Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 15
3. Konstitutive Handlungsunrechtselemente beim Vorsatzdelikt – zum Wechselspiel von Intentionsunrecht und objektiven Handlungsunrechtselementen
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Sollen nun die objektiven Handlungsunrechtskomponenten beim Vorsatzdelikt näher umschrieben werden, so scheint sich bereits mit der Benennung einer „pflichtwidrigen Risikoschaffung“ als Voraussetzung eines auch „objektiven“ Handlungsunrechts, aber auch auf Grund der vorangegangenen Ausführungen schon terminologisch die Frage aufzudrängen, ob hier nicht letztlich aus der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bekannte Elemente auch zur Konturierung der Vorsatzstrafbarkeit herangezogen werden können bzw. sogar müssen oder aber ob die Anforderungen an die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens – da beim Vorsatzdelikt eben nur einen Teil des Handlungsunrechts ausmachend – niedriger anzusetzen sind:
a) „Fahrlässigkeit“ als Voraussetzung jedes Vorsatzdelikts?
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Die extremste und voraussetzungsvollste Position ließe sich damit beschreiben, dass auch beim Vorsatzdelikt das Handlungsunrecht in identischer Weise begründet werden muss wie beim Fahrlässigkeitsdelikt, bei dem nach seit langem einhelliger Auffassung die Pflichtwidrigkeit auch als objektives Verhaltensmoment erforderlich ist,[108] um den Unrechtstatbestand zu begründen. Eine Gleichschaltung des Handlungsunrechts bei Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikt würde nun dadurch erreicht, dass – wie insbesondere von Herzberg immer wieder pointiert gefordert wird – „Fahrlässigkeit (sc. zur) Voraussetzung jeder Vorsatzhaftung“ gemacht würde, d.h. dass keine Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes bejaht werden könnte, wenn der Täter durch das gleiche Verhalten – den Vorsatz hinweggedacht – nicht auch ein Fahrlässigkeitsdelikt begangen hätte.[109] Ganz ähnlich klingt das etwa[110] auch bei Jakobs, wenn er feststellt, dass „eine (. . .) sorgfaltsgemäße Vorsatztat (. . .) eine contradictio in adiecto“ wäre,[111] und schon 35 Jahre früher bei Krauß, der meint, dass „niemand wegen einer vorsätzlichen Tat bestraft werden kann, der nicht auch ohne Vorsatz bei entsprechender Strafdrohung wegen fahrlässiger Begehung bestraft würde.“[112]
b) Kritik
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Obgleich die Übertragung von in der Fahrlässigkeitsdogmatik schon länger bekannten Elementen auf das Vorsatzdelikt für das Verständnis einzelner Fallgruppen der objektiven Zurechnung hilfreich ist, erscheint eine völlige Gleichsetzung nicht überzeugend. Dass nicht in jedem Fall, in dem eine Vorsatzstrafbarkeit zu bejahen ist, ohne Vorsatz zugleich auch eine Fahrlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich zunächst an einem Beispiel verdeutlichen:[113] Auf einer ordnungsgemäß abgesperrten und gesicherten Abrissbaustelle schaufelt Bauarbeiter B in einem oberen Stockwerk Bauschutt in eine große, extra für diese Zwecke angebrachte Röhre, in welcher der Schutt nach unten fällt.
– | Variante a: Ohne dass B dies merken kann, hat Passant P die Absperrung überwunden und geht am Abrisshaus entlang, um einige Meter Weg zu sparen. Gerade, als er unten am Ende der Röhre vorbeikommt, kommt eine Ladung Schutt unten an; ein Ziegelstein trifft P und verletzt ihn. |
– | Variante b: B ärgert sich, dass immer wieder Passanten den Weg abkürzen; als er P unten am Haus vorbeilaufen sieht, passt er ihn genau ab, wirft eine Schaufel Schutt in die Röhre und tritt – wie erhofft und berechnet – den unten vorbeilaufenden P. |
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Während man in Variante a kaum überzeugend eine Fahrlässigkeit (§ 229 StGB) des B annehmen kann, erschiene es in Variante b ebenso befremdlich, den Tatbestand des § 223 StGB zu verneinen, und zumindest äußerst gekünstelt, diese erst mittels Hilfskonstruktionen wie der actio illicita in causa, einer mittelbaren Täterschaft o.ä. zu begründen. Zwar mag man auf den ersten Blick gegen dieses Beispiel einwenden, dass B, der ursprünglich die Kenntnisse aus Variante b hatte (d.h. den P gesehen hatte), aber konkret nicht mehr an die Gefährlichkeit dachte oder auf einen guten Ausgang vertraute (und z.B. P nur erschrecken wollte), natürlich doch wieder fahrlässig handeln würde. Bei dieser Blickweise, welche die (sonst fehlenden) Voraussetzungen des Vorsatzdelikts in das Fahrlässigkeitsdelikt implementiert, würde aber nicht nur die Aussage, dass in jedem Vorsatz- zugleich ein Fahrlässigkeitsdelikt steckt, ihre informative Substanz weitgehend verlieren. Vielmehr würde dann auch eine Voraussetzung des subjektiven Tatbestandes benötigt, um (über den Hebel der dann bejahbaren Fahrlässigkeit) über die objektive Tatbestandsmäßigkeit zu entscheiden.
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Aber auch die Gesetzessystematik spricht gegen einen solchen Gleichsetzungsautomatismus, wie sich an der Regelung des § 16 Abs. 1 StGB zeigen lässt:[114] Nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB handelt der Täter im Tatbestandsirrtum (nur) ohne Vorsatz, d.h. aber gleichzeitig offenbar regelmäßig objektiv tatbestandsmäßig. Nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB bleibt die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung unberührt; dies bedeutet aber nach einhelliger Auffassung nicht etwa, dass der irrende Täter sich stets wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts strafbar gemacht hat, sondern nur, dass zu prüfen ist, ob der Irrtum bei Erfüllung aller Sorgfaltspflichten vermeidbar gewesen wäre. Damit geht aber das Gesetz offenbar davon aus, dass in bestimmten Konstellationen zwar der objektive Tatbestand des Vorsatzdelikts, nicht dagegen der Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts erfüllt sein kann. Bei einem „verobjektivierten“ (und damit wohl unvermeidbaren) Irrtum bereits den objektiven Tatbestand zu verneinen, wie es Herzberg es vorschlägt,[115] lässt demgegenüber die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1, 2 StGB in einem ziemlich ungewohnten Licht erscheinen.[116] Denn die nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB unberührt bleibende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit hinge dann allein von der Existenz eines Fahrlässigkeitstatbestandes ab.[117] Der üblicherweise in § 16 Abs. 1 S. 2 StGB gesehene Appell, nach der Feststellung eines vorsatzausschließenden Irrtums gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB dessen Vermeidbarkeit zu prüfen, käme nie zur Anwendung.
c) Extensiverer Maßstab beim Vorsatzdelikt wegen fehlenden Drohens einer Überforderung
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Scheint mithin in manchen, nicht aber in allen Fällen ein „fahrlässigkeitsäquivalenter Verhaltensvorwurf“ Voraussetzung auch einer Vorsatzstrafbarkeit zu sein, so ergeben sich daraus zwei Hypothesen: Zum einen müsste der aus der Fahrlässigkeitsdogmatik bekannte Maßstab zwar beim Vorsatzdelikt grundsätzlich ähnlich gelten, aber in bestimmten Fällen weniger streng sein.[118] Zum anderen scheint entscheidend zu sein, aus welchem Grund eine entsprechende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit scheitern würde. Eine Lösung, die mit beiden Hypothesen kompatibel ist, kann dabei wie folgt differenzieren:[119]
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Ein Grund für das Ausscheiden auch einer Vorsatzstrafbarkeit ist nicht ersichtlich, soweit eine Fahrlässigkeit nur ausscheiden würde, weil (insbesondere bei inadäquaten oder nur schwer exakt vorhersehbaren Gefahren) anderenfalls die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht überspannt würden. Während ein zu strenger Maßstab für eine Fahrlässigkeitshaftung die Handlungsfreiheit angesichts drohender Strafbarkeitsrisiken unzumutbar einschränken würde,[120] wird der Täter mit mehr oder weniger sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts nicht übermäßig belastet; denn die Fälle, in denen der Täter Kenntnis von einem an sich kaum vorhersehbaren Kausalverlauf hat, machen nur einen weitaus kleineren Teil aus.
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Dagegen kann auch eine Vorsatzstrafbarkeit überzeugend abgelehnt werden, soweit eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ausscheidet, weil etwa der Schutzzweck der verletzten Norm nicht betroffen ist, ein Fall der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung vorliegt oder für die Straflosigkeit Sozialüblichkeit und die Geringfügigkeit der Gefahr ausschlaggebend sind. M.a.W.: Von den Verantwortlichkeitseinschränkungen, welche die Fahrlässigkeitsdogmatik kennt, sind nur diejenigen auf das Vorsatzdelikt übertragbar, die mit der Schutzbedürftigkeit des betroffenen Rechtsguts zu tun haben[121] oder die das regelmäßige, objektive Gefährdungspotential des Verhaltens betreffen.[122] Dagegen sind solche Einschränkungen nicht übertragbar, die auf der drohenden Überforderung des Bürgers durch das Strafrecht beruhen.[123]
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Diese – in Auseinandersetzung mit dem o.g. Standpunkt Herzbergs stark von der Fahrlässigkeit her argumentierenden – Überlegungen treffen sich auch mit den Grundsätzen, die verbreitet als Leitgedanken für die objektive Zurechnung beim Vorsatzdelikt benannt werden:
– | Eine objektive Bezweckbarkeit, wie insbesondere Honig sie in seinen grundlegenden Erörterungen zur Zurechnungslehre in der Festgabe für Frank gefordert hat,[124] mag zwar oftmals beim Fehlen von Fahrlässigkeit ausscheiden.[125] Sie kann aber in Fällen, in denen die Gefahr üblicherweise kaum erkennbar ist und daher Sorgfaltspflichtverletzungen nicht vorliegen, durchaus zu bejahen sein, wenn der Täter die Gefahr ausnahmsweise kennt und deshalb beherrscht. |
– | Auch die Eignung zur generalpräventiven Verhaltenssteuerung[126] kann bei fehlender Fahrlässigkeit zu verneinen sein.[127] Sie ist aber bei Kenntnis des Erfolgseintritts typischerweise eher gegeben als bei bloßer Fahrlässigkeit, da das Verhalten hier viel leichter an der Verbotsnorm ausgerichtet werden kann. |
– | Zuletzt mögen übertriebene Verhaltensanforderungen kriminalpolitisch sinnlos, da unerfüllbar sein.[128] Soweit aber vorsätzlich – und damit konkret und bewusst vermeidbar – gehandelt wird, kann ein erwünschter Rechtsgüterschutz kriminalpolitisch sinnvoll durch strafrechtliche Sanktionen gewährt werden.[129] |
4. Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Handlungsunrechtselementen
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Für die Frage nach der Missbilligung des Verhaltens bei vorsätzlicher Erfolgsherbeiführung und damit nach der Bestimmung des Handlungsunrechts führt dies zu folgendem Ergebnis: Das Handlungsunrecht des Vorsatzdelikts wird durch objektive Elemente der Art und Weise des Verhaltens sowie durch subjektive Elemente[130] und dabei insbesondere den Vorsatz geprägt. Dabei sind auch beim Vorsatzdelikt die objektiven Komponenten nicht generell oder vollständig durch vorhandene (und vielleicht sogar besonders stark ausgeprägte) subjektive Komponenten ersetzbar. Ein Verzicht auf jegliches objektives Handlungsunrecht alleine wegen des Vorliegens von Vorsatz würde nicht nur der h.L., die entsprechende Zurechnungskorrektive anerkennt, widersprechen und dem durch die unterschiedlichen Strafrahmen verdeutlichten Unrechtsgefälle zum Fahrlässigkeitsdelikt nicht gerecht werden. Vielmehr würden auch ganz unterschiedlich gefährliche, mittelbare oder unmittelbare, nahezu sichere und ganz unwahrscheinliche Verletzungshandlungen über einen Kamm geschoren, wenn nur ein entsprechender Vorsatz vorliegt.[131]
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Dennoch müssen umgekehrt auch nicht immer alle objektiven und subjektiven Komponenten gleich und in jeweils vollem Ausmaß und Umfang ausgeprägt sein. Insbesondere ist nicht selbstverständlich, dass trotz der erhöhten subjektiven Komponente jeweils in völlig identischer Weise auch der objektive Handlungsunwert erfüllt sein müsste. Jenseits der Minimalgrenze der nicht vollständigen Ersetzbarkeit (vgl. o.) lassen sowohl die Vorstellung eines qualitativ gesamtbewertenden Urteils[132] als auch das Bild einer additiven Zusammenfügung von objektivem und subjektivem Handlungsunrecht zu, dass ein Plus des einen Elementes gewisse Defizite des anderen ausgleicht, insbesondere soweit diese funktionsäquivalent sind.[133]
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Ganz konkret erscheint ein Verzicht auf solche objektiven Komponenten i.S. eines gewissen Grades an Sorgfaltspflichtverletzung und Vorhersehbarkeit möglich, wenn der Vorsatz des Täters zu bejahen ist. Denn diese Grenzen für eine Fahrlässigkeitshaftung bestehen ja gerade nur im Interesse des Nicht-Wissenden, um dessen Sorgfalts- und Nachprüfungspflichten nicht maßlos überzustrapazieren. Daneben legt eine solche Zusammenschau von objektiven und subjektiven Handlungsunrechtselementen durchaus nahe, dass bei verschiedenen objektiven Handlungsunwerten auch ein unterschiedlicher Grad an subjektivem Handlungsunwert erforderlich ist bzw. genügen kann.
6. Abschnitt: Die Straftat › § 29 Handlungs- und Erfolgsunrecht sowie Gesinnungsunwert der Tat › D. Erfolgs- und Handlungsunrecht in der Rechtsprechung
D. Erfolgs- und Handlungsunrecht in der Rechtsprechung
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Wie bereits angedeutet, tauchen die Begriffe des Erfolgs- und Handlungsunrechts (bzw. „Unwerts“) in der Rechtsprechung – zumindest im Zusammenhang mit dogmatischen Streitfragen – kaum auf (was in Anbetracht dessen, dass die tatbestandsorientierte Jurisprudenz ohnehin nur in Ausnahmefällen auf abstrakte Begrifflichkeiten der allgemeinen Verbrechenslehre zurückgreift, auch nicht überrascht).[134] Indessen wird dieses Begriffspaar sehr häufig im Rahmen der Strafzumessung herangezogen, genauer: in Bezug auf die Strafzumessungsschuld: Das Begriffspaar hat im Rechtsprechungskontext insofern einen eigenständigen Gehalt (mithin nichts mehr mit dem „Unrechtsbegriff“ als solches zu tun). Es steht dort für das Beziehungsverhältnis von Tat („Erfolgsunwert“)[135] und Täter („Handlungsunwert“[136]). Art und Ausmaß des „Erfolgs“, die außertatbestandsmäßigen Folgen der Tat und eine etwaige Schadenswiedergutmachung können den Erfolgsunwert der Tat beeinflussen, während Beweggründe und Ziele des Täters, das Maß der Pflichtwidrigkeit sowie das Vor- und Nachtatverhalten bei der Bestimmung des Handlungsunwerts zu berücksichtigen sind. Da etwaige Schadensgrenzen oder Mindesthöhen (nicht geringe Menge Betäubungsmittel, Unfallschaden, konkrete Zahl an Gefährdeten) u.U. überhaupt die Anwendung des Tatbestands begründen (insb. bei Qualifikationsmerkmalen), ist darauf zu achten, dass der Erfolgsunwert bei der Strafzumessung nicht doppelt verwertet wird, § 46 Abs. 3 StGB.
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Parallelen sind dennoch zu erkennen, wenn die Rechtsprechung diesbezüglich betont, dass die „(personale) Handlungskomponente und die (tatbezogene) Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld (…) nicht getrennt betrachtet werden“ können, sondern „einer Gesamtwürdigung zu unterziehen“ sind, in der ein Weniger an Erfolgsunwert (im konkreten Fall: Beutewert) durch ein Mehr an Handlungsunwert (in concreto: die beharrliche Nichtbeachtung diverser einschlägiger Strafen, Tatbegehung in laufender Bewährungszeit kurz nach letzter Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Tat) kompensiert werden kann.[137]
6. Abschnitt: Die Straftat › § 29 Handlungs- und Erfolgsunrecht sowie Gesinnungsunwert der Tat › E. Zusammenfassung
E. Zusammenfassung
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Kehrt man auf dieser Grundlage einmal zu der eingangs aufgeworfenen Frage zurück, wie „ein bestimmtes Verhalten eigentlich zu einer Straftat“ wird bzw. was das Unrecht einer Straftat ausmacht, so lässt sich darauf folgende abgestufte Antwort geben:[138]
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1. Wird durch eine Handlung ein Rechtsgut beeinträchtigt, so begründet dies das Erfolgsunrecht, wobei man die Eigenschaft des Erfolgsunrechts als „konstitutiv“ auch an der Frage messen muss, wie man den Begriff des Erfolgsunrechts versteht, insb. ob man ihn mit dem des Außenwelterfolgs gleichsetzt.
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2. Ist diesbezüglich Vorsatz des Handelnden zu bejahen, dann spricht auf Grund der großen Bedeutung der subjektiven Handlungsunrechtskomponente ein erster „Hinweis“[139] für das Vorliegen auch des Handlungsunrechts.[140] Dies beruht darauf, dass einige typischerweise unrechtsbegründende objektive Handlungsunrechtselemente des Fahrlässigkeitsdelikts beim Vorsatzdelikt verzichtbar sind, und es bestätigt auch die unrechtsindizierende Wirkung der Verletzung von Rechtsgütern auf grundsätzlich strafrechtlich relevanten Angriffswegen.
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3. Dieser vorläufige Hinweis kann aber durch bestimmte objektive Gesichtspunkte widerlegt werden, die auf Grund ihrer Existenz – unabhängig von der subjektiven Einstellung des Täters – einer Missbilligung des Verhaltens und damit dem Handlungsunrecht entgegenstehen. Diese Gesichtspunkte bilden die Fallgruppen der „objektiven Zurechnung“ bzw. des „nicht tatbestandsmäßigen Verhaltens“, soweit bei diesen (einhellig) die Kenntnisse des Täters für unbeachtlich gehalten werden.[141] Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen das Handlungsunrecht ausgeschlossen ist, weil die objektiven und subjektiven Handlungsunwertkomponenten jeweils nur abgeschwächt vorliegen und daher entgegen dem ersten Hinweis zusammen nicht in der Lage sind, tatsächlich das Unrecht der Tat zu begründen.
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4. Ohne dass damit zu weitgehende Übereinstimmung in den Details behauptet werden soll, findet sich der Gedanke des „Zusammenwirkens“ von objektiven und subjektiven (Handlungs-)Unrechtskomponenten in ganz ähnlicher Weise bereits vor vielen Jahren bei Roxin, wenn er (mit Blick auf die Möglichkeit eines unterschiedlichen objektiven Zurechnungsmaßstabes bei vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten) ausführt: „Das hat nichts Befremdliches, wenn [man] sich einmal klarmacht, daß die einzelnen ‚Elemente‘ des äußeren oder inneren Geschehens (. . .) nicht gleich Bausteinen unverrückbar an eine bestimmte Stelle des Systems ‚gehören‘, sondern daß die Frage nur dahin gestellt werden darf, ob und inwieweit ein subjektives oder objektives Merkmal unter dem Gesichtspunkt der Handlungs-, Unrechts- oder Schuldzurechnung relevant ist. Dabei kann es durchaus so sein, daß z.B. ein Element (…) für die Handlungszurechnung hier bedeutsam und dort unerheblich ist, (. . .) Eben darin liegt der prinzipielle Unterschied zwischen einem (. . .) die Straftat aus Geschehenspartikeln zusammensetzenden und einem an Zurechnungsmaßstäben orientierten teleologischen System. Bei der letztgenannten Systembildung liegt die Einheit nicht in der Identität des (. . .) Materials, sondern in der teleologischen Zusammengehörigkeit von Zurechnungsprinzipien (. . .)“.[142]
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5. Die Verantwortlichkeit wegen eines vorsätzlichen Begehungsdelikts setzt Erfolgs- und Handlungsunrecht voraus. Das Handlungsunrecht besteht aus objektiven und subjektiven Elementen, die zwar beide unverzichtbar sind, sich in der erforderlichen Intensität aber teilweise kompensieren können. Konkret bedeutet dies u.a., dass nicht alle objektiven Voraussetzungen auch des Fahrlässigkeitsdelikts erforderlich sind, um den objektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts zu begründen. Der Grund dafür liegt darin, dass bei vorsätzlichem Handeln die Gefahr einer „Überforderung“ des Bürgers weniger groß ist, so dass Begrenzungen der Sorgfaltspflicht, die beim Fahrlässigkeitsdelikt aus Rücksicht auf diese drohende Überforderung getroffen werden, nicht übertragbar sind. In der vorsätzlichen Herbeiführung des Erfolgsunrechts liegt daher ein erster Hinweis auch auf das Handlungsunrecht, der allerdings ausgeräumt werden kann.
6. Abschnitt: Die Straftat › § 29 Handlungs- und Erfolgsunrecht sowie Gesinnungsunwert der Tat › Ausgewählte Literatur
Ausgewählte Literatur
Kudlich, Hans | Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, 2004. |
Kühl, Kristian | Das Unrecht als Kern der Straftat, FS Kühne, S. 15 ff. |
Lüderssen, Klaus | Der „Erfolgsunwert“, FS Herzberg, S. 109 ff. |
Roxin, Claus | Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, Honig-FS, S. 133 ff. |
Rudolphi, Hans-Joachim | Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre, FS Maurach, S. 51 ff. |
Schünemann, Bernd (Hrsg.) | Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984. |
Strächelin, Gregor | Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998. |