Kitabı oku: «Die Flüchtlinge sind da!», sayfa 3
Beginn der Schulpflicht
Das Grundrecht auf einen Schulbesuch für Asylbewerberinnen und -bewerber wird je nach Bundesland unterschiedlich ausgelegt. Ob und ab wann zugewanderte Kinder in Deutschland zur Schule gehen dürfen oder müssen, ist nicht bundesweit einheitlich geregelt.
Beginn der Schulpflicht in den Bundesländern
Baden-Württemberg: sechs Monate nach Ankunft (§ 72 Schulgesetz)
Bayern: drei Monate nach Ankunft (Art. 35 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen)
Berlin: sofort (§ 41 Schulgesetz)
Brandenburg: nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung (§ 36 Schulgesetz in Verbindung mit Verordnung zum Ruhen der Schulpflicht nach Asylanträgen)
Bremen: sobald sie »eine Wohnung im Land Bremen haben« (§ 52 Schulgesetz)
Hamburg: sofort (§ 37 Schulgesetz)
Hessen: nach Zuweisung einer Gebietskörperschaft (§ 56 Schulgesetz in Verbindung mit Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses)
Mecklenburg-Vorpommern: nach Zuweisung einer Gebietskörperschaft (§ 41 Schulgesetz in Verbindung mit Bestimmungen zur Eingliederung und zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache in Schulen Mecklenburg- Vorpommerns)
Niedersachsen: nach Wegfall der Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 63 Schulgesetz in Verbindung mit ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis von Schule)
Nordrhein-Westfalen: nach Zuweisung zu einer Gemeinde (§ 34 Schulgesetz)
Rheinland-Pfalz: nach Zuweisung zu einer Gemeinde (§ 56 Schulgesetz in Verbindung mit Verwaltungsvorschrift »Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund«)
Saarland: sofort (§ 30, Abs. 1.1 Schulordnungsgesetz in Verbindung mit der Verordnung zum Unterricht für ausländische Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sowie Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund)
Sachsen: Schulbesuchsrecht nach Stellung eines Asylantrags (§ 26 Schulgesetz in Verbindung mit Verwaltungsvorschrift zum Unterricht für ausländische Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden Schulen im Freistaat Sachsen)
Sachsen-Anhalt: nach Zuweisung zu einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt (§ 36, Abs.1 Schulgesetz in Verbindung mit Runderlass zur Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt)
Schleswig-Holstein: sofort (§ 20 Schulgesetz in Verbindung mit § 13 Landesmeldegesetz)
Thüringen: drei Monate nach Ankunft (§ 17 Schulgesetz)
Lange Wartezeiten zwischen der Ankunft in Deutschland und dem ersten Schulbesuch sind umstritten. Michael Becker-Mrotzek, Mitautor einer Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache von »neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen im deutschen Schulsystem«, übt Kritik an den Schulgesetzen, die keinen sofortigen Beginn der Schulpflicht nach der Ankunft vorsehen. »Nach einer Flucht, die oft schon lange gedauert hat, kommt man mit zusätzlichen sechs Monaten ohne Schule in Deutschland schnell auf ein Jahr. Das ist nicht nur vertane Lebenszeit, es ist auch eine Entwöhnung vom Lernen. Die Motivation verpufft oder bleibt ungenutzt. Der Altersabstand zu den Mitschülern mit den gleichen Fertigkeiten wird immer größer« (Sadigh 2015). Eine Lücke, die es zu vermeiden gilt: »Auch wenn in diesem Zeitraum ein Recht auf Schulbesuch besteht, sind die Kinder und Jugendlichen häufig faktisch vom Schulbesuch ausgeschlossen«, kritisiert auch Studien-Mitautorin Mona Massumi die häufigen Verzögerungen. Sie empfiehlt, dass zwischen Ankunft und Schulbesuch nicht mehr als drei Monate liegen sollten (dpa 2015).
Schulbesuchsrecht
Der Begriff Schulbesuchsrecht bedeutet, dass der Zugang zum Schulsystem auf einen entsprechenden Wunsch hin gewährt wird. Es besteht also im Unterschied zur Schulpflicht zwar einerseits keine Garantie dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen tatsächlich unterrichtet werden, andererseits können sie jedoch den Schulbesuch hinauszögern, wenn der erzwungene Schulalltag gleich nach der Ankunft eine unzumutbare Belastung für sie darstellen würde. Viele Bundesländer gewähren dieses Schulbesuchsrecht, bevor die Familien in einer Gemeinde untergekommen sind. So steht es den Kindern und Jugendlichen frei, schon von Anfang an zur Schule zu gehen oder sich auf einen späteren Neuanfang nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung zu konzentrieren. Erst dann ist ein kontinuierlicher Besuch im Klassenverband möglich – und in aller Regel auch verpflichtend.
Ende der Meldepflicht
Der Bundestag hat 2011 die Meldepflicht für Kinder und Jugendliche aufgehoben. Damit sind Schulen als öffentliche Institutionen nicht mehr verpflichtet, nicht registrierte, also illegal in Deutschland lebende Kinder und Jugendliche der Ausländerbehörde zu melden. In der Begründung der Koalitionsparteien heißt es sinngemäß: Um der Zielgruppe die Furcht vor Entdeckung des illegalen Aufenthaltes zu nehmen und den Besuch von öffentlichen Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen für sie zu erleichtern, sollen diese öffentlichen Stellen von den bisher uneingeschränkt bestehenden aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten gegenüber Ausländerbehörden ausgenommen werden (Drucksache 17/ 6497 2011).
»Dies ist in der Praxis aber leider noch nicht überall angekommen«, kritisiert die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe. An der Universität Bremen wurde deshalb untersucht, ob Kinder und Jugendliche ohne Papiere an öffentlichen Schulen in Deutschland tatsächlich angemeldet werden können oder wodurch dies gegebenenfalls verhindert wird. Dazu befragten die Universitätsmitarbeiter die Verwaltungen von 100 Grundschulen in 22 Groß- und Landeshauptstädten. Die Ergebnisse: In mehr als der Hälfte der Schulen gehörte das Anfordern einer Meldebestätigung zur Routine. Nur in sechs von 100 Fällen wurde darauf hingewiesen, dass eine Einschulung ohne Meldebestätigung möglich ist, auch wenn eine Adresse zur Feststellung des Schuleinzugsbezirks nötig ist. Bei verdeckten Anfragen mit potenziell illegalem Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen wurde in 79 Prozent, bei Anfragen mit Offenlegung des illegalen Aufenthalts in 62 Prozent der Antworten kein gangbarer Weg zur Schulanmeldung aufgezeigt. Häufig waren Schulsekretariate unsicher und verwiesen an höherrangige oder spezialisierte Institutionen in der Schuladministration. Auch dort wurde von der Hälfte der Stellen keine positive Aussage zum Schulbesuch getroffen. Die Studie formuliert als Handlungsempfehlung für die Politik und verantwortliche Akteure unter anderem, dass Kultus- und Bildungsministerien in regelmäßigen Abständen alle Schulbehörden über die geltende Rechtslage informieren sollten. Es sei wünschenswert, dass alle Schulen »ihre Handlungen daran ausrichten, dass grundsätzlich jedes Kind einen Anspruch auf Schule hat« (vgl. GEW 2015).
Ende der Schulpflicht
Zugewanderte Kinder und Jugendliche, die in Deutschland vor ihrem 18. Lebensjahr ankommen, haben über die Schulpflicht an einer Regelschule eine gut organisierte und effektive Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen sowie sich in den Alltag und die Gesellschaft zu integrieren. Ältere Zugewanderte hingegen müssen oft in den Erstaufnahmeeinrichtungen zwischen Registrierung und Asylantragstellung ausharren. Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive haben allerdings seit November 2015 die Möglichkeit, an einem kostenlosen Integrationskurs sowie Sprachkursen teilzunehmen. Eine gute Bleibeperspektive hatten 2015 Flüchtlinge aus Eritrea, Irak, Iran und Syrien.
Einzig das Bundesland Bayern bietet Jugendlichen ein Berufsschulrecht bis zum 21. Lebensjahr, unter bestimmten Voraussetzungen auch bis zum 25. Lebensjahr. Die Gruppe der 18- bis 25-jährigen Zugewanderten ist laut Statistik die größte: Im Januar und Februar 2016 wurden 25,8 Prozent aller Erstanträge aus dieser Altersgruppe heraus gestellt (Statista 2016). Im gesamten Jahr 2015 waren es ebenfalls rund 25 Prozent (bumf 2016 c). Experten wie der Professor für deutsche Sprache und deren Didaktik, Michael Becker-Mrotzek, oder Matthias Anbuhl, Leiter des Bereichs Bildung im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds, fordern ein bundesweites Berufsschulrecht bis 25 Jahre.
Eine besondere Herausforderung: Deutsch als Zweitsprache

Die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern
In den zuständigen Landesministerien, an den Hochschulen und in den Zentren für die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren in Deutschland wird seit mehreren Jahren verstärkt darüber diskutiert, inwieweit die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Hinblick auf ihre zukünftige Arbeit angepasst und reformiert werden muss. Denn es liegt auf der Hand, dass wohl jeder, der heute ein Lehramtsstudium aufnimmt, in seinem Berufsleben mit Schülerinnen und Schülern zu tun haben wird, die auf Migrationserfahrungen zurückblicken. Unter dem Stichwort Diversität zielt diese Debatte darauf ab, Lehrerinnen und Lehrer zu befähigen, mit der zunehmenden Unterschiedlichkeit ihrer Schülerinnen und Schüler umzugehen. Diese Heterogenität ergibt sich aber nicht nur aus der Herkunft der Kinder und Jugendlichen, sondern – Stichwort Inklusion – möglicherweise auch aus unterschiedlichem Unterstützungsbedarf. Oder eben, die große Zahl von zugewanderten Flüchtlingen macht das deutlich, aus einer von Flucht geprägten Lebensgeschichte. »Wenn mir das Konzept von Diversität geläufig ist, ist es mir letztlich egal, ob ein Kind aus einer Gastarbeiterfamilie stammt, behindert oder über das Mittelmeer nach Europa gekommen ist«, sagt eine Berliner Lehrerin. »Entscheidend ist, es in seiner Individualität anzunehmen und mein Lehrverhalten auf diese Individualität einzustellen.«
Da die Begegnung mit Schülerinnen und Schülern, die als Flüchtlinge nach Europa gekommen sind, dennoch zu den wahrscheinlicheren Szenarien zukünftiger Lehrerarbeit gehört, haben viele Bundesländer bereits begonnen, sich auf diese Herausforderungen auch in der Lehrerbildung einzustellen. Eine Ende 2015 veröffentlichte Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Massumi et al. 2015) an der Universität Köln zeigte, dass die Bundesländer zunehmend entsprechende Unterstützungsangebote und auch Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulen auf den Weg bringen, das Angebot aber häufig unübersichtlich ist. »Das Thema ist kein Projekt für eine Taskforce auf Zeit, sondern eine langfristige Aufgabe«, sagt Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts. »Migrationsbewegungen, wie wir sie gerade erleben, sind ein wiederkehrendes Phänomen. Dieses Thema wird immer wieder und durchgängig eine Rolle spielen. Gerade deshalb sollten auch Mindeststandards für den Schulbesuch neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher entwickelt werden. Die Themen Migration und Deutsch als Zweitsprache müssen noch breiter in der Lehramtsausbildung verankert werden«, so Becker-Mrotzek.
Und zwar durchgängig und möglichst für alle zukünftigen Lehrkräfte verpflichtend, das fordern nicht wenige Expertinnen und Experten und verweisen etwa auf das Beispiel Nordrhein-Westfalens, wo seit 2009 jede angehende Lehrkraft ein Modul Deutsch als Zweitsprache belegen muss. Ab Herbst 2016 stehen in Nordrhein-Westfalen, als Teil des Maßnahmenpaketes für mehr innere Sicherheit und bessere Integration, sechs Millionen Euro zur Verfügung, mit denen an den Universitäten des Landes Lehrkräfte für den Unterricht von zugewanderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausgebildet werden sollen. Die entsprechenden Qualifikationsangebote sollen im Oktober 2016 anlaufen, die ersten Absolventen dann bereits im Frühjahr 2017 in Schulen und Bildungseinrichtungen aktiv werden. »Die Qualifizierung richtet sich sowohl an bereits tätige Lehrkräfte als auch an Hochschulabsolventen, die in Einrichtungen der Weiterbildung tätig sind oder tätig werden wollen«, sagen die zuständigen Ministerien für Schule und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen. Schulministerin Sylvia Löhrmann: »Damit bieten wir nun eine zügige Nachqualifizierung von Lehrkräften an, die bereit sind, Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten. Denn ein schneller Spracherwerb ist der Schlüssel für eine gelingende Integration.«
Auch in Schleswig-Holstein lässt sich beobachten, wie die gesellschaftlichen Herausforderungen zu einer Änderung der Lehrerausbildung führen. Junge Lehrkräfte, die seit Anfang 2016 ihren Vorbereitungsdienst, also das Referendariat, nach der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung beginnen, können die anschließende Hausarbeit im Rahmen der Staatsprüfung durch ein DaZ-Zertifikat ersetzen. »Wir gehen damit einen bundesweit einmaligen Weg und setzen schon in der Lehrerausbildung einen deutlichen Schwerpunkt bei Deutsch als Zweitsprache«, sagt die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst. »Für unsere Schulen sind die vielen Flüchtlinge eine große Herausforderung. Mit diesen Qualifikationsangeboten wollen wir sie unterstützen und zugleich dafür sorgen, dass die Kinder, die zu uns kommen, eine faire Chance auf eine gute Schulbildung erhalten.« Damit spielt die DaZ-Qualifikation in Schleswig-Holstein zukünftig in allen Phasen der Lehrerausbildung eine wichtige Rolle: Im Studium ist durchgängig das Thema Sprachbildung in sämtlichen Lehramtsstudiengängen integriert, im Referendariat kommt die Option des DaZ-Zertifikatskurses dazu. Der Kurs ist schultypübergreifend konzipiert, erstreckt sich über mehrere Module und wird nach sechs Monaten mit einer benoteten Klausur abgeschlossen. »Damit eine durchgängige sprachliche Bildung an Schulen funktioniert, muss das Thema in allen drei Phasen der Lehrerbildung – vom Studium über den Vorbereitungsdienst bis zur Fortbildung – verankert sein«, heißt es beim Kölner Mercator-Institut, das die Umstellung der Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein mit konzipiert und begleitet hat: »Nur so sind Schulen langfristig darauf vorbereitet, neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler aufzunehmen und erfolgreich zum Schulabschluss zu führen.«
Auch einzelne Hochschulen haben mit Blick auf ihre Studierenden und deren Zukunft bereits auf die veränderte gesellschaftliche Situation durch die Zuwanderung von Flüchtlingen reagiert. So hat die Rheinische Wilhelms-Universität in Bonn mit dem Caritasverband Bonn und dem Kommunalen Integrationszentrum des Rhein-Sieg-Kreises beispielsweise eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die es Studierenden der Philosophischen Fakultät ermöglicht, sich zu Sprachbegleitern für geflüchtete und neu zugewanderte Menschen ausbilden zu lassen. Seit Oktober 2015 gehört das entsprechende Seminar zum Lehrangebot der Abteilung für Interkulturelle Kommunikation und Mehrsprachigkeitsforschung des Instituts für Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft. »Die Philosophische Fakultät reagiert damit auf den Wunsch vieler Studierender, sich den eigenen Fähigkeiten entsprechend für Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, zu engagieren«, sagt Dekan Andreas Bartels. Das Angebot richtet sich bewusst auch an Studierende, deren Berufsperspektive nicht unbedingt in einem pädagogischen Arbeitsfeld liegt. Im Seminar werden Methoden zur Sprachvermittlung und Sprachförderung behandelt, die von wichtigen Hintergrundinformationen zu den Herkunftsländern der Flüchtlinge flankiert werden. So erwerben die Studentinnen und Studenten nicht nur unmittelbare Kompetenzen im Bereich der Hilfeleistung, sondern eignen sich auch Wissen über Fluchtursachen und den rechtlichen Status der Neuzuwanderer an und werden für interkulturelle Unterschiede sensibilisiert. Dabei spielen ebenfalls die sozioökonomische Situation der Geflüchteten und deren psychosoziale Verfassung mit traumatischen Belastungen eine Rolle. Abgerundet wird die Ausbildung durch eine Praxisphase in Einrichtungen der Caritas oder im kommunalen Integrationszentrum.
Auch andere Hochschulen engagieren sich im Bereich der Flüchtlingshilfe und kombinieren dabei häufig den Hilfsaspekt für die Zuwanderer mit Qualifikationsangeboten für die eigenen Studierenden. So basteln etwa an der Hochschule Koblenz Flüchtlingskinder im Workshop »beHAUSt sein« zusammen mit Architekturstudenten Spielhäuser, die sie innen und außen nach eigenen Vorstellungen gestalten. An der Hochschule Düsseldorf können angehende Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen ihr Praxismodul in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt in der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Flüchtlingskindern absolvieren; der Beginn des Praktikums wurde wegen des großen Bedarfs sogar vorgezogen. Die Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden bietet wegen der stark gestiegenen Zahl von Flüchtlingen für angehende Ärztinnen und Ärzte im Bereich Allgemeinmedizin ab Sommer 2016 erstmals das Wahlpflichtfach »Flüchtlingsversorgung« an. Medizinstudenten arbeiten bereits seit 2015 in der Flüchtlingsambulanz in Dresden mit – bisher allerdings ohne strukturierte Vorbereitung auf die medizinischen und interkulturellen Herausforderungen. Das ändert sich nun durch das neue Wahlpflichtfach.
An der Martin-Luther-Universität in Halle steht ebenfalls der Sprachunterricht für Geflüchtete im Mittelpunkt der Bemühungen: Mit einer neuen Veranstaltungsreihe des Germanistischen Instituts wird ehrenamtlich engagierten Personen, aber auch Studierenden und Dozierenden der Universität das nötige Praxiswissen für den Unterricht und die alltägliche Kommunikation mit Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten und deren Kindern vermittelt. An 15 Terminen geben erfahrene Didaktikerinnen und Didaktiker das Basiswissen weiter, das nötig ist, um Sprachunterricht gestalten zu können, und geben Hinweise, wie man mit den eigenen und fremden Sprachbarrieren umgeht. Dazu gehören neben der Didaktik und Methodik beim DaZ-Lernen auch die Aussprache oder das geeignete Vokabular für eine Basiskommunikation. »Ein Bereich, der bisher völlig unterschätzt wird, ist die Alphabetisierung«, erklärt Deutsch-Didaktiker Matthias Ballod vom Germanistischen Institut. Nicht jeder Mensch, der in Deutschland ankommt, könne überhaupt lesen und schreiben, manche hätten nie eine Schule besucht, ihnen sei jegliches institutionelles Lernen fremd – auch darauf müssen angehende Lehrerinnen und Lehrer vorbereitet sein.
Es bewegt sich also etwas, auch in den Hochschulen und bei den Ausbildungsinhalten für angehende Lehr- und pädagogische Fachkräfte. Doch noch handelt es sich bei diesen Qualifizierungsangeboten allzu häufig um einzelne und optionale Maßnahmen. Es wäre also fatal, erst auf eine flächendeckende Änderung der Studieninhalte zu warten, weil das vermutlich noch einige Jahre dauern könnte. Stattdessen handeln Schulen sowie Lehrerinnen und Lehrer schon jetzt in Eigeninitiative – einfach, weil sie es müssen. Und sie verändern Schule und Unterricht damit wahrscheinlich mehr und nachhaltiger, als es ministerielle Erlasse je könnten.
Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar
Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar
Marita Müller-Krätzschmar ist Mitarbeiterin im Institut für Lehrerfortbildung Hamburg und Leiterin des Bereichs Deutsch als Zweitsprache (DaZ)/ Sprachförderung, der unter anderem einen 30-Stunden-Kurs DaZ anbietet.
Was lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Ihnen im 30-Stunden-Kurs?
Müller-Krätzschmar: »Die 30 Stunden sind eine grundsätzliche Einführung in alle Bereiche von Deutsch als Zweitsprache, also Grammatik und die Fertigkeiten von Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen. Es geht aber auch um die Inhalte der Sprache selbst, also Deutsch als Zweitsprache im Fachunterricht. Und um Spracherwerbstheorien und Diagnoseinstrumente. Das ist also eher eine Einführung, die zwar auch methodische Hinweise beinhaltet, die aber nicht zu einem Thema umfassend sagt: ›Wie kann ich damit jetzt umgehen?‹ Dafür haben wir dann andere Veranstaltungen.«
Bieten Sie den 30-Stunden-Kurs schon länger an, oder ist der Schnelldurchlauf eine kurzfristige Maßnahme wegen der aktuellen Zuwanderung?
Müller-Krätzschmar: »Nein, wir haben vor fünf Jahren damit angefangen, als sich noch niemand für Deutsch als Zweitsprache interessierte. Es gab zwar bereits Vorbereitungsklassen an Hamburger Schulen in geringem Umfang, aber die Kolleginnen und Kollegen, die das machten, waren damals schon sehr erfahren und brauchten auch keine Fortbildung mehr. Und dann haben wir gesagt, wir probieren es mal mit einem Zertifikatskurs, um mehr Lehrerinnen und Lehrer von DaZ zu überzeugen. Da kamen dann ganz am Anfang 15 Personen. Ein Jahr später waren es schon 30. Allerdings waren darunter auch viele Lehrkräfte, die ins Ausland gehen wollten, sich aber nicht über das Goethe-Institut, sondern über uns qualifiziert haben. Mittlerweile sind die Kurse ausgebucht, die erste Veranstaltung des jüngsten Fortbildungskurses, der im Februar 2016 begann, besuchten 320 Lehrer. Das sind etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor.«
Werden die Lehrerinnen und Lehrer auch auf Begleiterscheinungen des Unterrichts wie mögliche Traumata der Lernenden oder die kulturelle Vielfalt vorbereitet?
Müller-Krätzschmar: »Dafür sind wir nicht zuständig. Auch für den interkulturellen Bereich gibt es eine andere Beratungsstelle, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten und auch schon Seminare zusammen angeboten haben.«
Ist die deutsche Sprache besonders schwer zu erlernen für Kinder und Jugendliche aus dem arabischsprachigen Raum?
Müller-Krätzschmar: »Es gibt unterschiedliche Theorien dazu. Ob es hilft, wenn die Sprache sich sehr von Muttersprache unterscheidet, oder ob es eher den Lernprozess erschwert. Wir bieten DaZ ja seit 20 Jahren an. Da gab es ja schon viele türkischsprachige Kinder, es gab Kinder aus afrikanischen Ländern. Die haben alle die deutsche Sprache gelernt. Ich denke, es hängt von unterschiedlichen Situationen ab: Ist jemand motiviert? Gibt es einen besonderen Grund, warum die Sprache gelernt werden muss? Bringt der oder die Lernende Voraussetzungen mit, hat er oder sie vielleicht schon einmal eine andere Sprache gelernt? Das sind alles individuelle Bedingungen, die eine Rolle spielen.«
Welche Probleme bringt die häufiger werdende Mehrsprachigkeit im Unterricht mit sich?
Müller-Krätzschmar: »Es wäre schön, wenn Kolleginnen und Kollegen sich mehr darauf einlassen würden, die sprachlichen Kompetenzen der Kinder in den Unterricht mit einzubeziehen. Das ist nicht immer ganz einfach. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich da überfordert bzw. fühlen sich unsicher, wenn sie nicht verstehen, was die Lernenden sagen. Sie haben auch wenige Ideen, wie sie dann darauf reagieren und wie sie die Sprache miteinbeziehen können.«
Was gibt es da für Lösungsansätze?
Müller-Krätzschmar: »Man könnte zum Beispiel, wenn Schülerinnen und Schüler alphabetisiert sind und schreiben können, sie in ihrer Herkunftssprache eine Text schreiben lassen. Und den dann wiederum ins Deutsche übersetzen. Das ist aber natürlich eine Zeitfrage. Auch ist denkbar, dass Lernende, welche die gleiche Sprache sprechen, sich zu einem Thema erst einmal in ihrer Sprache in einer Gruppenarbeit auseinandersetzen und darüber reden. Viele Lehrkräfte glauben den Schülerinnen und Schülern allerdings nicht, dass sie tatsächlich über das Thema reden.«
Inwiefern profitieren deutschsprachige Kinder und Jugendliche von einer Mehrsprachigkeit im Unterricht?
Müller-Krätzschmar: »Indem sie einfach auch mitbekommen, welche unterschiedlichen Sprachen es gibt. Ich denke, dass es einfach normal im Unterricht sein sollte, wenn es in einer Klasse zehn verschiedene Sprachen gibt und dies auch thematisiert wird. Deutsch ist natürlich Unterrichtssprache, aber alle anderen Schülerinnen und Schüler sind ja nicht sprachlos. Ich finde, das hat einen ganz großen Wert für die Akzeptanz und Toleranz. Das bedeutet nämlich auch, dass man manchmal aushalten muss, wenn jemand etwas sagt, was man nicht versteht. Aber darüber kann man tatsächlich Vorurteile abbauen und Toleranz entwickeln. Das ist ein langer Prozess, aber wenn die Mehrsprachigkeit von Anfang an etabliert wird, dann ist das doch wunderbar. Es gibt schon vereinzelt Klassen, die das machen.«
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