Kitabı oku: «Der Sternsteinhof», sayfa 7
Indes waren die Zwischenbüheler und die Schwenkdorfer aneinander geraten; aber bald schämten sie sich, daß sie wie die Bestien des Waldes sich mit den Zähnen und Klauen, Pranken und Hufen anfallen sollten, das Gefühl menschlicher Würde erwachte und rüttelte auch die Erfindungsgabe auf; Schwache, die auf eine Ausgleichung der Kräfte bedacht waren, Starke, deren Arme an den zurückweichenden Feigling nimmer zu reichen vermochten, begannen Stuhlbeine auszudrehen und nach beweglichen Gegenständen zu suchen, die, nach festen Zielpunkten geschleudert, sich oft sehr nützlich erwiesen. Nicht lange, so arbeitete man nur mit künstlich verlängerten Armen und mit Wirkungen in die Ferne.
Dumpfes Gestampfe und Geschiebe, einzelne Flüche und Aufschreie begleiteten den Vorgang, die Bursche vermieden alles überflüssige Getobe und Gelärme und führten den Kampf mit einer Art von Verbissenheit. Die eine wie die andere Partei sah zwei Fälle für möglich an, die Verwirklichung des einen galt es anzustreben, die des andern zu verhindern, aber das hielt jede für ausgemacht, zum Schlusse mußten die Zwischenbüheler das Haus behaupten und die Schwenkdorfer draußen liegen oder umgekehrt; doch daran dachte keine von beiden, daß es noch ein Drittes gäbe, das unversehens eintreten könne, und dieses Ungeahnte ward mittelbar durch zwei Bursche herbeigeführt, die bewegliche Gründe hatten, sich aus dem Schlachtgewühl zurückzuziehen.
Der eine war der überlange Zwischenbüheler, dem ein äußerst unangenehmes Schmerzgefühl die noch unangenehmere Vermutung entdeckte, man habe ihm linksseits alle Rippen eingeschlagen. Er lehnte bleich und schwitzend an der Mauer, jammerte und flennte wie ein Kind, was ihn aber nicht hinderte, sobald sich ihm in dem allgemeinen Gebalge der Rücken eines Schwenkdorfers nahe schob, unter Tränen auf denselben loszudreschen, daß der Betroffene schreiend sich wegwand, dabei unterbrach er für keinen Augenblick seine Schmerzausbrüche und heulte ohne Aufhören in gellend hohen Tönen: »Ös Rauberg‘sindel! Ös Mörderbande! Was wird mein‘ Mutter dazu sag‘n? Ös Schinderknecht‘! …«
Der kindliche Zug – die Bedachtnahme auf seine Mutter – würde ihm alle Ehre gemacht haben, wenn man nicht gewußt hätte, daß er der armen Alten, die nah‘ auf einem Bauernhofe in harter Arbeit verkümmerte und verkrümmte, seit Jahren nicht nachfragte; es wäre vielleicht lohnend für Physiologen und Psycho-Physiker nachzuforschen, inwiefern wohl solch‘ ein plötzliches Wiedererwachen der Kindesliebe mit einer leichteren oder schwereren körperlichen Verletzung im Zusammenhange steht.
Während der Lange heulte, wütete ein kurzer, stämmiger Schwenkdorfer, dem man einen Krug allerdings sehr unpassend und unsanft auf das Nasenbein gesetzt hatte, Stube aus und Stube ein, brüllte die bindendsten Schwüre, daß er »alles zusamm‘hauen« werde und, wo er auf einen Gegenstand traf, der zu Splitter oder Scherben gemacht werden konnte, da erfüllte er auch als Christ seinen Eid.
Die Wirkung blieb nicht aus, mag man sie nun durch Hinweise auf den menschlichen Nachahmungstrieb, auf das Zusammenstimmen der Nervenstränge vieler mit denen eines einzelnen, welche den Grundton eines Überreizes angeben und festhalten, oder durch eine Kombination dieser beiden Annahmen zu ergründen versuchen, sicher ist, daß das, was sich nun ereignete, seit alther beobachtet wurde und zu den Sprichwörtern: »Böses Beispiel verdirbt gute Sitten«, »Ein Narr macht zehn« und ähnlichen Anlaß gab. Die Raufer, die sich bisher in Ausbrüchen des Schimpfes und Zornes, der Lust über anderer Leid und des Leides über anderer Lust so zurückhaltend bezeigt hatten, wurden infolge des langgezogenen Geheuls und des brüllenden Gefluches, unter dem Holzwerk zerkrachte und Geschirr zerbarst, immer aufgeregter und lauter, bis zuletzt das Haus dröhnte von wüstem, weithinhallendem Lärm. Der war zwar nicht darnach, die Toten zu erwecken, aber jene, die draußen im Wirtshausgarten in seliger Selbstvergessenheit lagen, rief er wieder in‘s Bewußtsein. Es waren ihrer fünf. Sie setzten sich auf, rieben sich die Augen und lauschten; ein Lächeln verklärte ihre Gesichter, und sie versuchten es, wenn sie auch etwas stier dazu sahen, einander verständnisinnige Blicke zuzuwerfen, plötzlich aber verfinsterten sich ihre Züge, es erfüllte sie mit bitterem Groll, sich von einer solchen Ergötzlichkeit ausgeschlossen zu finden.
Mit einem Ruck rafften sie sich vom Boden auf, brachen Zaunpfähle aus, schlugen mit einer Mistharke und einer Gartenhaue so lange gegen die Steine an der Kellertüre, bis ihnen die Stiele in den Händen blieben, und so bewehrt schritten sie in das Haus.
Ihr Eintritt in die Stube wurde gar nicht beachtet. Sie sprachen kein Wort, es schien ihnen das auch ganz überflüssig, in der Sache sahen sie ganz klar, wenn auch das sonst nicht der Fall war; hier wurde gerauft und ohne sie! Kein Gefühl für Landsmannschaft und Ortskindschaft bewegte ihr starres Herz. Sie holten mit ihren Knütteln so hoch und kräftig aus, daß ein wettsüchtiger Engländer keinen Penny für die härteste Schädeldecke riskiert haben würde, zum Glück aber versagten ihnen die Arme, und die Streiche fielen wuchtig auf Waden und Schienbeine hernieder, noch ein und ein anderes Mal wiederholten sie diese Bedrohung der Köpfe und Schädigung der Beine, dann war die Stube und das Haus leer.
Ein Blick auf die Angreifer hatte auch die Hartnäckigsten bekehrt, daß sie es mit Leuten zu tun hätten, die nicht mit sich reden ließen, und wer bei dem Versuch dazu den zweiten Streich abbekam, der hatte vollauf und nicht Lust, den dritten abzuwarten, und so waren denn alle, fluchend, ärgerlich lachend, und so eilig, als sich dies hüpfend und hinkend tun ließ, hinausgeflüchtet.
Die fünfe blickten sich unter ernstem Kopfnicken an, stützten sich auf ihre Tremmel und verschnauften. Als sie das Haus verließen, war, so weit sie vor und hinter sich sehen konnten, kein Mensch mehr um die Wege; sie schritten in einer Reihe und schweigend dahin, nur wenn zufällig einer an einen anderen taumelte, so wiegte der Angestoßene im Handgelenke den Knittel und fragte leise, aber eindringlich: »«Willst was, willst leicht was, du?« worauf ihn der Angeredete treuherzig beruhigte: »Nein, nix nöt, gar nix nöt.«
So gingen sie mit hallenden Tritten durch die stille Nacht, ernst und wortlos, wie Racheengel, die eine strenge, aber unabweisbare Pflicht erfüllt hatten.
Schon bevor die allgemeine Schlägerei losbrach, hatte sich der Toni vom Sternsteinhof mit Helenen entfernt. Er benützte den Augenblick, wo der Wirt vermitteln wollte, und schlüpfte mit der Dirne auf den Flur hinaus. Beide gingen dann durch den Garten und über die Wiese und gewannen den Fußsteig, der hinter dem Orte an den Planken und Umzäunungen der Gärten hinlief.
Während dieses Paar den Weg hoch über der Straße verfolgte, bewegte sich unten auf dieser ein anderes mühselig fort, das einen dritten buchstäblich auf den Händen trug.
Kaum hatte der Wirtshansl die Matzner Sepherl aus dem Fenster gehoben, so bat und beschwor ihn diese, den Kleebinder Muckerl nach Hause schaffen zu helfen. Der Bursche ließ sich dazu bereden; für die Person des Herrgottlmachers empfand er einiges Mitleid, und für seine eigene versprach er sich von dem Geschleppe eine »Hetz« und an Ort und Stelle Dank und Preis als Helfer, Befriedigung seiner Neugierde, wie sich die alte Kleebinderin dazu gehaben werde, vielleicht auch nasse Augen, denn Tränen über fremdes Mißgeschick stehen einem wohl an und werden stets von einem beruhigenden, tröstlichen Gefühle begleitet.
Sepherl und der Wirtshansl hoben den Muckerl von der Stelle, wo er zusammengebrochen war, auf, sie gaben sich die Hände, er mußte sich darauf setzen und seine Arme um die Nacken beider schlingen, und so trugen sie ihn fort.
Sepherl zürnte, schmähte und schalt während des ganzen langen Weges Helenens halber, indes der Wirtssohn aus Widerspruchsgeist diese zu entschuldigen und zu rechtfertigen versuchte, der Kleebinder Muckerl schüttelte gleichermaßen über Anklage und Verteidigung den Kopf.
Toni und Helene kamen von rückwärts an die Zinshofer‘sche Hütte heran.
»Nix, gar nix verschlägt‘s, sag‘ ich dir,« sprach eifrig der Bursche, »und was ich dir sag‘, das wirst du mir doch glauben? Gelt du?« Er hatte seinen Arm‘ um die Hüfte der Dirne gelegt, jetzt zog er sie an sich, daß sie stille stehen mußte, und suchte ihre Lippen mit den seinen. »Bist mein, wirst mein und bleibst mein! Verlaß‘ dich! Nur bis zun Hals h‘nauf hab‘ ich‘s schon g‘habt, die Heimlichtuerei, mich selb‘n hat‘s schon redscheu g‘macht und wann ich vor‘m Vadern damit hab‘ h‘rausrucken woll‘n, war mir, als könnt‘ ich an‘m ersten Wort erwürgen; das hat‘s jetzt Rat, auf‘s Heutige fahrt er schon morgen über mich los. Soll sich nur ausreden. Was will er denn machen? Offen hab‘ ich Farb‘ bekennt und ‚n Käsbiermartel hab‘ ich ihm verfeind‘t, das halt‘t! Ich kenn‘ die zwei Alten, is einer wie der andere dickkopfet; der Langnasete kann mir sein‘ Dirn‘ nimmer nachwerfen, er muß beleidigt tun, und mein Vader is‘ z‘stolz, sie ihm abz‘fordern, so bleibt s‘ vom Sternsteinhof weg und kommt ein‘ vieltausendmal Liebere und Schönere d‘rauf! Gelt?« – Er zog sie wieder an sich. – »Nur kein‘ Angst! Auf morg‘n hab‘ ich mich vorg‘seh‘n und stell‘ mein‘ Mann, wie ich‘n heut‘ g‘stellt hab‘. Bist nit schlecht d‘rüber erschrocken, was? Ja, hätt‘st mer‘s Streitigmachen nit nah‘ legen dürfen, wo du hätt‘st wissen können, daß ich dich ‚m Teufel streitig mach, wann‘s d‘rauf ankäm‘. Morgen laß‘ ich ‚n Sternsteinhofbauer austoben, und dann, schön fürsichtig, daß nix bricht, bieg‘ ich mir mein‘ Sach‘, wie mir taugt.«
Beide traten durch die rückwärtige Türe in die Hütte. Helen‘ machte sich von dem Burschen los und lief auf die Mutter zu. »Denk‘ dir,« rief sie aufgeregt, »was der Toni heut‘ ang‘stellt hat!«
Aber sie hatte kaum Zeit, in fliegender Hast das Vorgefallene zu berichten, da wurden außen Tritte hörbar, und es pochte an der vordern Türe; Toni und Helene eilten zur rückwärtigen hinaus, und die alte Zinshofer öffnete.
Die Kleebinderin stürzte herein. »Ist sie da?« schrie sie. Die Zinshofer trat einen Schritt vor, um den Ausblick nach der halboffenstehenden Türe im Rücken zu decken, dann sagte sie: »Nein, wie d‘ siehst.«
»O, das schlechte, heillose Mensch!« zeterte die Kleebinderin. »Nit umsonst hat mir‘s schon von allem Anfang‘ an geahnt, daß kein Glück und kein Segen dabei sein kann, mit der zu gehen! Nun liegt er dahin wie ein Hund und verlangt noch nach ihr, der Narr! Jetzt soll er‘s nur auch gleich zu hören kriegen, daß sie nit einmal da is, und wie recht ich hab‘! Aber du, Zinshoferin, du komm‘ und schau‘ dir an, wohin‘s mit einem kommt, der‘s mit so ‚ner Schanddirn‘ ehrlich meint, wie die deine eine is!«
Sie zerrte die Zinshofer an der Hand nach sich aus der Hütte.
Helene hatte sich zitternd an Toni geschmiegt, jetzt löste sie die Arme von seinem Halse und sagte: »Jetzt geh‘.«
»Nit, wann jetzt gleich af‘m Fleck die Welt unterging‘,« stammelte er, sie an sich pressend. »Heut‘ spiel‘n wir alles gegen alles, halt auch du ‚n Einsatz.«
Sie erschauerte, wollte reden, ihn zurückdrängen, aber sie öffnete nur den Mund, um mit lächelnden Lippen tief aufzuseufzen, und ihre Arme sanken kraftlos herab.
10. Kapitel
Am Morgen darauf war im Dorfe von nichts anderem die Rede als von dem Überfall der Schwenkdorfer unter der Führung des Toni vom Sternsteinhof, und die Dirnen, die mit letzterem an einem Tische gesessen, erzählten auch, daß er die Zinshofer Helen‘ für seine künftige Bäuerin erklärt habe, was viel Spaß gemacht hätte, da die hochnäsige Gredl es für Ernst zu nehmen schien.
Die Schürze voll dieser Neuigkeiten, kam die Matzner Sepherl zur alten Kathel, die sich über das Gehörte bekreuzte und segnete. Knechte und Mägde auf dem Sternsteinhofe, die gestern dabei gewesen, zeigten sich zwar sehr rückhaltig bei der Umfrage, welche die Alte unter ihnen hielt, als sie aber aus deren eigenem Munde hörten, was sie sich auszuschwatzen scheuten, da nickten alle bestätigend und lachten: »Was fragst denn, wann d‘ eh‘ alles weißt?!«
Der Bauer stand nachdenklich inmitten des Hofes, als sich die getreue Schaffnerin an ihn heranschlich. Er sann gerade darüber nach, wo wohl der Toni Roß und Wagen gelassen haben mochte, die nirgends zu sehen waren. Es sind das doch keine Gegenständ‘, die einer wie Pfeife und Tabaksbeutel unter einer Wirtshausbank mag liegen lassen und vergessen.
Die Kathel hatte ihre Meldung kaum beendet, als der alte Müller von Schwenkdorf auf den Hof gefahren kam. Er führte hinter seinem eigenen Wagen das vermißte Gefährt und Gespann mit. »Grüß‘ Gott, Sternsteinhofbauer,« sagte er.
»Grüß Gott,« murrte der und zog ein finsteres Gesicht. Von allen Menschen, die ihm zuwider waren, war ihm der Alte der zuwiderste.
Der Müller blinzte ihn boshaft an, schnalzte paarmal mit der Peitsche, dann begann er: »Bring‘ dir da dein Wagerl und dein Rösserl z‘ruck, was uns gestern der Toni g‘liehen hat, zun einmal h‘rüber und wieder umhifahren.
Ein Mordsbursch, dein Toni! Wünschet ich mir ein‘ zweiten, dann wünschet ich mir den. An dem kannst noch dein‘ Freud‘ d‘erleb‘n, Sternsteinhofbauer. Hihi. Kommt der ang‘fahr‘n, packt ‚n ganzen Rudel, dö rarsten Bub‘n, z‘samm, – heidi – laß‘n mer d‘Schwenkdorfer Urseln sitzen und fahr‘n mer raufen nach Zwischenbühel! Lad‘t s‘ af‘n Leiterwagen und teufelt mit so davon, ‚m Bräunl sein d‘Augen aus‘m Kopf und d‘Zungen aus‘m Hals g‘hängt. Na, dann war aber auch bei uns d‘renten a Verdießlichkeit und ein Erbosen! Der Käsbiermartel hat sein‘ Sali bei Zeiten aufpackt und is heim, und in sein Stub‘n war er mehr mit‘m Kopf an die Tram wie mit ‚n Füßen af der Erd‘, so g‘sprungen is er wie ein g‘reizter Aff im Käfig. Na und da herenten bei eng muß auch nit schlecht g‘rauft worden sein. Mein Bub‘ liegt mit drei Löcher im Kopf, in jed‘s könnt‘ mer a Faust stecken. G‘schieht ihm recht, dem Sakra. Mer muß nit nur schau‘n, wo mer selber hinhaut, sondern auch, wo ein anderer herhau‘n könnt‘. So hab‘n wir‘s g‘halten unserer Zeit. Was? Han? Nit?«
Der Sternsteinhofbauer runzelte die Stirne.
»Ah, ja richtig! Nix für ungut!« fuhr der Alte fort. »Fallt mer g‘rad bei, du warst ja ein schwacher Raufer; wie oft hab‘ ich dich selber wo in ein‘m Winkerl g‘habt und abtöllnt, daß‘s a Freud‘ war. Viel Schur hab‘ ich dir antan, bei dö Dirndeln auch. Jesses, wie lang dös schon her ist! Wenn mer bedenkt, wie die Zeit vergeht! Na ‚s hat mich g‘freut, daß ich dich bei derer G‘iegenheit wieder einmal g‘sehen hab‘, weil d‘ mer ja sonst völlig überall ausweichet. Also b‘hüt‘ Gott! Aber ein‘s noch, daß ich nit vergiß. Er schlaft wohl noch dein Bub? Könnt‘st ihm‘s ausrichten, wann d‘ so gut sein möcht‘st. Mein Bub‘ laßt dein‘ Bub‘ schön grüßen, und wann der Toni wieder einmal Kameraden sucht, dö d‘Schläg af ihnere Buckeln nehmen, während er sich mit einer saubern Dirn‘ wegschleicht, so soll er nur ja nit af‘n Simerl vergessen; laßt der ihm sagen! A feine muß dö aber wohl sein! Drei Löcher im Kopf von mein‘m Bub‘n sein mir lieber, als der setzet sich so was d‘rein! Ja, so zwei, dö d‘ nit z‘sammgibst und nit auseinandkrieg‘st, können dir viel Ung‘legenheit machen. Hihi.«
Er riß sein Wägelchen herum und jagte davon.
Der Sternsteinhofbauer mußte zur Seite springen, wollte er nicht die Räder über die Zehen haben. Er schickte einen schweren Fluch dem »alten Lump« nach, dann wandte er sich an die alte Kathel und hieß sie, das Mittagessen auftragen.
Er selbst begab sich hinauf nach der Schlafkammer seines Sohnes. Er pochte an die Türe. »Schon wach?« fragte er barsch.
»Ja,« tönte es von innen.
»So komm‘, essen.«
»Ich mag nix.«
»Du könnt‘st ein‘m wohl auch‘n Appetit verderben,« murrte der Alte, dann sagte er laut: »Paar Löffel Suppen werd‘n dein‘m wüsten Magen ganz zuträglich sein. Komm nur!«
Als die beiden einander bei Tische gegenübersaßen, tat der Junge, über den Teller weg, einen raschen Blick nach dem Alten, der mit zusammengezogenen Brauen vor sich hinstarrte.
Sicher, der wußte genug. Mag er —! Vielleicht alles, was die wußten, die dabei waren, und auch nichts, wovon keiner! – Noch einmal blickte der Bursche auf wie ein Schalk, dann senkte er den Kopf und legte den Löffel weg.
»Schon abg‘speist?« begann der Alte. »Ja.«
»Ich hör‘, du hast dich gestert nit lang in Schwenkdorf verhalten?«
»Gar nit. Wir hab‘n d‘Langweil‘ g‘fürcht‘, ich und d‘andern.«
»Dann seid‘s h‘rüber?«
»Dann sein wir h‘rüber.«
»Habt‘s euch gut unterhalten?«
»So ziemlich.«
»Sollst ja auch g‘rauft hab‘n?«
»Ja, ‚n Herrgottlmacher hab‘ ich wohl hing‘legt, daß er af‘s Aufsteh‘n vergessen hat.«
»Rar dös! Wann der klagbar wird, kann mer noch ‚n Bader zahl‘n. Weg‘n was is ‚s denn her‘gangen?«
»Er wollt‘ sein Dirn nit an unsern Tisch sitzen lassen.«
»Und da muß‘st du dich d‘rum annehmen? Versteht sich. Bist wohl in die seine verschameriert?«
»Kann‘s nit leugnen.«
»Is dö gar so sauber?«
»Kein so Saubere hast du noch gar nit g‘sehn‘n, nit mal d‘Mutter.«
»Dös is wenig g‘sagt, dein‘ Mutter war nit sauber, aber zubracht hat s‘ brav. Wie heißt denn dieselbe?«
»Zinshofer Helen‘.«
»Zinshofer? Da is ja die Alte, die unter den Hungerleidern da unten am allermeisten nix hat?«
»Hab‘n tun s‘ nix, das is wohl wahr.«
»Trotzdem hör‘ ich, daß d‘ hätt‘st verlauten lassen, du nahmst die Dirn‘ zur Bäu‘rin?«
»So hab‘ ich g‘sagt.«
»Ein schlechter G‘spaß, dös.«
»Kein G‘spaß! ‚s is mir völlig ernst.«
»Du bist a Narr!«
»Kann sein, man sagt ja, Verliebte wär‘n närrische Leut‘. Ich hab‘ mir nur denkt, weil mer doch eh‘ ‚s mehrste haben von alle da in der Gegend, so möcht‘ ‚s just nit so dumm sein, wann af‘n reichsten Hof auch d‘schönste Bäu‘rin z‘sitzen käm‘!«
»Laß mich aus mit der Schönheit! ‚s erst‘ Kindsbett nimmt dö oft mit fort; dann hast‘n Schleppsack af‘n Hals, aber ‚n leeren. Kein Kind bist nimmer. Dö G‘schichten, was wir als klein ang‘hört hab‘n, wo Betteldirn‘n von Kaisern und Königen heimg‘führt word‘n sein, dö hab‘n sich im Fabelland zutrag‘n; daß aber der Sternsteinhof weit außerthalb ‚n von selb‘m liegt, das brauch‘ ich dir wohl nit erst z‘sag‘n!« Er erhob sich und strich mit der flachen Hand über das Tischtuch. »Nun is ‚s g‘nug! Schlag‘ dir die Dummheit aus‘m Kopf.«
»Das geht nit an,« sagte der Bursche. »Ich muß dir noch was eing‘steh‘n.« Er spreitete die Beine auf dem Sitze auseinander, beugte sich vor und sah starr nach dem Salzfasse, während er langsam sprach: »Wann ich auch die Dirn‘ sitzen lassen möcht‘, was mir nit einfallt, so braucht sie‘s nit z‘leiden. Sie hat‘s schriftlich.«
»Was, schriftlich?«
»Mein Ehversprechen.«
»Dein Ehversprechen?« lachte höhnisch der Alte. »Ja, bist denn du in ‚Jahr‘n, wo d‘ ohne mein‘ Einwilligung ein‘s geben kannst? Wär‘st d‘rein, ich jaget dich jetzt af der Stell‘ vom Hof! So aber hat a Schriftlich‘s von dir noch gar kein Gültigkeit. Hat dir die Dirn‘ d‘rauf Glauben g‘schenkt, dumm g‘nug von ihr, dann kannst du dir in d‘Faust lachen, und sie muß sich g‘fall‘n lassen, wann s‘ noch hinterher d‘Leut verspotten.«
»Ich geb‘ denen kein‘ Anlaß dazu. Schriftlich oder mündlich, ich halt‘ mein Wort.«
»Du Himmelherrgottssakkerments-Lotter du!« brüllte der Sternsteinhofbauer, mit der Faust in den Tisch schlagend. »Trau‘st du dich, mir in‘s G‘sicht z‘trutzen, mir in‘s G‘sicht? Wo du dasitz‘st und Wörtl für Wörtl zugeb‘n mußt, daß mir nit um ein‘s z‘viel bericht‘t word‘n is über dein gestrig‘ Stückel?!«
Der Bursche fuhr vom Stuhle empor und schrie dazwischen: »Dös is ‚s erste nit, aber wann d‘ dich dreinschickst, so könnt‘s wohl ‚s letzte sein!«
»Daß ‚s letzte sein wird, dafür laß‘ nur mich sorgen, aber ‚s Dreinschicken das is dein‘ Sach‘. Bisher hab ich dir allein Unb‘sonnenheiten und dumme Streich‘ nachziehen g‘habt, gestert aber hast dich offen geg‘n mein‘ Will‘n – geg‘n dein‘s leiblichen Vaders Willen – aufg‘lehnt! Ich denk‘, du hast noch z‘wollen wie ich will, und d‘rum frag‘ ich dich kurz, und mein‘ dir‘s gut: Heirat‘st du seinzeit, dö ich dir bestimm‘ und gibst von heut‘ all‘n Verkehr mit der Dirn‘ da unten auf?«
»Da d‘rauf sag‘ ich dir eb‘n so kurz, daß ich kein‘ andere heirat‘ und ‚n Verkehr mit derer Dirn‘ nit laß‘! Verhalt‘ mich dazu, wann d‘ kannst! Sperr‘ mich ein, so brech‘ ich dir aus. Tu‘, was d‘ willst, so find‘ ich mein‘ Weg zu ihr und dort mein Bleiben.«
Der Sternsteinhofbauer fuhr mit beiden Fäusten nach der Brust und schüttelte sich an der Jacke. Nachdem er eine Weile nach Atem gerungen, sagte er langsam und leise, doch dröhnte jedes Wort halblaut nach: »Merk dir‘s gut, was d‘ mer g‘sagt hast: du nahmst kein‘ andere und vom Verkehr mit derer Betteldirn‘ vermocht‘ ich dich nit abz‘bringen!«
Toni nickte trotzig mit dem Kopfe.
»Du hast mir damit,« fuhr der Alte fort, »‘n kindlichen Gehorsam auf‘künd‘t. Versteh‘ mich wohl! Es darf dich daher gar nit wundern, wann ich mein‘ Hand von dir abzieh‘. Da drauf mach‘ dich nur g‘faßt.«
Er ging aus der Stube.
Der Bursche blickte ihm verblüfft nach. Wie war das diesmal doch ganz anders gegen sonst alle Male, wo der Alte, wenn er ausgescholten hatte, begütigt davonging? Freilich, die Sache war gewichtiger wie noch keine, und gleich, so auf das erste Wort hin, mochte der wohl nicht nachgeben! Doch, was er gesprochen, war sicher auch nicht sein letztes! Bald, vielleicht morgen schon, kommt er wieder angerückt und dann so oft, bis er es müde werden wird. Da heißt‘s eben, sich mehrmal mit ihm herumbeißen, und heute, für‘s erste Mal, war es ja ganz gut abgelaufen. Ein blinder Schuß mag Spatzen und Diebe scheuchen und ein leeres Drohen Kinder und Narren!
Toni eilte hinab nach Zwischenbühel. Er hielt den Kopf hoch, als er rasch an den Hütten vorüberschritt, und wenn er merkte, daß er beobachtet wurde, so sah er mit herausfordernden Blicken hinter sich.
Als er in der Zinshofer‘schen Hütte die Dirne, die auf seinem Schoße saß, in den Armen hielt, da vergaß er ganz, warum er eigentlich gekommen, und erst auf die Nachfrage Helenens erzählte er, was vorgefallen war; da die beiden Frauenzimmer doch etwas ängstlich dareinsahen, so beruhigte er sie, es stünde ja alles ganz gut, würde nur immer besser werden, anders könne er es selber nicht sagen.
Während er unten im Dorfe saß, fand sich der Käsbiermartel oben auf dem Sternsteinhofe ein.
»Ich komm‘ mich über dein‘ Bub‘n beklagen,« war sein erstes Wort, als er den Bauer erblickte.
»Ich weiß eh‘ alles,« murrte der.
»Wann d‘ eh‘ alles weißt,« fuhr der Käsbiermartel fort, »so weißt auch, daß ‚s hitzt mit unserer Verschwiegerung nix mehr sein kann.«
»Warum nit?« brauste der Sternsteinhofbauer auf. »Ist dir mein Bub‘ etwa mit einmal z‘schlecht, oder dein‘ Dirn zu rar?!«
Der Käsbiermartel sah ihn groß an, dann sprach er langsam, die verkniffenen Lippen mehr als sonst bewegend, als spräche er Brocken, die er vorher noch ein wenig glätten wolle: »Wann d‘ mer so kommst, dann, frei h‘raus, ja!«
»Käsbiermartel!«
»Sternsteinhofer! Was willst? Is mer gleich dein Bub‘ z‘schlecht, so bleibst doch du mir recht. Davon is der Beweis, daß ich heut‘ schon da bin. D‘Verschwiegerung aufsag ‚n, hätt‘ Zeit g‘habt, das geht mir nit so nah‘, wie ich auch siech, daß ‚s dir nit nah‘geht. Aber wann d‘ dein‘ Sohn von d‘ Soldaten frei kriegen willst, so war‘ jetzt d‘höchst‘ Zeit, daß ich geh‘ a gut Wort einleg‘n und du …« Er machte eine allgemein verständliche Bewegung mit Daumen und Zeigefinger.
»Spar‘ du dir d‘ guten Wort‘, ich spar‘s andere.« »Was meinst?«
»Daß ich mich für dein‘ Freundlichkeit bedank‘, aber kein‘ Gebrauch davon mach‘.«
»Aber dann nehmen s‘ dir ‚n heilig.«
»Soll‘n s‘ ‚n.«
»So red‘st hitzt, hint‘nach aber reut‘s dich.«
»Gott bewahr‘, niemal, sag‘ ich dir, Käsbiermartel! Er soll nur ‚m Kalbsfell folgen, oder neuzeit der Blechblasen. Dös is ihm g‘sund, dös is ‚s einzige Mittel, um ihm d‘Unbotmäßigkeit ausz‘treiben, mit der er mir zug‘stiegen käm‘; ‚s is nit erhört, denk‘ dir, ein‘m Bettelmensch weg‘n!«
»Na siehst, das kimmt von ewig‘m Zuwarten. Hätt‘st ihn gleich z‘sammengeb‘n mit der Sali, wär‘ ihm d‘andere gar nit in‘ Sinn kämma.«
»Verlaß dich d‘rauf, dö exerzieren s‘ und manövrieren s‘ ihm schon wieder h‘raus. Das geht hitzt in ein‘m! Eigentlich wär‘ ja für dein‘ Dirn dabei gar nix verlor‘n.«
»Drei Jahr‘.«
»Drei Jahr‘! Was sein drei Jahr? Drei Jahr‘n frag‘ ich nit nach, so alt ich bin? Und wann bis dahin dein‘ Sali noch nit unter der Hauben wär‘…«
»Dein‘m Bub‘n weg‘n werd ich s‘ nit in d‘Selchkuchel hängen!«
»Dös brauchst nit, sie erhalt‘ sich wohl auch so frisch. Ich sag‘ ja nur, wann der Fall wär‘, dann —!«
»Na ja, dann, wann! Da is noch allweil Zeit z‘reden, bis d‘Zeit sein wird.«
»Hast recht. Hitzt davon reden, hat wirklich kein‘ Schick und kein Abseh‘n und möcht‘ uns nur allzwei‘n d‘Gall riegeln.«
»Wohl, is eh‘ a so.«
Sie schüttelten sich die Hände und schieden.