Kitabı oku: «Die Flüchtlinge sind da!», sayfa 2
Integration durch Schule, Integration durch Bildung
Zugewanderte Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule. Hier knüpfen sie soziale Kontakte, finden neue Freunde und in Lehrerinnen und Lehrern im Idealfall wichtige Bezugspersonen. Neue Freunde können aus dem gleichen Land stammen und in der gleichen Situation sein, was Zugehörigkeit und emotionale Unterstützung angeht. Hinzugewonnene Freunde aus anderen Kulturkreisen helfen bei der Entdeckung der neuen Umgebung und erleichtern die Integration. Diese kulturelle Mischung findet sich nur an einer Schule.
Freunde und soziale Bindungen, aber auch der klar strukturierte Unterricht und feste Regeln machen die Schule zu einem sicheren Ort. »Die Flüchtlingskinder wollen keine Extrabehandlung, sie wünschen sich nur ein ganz normales Leben. Und so sollten sie auch angekündigt und behandelt werden: als neue Mitschüler, die jetzt bei uns lernen möchten« (Greiner 2016). So können Kinder und Jugendliche durch die Alltagsnormalität ihre traumatisierenden Erlebnisse im Laufe der Zeit mit positiven Erfahrungen überschreiben. Das erhöht die Selbstsicherheit und das Vertrauen in System und Gesellschaft.
Eine gute Schule vermittelt Wissen, Sprache und Sozialkompetenz. Nur so ist der spätere Integrationsfaktor Arbeit erreichbar: Die Schule ermöglicht eine Lehre, eventuell ein Studium und/oder eine Hochschullaufbahn. Wer in die Arbeitswelt integriert ist, hat ein festes Einkommen, soziale Kontakte und einen geregelten Alltag. Deshalb ist Schule eine sehr gute Basis für gelingende Integration. Die Kosten dafür machen sich mehrfach bezahlt, wenn Flüchtlinge nicht in prekäre Verhältnisse oder gar Langzeitarbeitslosigkeit verfallen, wie Bildungsökonomen des Ifo-Instituts München für das WDR-Magazin Monitor ausgerechnet haben:
Von einer Million Flüchtlingen sind nach der 2015 verwendeten Statistik 174 000 schulpflichtig. Ein Schulplatz kostet im Jahr inklusive Fördermaßnahmen 7900 Euro – das macht insgesamt 1,4 Milliarden Euro, was 2,3 Prozent aller Ausgaben für die Schulen (60 Milliarden) entspricht. Wird das Geld im Bildungssystem nicht investiert, muss es an anderer Stelle als Ausgabeposten im Sozialsystem trotzdem veranschlagt werden.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verlangt, die Bildungsangebote quantitativ und qualitativ auszubauen – von der frühkindlichen über die schulische und berufliche bis zur Hochschulbildung. GEW-Vorsitzende Marlis Tepe macht deutlich, dass die Debatte auf das Thema »Bildung in der Migrationsgesellschaft« insgesamt erweitert werden müsse. »Bildung kann nicht warten! Bildung ist der Schlüssel für gelingende Integration«, sagt Tepe. »Gute Bildung für alle Menschen ist die beste Voraussetzung, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken, soziale und politische Teilhabe zu ermöglichen, Zugang zum Arbeitsmarkt zu schaffen und für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft zu sorgen« (GEW 2016).
So viel zur Theorie – doch wie sieht die Praxis aus?
Die internationalen Schulleistungsstudien IGLU und PISA, die auch einen Einblick in die Ursachen des schlechteren Abschneidens junger Migrantinnen und Migranten im deutschen Schulsystem ermöglichen, zeigen: In Deutschland gestaltet sich die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund ins Schulsystem besonders problematisch. Bereits in der Grundschule bestehen Unterschiede im Kompetenzniveau zwischen Lernenden mit und ohne Migrationshintergrund. Diese Unterschiede nehmen dann im Laufe des Sekundarbereichs noch einmal deutlich zu. Eine besondere Rolle bei der Erklärung der Unterschiede spielen der soziale Hintergrund der Schülerinnen und Schüler sowie das Ausmaß des Gebrauchs der deutschen Sprache innerhalb der Familien (vgl. Siegert 2008).
Die Daten aus amtlicher Bildungsstatistik (Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg), Schulleistungsstudien wie IGLU und PISA (schulische Kompetenzen) sowie dem Mikrozensus (allgemeines Bildungsniveau der deutschen Bevölkerung) zeigen: Ausländische Lernende gehen seltener auf Realschulen oder Gymnasien als deutsche, dafür aber deutlich häufiger auf Haupt- und Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Ausländische Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule deutlich häufiger ohne einen allgemeinbildenden Schulabschluss als deutsche. Darüber hinaus erzielen sie häufiger einen Hauptschulabschluss und seltener einen Realschulabschluss oder die Fach- oder Allgemeine Hochschulreife (vgl. Siegert 2008).
Anhand des Mikrozensus 2006 lässt sich zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund deutlich häufiger über keinen allgemeinen Bildungsabschluss verfügen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Hinsichtlich der vorliegenden Bildungsabschlüsse sind die Unterschiede dagegen eher gering (vgl. Siegert 2008). Aber nicht nur Deutschland bescheinigt die OECD strukturelle Schwächen im Bildungssystem für Migrantinnen und Migranten: In den meisten europäischen Ländern haben Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien einen weniger günstigen sozioökonomischen Hintergrund als einheimische, auch der Bildungsstand der Eltern ist geringer.
Volle Klassen, zu wenig Personal: In vielen Grundschulen ist die Klassenobergrenze von 29 Kindern erreicht. »Zu volle Klassen gefährden den Bildungsauftrag der Grundschulen und führen angesichts der großen Herausforderung der inklusiven Beschulung von Kindern mit und ohne Handicap und zugewanderten Kindern zu weniger anstatt mehr Bildungsgerechtigkeit«, sagt Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Nordrhein-Westfalen (VBE Nordrhein-Westfalen 2016). Grundschulen hätten den Auftrag, alle schulpflichtigen Kinder eines Jahrgangs aufzunehmen und sie dem Grad ihrer individuellen Entwicklung entsprechend zu fördern. In manchen Bezirken von Berlin werden aber beispielsweise immer wieder Flüchtlingskinder abgelehnt, weil es nicht genügend Plätze in den überfüllten Willkommensklassen gibt. »Der Verteilungszufall entscheidet über den Bildungserfolg«, sagt Tobias Klaus von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, denn das Grundrecht auf Schulbesuch wird in jedem Bundesland unterschiedlich ausgelegt (Reiter 2015).
Darüber hinaus müssen Lehrerinnen und Lehrer in Willkommensklassen ihre Unterrichtsmaterialien immer noch mühsam zusammensuchen – geeignete Schulbücher, die Altersstruktur, ethnische Herkunft und die unterschiedlichen Sprachstände abbilden, gibt es bislang kaum.
Auch das Personal in den Schulen ist knapp: Fast 1000 der 3000 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen haben laut Landesregierung keinen Sonderpädagogen angestellt, sollen aber sonderpädagogisch präventiv besonders fördern (VBE Nordrhein-Westfalen 2016). Bundesweit kommt rein rechnerisch lediglich ein Schulpsychologe zurzeit auf 8600 Kinder (Podium der Körber-Stiftung 2015).
Passen die Flüchtlinge in unser Ausbildungssystem?
Die Erhebungen zum Bildungsstand Zugewanderter sind ernüchternd. »Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Mehrheit der jungen Flüchtlinge an einer drei Jahre langen Vollausbildung mit hohem Theorieanteil scheitern würde. Laut Handelskammer München und Oberbayern haben 70 Prozent der Auszubildenden aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, die vor zwei Jahren eine Lehre begonnen haben, diese bereits wieder abgebrochen. Darum müssen wir ihnen andere Angebote machen; ihnen mehr Ausbildungsbegleiter an die Seite stellen; über teilqualifizierende Ausbildungen nachdenken, die stärker die praktischen Fähigkeiten betonen und die theoretischen Grundlagen begrenzen. Es gibt schon solche Berufe, etwa den Krankenpflegehelfer. Ähnliches muss auch in anderen Branchen möglich sein, bei Maurern zum Beispiel. Wir brauchen mehr einjährige Qualifikationen – mit der Möglichkeit, diese später in eine Vollausbildung auszuweiten«, sagt Bildungsökonom Ludger Wößmann (Wiarda 2015). Die Integration ist eine große Herausforderung, aber nicht nur für die Aufnahmegesellschaft, sondern auch für die Flüchtlinge selbst. Viele sind motiviert, berichten Pädagoginnen und Pädagogen. »Wie polnische, syrische, kurdische und albanische Kinder mit Feuereifer gemeinsam Deutsch lernen, hat mich tief beeindruckt«, sagt auch die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Marlies Tepe, nach einer Rundreise durch Deutschlands Willkommensklassen. Laut OECD sind Einwanderer der ersten Generation wegen des mit der Einwanderung verbundenen Optimismus grundsätzlich zur Integration motiviert. Es wird jedoch auch immer wieder von Schülerinnen und Schülern berichtet, die anstreben, sich in das soziale Sicherungsnetz Deutschlands fallen zu lassen.
Aus der Geschichte lernen
Als in den 1960er Jahren überwiegend italienische Gastarbeiter in die Bundesrepublik und vietnamesische Gastarbeiter in die DDR kamen, ging die Politik davon aus, dass sie eines Tages in ihre Heimat zurückkehren würden. Es kam anders: Drei Millionen Migrantinnen und Migranten blieben in Deutschland – und holten ihre Familien nach. Statt konzeptorientierter Integrationspolitik gab es jahrzehntelang vorwiegend sogenannte Ausländerpolitik, die kaum mehr war als Arbeitsmarktpolitik, angewendet auf Ausländer. Die Versäumnisse in der Integration bestanden auf beiden Seiten – die Aufnahmegesellschaft ignorierte die neuen Mitbürginnen und Mitbürger, die Arbeitswanderer ignorierten in vielen Fällen die Aufnahmegesellschaft (vgl. Bade 2007). Das sollten wir alle nun besser machen und den Wandel aktiv gestalten.
Zu Besuch beim Verein »Schüler Treffen Flüchtlinge e. V.«

Ein Dienstagmorgen in der Georg-Klingenberg-Schule in Berlin-Biesdorf, einer Integrierten Sekundarschule (ISS), die als Schulform in Berlin seit 2010 Haupt-, Real- und Gesamtschule zusammenführt.
Normalen Unterricht gibt es diese Woche in der Klingenberg-Schule nicht, denn die Schülerinnen und Schüler arbeiten im Rahmen der Projektwoche in besonderen Arbeitsgruppen. In Raum 404 haben sie sich zum Projekt »Flucht und Vertreibung« versammelt und begrüßen als Gäste unter anderem Ahmed, 19 Jahre alt, aus Syrien, und Othman, 28 und aus dem Irak. »Wir haben an unserer Schule keine eigene Flüchtlingsklasse und auch kaum Kinder mit Migrationshintergrund«, sagt Monika Kassner, Referendarin an der ISS und eine der Betreuerinnen des Projekts. In der Fachkonferenz Ethik hatte sie zusammen mit ihren Kolleginnen Caroline Gruhne und Anja Pribbenow überlegt, wie sich der Projektwochenschwerpunkt »Buntes Berlin« mit dem aktuellen Flüchtlingsthema in Verbindung bringen lässt. Und auch, wie man Schülerinnen und Schülern vermitteln kann, dass es Flucht und Wanderungsbewegungen in der Geschichte eigentlich schon immer gab und sie deshalb als Phänomen nicht neu, sondern völlig normal sind.
Bild rechts: Joshua Kriesmann, Helen Schmitz und Paula Fredrich von »Schüler Treffen Flüchtlinge e. V.«
So sind an diesem Morgen mehrere ältere Berlinerinnen und Berliner dabei, die als Zeitzeugen von den Flüchtlingsströmen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs berichten können – und eben Ahmed und Othman, die beide erst seit einigen Monaten in Deutschland leben. Den Kontakt zu den beiden Flüchtlingen hat der gemeinnützige Verein »Schüler Treffen Flüchtlinge e. V.« hergestellt, der von Lernenden des europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner in Berlin-Reinickendorf gegründet wurde. Helen Schmitz und Paula Fredrich, beide 16 Jahre alt, sind in diesem Verein aktiv und begleiten Ahmed und Othman heute. In kleinen Tischgruppen sitzen sie jeweils mit einigen der Acht- und Neuntklässler von der ISS zusammen und helfen, die erste Scheu beim Kontakt zu den jungen Männern aus Syrien und dem Irak zu überwinden. Die Schülerinnen und Schüler haben sich Fragen aufgeschrieben.
»Mit wem sind Sie geflohen?«, wollen sie von Ahmed wissen. »Wie war die Flucht? Haben Sie einen Schaden davongetragen? Hatten Sie Essen und Trinken dabei?« Der 19-jährige Syrer überlegt kurz, bevor er antwortet. Er sei mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen, berichtet er. Und es gebe viele, sehr viele schlechte Erinnerungen, die ihn immer wieder bedrücken. Der Hunger und die Frage der Versorgung sei da eher das kleinere Problem gewesen. Andererseits habe er seit seiner Ankunft in Deutschland keine Benachteiligung erlebt und sei sehr dankbar, dass er jetzt in Sicherheit sei.
»Viele Schüler haben hier schon ganz bestimmte Vorurteile Flüchtlingen gegenüber“, erzählt eine Lehrerin unterdessen. Diese drehen sich um die Belästigung von Frauen und den Diebstahl von Handys, und genau an diesem Punkt will die Projektwoche ansetzen, um bisherige Denkgrenzen aufzusprengen. In den Gesprächsrunden kann man sehen, dass das Konzept aufgeht: Nachdem die anfängliche Zurückhaltung überwunden ist, kommt schnell ein Gespräch zustande, bei dem die ISS-Lernenden sich voller Stolz bemühen, bei Verständnisproblemen auf Englisch weiterzufragen.
Am Tisch nebenan erzählt Othman von seiner Flucht vor der Terrormiliz »Islamischer Staat« aus dem Irak. Sein Leben geriet in Gefahr, weil er den Familiennamen Mohammed trägt – und damit in den Augen der Fundamentalisten Gotteslästerung begeht. Seit dem 3. Oktober 2015 ist Othman in Deutschland, »um ein neues Leben zu beginnen und alles Schlimme hinter mir zu lassen«. Schnell wird klar: Für die Schülerinnen und Schüler der Projektgruppe ist dies eine willkommene Gelegenheit, das Thema Flucht und Vertreibung ganz genau zu hinterfragen und einen eigenen Zugang zu Betroffenen zu finden.
Genau das ist auch das Ziel des Vereins »Schüler treffen Flüchtlinge e. V.« (STF). »Wir haben festgestellt, dass es bei unseren Mitschülern eine große Hilfsbereitschaft und ein riesiges Interesse am Thema Flucht und Flüchtlinge gibt«, erzählt STF-Vorsitzender Joshua Kriesmann. Doch der Wunsch, im Schulalltag mehr dazu zu machen, scheitere oft an Unsicherheiten der Schulleitung und daran, dass engagierte Lehrerinnen und Lehrer ohnehin schon viel zu tun haben. »Also haben wir gedacht: Da müssen wir Schüler selbst ran«, sagt Joshua. Zusammen mit anderen Aktiven der Schülervertretung wurde im September 2015 zunächst eine Sammelaktion für eine Flüchtlingsunterkunft gestartet, die auf viel Resonanz stieß. »Wir haben dann solche Unterkünfte besucht und festgestellt, dass sie in erster Linie normalerweise keine Spenden brauchen, sondern sich besonders über soziale Kontakte freuen«, sagt Helen Schmitz, »oft geht es dabei um Zeit: zum Beispiel, um mit den Kindern zu spielen, damit die Eltern ungestört Deutsch lernen können.« Hochmotiviert suchten die Schülerinnen und Schüler des europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner nach Mitstreitern – und waren schnell erfolgreich. »Im Kernteam der Initiative sind wir zu fünft aktiv, drei weitere Mitschüler unterstützen die Projektplanung – und dann gibt es alleine an unserer Schule noch 40 bis 50 Unterstützer, die vom Deutschunterricht über die Kinderbetreuung, von den Gesprächen mit Flüchtlingen in anderen Schulen bis zur Hilfe in den Willkommensklassen aktiv sind«, erzählt Dorothea Bähr vom STF-Vorstand.
Aus der lockeren Initiative wurde kurz darauf ein richtiger Verein, um dem Ganzen mehr Struktur zu geben. Denn neben Sammelaktionen und konkreter Hilfe für Flüchtlinge und Flüchtlingskinder wollen die STF-Akteurinnen und -Akteure ihre Idee auch an andere Schulen weitertragen und damit neue Formen der Begegnung möglich machen. »Unser Ziel ist es, an möglichst vielen Schulen ähnliche Teams zu etablieren, die dann ihrerseits Aktivitäten entwickeln und Hilfe organisieren«, sagt Joshua Kriesmann. Im Moment steht die Organisation eines Fußballturniers für Willkommensklassen aus ganz Berlin auf dem Plan, außerdem ein Training für Flüchtlingskinder beim Basketball-Bundesligisten Alba Berlin. Ein gemeinsames Koch-Event unter dem Titel »STF kocht!«, bei dem deutsche Schülerinnen und Schüler und Flüchtlingskinder zunächst in der Küche aktiv waren und anschließend einen langen, gemeinsamen Abend miteinander verbrachten, gab es schon.
Diese Idee von STF war so überzeugend, dass auch die Jury des von der Bertelsmann-Stiftung ausgelobten Jugendintegrationswettbewerbs »Alle Kids sind VIPs« auf den Verein aufmerksam wurde und STF im Frühjahr 2016 mit einem Preis bedachte. Mit dem Wettbewerb unter der Schirmherrschaft von Staatsministerin Aydan Özoguz, der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zeichnet die Stiftung Jugendliche zwischen elf und 21 Jahren aus, die sich für Vielfalt an der Schule einsetzen und ehrenamtlich engagieren. »Der Verein wurde von Jugendlichen selbst gegründet und wird von ihnen eigenverantwortlich geleitet, alle Aktivitäten planen und führen sie selber durch«, lobt die Jury die Arbeit der STF-Aktiven. Dabei werde nicht nur den Flüchtlingen konkret geholfen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft unterstützt, »sondern das gemeinsame Tun verbindet sie mit einheimischen Jugendlichen, die ebenfalls Neues lernen – aus der Gemeinsamkeit wächst Vertrauen und somit stärkt die Initiative Integration und Zusammenhalt«, heißt es in der Laudatio. Gleichzeitig aber seien Aktionen wie das gemeinsame Kochen so einfach gehalten, dass sie ohne großen Aufwand auch von anderen Schulen und Vereinen übernommen werden können. »Helfen, Lernen, Verstehen – darum geht es uns«, sagt Joshua Kriesmann. Eine Idee, die ankommt: Neben der praktischen Hilfe durch Mitschülerinnen und Mitschüler gab es schon Geldspenden, etwa von einer Schülerin, die spontan 100 Euro an STF übergab wegen der guten Arbeit, die der Verein macht. Mit der US-amerikanischen Botschaft in Berlin ist mittlerweile ein Sponsor dabei, der das Engagement der Schülerinnen und Schüler noch einmal besonders unterstützt: So wurde der STF-Vorstand zu einem internationalen Seminar in Zagreb eingeladen, bei dem es um Fluchtgründe in Europa ging. »Wahnsinn, was unsere einfache Idee plötzlich für Kreise zieht«, sagt Dorothea Bähr und strahlt.
Was sie denn in der noch jungen Geschichte ihres Vereins am meisten berührt hat? Die STF-Akteure müssen nicht lange überlegen. »Für mich ist es die Rückmeldung, dass das, was wir machen, gerade gebraucht wird und genau das Richtige ist. Ich kann als Schüler keine Unterkünfte in der Türkei bauen, aber ich kann Menschen hier in Berlin helfen«, sagt Joshua Kriesmann. »Mich bewegen die Begegnungen«, sagt Dorothea Bähr: »Da gab es beim Kochen einen kleinen Brand im Ofen – und zehn Minuten später tanzten wir zu arabischer Musik. Da waren die anderen keine Flüchtlinge mehr, sondern Freunde.« Und Helen Schmitz sagt: »Ich hätte nie gedacht, dass man die Gesellschaft wirklich verbessern kann.«
Das Grundrecht auf Schulbesuch – auch für Flüchtlinge

Bildung ist ein Menschenrecht
Das Recht auf Bildung ist als allgemeines kulturelles Menschenrecht bereits in Artikel 13 des UN-Sozialpaktes (»Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte«) verankert und von der Bundesrepublik Deutschland als Paktstaat anerkannt. Dieses Recht wurde in Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention bekräftigt und konkretisiert (UN-Kinderrechtskonvention 2016):
Artikel 28 Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;
a.die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemeinbildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung bei Bedürftigkeit treffen;
b.allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen;
c.Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen;
d.Maßnahmen treffen, die den regelmäßigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die Schule vorzeitig verlassen, verringern.
Die deutsche Bundesregierung beschloss 2010, die bei der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention abgegebene Vorbehaltserklärung zurückzunehmen, sodass sie nun für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder ihrer (vermuteten) Aufenthaltsdauer und somit auch für Asylsuchende uneingeschränkt Anwendung findet (Weiser 2014).