Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 47
V. Prozessbeteiligte
1. Richter
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Gerichte bestehen aus Berufsrichtern wie auch Laienrichtern.
a) Berufsrichter
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Der Berufsrichter ist ein Jurist, der zwei juristisch Staatsexamina bestanden hat und in die Position eines Richters eingesetzt worden ist. Mit dieser Position ist die Garantie der Unabhängigkeit verbunden, eine Unabhängigkeit, die den Richter in seiner Tätigkeit allein dem Gesetz unterwirft, Art. 97 Abs. 1 GG. Dies bedeutet, dass der Dienstherr, also der Justizminister, keinerlei Weisungsrechte in Hinblick auf die richterliche Rechtsfindung hat. Zur Vermeidung eines mittelbaren Einflusses umfasst die richterliche Unabhängigkeit auch das Recht, den Arbeitsplatz nicht ohne Zustimmung verändern zu lassen – etwa durch Versetzung aus einer attraktiven Hauptstadt in die öde Provinz. Auch Entlassungen sind grundsätzlich nicht möglich, es sei denn, ein Richter hat sich selbst einer schwerwiegenden Straftat schuldig gemacht und ist dafür rechtskräftig verurteilt worden.
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Verwaltungstechnische Anordnungen durch den Gerichtspräsidenten oder den Justizminister sind hingegen möglich. Es ist freilich nicht immer leicht zu entscheiden, ob solche Anordnungen nicht doch in die richterliche Tätigkeit hineinreichen und daher unzulässig sind. So besteht von Seiten des Gerichtspräsidenten wie auch des Justizministers ein legitimes Interesse daran, dass die Richter ihre Fälle möglichst zügig erledigen und damit auch mindestens acht Stunden täglich beschäftigt sind. Andererseits muss der Richter allein entscheiden, wie lange er für die Bearbeitung eines Falles braucht. Da er in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei ist, wäre auch eine entsprechende Kontrolle kaum möglich, weil die Arbeit auch nachts zu Hause getan werden kann.
b) Laienrichter
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Die Existenz von Laienrichtern im heutigen Recht ist historisch zu erklären. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Richterpositionen dem Adel vorbehalten. Dies sollte gewährleisten, dass die Justiz im Sinne des Monarchen ausgeführt wird. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gelangten zwar auch Bürgerliche in diese Ämter, galten wegen der Auswahlverfahren jedoch zu staatsnah, also zu sehr dem Monarchen verpflichtet.
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Die Philosophie der Aufklärung, die sich nach der französischen Revolution auch in Deutschland politisch durchzusetzen begann, nährte jedoch das Verlangen nach einer gewissen richterlichen Unabhängigkeit. Da man sich zunächst nicht vorstellen konnte, dass vom Staat ausgewählte und auch bezahlte Richter unabhängig sein könnten, war die Einführung von Laienrichter ein Weg zur Korrektur. Diese unabhängigen, freien Bürger galten als Garant für eine gewisse Objektivität der Rechtspflege wie auch als Sachwalter des gesunden Menschenverstandes bei der Rechtsfindung.
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Vorbild dafür war letztlich England, wo seit 1215 (Magna Charta Libertatum) das Prinzip der Verurteilung nur durch dem Angeklagten Standesgleiche (peers) galt und sich zu dem noch heute im Vereinigten Königreich existierenden Schwurgerichtssystem entwickelte, in welchem die zwölf Geschworenen den Sachverhalt und damit das „schuldig oder nicht schuldig“ zu entscheiden haben, wohingegen der Berufsrichter lediglich die Rechtsfolgen zu bestimmen hat.
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Im deutschen Recht sind die Laienrichter seit der sog. Emminger Reform des Strafrechts (4. Januar 1924) nicht mehr Geschworene im klassischen Sinne, sondern mit vollen Rechten ausgestattete Richter ohne juristische Ausbildung, die zusammen mit den Berufsrichtern mit gleichem Stimmrecht über Tat- und Rechtsfragen zu entscheiden haben. Im Strafrecht sieht das GVG eine Beteiligung von Laienrichtern nur bei Amtsgerichten und Landgerichten vor. Der Laienrichter bekommt als Inhaber eines Ehrenamts, § 31 GVG, kein Gehalt. Aufwendungsersatz wird hingegen geleistet.
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Das Grundkonzept der Gleichberechtigung von Laien- und Berufsrichter gilt jedoch nicht vollständig. So haben Laienrichter außerhalb der Hauptverhandlung keine Mitwirkungsrechte und auch das Akteneinsichtsrecht ist ihnen verwehrt.[3]
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Es ist streitig, ob in der heutigen Zeit, in der der Zugang zum unabhängigen Richteramt jedem qualifizierten Juristen offensteht, noch ein Bedarf an Laienrichtern besteht oder ob sie eine bloße historische Reminiszenz ohne echte rechtspolitische Bedeutung sind.
2. Die Staatsanwaltschaft
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Die Staatsanwaltschaft ist eine Justizbehörde, die dem Justizministerium unterstellt ist. Staatsanwälte genießen anders als die Richter keine Unabhängigkeit und sind grundsätzlich weisungsgebunden. Allerdings besteht weitgehende Einigkeit in der Ansicht, dass der Minister keine einzelfallbezogenen Anweisungen geben darf, was hingegen innerhalb der staatsanwaltschaftlichen Hierarchie durchaus zulässig ist.
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Die Hauptfunktion der Staatsanwaltschaft liegt im Ermittlungsverfahren. Dort hat sie unter Hilfestellung der Polizei, § 152 Abs. 2 GVG, die Ermittlungen leitend durchzuführen. Dabei hat sie in objektiver Weise gleichermaßen die belastenden wie entlastenden Beweise zu ermitteln. In der Realität wird der überwiegende Anteil der anfallenden Kriminalität von der Polizei weitestgehend selbstständig ausermittelt. Nur bei Kapitalverbrechen oder in besonderen Kriminalitätsbereichen wie etwa der Wirtschaftskriminalität oder der Umweltkriminalität sorgen besondere Abteilungen der Staatsanwaltschaft für eine durchgehende Leitung der Ermittlungen.
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Obwohl die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorläufiger Natur sind und im Hauptverfahren repliziert und bestätigt werden müssen, prägt das Ermittlungsverfahren in großem Maße die Hauptverhandlung. Das liegt nicht nur daran, dass der Beschuldigte und sein Verteidiger nicht den Ermittlungsapparat zur Verfügung haben, der der Staatsanwaltschaft durch die Polizei zur Verfügung steht, weshalb es für erstere schwierig ist, dagegen zu halten. Zudem genießen Polizei und Staatsanwaltschaft bei Gericht in der Regel ein höheres Vertrauen als Beschuldigte und Verteidiger. Dies ist zwar rechtlich keineswegs so vorgegeben, entspricht aber der forensischen Realität.
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Im Ermittlungsverfahren können Polizei und Staatsanwaltschaft sich prozessualer Zwangsmaßnahmen, wie Durchsuchung, Beschlagnahme, Datenüberwachung und U-Haft bedienen. Diese können aber nicht ohne weiteres angeordnet werden, sondern bedürfen je nach Eingriffsschwere bei der Polizei der Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder bei der Staatsanwaltschaft der des Ermittlungsrichters.
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Nach Abschluss der Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft je nach Ermittlungsergebnis wegen mangelnden Tatverdachts das Verfahren einstellen, § 170 Abs. 2 StPO, das Verfahren wegen geringer Schuld mit oder ohne Auflage einstellen, §§ 153 ff. StPO, einen Strafbefehl, § 407 StPO, erlassen oder Eröffnung des Hauptverfahrens, § 200 StPO, beantragen. Das Gericht, welches für die Hauptverhandlung zuständig wäre, prüft den Antrag auf seine Erfolgsaussichten und eröffnet das Hauptverfahren oder weist den Antrag zurück, §§ 203, 204 StPO.
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In der Hauptverhandlung vertritt die Staatsanwaltschaft die Anklage.
3. Der Beschuldigte
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Der Begriff des Beschuldigten ist mehrdeutig. Zunächst beschreibt er eine Person, gegen die unabhängig vom Stadium des Verfahrens strafrechtliche Ermittlungen laufen. Des Weiteren dient der Begriff des Beschuldigten der Bezeichnung einer verdächtigen Person, gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft, im Gegensatz zum Angeschuldigten, gegen den bereits Antrag auf Verfahrenseröffnung gestellt wurde und dem Angeklagten, gegen den das Hauptverfahren eröffnet wurde.
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Der Beschuldigte hat wichtige Rechte. Insbesondere hat er das Recht gegenüber den Vorwürfen zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile entstehen dürfen. Auf dieses Recht muss er hingewiesen werden, § 136 StPO. Wenn er sich einlässt, ist er für falsche Aussagen – anders als Zeugen – grundsätzlich nicht sanktionierbar.
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Er hat zudem in jedem Stadium des Verfahrens das Recht auf Hinzuziehung eines Verteidigers, vgl. sogleich unten bei Rn. 33 ff. Beherrscht er die deutsche Sprache nicht hinreichend, so ist ihm auf Staatskosten ein Dolmetscher zur Seite zu stellen, § 185 GVG. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte das Recht auf beständige Anwesenheit und Teilnahme (forensisch wenig bedeutsame Ausnahmen stellen allerdings §§ 231b, 247 ff. StPO dar).
4. Der Verteidiger
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Der Verteidiger ist ein Organ der Rechtspflege, § 1 BRAO, und hat zu gewährleisten, dass der Beschuldigte ein faires, den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Verfahren erhält. Anders als die Staatsanwaltschaft, die gleichermaßen entlastende wie belastende Beweise zu ermitteln hat, darf sich der Verteidiger auf entlastende Beweise beschränken. Reichen die in der Hauptverhandlung produzierten Beweise nicht aus, so muss der Verteidiger auf Freispruch plädieren, auch wenn der Angeklagte schuldig ist.
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Als Verteidiger kann jeder Rechtsanwalt und jeder Hochschullehrer, § 138 Abs. 1 StPO, in den Grenzen des § 142 Abs. 2 StPO auch ein Rechtsreferendar, bestellt werden. Rechtsanwälte aus anderen EU-Mitgliedsstaaten können nach den Bedingungen der EU-Niederlassungsrichtlinie vom 16. Februar 1998, umgesetzt durch Gesetz vom 9. März 2000, auch in Deutschland als Verteidiger auftreten.
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Ein Verteidiger hat insbesondere das Recht auf ungestörte und unkontrollierte Kommunikation mit dem Beschuldigten, auch wenn dieser in Haft ist, das Recht auf Akteneinsicht, das Antragsrecht bei Staatsanwaltschaft und Gericht, wie das Anwesenheitsrecht bei Verfahrenshandlungen, wobei dieses im Ermittlungsverfahren begrenzt, im Hauptverfahren hingegen unbegrenzt gilt. Der Verteidiger ist zudem dadurch geschützt, dass ein Schweigerecht und eine Schweigepflicht in Hinblick auf die bei der Verteidigung erfahrenen Informationen bestehen, §§ 203 StGB, 53 StPO. Dem Schweigerecht entspricht das Privileg, dass die Kanzlei nicht Gegenstand von Durchsuchungen oder Beschlagnahmen werden darf, um Informationen über Mandanten zu erlangen, §§ 103, 97 Abs. 1 StPO.
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In jedem Verfahren kann ein Verteidiger, nur in besonderen Fällen muss ein Verteidiger mitwirken (notwendige Verteidigung, § 140 StPO).
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Ist der Beschuldigte finanziell nicht in der Lage einen Verteidiger zu bezahlen, so ist ihm ein Pflichtverteidiger zuzuordnen, wenn es die Schwere des Tatvorwurfs oder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erfordert, § 141 StPO. Wird das (potentielle) Opfer durch einen Rechtsanwalt vertreten, muss auf jeden Fall dem Beschuldigten als Ausgleich ein Verteidiger zugeordnet werden, § 140 Abs. 2 StPO.
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Verteidiger können nur unter ganz besonderen Umständen im Rahmen eines komplexen in §§ 138a ff. StPO geregelten Verfahrens durch das Gericht von ihrer Tätigkeit entbunden werden. Nach überaus umstrittener Ansicht der Rechtsprechung gilt dies nicht für den vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger, der nach dieser Ansicht durch einfachen Gerichtsbeschluss von der Position entbunden und durch einen anderen Verteidiger ersetzt werden kann.[4]
5. Zeugen
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Zeugen sind Beweismittel. Sie geben ihre eigenen Wahrnehmungen in Hinblick auf das zu ermittelnde Tatgeschehen wieder. Auch der Zeuge vom Hörensagen macht eine Aussage über tatrelevante Dinge, jedoch ist seine Aussage vermittelt durch die direkte Wahrnehmung eines Dritten, der ihm darüber berichtet hat. Dadurch ist eine derartige Zeugenaussage von vornherein problematischer, weil durch mehr mögliche Fehlerquellen belastet. Gleichwohl ist eine solche Vernehmung zulässig und verwertbar.[5]
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Insgesamt sind Zeugenaussagen weniger zuverlässig als Sachbeweise. Die menschliche Wahrnehmung ist situativ und subjektiv grundsätzlich so stark geprägt, dass selbst Aussagen, die mit subjektiver Überzeugung als vollständig zutreffend und sicher gemacht werden, völlig falsch sein können.[6] Ähnliches gilt sogar für die Wahrnehmung eigener Handlungen bei Beschuldigten.[7]
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Wenn kein im Gesetz aufgeführtes Zeugnisverweigerungsrecht besteht, sind Zeugen zur Aussage verpflichtet, wozu sie auch durch Zwangsmaßnahmen bis hin zur Beugehaft angehalten werden können, § 51 StPO. Die Aussagen müssen vollständig und zutreffend sein. Andernfalls droht eine Bestrafung wegen Falschaussage, die deutlich schwerer ausfällt, wenn der Zeuge vereidigt wurde, § 59 StPO, und damit einen Meineid geleistet hat, §§ 153, 154 StGB.
6. Der Sachverständige
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In Strafverfahren sind häufig im weitesten Sinne technische Frage zu beantworten, die über das Wissen der juristisch ausgebildeten Richter hinausgehen. So etwa bei Versagen von Kfz-Elementen, bei der Zurechnung von elektronischen Texten, der Glaubwürdigkeit von Zeugen oder bei der Zurechnungsfähigkeit von Angeklagten. Hier können Ingenieure, Psychologen, Psychiater oder andere fachkundige Personen als Sachverständige bestellt werden, die dem Gericht die erforderliche Fachkunde zu vermitteln haben.
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Im Gegensatz zum Zeugen berichtet der Sachverständige nicht allein über seine Wahrnehmung, sondern bewertet diese im Lichte seiner Sachkunde. So der Ingenieur über den Zustand der Bremsanlage, der EDV-Experte über Verbindungsdaten und Identifizierungs-Codes, der Psychologe oder der Psychiater über den psychischen Zustand der von ihnen zu begutachtenden Personen.
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Obwohl das Gericht auch solche Berichte eigenständig bewerten muss, wird es gerade wegen seiner mangelnden Sachkunde in der Regel dem Sachverständigen und seinem Votum folgen. Bei Zweifeln oder auch bei Widersprüchen im Gutachten wird das Gericht zumeist nicht selbst entscheiden, sondern einen weiteren Sachverständigen zur Klärung bestellen.
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Die Bestellung eines Sachverständigen erfolgt nach der Vorstellung des Gesetzes regelmäßig durch das Gericht, § 73 StPO, in der Praxis ist es überwiegend die Staatsanwaltschaft die bereits im Ermittlungsverfahren den Sachverständigen bestellt, § 161a StPO.
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Soweit der Sachverständige öffentlich zur Gutachtenerstattung bestellt ist oder er seine Gutachtertätigkeit öffentlich zu Erwerbszwecken ausübt, § 75 StPO, ist er verpflichtet, die Bestellung zu übernehmen. § 76 StPO schafft von dieser Pflicht aber großzügige Ausnahmen.
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Wie ein Zeuge kann der Sachverständige auch vereidigt werden, §§ 72, 59 StPO.
7. Das Opfer
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In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde mit dem weltweiten Aufkommen der Viktimologie, also der Lehre vom Verbrechensopfer, die Position des Opfers im Strafverfahren intensiv thematisiert.[8] Da das Verbrechensopfer im Strafverfahren in den meisten Ländern der Erde nur eine Position als Zeuge gefunden hatte, in besonderen Fällen in Deutschland allerdings auch als Privatkläger, § 374 StPO oder Nebenkläger, § 395 StPO, berücksichtigt wurde, fand die Ansicht weitgehend Zustimmung, dass die rechtliche Position des Opfers gestärkt werden müsste. Als Begründung hierfür sprach man von der Enteignung des Verfahrens gegenüber dem Opfer, was jedoch im Wesentlichen unzutreffend war. Diese Ansicht übersah, dass das Strafverfahren durch die Einschaltung staatlicher Instanzen, in Deutschland also der Staatsanwaltschaft, die Interessen des Opfers vertrat, um die schädlichen Folgen des Kreislaufs von Rache und Gegenrache, die bei individueller Beteiligung des Opfers bei der Aufarbeitung der Straftat unweigerlich entstehen, zu vermeiden.
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Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber in mehreren Opferschutzgesetzen seit 1986 die verfahrensrechtliche Position des Opfers deutlich gestärkt. Dabei wurden insbesondere Informationsrechte, Antragsrechte und das Recht auf den Beistand eines Rechtsanwalts eingefügt.
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Diese Änderungen haben das Strafverfahrensrecht strukturell verändert, weil das ursprüngliche triadische Verhältnis von Staatsanwaltschaft – Verteidigung – Gericht[9] durch einen neuen Mitspieler, das Opfer, gleichsam aufgebrochen wird. Zudem ist der im Gesetz gewählte Begriff „Opfer“ systemwidrig und unzutreffend. So wie der Angeklagte dank der für ihn streitenden Unschuldsvermutung, Art. 6 Abs. 2 EMRK, bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Schuld nicht als Täter angesprochen werden darf, kann man bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht von einem Opfer, sondern nur von einem potentiellen Opfer sprechen. Ob jemand tatsächlich Opfer geworden ist und ob dies der Beschuldigte verursacht hat, ist erst nach rechtskräftiger Entscheidung klar.
B. Überblick über den Verfahrensablauf
I. Die Verdachtsbegründung
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Das Verfahren beginnt mit dem Entstehen eines Verdachts darüber, dass eine Straftat begangen worden sei. In diesem Stadium beginnt das gesetzlich nicht vorgesehene, aber praktisch notwendige Vorermittlungsverfahren, bei dem geprüft wird, ob der Verdacht hinreichend begründet und intensiv genug ist, um ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, § 160 Abs. 1 StPO.
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Der Verdacht in unterschiedlichen Ausprägungen spielt auch nach Eröffnung des Ermittlungsverfahrens eine bedeutende Rolle, weil er Voraussetzung für die Anordnung von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ist. So kann ein Haftbefehl nur bei dringendem Tatverdacht, der stärksten in der StPO verwendeten Kategorie, angeordnet werden. Hinreichender Tatverdacht ist dagegen die Voraussetzung für die Eröffnung der Hauptverhandlung, § 203 StPO. Einen „durch bestimmte Tatsachen begründeten“ Verdacht verlangt § 100a StPO für die Anordnung von Telekommunikationsüberwachungen.
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Was Verdacht ist und wie er quantifiziert wird, ist dagegen weitgehend unklar. Es handelt sich um eine Kategorie, die auf subjektiver Basis Grade der Wahrscheinlichkeit beschreibt. Objektive Kontrollmaßstäbe existieren nicht und werden durch ebenfalls subjektive, allenfalls auf die Ebene von „common sense“ gehobene Evidenzphänomene ersetzt. Klar ist nur, dass Verdacht nur entstehen kann, wenn es Tatsachen gibt, die ihn stützen. Ob diese Tatsachen dann zutreffend sind, muss in einer späteren Prüfung, regelmäßig im Urteil, entschieden werden. Insofern ist die oben erwähnte Formulierung des § 100a StPO tautologisch. Sie meint wohl aber, dass mehr Tatsachen, als für einen allgemeinen Tatverdacht erforderlich sind, vorliegen müssen.
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Diese Unbestimmtheit eines derart zentralen Begriffs stellt eine Schwachstelle des Strafverfahrensrechts dar, für die allerdings noch keine vernünftige Ersatzlösung gefunden worden ist.[10]
II. Das Ermittlungsverfahren
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Soweit ein Tatverdacht im Sinne des § 160 Abs. 1 StPO festgestellt worden ist, beginnt das Ermittlungsverfahren, welches entweder gegen „Unbekannt“ oder gegen eine identifizierte Person geführt wird, die dadurch zum Beschuldigten wird. Dadurch werden die oben bei Rn. 31 f. beschriebenen Rechte ausgelöst.
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Das Ermittlungsverfahren ist, anders als das Verfahren der Hauptverhandlung, nicht öffentlich und in weiten Teilen geheim. Das ist insoweit verständlich, als die üblichen Bemühungen von Tätern, ihre Taten bzw. Tatbeteiligungen geheim zu halten, andernfalls Ermittlungserfolge in weitem Maße reduzieren würden. Insofern muss der Beschuldigte nur irgendwann im Laufe des Ermittlungsverfahrens darüber informiert werden, dass er Beschuldigter ist, indem er zur Sache vernommen wird, § 163a StPO. Dabei muss er aber nach § 136 Abs. 2 StPO über die vorliegenden Verdachtsgründe informiert werden, was ihn dann spätestens in die Lage versetzt seine Verteidigung zu organisieren.
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Soweit offene Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, etwa Durchsuchung, Beschlagnahme oder gar U-Haft, erfährt der Beschuldigte dadurch notwendig von seinem Status und kann nicht nur Rechtsmittel gegen die Zwangsmaßnahmen einlegen, sondern auch generell seine Verteidigung planen.
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In Anbetracht der tatsächlichen Bedeutung des Ermittlungsverfahrens wird zunehmend gefordert, die Beteiligung des Beschuldigten zu verbessern. Das ist im Detail aber nicht ganz einfach, weil eine vollständige Öffnung des Ermittlungsverfahrens die Aufklärungswahrscheinlichkeit von Straftaten in nicht vertretbarem Maße reduzieren würde. Es gilt hier, einen Kompromiss zwischen den Interessen des Beschuldigten und denen des Staates zu finden.
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Das Ermittlungsverfahren endet mit einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die entweder die Einstellung wegen mangelnden Tatverdachts, § 170 Abs. 2 StPO, oder wegen informeller Erledigung nach §§ 153 ff. StPO zum Gegenstand hat. Andere Entscheidungen führen in ein weiteres Verfahren wie etwa das des Strafbefehls, § 407 StPO, oder den Antrag auf Eröffnung der Hauptverhandlung, § 199 StPO.