Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 19

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a) Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 StGB

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Der Gesetzesbegriff wird entsprechend der Ratio des Rückwirkungsverbots weit verstanden und erfasst das gesamte für das Ob und das Wie der Bestrafung maßgebliche Recht.[66]

b) Materielles Strafrecht

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Mit dem „Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt“, ist das gesamte sachliche Strafrecht gemeint, das die Zulässigkeit und die Art und Weise der Bestrafung bestimmt.[67] Dazu gehören unstreitig die Straftatbestände des Besonderen Teils einschließlich der Strafrahmen, auch wenn in § 2 Abs. 1 StGB nur von der „Strafe und ihre(n) Nebenfolgen“ und nicht von der Strafbarkeit die Rede ist. Auch Strafzumessungsregeln unterfallen § 2 StGB.[68]

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Sodann sind die Vorschriften des Allgemeinen Teils zu nennen,[69] von denen die Strafbarkeit abhängt, so z.B. die Vorschriften über den Versuch, §§ 22 bis 24 StGB,[70] über Täterschaft und Teilnahme, §§ 25 bis 31 StGB,[71] über Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, die im Strafgesetzbuch (§§ 32 bis 35 StGB)[72] oder im Bürgerlichen Gesetzbuch[73] geregelt sein können oder die als ungeschriebene Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe zu berücksichtigen sind. Weiterhin Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe.[74] Alle diese Regelungen bestimmen das Tatzeitrecht mit.[75]

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Erfasst sind weiterhin Verwertungsverbote nach dem Bundeszentralregistergesetz,[76] das Strafanwendungsrecht,[77] insbesondere die §§ 3 bis 7 StGB, da auch sie jedenfalls das Ausmaß der Geltung des sachlichen Rechts bestimmen,[78] sowie – wegen ihres Doppelcharakters als Strafaufhebungsgrund und Verfahrenshindernis – die Amnestie.[79]

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Außerdem gilt § 2 Abs. 1 StGB für die Regelungen des Allgemeines Teils, welche die Rechtsfolgen der Tat betreffen, so z.B. die Regelungen über die Anrechnung von Untersuchungshaft nach § 51 StGB[80] und die Bildung einer Gesamtstrafe aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe.[81] Als „Strafe und ihre Nebenfolgen“ gelten alle „staatlichen Maßnahmen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten enthalten“[82], so z.B. ehrengerichtliche Maßnahmen[83] oder jugendstrafrechtliche Sanktionen[84] (§§ 5 ff. JGG und 16a JGG[85]) sowie die Urteilsbekanntmachung und die Mehrerlösabführung (§§ 8 ff. WiStG), weiterhin die Kronzeugenregelung nach § 46b StGB.[86]

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Schließlich gehören zum gesamten sachlichen Rechtszustand die Ausfüllungsnormen von Strafblanketten[87] sowie sämtliche sonstigen außerstrafrechtlichen Bezugsnormen. Wenn eine außerstrafrechtliche Norm geändert wird und dies zu einer Verschärfung der Rechtslage führt, die zur Zeit der Tat nicht gegolten hat, ist stets auf das zur Zeit der Tat geltende mildere Recht abzustellen. Die Verschärfung darf sich nicht zu Lasten des Täters auswirken.

c) Strafverfahrensrecht

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Strafprozessuale Normen, welche die Verfolgbarkeit regeln, unterliegen nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur nicht dem Rückwirkungsverbot des § 1 StGB, da es schon nach dem Wortlaut auf die gesetzliche Bestimmtheit der Strafbarkeit, nicht aber der Verfolgbarkeit ankomme.[88] Daher sollen prozessrechtliche Vorschriften auch nicht zu den Gesetzen im Sinne des § 2 StGB gehören.[89] Dies soll insbesondere für rein formelle Ordnungsvorschriften des Prozessrechts gelten, die sich nicht gestaltend auf die Rechtsposition des Beschuldigten auswirken,[90] sowie für die Prozessvoraussetzungen.[91] Verfahrensvorschriften ergreifen hiernach grundsätzlich nach ihrem Inkrafttreten – vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Übergangsregelungen (vgl. Art. 308, 309 EGStGB) – ipso jure auch solche Verfahren, die bereits eingeleitet sind.[92] Der BGH hat bezüglich des Verfahrensrechts den Grundsatz aufgestellt:[93] „Neues Verfahrensrecht gilt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch für bereits anhängige Verfahren. Es erfasst sie in der Lage, in der sie sich beim Inkrafttreten der neuen Vorschriften befinden; anhängige Verfahren sind nach diesen weiterzuführen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Rechtsvorschriften, die das Verfahren des Gerichts regeln, sondern auch für Bestimmungen, welche die Stellung von Verfahrensbeteiligten im Prozess, ihre Befugnisse und Pflichten betreffen, sowie für Vorschriften über die Vornahme und Wirkungen von Prozesshandlungen hängt nicht vom Ort der gesetzlichen Regelung ab, sondern allein von deren Charakter.“

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Die Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist nach Begehung der Tat – vorbehaltlich besonderer Regelungen (vgl. Art. 309 EGStGB) – nicht dem Rückwirkungsverbot unterliegt und deshalb zu Lasten des Täters zu berücksichtigen ist. Sie soll in jedem Fall zurückwirken, sei es nach prozessrechtlichen oder sachlich rechtlichen Grundsätzen.[94] Abweichend vom früheren Recht[95] kann die mit einer Verkürzung der Verjährungsfrist verbundene Milderung des sachlichen Rechts eine nach altem Recht wirksame Unterbrechung der Verjährung allerdings nicht mehr gegenstandslos machen (§ 78c Abs. 5 StGB). Gleiches soll für eine rückwirkende Änderung des Strafantragserfordernisses gelten.[96]

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Demgegenüber nimmt ein Teil der Literatur an, grundsätzlich unterliege das gesamte Verfahrensrecht und damit auch § 2 Abs. 1 StGB dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.[97] Das Zugriffsrecht des Staates auf den Straftäter dürfe nach Begehung der Tat nicht ausgedehnt werden.[98] Hiervon sollen nur Vorschriften ausgenommen sein, die ausschließlich den formalen Verfahrensablauf und die Einrichtung der Gerichte betreffen.[99]

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Eine zunehmend an Boden gewinnende Meinung in der Literatur[100] will zumindest Verfahrensvoraussetzungen dem Rückwirkungsverbot unterwerfen, soweit ihnen Strafwürdigkeits- oder Strafbedürftigkeitserwägungen zugrunde liegen,[101] bzw. wenn der Gesetzgeber eine Neubewertung der Tat durch die Gesetzesänderung vorgenommen hat.[102] Denn die einfach-rechtliche Unterscheidung zwischen Strafrecht und Strafprozessrecht, zwischen Strafbarkeit und Verfolgbarkeit ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Art. 103 Abs. 2 GG nicht verbindlich. Auszugehen ist vielmehr von der staatstheoretisch-verfassungsrechtlichen Wurzel des „nulla-poena“-Prinzips und dessen Ratio, die im Verbot der nachträglichen Umbewertung einer Tat zu Lasten des Täters zu sehen ist. Geht man bei der Verjährung davon aus, dass sie auch materiell-rechtlichen Charakter hat, weil sie nach der Schwere des Delikts, dem vom Gesetzgeber angedrohten Strafrahmen abhängig ist, unterliegt sie Art. 103 Abs. 2 GG und damit auch § 2 Abs. 1 StGB.[103]

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Gleiches muss für die rückwirkende Beseitigung des Strafantragserfordernisses gelten, weil hierdurch ein staatliches Bestrafungsrecht erst nachträglich geschaffen wird.[104] Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Strafantragsfrist abgelaufen ist. Weiterhin muss Art. 103 Abs. 2 GG Anwendung finden, wenn durch das neue Gesetz das Strafbedürfnis höher als zuvor eingestuft wird, so wenn die Geringfügigkeit der Verfehlung nicht mehr anerkannt und das Strafantragserfordernis aus diesem Grund aufgehoben wird oder wenn besondere persönliche Beziehungen zum Opfer Grundlage des Strafantragserfordernisses sind. Die Aufhebung des Strafantragserfordernisses bedeutet in diesen Fällen eine Veränderung in der Bewertung der Delikte. Hingegen bleibt die Tatbewertung unberührt, wenn allein Geheimhaltungsinteressen der Opfer für nicht mehr schützenswert gehalten werden oder das Strafantragsrecht, das bestimmten Fachbehörden wegen ihres besseren Überblicks über die Notwendigkeit der Strafverfolgung zugewiesen ist, aufgehoben wird. In diesen Fällen wirkt sich eine nachträgliche Änderung des Strafantragserfordernisses nur mittelbar auf den Straftäter aus: Die Bewertung der Tat selbst bleibt dadurch unberührt.

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Bei den Vorschriften über die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen ist zwischen der Einstellung nach § 153a und nach § 153 StPO zu unterscheiden: Die Einstellung des Verfahrens bedeutet einen Verzicht auf Strafe, wird aber im Rahmen eines kriminalpolitischen Gesamtkonzepts abgestufter strafrechtlicher Interventionen zur strafrechtlichen Sanktion, wenn bei § 153a StPO Auflagen verhängt werden, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Hingegen handelt es sich bei den Weisungen um Maßregeln der Besserung und Sicherung, auf die der „nulla-poena“-Satz nicht anwendbar ist. Allerdings beinhaltet § 153 StPO keine gesetzgeberische Entscheidung, dass Bagatellverstöße nicht strafbar sind. Diese Regelung trägt vielmehr dem Problem der begrenzten Ressourcen bei der Strafverfolgung Rechnung. Da dadurch keine Entscheidung über die fehlende Strafbedürftigkeit von Bagatell-Delikten getroffen wird, kann sich eine nachträgliche Einschränkung der Einstellungsmöglichkeiten nicht als verschärfende Rückgängigmachung einer Tatbewertung auswirken.[105]

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Soweit außerstrafrechtliche Beweisvermutungen und Beweislastregeln durch Strafgesetze ohne Verstoß gegen die Unschuldsvermutung in Bezug genommen werden können,[106] unterliegen auch diese Art. 103 Abs. 2 GG. Dies gilt gleichermaßen für eine Änderung der Promille-Grenze bei § 316 StGB.[107] Hingegen dienen Beweisverbote dem Schutz außerprozessualer Interessen und Rechte des Beschuldigten, die von Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst werden.[108]

d) Änderungen der Rechtsprechung

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Die Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbots auf die strafrechtliche Rechtsprechung ist umstritten.[109] Rechtsprechung und h.M. in der Literatur wenden auf Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 2 StGB nicht an, da Art. 103 Abs. 2 GG nur „gesetzliche“ Bestimmtheit fordere.[110] Diese Problematik ist insbesondere anhand der Änderung der Rechtsprechung zum Begriff der absoluten Fahruntüchtigkeit in § 316 StGB diskutiert worden: Eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat die Herabsetzung der Promillegrenze von 1,3‰ auf 1,1‰ durch den BGH mit der Begründung gebilligt, die Gerichte seien nicht gehindert, bestimmte Sachverhalte aufgrund neuer tatsächlicher Erkenntnisse als tatbestandsmäßig zu qualifizieren.[111] Damit liegt der Umkehrschluss nahe, Änderungen des strafrechtlichen Unwerturteils durch die Rechtsprechung seien dem Rückwirkungsverbot zu unterwerfen: Wenn ein Gesetz erst durch eine konkretisierende Rechtsprechung hinreichend bestimmt wird, müssten Änderungen der Rechtsprechung zulasten des Betroffenen konsequenterweise auch dem Rückwirkungsverbot unterfallen.[112] Allerdings darf die Anerkennung der gesetzesergänzenden Funktion der Rechtsprechung nicht zur Gleichsetzung von Rechtsprechung und Gesetzgeber führen, denn gewisse Auslegungsspielräume sind der Rechtsprechung als fallorientierter Entscheidungsinstanz eigen.[113] Gleichwohl dürfte das Bundesverfassungsgericht[114] einen Wandel eingeläutet haben, weil es bei der Präzisierung unscharfer Tatbestandsmerkmale durch die Rechtsprechung dem Vertrauensschutz bei Rechtsprechungsänderungen gesteigerte Bedeutung beimisst. Entsprechend sollte das Rückwirkungsverbot auf (unangekündigte) Änderungen der Bewertungsgrundlage einer gefestigten Rechtsprechung angewendet werden, die das Risiko einer Bestrafung für einen informierten Durchschnittsadressaten ausgeschlossen erscheinen lassen.[115]

e) Geltung des Gesetzes „zur Zeit der Tat“

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Die Geltung eines Gesetzes „zur Zeit der Tat“ (§ 2 Abs. 1 StGB) ist gleichbedeutend mit der Geltung „während der Begehung der Tat“ (vgl. § 2 Abs. 2 StGB). Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (§ 8 S. 1 StGB). Zu welchem Zeitpunkt der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt, ist – anders als für den Beginn der Verjährung (§ 78a S. 2 StGB) – nicht maßgebend (§ 8 S. 2 StGB).[116] Denn Strafrechtsnormen als „Bestimmungsnormen“ müssen ihre verhaltensregulierende Kraft spätestens bis zum Zeitpunkt des strafbaren Handelns entfalten.[117]

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Die Tatbegehung beginnt mit dem mit Strafe bedrohten Versuch; ein Handeln oder Unterlassen im straflosen Vorbereitungsstadium genügt nicht. Ist der Versuch nicht strafbar, so ist auf den Beginn des tatbestandsmäßigen Verhaltens abzustellen. Bei mehreren Beteiligten kommt es auf die Handlung jedes Einzelnen an, so dass für einen Gehilfen, der seinen Beitrag im Vorbereitungsstadium leistet, das zu diesem Zeitpunkt geltende Gesetz maßgebend ist.[118]

f) Änderungen der Strafbarkeit während der Begehung der Tat

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Gesetzesänderungen, welche die Strafbarkeit betreffen und zu einer Verschärfung führen, unterfallen § 2 Abs. 1 StGB[119] und nicht § 2 Abs. 2 StGB, der nach h.M. nur Änderungen der Strafart und Strafhöhe (Rn. 44) betrifft. Wenn ein bestimmtes Verhalten erst während seines Vollzuges durch Gesetzesänderung strafbar wird, darf der Täter nur bestraft werden, wenn sein Verhalten nach der Gesetzesänderung noch sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt.[120] Tätigkeiten, die zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden sind, als sie noch nicht strafbar waren, müssen auch nach der Gesetzesänderung straffrei bleiben und dürfen nicht über Rechtsfiguren wie die natürliche oder rechtliche Handlungseinheit in die Strafbarkeit einbezogen werden,[121] so etwa bei der Vorteilsannahme bei Drittbegünstigung nach § 331 StGB, wenn die Grundvereinbarung zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch straflos und erst bei Annahme der Vorteile strafbar war.[122] Hierin läge ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Eine Änderung strafbegründender Merkmale kann nur die Teilakte erfassen, bei deren Begehung das neue Gesetz bereits in Kraft war.[123] Die Berücksichtigung von Änderungen der Strafhöhe während der Begehung der Tat bestimmen sich nach § 2 Abs. 2 StGB.

4. Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 StGB: Änderungen der Strafart und Strafdrohung zwischen Beginn und Beendigung der Tat

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§ 2 Abs. 2 StGB regelt die Frage, welche Tatzeit zugrunde zu legen ist, wenn die Strafart oder Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert wird. Diese Regelung, die § 2 Abs. 1 StGB ergänzt, hat Bedeutung für zeitlich gestreckte Tatbestandsverwirklichungen, insbesondere für Dauerdelikte, bei denen Einzelakte oder die Begründung eines rechtswidrigen Zustandes in den zeitlichen Geltungsbereich verschiedener Gesetze fallen können, sowie bei Zustandsdelikten. Hier ist es notwendig, der Einheitlichkeit der Dauer- oder Zustandsstraftat durch eine einheitliche Beurteilung auch bei der Rechtsanwendung Rechnung zu tragen.[124] In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts[125] stellt § 2 Abs. 2 StGB auf das bei Beendigung der Handlung geltende Gesetz ab.[126]

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Die Strafdrohung muss sich während der Begehung der Handlung geändert haben, nämlich gemildert oder verschärft worden sein.[127] Die Anwendung auch strengeren Rechts soll sich daraus legitimieren, dass die Handlung zeitlich in den Geltungsbereich der verschärften Sanktion hineinreicht und der Täter deshalb mit der strengeren Ahndung rechnen musste.[128] Jedoch dürfen die Teilakte, die vor der Sanktionsverschärfung lagen, bei der Strafzumessung nur mit dem Gewicht berücksichtigt werden, das ihnen schon vor der verschärfenden Gesetzesänderung zukam.[129] Dies gilt auch dann, wenn ein verbotenes Verhalten vom Gesetz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt als Ordnungswidrigkeit eingestuft war und erst danach als Straftat qualifiziert wurde.[130] Da es sich hierbei um einen Vorgang der Strafbegründung handelt, dürfen die der Rechtsänderung vorausgegangenen Teilakte auch bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden.[131] Wird ein Straftatbestand in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt, so ist gemäß § 2 Abs. 2 StGB i.V.m. § 4 OWiG die Geldbuße zu verhängen.[132]

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Grundsätzlich ist nach § 2 Abs. 2 StGB die bei Beendigung der Tat geltende Strafdrohung maßgeblich.[133] Für den Begriff der Beendigung der Tat kommt es auf den Zeitpunkt des letzten Teilaktes der Straftat an.[134] Bei Zustandsdelikten, wie den Eigentums- und Vermögensdelikten, den Körperverletzungsdelikten und der Personenstandsfälschung, führt der Täter einen rechtswidrigen Zustand herbei, mit dem die Tat abgeschlossen ist; die Aufrechterhaltung des durch die Tat geschaffenen Zustandes hat keine selbstständige strafrechtliche Bedeutung.[135] Daher sind Gesetzesänderungen, die nach Eintritt des rechtswidrigen Zustands eintreten, nicht zu berücksichtigen. Erst wenn durch das Untätigbleiben die Gefahr oder der Schaden vergrößert wird, kommt eine Fortsetzung durch unechtes Unterlassen in Betracht.[136] Demgegenüber enden Dauerdelikte, wie die Freiheitsberaubung, die fortdauernde Nötigung oder die Trunkenheitsfahrt erst mit der Aufhebung des rechtswidrigen Zustandes. Die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes bedeutet hier eine Intensivierung des Eingriffs.[137] Daher gehören sowohl Handlungen, die den Zustand schaffen, aufrechterhalten und schließlich abbrechen, als auch Unterlassungen, die ihn nicht beenden, zum tatbestandsmäßigen Verhalten,[138] soweit der Täter noch Einfluss auf das Geschehen hat.[139] Solange der vom Täter geschaffene rechtswidrige Zustand in die Geltungszeit des neuen Gesetzes hineinreicht, ist dieses Gesetz bei Dauerdelikten anzuwenden. Dies gilt für Verschärfungen sowohl der Strafbarkeit als auch der Strafhöhe sowie dann, wenn der weitaus überwiegende Teil der Dauerstraftat unter der Geltung der milderen Strafdrohung verübt worden ist. Der Tatrichter hat diese Besonderheit bei der Strafzumessung zu berücksichtigen; insoweit gilt bezüglich des vor der Gesetzesänderung liegenden Verhaltens auch das Rückwirkungsverbot.[140]

5. Regelungsgehalt des § 2 Abs. 3 StGB: Meistbegünstigungsprinzip

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Gemäß § 2 Abs. 3 StGB ist für den Fall, dass zwischen dem Zeitpunkt der Tatbegehung und dem Zeitpunkt der Entscheidung eine Änderung des Gesetzes vorgenommen worden ist, das mildeste Gesetz anzuwenden.[141]

a) Anwendung des mildesten Gesetzes bei Gesetzesänderungen zwischen Beendigung der Tat und Entscheidung

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§ 2 Abs. 3 StGB begründet ein Rückwirkungsgebot für das mildeste Gesetz. Diese „Meistbegünstigungsklausel entspricht der Regelung in Art. 15 Abs. 1 S. 3 IPbpR und der in Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh, wonach es dem Täter zugutekommt, wenn das Gesetz nach Begehung der Straftat eine leichtere Strafe vorsieht.[142] Das Gebot der Rückwirkung des mildesten Gesetzes ist bereits nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 StGB obligatorisch. Die Einschränkung des Reichsgerichts, die Gesetzesänderung müsse auf einer „geläuterten Rechtsauffassung“ beruhen, hat der BGH zu Recht aufgegeben[143] und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass das Rückwirkungsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt und dem Prinzip des Vertrauensschutzes, dem Willkürverbot sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt.[144] Mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, wäre es unvereinbar, eine Sanktion zu verhängen, die in ihrer Existenz oder Strenge nicht mehr vom Willen des parlamentarischen Gesetzgebers gedeckt ist.[145]

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Auch bei milderen Zwischengesetzen sind diese Gerechtigkeitsvorstellungen von Bedeutung: Dem Betroffenen darf die ihm günstigere Gestaltung der Rechtslage durch ein milderes Zwischengesetz nicht nachträglich entzogen werden. Auch wenn überwiegend dem Milderungsgebot kein Verfassungsrang beigemessen wird, so dass der Gesetzgeber im Einzelfall abweichende Regelungen treffen könne,[146] kann dies nicht bedeuten, dass eine solche Entscheidung im Belieben des Gesetzgebers stünde.[147] Denn die Berücksichtigung des mildesten Zwischengesetzes stellt ein Problem der Willkürfreiheit und des allgemeinen Vertrauensschutzes, beide Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips,[148] dar. Dies bedeutet, dass im Falle einer nur kurzfristigen Ahndungslücke infolge eines Fehlers des Gesetzgebers das mildeste Gesetz ausnahmsweise nicht zur Anwendung kommen muss.[149] Erforderlich ist allerdings, dass der Gesetzgeber den Fehler nachträglich behebt. Schließlich wird die Nichtberücksichtigung einer zwischenzeitlichen Gesetzesaufhebung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes problematisch, wenn die Straflosigkeit über eine längere Zeitspanne besteht[150] und nicht nur wenige Wochen andauert.[151] Außerdem ist das durch Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh garantierte Milderungsgebot zu beachten, das keine Einschränkungen kennt.[152]

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