mer auf im ganzen Ort, das mir a Schlechtigkeit nachsagen kann!«
»So? Und zeigt das von einer Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit und Bravheit, wenn du mit ein‘m andern gehst?«
»Wann ich ging – ich sag wann – so ging ich allweil nur mit ein‘m, von ein‘ andern weiß ich nix!«
»Von ein‘ andern weißt nix? Wer war‘ denn nachher ich, wenn ich nit der eine bin, mit dem d‘ zu geh‘n hast?«
»Mit dem ich zu geh‘n hab‘? No hörst, Muckerl, jetzt seh‘ ich wohl, du willst eifern, und dazu hast du noch gar kein Recht.«
»Bin ich nit dein Schatz?«
»Warst‘s vielleicht, kannst‘s noch sein, oder bist‘s gar niemals g‘wesen. Schatz nennt auch der Fuhrmann d‘Kellnerin vom Wirtshaus, wo er alle heilige Zeit einmal einkehrt. Das Wörtl Schatz wird viel beredt, aber sagt nix.«
»Und du red‘st jetzt auch nur, weil d‘ nix z‘sagen weißt! Ich hab‘s vom Anfang nit anders g‘meint, als daß du mein Weib werden sollt‘st, und ich dürft‘ nach dein‘m Bezeig‘n wohl auch voraussetzen, daß du dazu ‚n Willen hast; und daß du mein Bewerben gar nit oder anders verstanden hätt‘st, das glaub‘ ich nit, denn vor der Zeit, wo s‘ n‘ ersten Schuh selber an d‘Füß bringt, is jede Dirn so g‘scheit, daß sie sich in denen Sachen auskennt; und wann du meinst, es könnt‘ dir kein einzig‘s im ganzen Ort a Schlechtigkeit nachweisen, so irrst dich! Ein‘m einzigen fragt freilich ‚s ganze Ort wenig nach, und wie d‘Sach‘ zwischen uns zwei‘n steht, so bringt‘s dich just auch nit in‘s G‘schrei; schlecht handelst aber trotzdem gegen mich, wann du mir hinter‘m Rücken mein‘ ehrlich‘ Meinung so übel vergiltst!«
»Tu‘ jetzt dein Maul zu und d‘Ohren auf, damit ich dir beibring, wie wir eigentlich zueinand‘ stehen. Davon, daß ich dein Weib werden sollt‘, war zwischen uns, wann d‘ dich recht b‘sinnen willst, niemal die Red‘! Präsent‘ hast mir g‘macht, eing‘laden hast mich zu euch h‘nüber, das war alles! Das hast du freiwillig; ich hab dir nix nit abgebettelt und mich euch auch nit aufdrängt. Daß ich ‚s g‘schenkte G‘wand nit z‘ruckg‘wiesen und af gute Bissen an eurem Tisch kein Spott g‘legt hab‘, das kann mir auch nur verübeln, wer mich nit bloß und hungrig hat herumrennen g‘seh‘n. Da d‘raufhin könnt‘ ich mich aber doch nit unfreundlich geg‘n dich bezeigen? Kein Hund knurrt die Hand an, die‘n streichelt und füttert. Ich könnt‘ mir wohl denken, daß dir nit alleinig d‘rum sein würd‘, an mir ein gut‘ Werk z‘tun, aber ich braucht‘s auch nicht anders aufz ‚nehmen, denn bis af‘n heutigen Tag hast du mich ung‘fragt neben dir herlaufen lassen. Reut dich jetzt dein Wegg‘schenkt‘s, so schick‘ ich dir z‘ruck, was ich davon noch im B‘sitz hab‘, aber das Recht räum‘ ich dir nit ein, mit mir z‘eifern und mich z‘Red z‘stellen! So steht die Sach‘ zwischen uns zwei, und damit hab‘n wir ausg‘redt!«
Muckerl begann sich hinter dem Ohr zu krauen. »Mein G‘schenkt‘s nimm ich nimmer z‘ruck,« stotterte er, »und was ‚es Fragen anlangt, so hab‘ ich‘s nur unterlassen, weil ich g‘meint hab‘, es verstund‘ sich doch alles von selber. Wann d‘ aber g‘fragt sein willst, so könnt‘ ich dös doch gleich hitzt an der Stell‘.«
»Nach dem, was d‘ heut‘ schon all‘s g‘redt hast, verlang‘ ich mir nix mehr von dir z‘hören. Wann überhaupt, so dürft‘s a ziemliche Weil‘ dauern, bis ich dir das Gered‘te vergiß!«
»Aber schau‘, Helen‘, – wann ‚s noch bös g‘meint g‘west war‘! – Aber, geh‘ zu – du wirst doch nit so sein?«
»Eingedenk deiner Gutheit geg‘n mich, will ich dir was sag‘n. Wann dir anständig is, mit mir zu verkehren wie bisher und anders nit, wie ich dir vorhin ausdeut‘ hab‘, so will ich‘s weiter mit dir versuchen und dir dein dumm‘ Aufbegehren verzeih‘n.«
»Da d‘rauf gib mir d‘Hand!«
»Da hast‘s.«
»Gelt ja, es gilt aber auch dafür, daß d‘ ‚s mit kein‘ andern halt‘st?«
Sie zog die Hand zurück, »‘s kann dir wohl g‘nügen, wenn ich sag‘, daß ich‘s mit kein‘m and‘rerweis halt‘, wie mit dir!«
»No zürn‘ dich nit! ‚s machet mich völlig unglücklich, wann ich dich bös‘ af mich wüßt‘. Werd‘ mir nur bald wieder ganz gut, daß ich dir abfragen mag, was ich gern höret.«
»Vor all‘m lass‘ nur du dich nit wieder aufhetzen und wär‘s auch von ein‘m Ehr‘nweib, wie dein‘ Mutter is! Wann der Sau ‚s Ohr fehlt, faßt‘s kein Hund d‘ran, und wann a G‘red kein‘ Grund hat, so sucht mer ihm vergebens ein‘ Anhalt.«
Muckerl begann nun, seine Mutter zu entschuldigen. Sie hätte, nur aus Sorg‘ um ihn, verlogenen Bescheid für wahr genommen; es also im Grunde niemandem übel gemeint, auch nicht der Helen‘, die sie ja bislang, eh‘ sie durch das unb‘schaffene Gered‘ irr‘ gemacht wurde, alles Gute gegönnt habe und wieder gönnen werde, nachdem sich jetzt all‘ das Nachgesagte als falsch herausgestellt. Doch, über das hartnäckige Schweigen und die trotzigen Gesichter der Dirne sich mehr und mehr ereifernd, gelangte er mählich dahin, seiner Mutter immer weniger Dank für ihre Sorge zu wissen, schließlich es ganz ungerechtfertigt zu finden, daß sie sich überhaupt da eingemengt habe, und als er sich von der Dirne bei deren Hütte verabschiedete, war er der alten Frau ernstlich böse geworden.
Die Kleebinderin hatte alle Mühe, dem verdrossenen Burschen das Vorgefallene abzufragen, dann schlug sie darüber im Geiste die Hände über den Kopf zusammen. Sie beschloß, Helene nun öfter in‘s Haus zu laden und jed‘mal, so lange es anginge, daselbst zu verhalten; für die rauhe Jahrzeit sollte Muckerl an Kleidern nicht mehr schenken, als notwendig, sich aus der Türe zu wagen, damit die Dirne, auch ungeladen, den warmen Ofen aufsuchen käme und sich gewöhne, in der Stube zu sitzen, und schon mit dem nächsten Fasching sollte dann alles zu gutem Ende gebracht und Hochzeit sein. Ein verheiratet‘ Weib hat weniger Anfechtung und mehr Furcht vor üblem Ruf; welch‘s sich nit dazu verstünd‘, Ungebühr dem Haus fernz‘halten und derselb‘n außerhalb auszuweichen, das müßt‘ schon gar ein schlecht‘s Geschöpf sein – und für ein solches mochte die Kleebinderin ihre künftige, wenn auch unwillkommene Schwiegertochter doch nicht halten.
8. Kapitel
Der himmlische Patron der Kirche zu Zwischenbühel, Sankt Coloman, ist ein »später Heiliger«, sein Tag fällt auf den dreizehnten Oktober. Da sich aber das Wetter in der ersten Hälfte dieses Monats meist leidlich anließ, so daß die Tanzlustigen sich im Freien, auf der Wiese hinter dem Gasthausgarten herumtreiben konnten, wo eine große Scheuer zum Tanzboden umgestaltet war, so fand der Zwischenbüh‘ler Wirt für die Gäste, die unter Dach bleiben wollten, sein Auslangen mit zwei Stuben, der gewöhnlichen Gaststube und seiner Wohnstube, die er für diesen Tag ausräumte; letztere nahm der Sternsteinhofbauer in Beschlag, der sich jede Kirchweih vor den »Unteren« sehen lassen wollte, als einer, dem nichts zu gut und nichts zu teuer; ihm gesellte sich eine Schar »großer Bauern« von fern und nah, die ihn alle in seinem Hochmute unterstützten, wenn auch keiner unternahm, es ihm gleich zu tun.
Einige unter ihnen hielten aber nicht nur dieses Unterfangen für zu ungeheuerlich, sondern verzichteten überhaupt darauf, auch nur in bescheidener Weise neben dem Sternsteinhofbauer glänzen zu wollen, fanden es ungleich angenehmer und nutzbringender, sich von ihm zechfrei halten zu lassen und nur, wie es Gästen eines solchen Wirtes zukam, dafür zu sorgen, daß »gehörig was d‘raufginge«.
Darunter war einer, dessen Bescheidenheit fast der Tugend der Selbstverleugnung gleichkam, wenn man bedachte, daß gerade er es vermocht hätte, so tief in den Sack zu langen wie der Sternsteinhofer und so wenig wie der befürchten mußte, die Finger leer herauszuziehen. Es war das ein langer, dürrer Mensch mit eingesunkener Brust, hohlen Wangen und tiefliegenden, unter buschigen Brauen hervorblitzenden, dunklen Augen, zwischen denen scharf eine Hakennase vorragte, die Lippen hielt er zusammengekniffen; wenn er sie öffnete und sprach, so sah es aus, als ob er seine Rede vorab auf ihren Geschmack prüfe. Das Feiertagsgewand, das er trug, sah unsauber aus. Er hieß der Käsbiermartel, Martin war nämlich sein Taufname, und die andere Bezeichnung verdankte er der gewiß löblichen, ökonomischen Eigenheit, mit einem Glase Bier und einem Stück Käse vor sich, bei stundenlangen Zechgelagen auszuharren; für diesmal aber, wo es galt, dem, was der Sternsteinhofer »auftragen und vorfahren« ließ, alle Ehre anzutun, kam er seiner Gastpflicht in solchem Maße nach, daß öftere Male am Tische die zarte Äußerung laut wurde: »Ja, Käsbiermartel, wo frißt und saufst denn du nur all‘s das hin?« Daraufhin blickte er von seinem Teller auf, mit arbeitenden Backen und dem überlegenen Lächeln eines Mannes, dem es gelungen, plötzlich einen schönen, bisher unbeachtet gebliebenen Zug seines Charakters zu enthüllen.
Der Käsbiermartel war nicht ohne Begleitung von Schwenkdorf, wo er hauste, auf den Zwischenbüheler Kirchtag herübergefahren, er hatte sein einziges Kind, die etwa zwanzigjährige Sali mitgebracht, welche nun mit dem Toni vom Sternsteinhof draußen im Wirtshausgarten saß.
Die Dirne war hochaufgeschossen, so daß sie trotz einer gewissen Fülle etwas derbknochig aussah. Die schwarzbraunen, dickhaarigen Scheitel, die starken, geschwungenen Brauen und die gebogene Nase, – glücklicherweise nur ein schwaches Abbild der väterlichen, – verliehen ihrem länglichen Gesichte den Ausdruck der Willensstärke, der aber durch die fast schüchternen Blicke ihrer dunklen, in einem unbestimmten bläulichen Glänze schwimmenden Augen wieder wettgemacht wurde. Rosalie schien nicht gewohnt, sich unter fröhlichen Menschen zu bewegen, sie sah deren lärmend lustigem Treiben zugleich verschüchtert und neugierig zu; sie schien nicht zu wissen, was sie als reiche Bauerstochter für Respekt von Seite ihres Tänzers beanspruchen konnte, auch nicht, was die ärmste Dirne in solchem Falle für Aufmerksamkeiten fordern würde; schweigend saß sie an der Seite des wortkargen Burschen, und wenn er sie an der Hand aufzog und sagte: »Springen wir auch ‚mal herum,« oder ihr Glas füllte und ihren Teller mit Backwerk häufte, so dankte sie ihm mehr mit Blicken als mit Worten. Sie dachte wohl, es sei echt männisch, sich wenig mit einem Weibe abzugeben.
Den Toni vom Sternsteinhof nahm es zwar Wunder, daß Käsbiermartels Sali es nicht rügte, wie mürrisch und verdrossen er neben ihr sitze, aber er war es in die Haut hinein zufrieden; er sorgte nur, seiner Verstimmung so weit Herr zu bleiben, daß niemand dem Grund derselben auf die Spur zu kommen vermöge. Er bemühte sich, die gleichgültigste Miene von der Welt beizubehalten, während er Helene nicht aus den Augen ließ, wenn sie plaudernd mit dem Holzschnitzer über den Rasen dahinschritt oder beim Tanze in den Armen des unbeholfenen Knirpses sich »gering« machte, damit der sie herumschwenken oder in die Höh‘ lüpfen konnte; verlor sie sich aber ganz in dem Gewühle, so daß sie nicht mehr zu sehen war, dann befiel den Toni eine Unruhe, er machte einen langen Hals, rückte auf dem Sitze hin und her, erhob sich wohl auch ein und ein anderes Mal.
Eben begann wieder der Baß zu schnurren, die Trompete zu schmettern und die Klarinette zu gellen, die Paare traten zum Tanzen an; der Kleebinder Muckerl hatte diesmal die Matzner Sepherl aufgezogen. Helene kam langsam über die Wiese dahergeschritten bis an den Zaun, der diese von dem Garten schied, sie warf einen Blick herüber, dann kehrte sie sich ab, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Gatter und stützte den vollen Arm auf einen Pfahl. Sie hielt das Gesicht dem Tanzboden zugewendet. Toni erhob sich, er winkte der Dirne an seiner Seite mit der Hand zu und sagte: »Bleib‘ nur, ich will bloß ein klein‘s wengerl schau‘n.« Er ging auf den Zaun zu und blieb zwei Schritte hinter Helenens Rücken stehen. »Leni,« rief er halblaut.
Durch eine kaum merkliche Bewegung des Kopfes zeigte die Dirne, daß sie nach ihm hinhorche.
»Ich bitt‘ dich,« fuhr er fort, »schau‘ dir nur die schmerzhafte Muttergottes an, die ‚s mir da an d‘Seiten g‘setzt haben.«
Die Dirne griff spielend die Schürze auf und führte sie gegen das Gesicht, darunter die hohle Hand zu bergen, die sie vor den Mund legte. »Das is gut für‘n Unterschied,« flüsterte sie.
»Wenn man ihr dein Halbmandel quer über‘n Schoß leget, war ‚s Karfreitagbild fertig; zun bußfertigen Gedanken-Erwecken taugen die zwei.«
Helene kicherte unter der Schürze.
»Noch eins, Leni. Komm‘ morgen!«
»Werd‘ nit können.«
»Es is um nix G‘ring‘s.«
»Werd‘ halt schau‘n.«
»B‘hüt dich Gott.«
Die Dirne neigte den Kopf, während der Bursche sich entfernte, und ging dann so bedächtig, wie sie gekommen, nach dem Tanzboden zurück.
Als der Toni an den Tisch trat, sah er zwei Gestalten, eine dicke und eine dünne, seinen Vater und den Käsbiermartel, in dem Hausflur erscheinen und sich nach dem Garten wenden, rasch bot er der Sali die Hand. »Springen wir wieder ‚mal mit herum,« rief er und zog das Mädchen hastig mit sich fort; als die Alten am unteren Ende des Gartens eintraten, eilten die Jungen just zu seinem oberen hinaus.
Der Käsbiermartel zeigte mit seinem knöchernen Arm nach dem Paare. »Schau, wie schön sauber sie mit ihm Schritt halt‘t,« schmunzelte er. »Ich sag‘ dir, sie mag ihn leiden.« »Wundert mich nit, is auch ein sauberer Bub‘,« sagte der Sternsteinhof-Bauer.
»No, so uneben is die Dirn‘ just auch nit, daß‘s ihm z‘wider sein müßt‘!« »Bewahr‘.«
»Also geb‘n wir s‘ einmal z‘samm, wie wir‘s schon seit langem übereins worden sein!«
»‘s hat ja noch Zeit.«
»‘s hat Zeit! ‚s hat Zeit! Bei dir hat‘s Zeit! Die Dirn is mannbar, sag‘ ich dir, warum sollt‘ s‘ d‘schönst‘ Zeit verpassen und überständig wer‘n, wie wann s‘ ein arm‘s Waiserl war‘, das nix mit in‘s Haus brächt‘ wie ‚n g‘flickten Kittel, den s‘ am Leib tragt?!«
»Ich weiß ja, wa s‘ mitkriegt, ‚s is wohl schon a Weil‘ her, daß d‘ mir ‚s g‘sagt hast, aber ich hab‘s noch nit vergessen.«
»Is ja recht, wann dir‘s g‘merkt hast. Was ich biet‘, das biet‘ ich, und da d‘rauf kannst mich an der Stell‘ beim Wort nehmen; halt‘ aber du nur mit dem dein‘ nit ewig lang z‘ruck. Bei gar z‘viel Zeit zum Umschau‘n fand‘ sich am End‘ doch was anders!«
»Das furcht‘ ich nit. Ich kenn‘ dich z‘gut. Du bist af dein‘ Vorteil. Du neid‘st ‚m Gulden seine hundert Kreuzer. Von all‘n, die d‘ mir gleichstelle kannst, hab‘n die ein‘n nur Dirndeln, die andern zwei oder mehr Bub‘n, unter die ‚s Ganze einmal aufgeteilt wird. Stimmt mein‘ Rechnung?«
»Freilich stimmt s‘! Freilich stimmt s‘! Aber schau, könnt‘ sich leicht a bessere G‘legenheit schicken, wie ‚s nächste Frühjahr, wo s‘ dein‘ Sohn zur Abstellung einberufen werd‘n, daß mer‘n gleichzeit von Soldaten frei und zum Bauern macheten?! Daß ich ‚n von Militari losbring‘, das lass‘ mir über, ich weiß mehr als ein‘ Weg dazu, du brauchst nur d‘Kosten af dich z‘nehmen.«
»Das weiß ich, daß du s‘ nit tragen wirst, und du weißt, daß ich einer bin, wo ‚s kein Haus kost‘t, dem ‚s af kein‘ Hütten ankommt! Aber dös is unbillig, daß ich mein‘ Hof mein‘m schweren Geld nachwerfen sollt‘, um mir ein‘ Herrn z‘setzen.«
»No ja, du bist halt unbegnügsam, du hast dir noch allweil nit g‘nug herrisch getan af der Welt! Wann ich ein Bub‘n hätt‘, ich säß‘ schon lang in der Ruh‘.« »Du hast aber kein‘, und wann du dein‘ Dirn‘ aus‘m Haus gibst, bist du nur noch freierer Herr d‘rauf! Dös is ein ungleicher Handel zwischen uns, und der verlangt sein Besinnen, und Besinnen, daß ‚s ein‘ nit reut, braucht sein Zeit; darum laß‘ ich mich nit drängen. Nun is g‘nug da davon g‘red‘t, schau‘n wir lieber ein bissei tanzen zu.«
»Gut, gut, schau‘n wir zu. – Aber ‚s Drängens wegen is ‚s mir nit g‘west, daß d‘ glaubst. Ich wollt dich nit drängen.«
»Das würd‘ dir auch viel helfen, ausg‘hungerter Z‘sammscharrer,« murrte der Sternsteinhofbauer, indem er vorauf aus dem Garten schritt.
»Dich spann‘ ich doch noch in‘ Karren, ang‘fressener Geldvertuer,« brummte der Käsbiermartel, hinten nachtrabend.
Als am nächsten Nachmittage Helene dem toten Walde zuschritt, trieben schwere graue Wolken vor einem kalten Winde einher. Es begann zu »gräupeln«. In einem Augenblicke schien aller Raum zwischen Himmel und Erde allein von den durcheinanderfegenden und wirbelnden, weißen Kügelchen erfüllt; das währte einige Minuten, dann wurde ebenso plötzlich die Luft wieder hell, eine mürbe, flaumige Decke über dem Wege dämpfte selbst den Hall der Tritte, und die Stille, die rings geherrscht hatte, dünkte dem Gehör nun lautloser wie zuvor.
Das Mädchen zog erschauernd das Tuch an sich. Auf der kurzen Strecke, die es noch bis an‘s Ziel zurückzulegen hatte, kam ihm der Bursche entgegen.
Er bot zum Gruße die Hand. »Im Wald hat ‚s mich nit länger gelitten,« sagte er, »ich mußt‘ doch schauen, ob du bei dem argen Wetter käm‘st. Ich dank‘ dir, daß d‘ dich nit hast abhalten lassen. Es is zu unfreundlich, als daß ich dich lang da verhalten möcht‘; ich werd‘s kurz machen. D‘ schlimme Jahrzeit is vor der Tür, und bald werden mer heraußen im Freien uns nimmer zusamm‘finden können; daß wir aber ‚n ganzen langen Winter über uns nur von fern und wie fremd begegnen sollten, ohne ein vertraulich Beinand‘sein, dazu kann ich mich nit verstehen, und das kannst auch du nit verlangen.«
Helene sah vor sich hin auf den Boden, sie hob die Schultern.
»Was is da zu machen?« sagte sie leise.
»Das werd‘ ich dir sagen. Dein‘ Mutter soll ein g‘scheit‘ Weib sein, das ein Einsehen hat; nit wie andere, die sich, alt, nimmer erinnern mögen, daß sie selber auch einmal jung g‘west wären und nun ‚n Verliebten kein‘ frohe Stund‘ gönnen und denselben alles für Sund und Schand aufrechnen! Mein Vader, der halt‘t wieder ‚s Ganz‘ für a Dummheit, und vor ihm muß ich wohl unser Sach‘ g‘heimhalten, bis ich ihm einmal a nachgiebige Stund‘ ab lauer‘; denn kam er früher dahinter, so möcht uns das leicht ‚s ganze Spiel verderben, aber vor deiner Mutter hab‘ ich mich bei mein‘m ehrlichen Absehen nit z‘scheuen; der könnt‘st wohl all‘s Unsere anvertrauen, und was kann s‘ nachher viel dagegen haben, wann ich von Zeit zu Zeit bei euch einsprech‘? Da sein wir weit sicherer wie unter freiem Himmel. In euerer Hütten sucht mich gewiß neamand.«
»Geh‘, was du ein‘m zumut‘st,« schmollte die Dirne. »Da müßt‘ ich mich ja frei z‘Tod‘ schämen, wann ich ihr das beichten sollt‘! Was würd‘ sie sich denn denken von mir, wo ich s‘ bisher hab‘ glauben g‘macht, mir vermöcht‘s keiner anzutun und ich ließ ‚n Kleebinder Muckerl nur aus Gnaden neben mir herlaufen?«
»Was sie sich denken würd‘? Daß du hinter ein‘m Unlieben sein‘m Rücken ein‘m Liebern nachtracht‘st, wie sie vielleicht selber einmal getan hat, das würd‘ sie sich denken. Dann müßt‘ ja auch dein‘ Mutter kein‘ Kopf für ihr‘n Vorteil und kein Herz für dich haben, wann‘s dich nit lieber, wie da herunten als Herrgottlmachers-Weib, ob‘n af‘m Sternsteinhof als Bäuerin sitzen sähet!«
»Mein lieber Toni, da hat‘s wohl noch ein Weil‘ hin!«
»Wir dürf‘n uns d‘Weil‘ nit lang werden lassen, eben d‘rum müssen wir uns öfter sehen und reden können, da d‘rüber vergeht die Zeit und schickt sich G‘legenheit und fördert mit einmal, eh‘ wir‘s denken und ohne Zutun, ‚n rechten Ausgang.«
»Ohne Zutun? Das mein‘ ich wohl nit.«
»Und ich auch nit so, daß ich all‘s ‚m leidigen Zufall überließ. Gab‘ doch der Herrgott sein‘ Seg‘n ‚n Feldern umsonst, wann der Bauer kein‘ Saat streuen möcht‘. Jed‘s von uns muß sein Teil dazutun, das versteht sich, wie d‘Reih‘ an mich kommt, bin ich gleich dabei; jetzt ist‘s an dir, red‘ mit deiner Mutter, sonst bleibt uns kein Rat.«
»Ich werd‘ reden. Wann kommst?«
»Übermorgen, wann ‚s schon schön finster sein wird.«
»Is recht.« Sie reichte ihm die Hand zum Abschiede.
Er hielt sie an derselben zurück. »Gelt, aber dein‘ Mutter wird da wohl schon über‘s erste Verwundern h‘naus sein, daß s‘ kein Aufhebens und kein Getue macht, wann ich komm‘?«
»Mein‘ Mutter wundert sich überhaupt nit bald über ‚was.«
»Weil s‘ halt a g‘scheit‘ Weib is.«
»O ja, in Sachen, wozu d‘ kein Verstand brauchst.«
»Ei, du mein,« seufzte besorgt der Bursche, »mir scheint gar, ihr habt euch zertragen.«
»‘s kommt öfter vor; aber sorg‘ nit, tu‘ ich auch selten, wie sie will, so tut sie doch meist, wie ich will. Komm nun. Husch! Wie‘s aber kalt is, ich mach‘, daß ich heimfind. B‘hüt‘ dich, Toni.«
Sie lief von dem Burschen weg, und der blickte ihr sich in den Hüften wiegend nach, so lange er noch einen Zipfel ihres Gewandes im Winde flattern sah.
In der letzten Hütte war das Licht erloschen. Die alte Zinshofer lag des Schlafes gewärtig, da trippelte Helene an deren Bett heran und setzte sich an den Rand desselben zu Füßen der Mutter.
»Ich hätt‘ dir was zu sagen.«
»Muß das heut‘ noch sein?« murrte die Alte.
»Weil ich just d‘Kurasch‘ dazu hab‘, möcht‘ ich‘s nit aufschieb‘n.«
»Muß was Saubers sein, was d‘ z‘sagen a Kurasch brauchst!«
»Wirst‘s ja hör‘n.«
»No, so mach‘ schnell; brich mir nit vom Schlaf ab mit deine Dummheiten.«
»Übermorgen, wenn‘s finstert, werd‘n wir ein‘ Besuch krieg‘n.«
»Was für‘n?«
»‘n Toni vom Sternsteinhof.«
»‘n Toni vom Sternsteinhof? Was will uns der?«
Die Dirne kicherte verlegen und spielte an der Bettdecke. »Wie d‘ fragen magst!« flüsterte sie. »Gern hat er mich halt.«
»So, das is freilich ‚s Neu‘ste! Wann d‘ aber glaubst, ich würd‘ da ruhig zuschau‘n und mich etwa gar nit getrau‘n, dem Bub‘n d‘Tür z‘weisen, weil er der Sohn vom Sternsteinhofbauer is, und mich da so wenig einmengen, wie ich mich wegen ‚m Kleebinder Muckerl eing‘mengt habe, da dürft‘st dich doch irren! Zu was denn eigentlich, du dumm‘s Ding, gesteh‘st mir dös ein? Um mein‘ Rat is dir doch nit, dem hast nie nachg‘fragt, hast allweil g‘tan, wie d‘ woll‘n hast, und könnt‘st‘s hitzt auch, wann dir just an so einer Liebschaft für‘s gache Glück g‘leg‘n is, nur verlauten darf nix davon; aber unter mein‘ Augen laß‘ ich dich nit die Henn‘ mit zwei Hahnen spiel‘n, daß d‘ nachher, wann d‘ allein af‘m Mist bleibst, leicht mir vor‘n Leuten d‘Schuld gäb‘st? Ah, nein!«
»Ich denk‘, ich war da doch g‘scheiter, als mich d‘Mutter halt‘t. Du dankst Gott, wann ich dich af dem Mist, worauf ich z‘sitzen komm‘, auch dein Körndel scharren laß‘! Will er mich, so kann er mich nur als Bäurin af‘m Sternsteinhof hab‘n, und das will er.«
»Du Narr, du, af so Reden gibst du was?«
»Da is nit von Reden d‘Red‘, das hab‘ ich schriftlich.«
»Schriftlich?!« Die Alte erhob sich mit einem Ruck und setzte sich im Bette auf. »Schriftlich sag‘st? Jesus, nein! Das mußt mir vorweisen, wann ich dir glauben soll! Mach‘ nur gleich Licht!«
Der Docht flammte auf. Beide Weiber saßen aneinandergeschmiegt an dem Tische, der knöcherne Arm der Alten ruhte auf der Schulter der Jungen, so buchstabierten sie zusammen das Schriftstück. Dann mußte die Dirne erzählen, wie sie mit dem Burschen bekannt geworden.
Die Zinshofer schlug öfter vor Erstaunen in die Hände. »Nein, nein, bist du aber eine G‘finkelte,« rief sie, »das hätt‘ ich gar niemal in dir vermut‘t!«
Nun unterrichtete Helene ihre Mutter von den Verabredungen, die getroffen waren, um vor Toni‘s Vater die Sache bis zur »schicksamen G‘legenheit« geheimzuhalten, und forderte zur Vorsicht auf.
»Eh‘ beiß‘ ich mir lieber die Zung‘ ab, eh‘ ich ein unbedacht‘ Wort sag‘; da d‘rauf könnt ihr euch verlassen,« beteuerte die Alte. »Kannst dich überhaupt in all‘m und jed‘n af mich verlassen; bist ja mein brav‘s, g‘scheit‘s Kind!« Sie tätschelte zärtlich den vollen Nacken der Dirne, dann fuhr sie fort: »Ich muß nur lachen, wann ich mir vorstell‘, was sein‘zeit wohl die Kleebinderischen für G‘sichter dazu machen werden! Wir war‘n uns nie Freund, und ich vergönn‘s ihnen, daß s‘ nachher voll Gift und Neid ‚m aus‘kommenen Vogel da hinauf nachschau‘n können, wo er z‘Nest sitzt, af‘m Sternsteinhof.«
Und nun begannen beide eifrig zu schwätzen, zählten die Annehmlichkeiten des »Nestes« auf, planten, wie sie sich‘s in selbem wollten behagen lassen, und wurden es nicht müde bis gegen Morgengrauen; da sank das Kerzenstümpfchen verlöschend in den Leuchter, und sie saßen im fahlen Zwielichte.