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7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts
Inhaltsverzeichnis
§ 30 Zeitlicher Geltungsbereich
§ 31 Räumlicher Geltungsbereich
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 30 Zeitlicher Geltungsbereich
Gerhard Dannecker
§ 30 Zeitlicher Geltungsbereich
A.Historische Entwicklung2 – 14
I.Vorgeschichte des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ und des „lex mitior“-Prinzips bis zur Aufklärung2 – 4
II.Entwicklung des Rückwirkungsverbots und des Milderungsgebots unter dem Einfluss der Aufklärung bis zur Weimarer Reichsverfassung5 – 11
1.Rückwirkungsverbot5, 6
2.Milderungsgebot7 – 11
III.Das Rückwirkungsverbot und das Milderungsgebot im Nationalsozialismus12
IV.Wiedereinführung des Milderungsgebots nach dem Zweiten Weltkrieg und Regelung im Einigungsvertrag13, 14
B.Hauptteil15 – 85
I.Grundsätzliches15
II.Ausgestaltung des intertemporalen Strafrechts in § 2 StGB16 – 85
1.Prinzipien des intertemporalen Strafrechts17 – 23
a)Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots durch § 2 Abs. 1 und 2 StGB18
b)Meistbegünstigungsprinzip19, 20
c)Durchbrechung des Meistbegünstigungsprinzips für Zeitgesetze21
d)Sonderregelung für Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung22
e)Sonderregelung für Maßregeln der Besserung und Sicherung23
2.Zeitlicher Geltungs- und Anwendungsbereich von Strafgesetzen24 – 38
a)Inkrafttreten und Derogation von Gesetzen25, 26
b)Dogmatische und systematische Konzeption des § 2 StGB27 – 32
c)Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs durch § 2 StGB33 – 35
d)§ 2 StGB als Rechtsgeltungsregel für das frühere Gesetz36
e)Grundsätzliche Geltung des Urteilszeitrechts37
f)Praktische Bedeutung der unterschiedlichen Konzeptionen des § 2 StGB38
3.Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1 StGB: limitierende Funktion der aufgehobenen Rechtsnormen39 – 56
a)Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 StGB40
b)Materielles Strafrecht41 – 45
c)Strafverfahrensrecht46 – 52
d)Änderungen der Rechtsprechung53
e)Geltung des Gesetzes „zur Zeit der Tat“54, 55
f)Änderungen der Strafbarkeit während der Begehung der Tat56
4.Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 StGB: Änderungen der Strafart und Strafdrohung zwischen Beginn und Beendigung der Tat57 – 59
5.Regelungsgehalt des § 2 Abs. 3 StGB: Meistbegünstigungsprinzip60 – 76
a)Anwendung des mildesten Gesetzes bei Gesetzesänderungen zwischen Beendigung der Tat und Entscheidung61, 62
b)Bestimmung des mildesten „Gesetzes“63 – 73
aa)Anforderungen an die Unrechtskontinuität64 – 66
bb)Anwendbarkeit des Milderungsgebots auf Blankettvorschriften67 – 72
cc)Anwendbarkeit des Milderungsgebots auf rechtsnormative Tatbestandsmerkmale73
c)Feststellung des mildesten Gesetzes74, 75
d)Mehrfache Gesetzesänderungen und Zwischengesetze76
6.Sonderregelungen für Zeitgesetze77 – 81
a)Grundlagen78
b)Begriff des Zeitgesetzes79, 80
c)Vorbehalt für abweichende Regelungen81
7.Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung82
8.Ausnahme für Maßregeln der Sicherung und Besserung83 – 85
C.Internationalisierung, vornehmlich Europäisierung des Strafrechts86 – 114
I.Rückwirkungsverbot86 – 88
1.Art. 7 EMRK87
2.Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh88
II.Lex mitior89 – 100
1.Verortung des Milderungsgebots im Grundsatz „nullum crimen sine lege“ (Art. 7 EMRK) durch den EGMR89 – 93
2.Art. 49 Abs. 1 S. 3 GR-Charta94 – 100
a)Eröffnung des Anwendungsbereichs der Grundrechtecharta95
b)Erstreckung des Milderungsgebots auf Richtlinien, Verordnungen und Rahmenbeschlüsse96, 97
c)Erstreckung des Milderungsgebots auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts?98, 99
d)Verdrängung der Sonderregelung für Zeitgesetze in § 2 Abs. 4 StGB durch Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh?100
III.Klassische Fragestellungen101 – 114
1.Rückwirkungsverbot101 – 106
a)Tötungen an der innerdeutschen Grenze102, 103
b)Geltung des Rückwirkungsverbots für Maßregeln der Besserung und Sicherung?104 – 106
2.Milderungsgebot und intertemporale Ahndungslücken107 – 114
a)Anforderungen an eine Ahndungslücke107 – 109
b)Möglichkeiten zur Schließung einer intertemporalen Ahndungslücke durch den Gesetzgeber110 – 114
Ausgewählte Literatur
1
Der zeitliche Geltungsbereich des Strafrechts ist in § 2 StGB geregelt. Dort legt der Gesetzgeber fest, welches Recht bei einer Änderung des Gesetzes zwischen der Begehung der Straftat und der Entscheidung der Strafverfolgungsorgane anzuwenden ist. Hierfür enthält § 2 StGB verschiedene Einzelbestimmungen, die in ihrer Gesamtheit das „intertemporale Strafrecht“[1] konstituieren. Damit bildet § 2 StGB neben § 1 StGB, der unter anderem das Rückwirkungsverbot für nachträgliche Strafschärfungen enthält, die zweite wichtige Säule für die Anwendung des Strafrechts im Hinblick auf Gesetzesänderungen nach Begehung einer Straftat. Im Rahmen des § 2 StGB kommen folgende vier Prinzipien zum Tragen: das Rückwirkungsverbot (§ 2 Abs. 1 und 2 StGB), das Meistbegünstigungsprinzip (§ 2 Abs. 3 StGB), die Einschränkung des Meistbegünstigungsprinzips für Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB) und die Einschränkung des Rückwirkungsverbots für Maßregeln der Besserung und Sicherung im Interesse einer zeitgerechten Prävention (§ 2 Abs. 6 StGB).[2] Daher kann § 2 StGB nicht als bloße Konkretisierung des Rückwirkungsverbots charakterisiert werden,[3] zumal dieses Verbot ohnehin bereits in § 1 StGB geregelt ist und durch § 2 StGB erheblich modifiziert, für bestimmte Fälle sogar ganz aufgehoben wird.[4]
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 30 Zeitlicher Geltungsbereich › A. Historische Entwicklung
A. Historische Entwicklung
I. Vorgeschichte des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ und des „lex mitior“-Prinzips bis zur Aufklärung
2
Das Rückwirkungsverbot war im Ansatz bereits im späten römischen Reich anerkannt.[5] Es wurde zum einen auf den Schuldgrundsatz gestützt, weil der Täter die übertretene Norm gekannt haben muss, wenn er bestraft werden soll, zum anderen auf die Beschränkung auf konstitutive Gesetze, die ein an sich indifferentes Verhalten unter Strafdrohung stellen. Wenn hingegen ein Gesetz bei delicta per se lediglich ein als Unrecht gewertetes Verhalten deklaratorisch als strafwürdig erklärte, wurde darin keine Rückwirkung gesehen. Normkonstituierende Gesetze kamen erst in der späten Zeit der Republik auf.[6] Unter Berufung auf den Rechtsgrund für das Verbot rückwirkender Pönalisierungen wird überwiegend angenommen, dass ein strafrechtliches Rückwirkungsverbot nicht bestanden hat.[7]
3
Bezüglich des Rückwirkungsgebots des milderen Rechts besteht Einigkeit, dass angesichts der wenigen bekannten Quellen kein allgemeines Gebot rückwirkender Anwendung des milderen Rechts bestand, sondern nur als ein kaiserlicher Gnadenakt bestand.[8]
4
Die mittelalterliche Jurisprudenz in Italien übernahm die Ansätze des römischen Rückwirkungsverbots für Gesetze, die gezielt als Mittel zur Herrschaft eingesetzt wurden.[9] Außerdem finden sich erste Ansätze zur Entwicklung eines Verbots rückwirkender Strafschärfungen und des Grundsatzes der Rückwirkung milderer Strafbestimmungen.[10]
II. Entwicklung des Rückwirkungsverbots und des Milderungsgebots unter dem Einfluss der Aufklärung bis zur Weimarer Reichsverfassung
1. Rückwirkungsverbot
5
Die Forderung, dass eine Straftat nur bestraft werden darf, wenn die Strafbarkeit vor Begehung der Tat gesetzlich bestimmt war, stellt eine zentrale Errungenschaft der liberalen Verfassungsbewegung dar.[11] Ideengeschichtlich gehört der Garantiegehalt dieses Grundsatzes zum Gedankengut der naturrechtlichen Staatsvertragslehre[12] und der Aufklärung.[13] Als eigentlicher Begründer des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips in Europa gilt Anselm von Feuerbach, der auf der Grundlage der Philosophie Kants die neulateinische Kurzfassung „nullum crimen sine lege“ prägte und sich dabei auf strafrechtliche Erwägungen – die Theorie des psychologischen Zwangs –, insbesondere aber auf staatsrechtliche Erwägungen – Ausschluss staatlicher Willkür – stützte. Es sind dann die Kodifikationen der Territorialstaaten, welche die Gesellschaftsvertragslehre des Naturrechts kodifizierten und den Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ als allgemeines Menschenrecht formulierten.[14]
6
Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und schließlich das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 haben das Gesetzlichkeitsprinzip aus dem Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 übernommen. § 2 Abs. 1 StGB lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“ Diese Regelung wurde in Art. 116 Weimarer Reichsverfassung übernommen und erhielt damit erstmalig Verfassungsrang.
2. Milderungsgebot
7
Die Anerkennung des Milderungsgebots wurde in der Zeit der Aufklärung als Folge der Proportionalität von Verbrechen und Strafe und der Vermeidung richterlicher Willkür als selbstverständlich vorausgesetzt, zumal damals die Gesetze der Durchführung einer vernunftgeleiteten Reform des Strafrechts durch Abschaffung übertrieben harter Strafen dienten.[15] Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, Gesetze, die nach Begehung der Tat als zu streng oder als nicht mehr erforderlich angesehen und deshalb geändert oder aufgehoben wurden, nicht mehr anzuwenden. Entsprechend enthielt der Code pénal von 1791 eine Normierung des Milderungsgebots.[16] Der Einfluss der Aufklärung spiegelt sich auch in den §§ 18 bis 20 der Einleitung zum Allgemeinen Preußischen Landrecht wider, wonach der Richter gesetzliche Milderungen sogar bereits Verurteilten zugutekommen lassen musste.[17] Bei rechtskräftig Verurteilten konnte die Anwendung der milderen und verhältnismäßigen Strafen nur als Gnadensache erreicht werden.
8
Die sodann folgenden Strafrechtskodifikationen der deutschen Partikularstaaten enthielten durchgängig gesetzliche Milderungsgebote. Zu divergierenden Lösungen kam es nur insofern, als teilweise die Anwendung des neuen Strafgesetzes, teilweise die Anwendung des zur Tatzeit geltenden Rechts als Grundsatz normiert wurde, ohne dass sich die beiden Regelungsmodelle im Ergebnis nennenswert unterschieden.[18] In materieller Hinsicht wurde im Milderungsgebot vor allem ein Gebot der Gerechtigkeit gesehen. Lediglich soweit die Milderung auf bereits rechtkräftige, aber noch nicht vollstreckte Strafurteile ausgedehnt wurde, ordnete man die Rechtskraftdurchbrechung weiterhin als Gnadenakt ein.
9
Im Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, das für die weitere Entwicklung zentrale Bedeutung erlangte, wurde in Art. IV des Einführungsgesetzes die rückwirkende Anwendung des milderen Gesetzes als Ausnahme vorgesehen; bereits rechtskräftig abgeurteilte Fälle, in denen die Strafe noch nicht vollstreckt war, wurden hiervon ausgeschlossen, um eine Überlastung der Gerichte zu vermeiden. Entsprechende Regelungen enthielt auch das am 1. Januar 1871 in Kraft getretene Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, das dann am 15. Mai 1871 als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich verkündet wurde.
10
§ 2 StGB 1871 enthielt in seinem Absatz 1 die Regelung des heutigen § 1 StGB und lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“ § 2 Abs. 2 StGB 1871 entsprach dem heutigen § 2 Abs. 3 StGB mit folgendem Wortlaut: „Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.“
11
Das Reichsgericht nahm in der Folgezeit in einer Reihe von Entscheidungen zum Milderungsgebot Stellung und schränkte dabei den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 StGB a.F. in ständiger Rechtsprechung erheblich ein, indem es den Begriff des „Gesetzes“ als „Strafgesetz“ interpretierte[19] und blankettausfüllende Gesetze vom Milderungsgebot mit der Begründung ausnahm, dass nur bei einer Änderung der Strafgesetze von einer geänderten Anschauung über die Strafwürdigkeit die Rede sein könne.[20] Außerdem wurde § 2 Abs. 2 StGB nicht auf kurzfristige Strafverbote, sog. temporäre Strafgesetze, angewendet, deren Aufhebung oder Ablauf nicht auf einer Missbilligung der früheren Strafgesetzgebung beruhte, um zu vermeiden, dass die strafbewehrten Verbote gegen Ende ihrer Geltungszeit jegliche Wirkung verloren.[21] In der damaligen Literatur wurde allerdings sowohl die Abgrenzung der Rechtsprechung zwischen „außerstrafrechtlichen“ und „strafrechtlichen“ Bestandteilen als außerordentlich formalistisch kritisiert als auch die Sonderbehandlung für Zeitgesetze in Frage gestellt.[22]
III. Das Rückwirkungsverbot und das Milderungsgebot im Nationalsozialismus
12
Das Rückwirkungsverbot blieb auch in der Zeit des Nationalsozialismus grundsätzlich bestehen. Allerdings galten die Bestimmungen der Weimarer Verfassung nur noch als Sätze des einfachen Rechts fort und nur insoweit, als sie mit den Zielen des Nationalsozialismus übereinstimmten. Deshalb finden sich in der Zeit nach 1933 zahlreiche Gesetze, die eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots ausdrücklich anordneten. So wurde zunächst durch Art. 3 Nr. l des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933[23] die Vorschrift des § 2a StGB, ein Vorläufer des heute geltenden § 2 Abs. 6 StGB (dazu unten Rn. 83 ff.), eingefügt, in dem das Rückwirkungsverbot für Maßregeln der Besserung und Sicherung durchbrochen wird.
Sodann hat der nationalsozialistische Gesetzgeber mit Gesetz vom 28. Juni 1935[24] das Gesetzlichkeitsprinzip beseitigt und die zwingende Regelung über die Milderung des Gesetzes in eine Ermessensvorschrift (Absatz 2) geändert. Außerdem wurde eine Regelung über die Strafbarkeit bei Zeitgesetzen (Absatz 3) eingeführt, die der Sache nach bereits vor 1933 vorbereitet war,[25] weil bereits das Reichsgericht temporäre Strafgesetze, deren Aufhebung oder Ablauf nicht auf einer Missbilligung der früheren Strafgesetzgebung beruhte, aus dem Anwendungsbereich des Milderungsgebots ausgenommen hatte, obwohl § 2 RStGB keine entsprechende ausdrückliche Einschränkung enthielt.[26]
IV. Wiedereinführung des Milderungsgebots nach dem Zweiten Weltkrieg und Regelung im Einigungsvertrag
13
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches erließen die Besatzungsmächte im Londoner Abkommen vom 8. August 1945 sowie im Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 selbst teilweise rückwirkende Strafvorschriften.[27] Die deutschen Länderverfassungen und das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 knüpften für das Rückwirkungsverbot im Hinblick auf die Formulierung wie auch auf den Gehalt an den Stand der Weimarer Reichsverfassung an[28], und auch das Milderungsgebot wurde wieder eingeführt. Der durch das 3. StRÄndG eingeführte § 2 StGB (1953) lautete:
(1) | Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn die Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. |
(2) | Die Strafe bestimmt sich nach dem Recht, das zur Zeit der Tat gilt. Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburteilung ist das mindeste Gesetz anzuwenden. |
(3) | Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit erlassen ist, ist auf die während seiner Geltung begangenen Straftaten auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. |
(4) | Über Maßregeln der Sicherung und Besserung ist nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. |
Seine heutige Fassung erhielt § 2 StGB durch das EGStGB vom 2. März 1974.[29]
14
§ 2 StGB gilt nach dem Einigungsvertrag auch für Straftaten, die noch in der ehemaligen DDR begangen worden sind, modifiziert durch Art. 315 Abs. 1 bis 3 EGStGB.[30] Allerdings finden diese Absätze nach Art. 315 Abs. 4 EGStGB keine Anwendung für Taten, für die das deutsche Strafgesetzbuch aufgrund der allgemeinen Vorschriften über das Strafanwendungsrecht bereits vor dem 3. Oktober 1990 anwendbar war. Inzwischen ist diese Regelung weitestgehend bedeutungslos geworden.
7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts › § 30 Zeitlicher Geltungsbereich › B. Hauptteil
B. Hauptteil
I. Grundsätzliches
15
§ 2 StGB definiert den zeitlichen Anwendungsbereich des Strafgesetzes und regelt damit die Frage, welches Recht anwendbar ist, wenn sich nach der Tatbegehung die strafrechtlich relevante Rechtslage geändert hat. Dabei umfasst der praktische Anwendungsbereich des intertemporalen Strafrechts neben den Änderungen des Strafgesetzbuchs selbst, die sowohl auf Entkriminalisierung als auch auf Ausweitung und Verschärfung des Strafrechts gerichtet sein können, auch außerstrafrechtliche Regelungen, die durch Strafgesetze in Bezug genommen werden (blankettausfüllende Gesetze). Neben Rechtsänderungen innerhalb einer kontinuierlichen Ordnung bestimmt sich auch die Ablösung einer Rechtsordnung durch eine neue, wie dies mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik der Fall war, nach den Vorgaben des § 2 StGB.
II. Ausgestaltung des intertemporalen Strafrechts in § 2 StGB
16
§ 2 StGB regelt den zeitlichen Geltungsbereich der Straftatbestände mittels Einzelbestimmungen zur zeitlichen Geltung, die in ihrer Gesamtheit das intertemporale Strafrecht ausmachen.[31] Die Absätze 1 bis 4 regeln, ob und wonach der Täter bestraft werden kann; die Absätze 5 und 6 regeln, welche Nebenfolgen möglich sind. § 2 StGB greift ein, wenn es erst nach der Begehung der Tat zu einer Gesetzesänderung gekommen ist. Wenn ein Strafgesetz zwischen der Begehung und der Verurteilung einer Straftat geändert worden ist, stellt sich die Frage, welche der beiden Fassungen – das Gesetz zur Tatzeit oder das zur Entscheidungszeit – der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen ist (Rn. 18 ff.). Wenn das Strafgesetz zwischenzeitlich mehrfach geändert worden ist, stellt sich die Frage, ob und wie das Zwischengesetz zu berücksichtigen ist, obwohl es weder bei der Tatbegehung noch zurzeit der Entscheidung in Kraft war (Rn. 63).
1. Prinzipien des intertemporalen Strafrechts
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Im Rahmen des § 2 StGB kommen folgende vier Prinzipien zum Tragen: das Rückwirkungsverbot (§ 2 Abs. 1 und 2 StGB; siehe unten Rn. 39 ff. und Rn. 57 ff.), das Meistbegünstigungsprinzip (§ 2 Abs. 3 StGB; siehe unten Rn. 60 ff.), die Einschränkung des Meistbegünstigungsprinzips für Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB; siehe unten Rn. 77 ff.) und die Einschränkung des Rückwirkungsverbots für Maßregeln der Besserung und Sicherung im Interesse einer zeitgerechten Prävention (§ 2 Abs. 6 StGB; siehe unten Rn. 83 ff.).[32]