Kitabı oku: «Aus Kroatien: Skizzen und Erzählungen», sayfa 4
Kroatische Glanzkohlen
Alte Herren schmunzeln heute noch, wenn von den kroatischen Glanzkohlen aus der Grube Očura bei Lepoglava in den Varazdiner Bergen gesprochen wird; denn mit diesen Glanzkohlen war im Jahre 1875 ein glänzend gelungener Scherz verbunden, mit dem der Bergverwalter jener Kohlengrube köstlich „hineingelegt“ wurde, und wozu, drollig genug, der zeitlebens für Bergbau lebhaft interessierte König Leopold II. von Belgien seinen Namen leihen mußte.
Anfang der siebziger Jahre war in Kroatien unter dem Namen „Kroatische Glanzkohlen“ eine Kohlengewerkschaft gegründet worden in der Absicht, die Kohlenklötze von Lepoglava-Očura abzubauen. Das vielen Erfolg versprechende Unternehmen konnte jedoch nicht sofort gewinnbringend gestaltet werden, weil es an Gelegenheit zur Abfuhr der Kohlen mangelte. Es fehlte an jeder Eisenbahnverbindung; die Achsenfracht nach Varazdin-Csakaturn kam viel zu teuer und beanspruchte zuviel Zeit; ebenso mißlich war es, die Grubenausbeute über die kroatische Grenze auf steierischen Boden zum Anschluß an die österreichische Südbahnstrecke nach Friedau-Pragerhof zu bringen.
Die Gesellschaft beschloß deshalb die Erbauung einer Lokalbahn von Očura nach der Südbahnstation Friedau (Steiermark) erwarb die Zustimmung der Behörden und ließ behufs Aussteckung der „Trasse“ Ingenieure kommen, die ihre Kanzlei im Kohlenest Očura errichteten.
Die nicht geringen Schwierigkeiten, wegen der Bauerlaubnis usw. die kroatischen und steierischen Behörden unter einen Hut zu bringen, waren ein Kinderspiel im Vergleich zu den Hindernden, die der Erbauung der Eisenbahn in Očura selbst erwuchsen durch den eigenen Verwalter der Grube Očura.
Der Bergverwalter Bodlak, aus dem Lande stammend, wo „die Erdäpfel als Spalierobst gezogen“ werden, war nämlich grenzenlos – neugierig und obendrein ein Mensch nach Goetheschen Rezepten im „Zauberlehrling“ und im „Faust“. Eine „Spottfigur von Dreck und Feuer“ und obendrauf ein „Wassertopf“.
Ein Männle klein, untersetzt, mit säbelförmigen Beinen und einem wahrhaft riesigen Kopf, bildete Bodlak den Schrecken von Očura und Umgebung, in der Grubenverwaltung wie in der Gesellschaft, bei den Behörden in der Amtsstadt Varazdin usw. Der Bergverwalter mit seiner entsetzlichen Neugier war nicht mehr loszubringen, wenn er sich irgendwo eingefunden und in eine Sache verbissen hatte. Für den geplanten Bahnbau von Očura nach Friedau interessierte sich das Männle begreiflicherweise aus dienstlichen Gründen, dann privatim, und überdies wünschte er, mit seinen Spargroschen Aktionär der neuen Bahn zu werden.
Zecken und Wanzen waren wonneerzeugende Geschöpfe im Vergleich zu Herrn Bodlak, der mit seiner alle Grenzen übersteigenden Neugier und Zudringlichkeit die Ingenieure in der Arbeit behinderte, mit unermüdlichen Belästigungen in Verzweiflung brachte.
Höfliche Bitten und Mahnungen blieben unbeachtet. Auch auf deutliche Winke hin stellte Verwalter Bodlak seine lästigen Besuche und qualvollen Fragen nicht ein.
Am meisten fühlte sich der Oberingenieur A. aus Brüssel in der Kanzleiarbeit gehemmt; er ärgerte sich grenzenlos, und in wachsender Wut beschloß er, den – Glanzkohlenmenschen auf den – Glanz herzurichten, Rache zu nehmen, auf daß ganz Kroatien sich vor Lachen krümmen werde.
Der Racheschwur war leicht gesprochen; die Durchführung einer Rachetat hatte aber ihre Schwierigkeiten. Das spürte der Oberingenieur schon, als er über die Vorbereitungen zu einer „Tat“ nachsann.
Eines Tages kam der schreckliche Bergverwalter wieder und quälte besonders den Oberingenieur mit Fragen nach – Neuigkeiten. Bodlak sah eine französische Zeitung auf dem Arbeitstische liegen und wollte wissen, ob so ein französisches Blatt „bessere“ Neuigkeiten berichte als die „inländischen“ Zeitungen.
Unwirsch meinte der Oberingenieur, daß „viel Gescheites“ auch in dem Brüsseler Blatte nicht zu finden sei; es wäre denn die unter Vorbehalt gegebene Meldung, daß der König Leopold von Belgien die kroatischen Kohlengruben zu – kaufen beabsichtige.
Nun war der Teufel los! Und Bodlak war verwandelt in einen Menschen, der sich vor Freude nicht mehr zu fassen wußte, und der nicht genug – fragen konnte.
Der jubelnde Bergverwalter berichtete sofort den Zeitungen in Agram und Budapest die – erfundene Nachricht als sichere Kunde, erzählte allen Grubenbeamten von Očura davon und frohlockte, daß der belgische König in seiner „bekannten Noblesse“ aller Geldnot bei den kroatischen Kohlenmenschen durch Gehaltsaufbesserungen ein wohltätig Ende machen werde.
Die Nachricht erregte nicht geringes Aufsehen und wurde namentlich in der Gegend von Varazdin geglaubt, weil sie vom Bergverwalter Bodlak von der Grube Očura ausging.
Die Grubenbesitzer freilich wunderten sich, daß Bodlak mehr als sie selbst wußte.
Die Bahnbauingenieure hingegen hatten viel Spaß an der wachsenden Aufregung in Beamtenkreisen, aber schwere Mühe, die maßlos gesteigerte Nachfrage Bodlaks nach Einzelheiten bezüglich der Umwandlung der Grubenverwaltung in eine „königliche belgische Bergwerksdirektion“ zu befriedigen. Im besonderen wollte Bodlak wissen, ob König Leopold ihn übernehmen und zum Direktor ernennen werde.
In dieser Frage erblickte der fürchterlich überlaufene Oberingenieur die Möglichkeit und günstige Gelegenheit, an Bodlak für alle Belästigung Rache zu nehmen.
Günstig war auch der Umstand, daß der Postbote von Lepoglava den Posteinlauf für die Ingenieurkanzlei und für die Grubenverwaltung in einer gemeinschaftlichen Posttasche brachte und der Bequemlichkeit wegen die Posttasche zuerst bei den Bahnbauherren zur Entnahme des Einlaufes einlieferte. Dann erst trug der Mann die Tasche drei Kilometer weiter zur Bergverwaltung bei Očura.
So entstand denn nach längerer Beratung in der Ingenieurkanzlei ein Gemisch von amtlichem Dekret und privatem Schreibebrief an Herrn Bodlak. Selbstverständlich in französischer Sprache, in die der deutsch aufgesetzte Brief mühsam genug hineingepreßt wurde. Über den drolligen Text dieses köstlichen Schriftstückes heulten die Ingenieure immer wieder bei jeder Lesung.
Aber das „Dekret“ mußte ein „Amtssiegel“ haben.
Mit Eselsmühe wurde aus einem Alphabet von kleinen Gummibuchstaben in kleinem Rundrahmen ein „königlich belgisches Staatssiegel“ hergestellt: „Léopold Roi des Belges Propriétaire aux mine en Croatie“.
Schön anzusehen war dieses „Siegel“ nicht, auf den ersten Blick als „handgreifliche“ und alberne Fälschung erkennbar.
Der Oberingenieur hatte denn auch schwere Bedenken; er wurde jedoch übernimmt von den Kollegen, die ihre Köpfe darauf wetteten, daß Bodlak in seiner Glückseligkeit diesen Schwindel nicht merken werde.
Also wurde dem Gemisch von „Dekret“ und Privatbrief „Leopolds von Belgien“ dieses „Siegel“ beigedruckt, das Schriftstück in einen Briefumschlag gesteckt, der Brief geschlossen, mit gebrauchten belgischen Briefmarken beklebt und eines Tages in die vom Lepoglavaner Postboten gebrachte Tasche gesteckt. Ahnungslos trug der Posterer den Einlauf zur Grubenverwaltung nach Očura.
Eine Stunde später stand Bodlak aufgeregt in der Ingenieurkanzlei und bat flehentlich um – Übersetzung des Briefes, den er soeben vom – „König der Belgier“ erhalten habe.
Die Ingenieure verbissen das Lachen, kämpften heldenhaft gegen den übermächtigen Lachkitzel. Der Oberingenieur sah sich in der Zerplatzungsgefahr; übersetzen konnte er den Brief nicht, nur Herrn Bodlak zur Ernennung zum „Bergrat“ gratulieren mit wenigen Worten; dann mußte der „Ober“ die Kanzlei fluchtartig verlassen. Die Kollegen hatten sich besser in der Gewalt; sie beglückwünschten Herrn Bodlak zur Auszeichnung, gaben der Hoffnung Ausdruck, daß weitere „Gnaden erweise“ des belgischen Königs und „Besitzers“ der kroatischen Glanzkohlengruben sich auch auf die Ingenieure des Bahnbaues, so Kroatien mit – Belgien verbinden werde, ergießen mögen.
Nach allen Regeln der Ulkkunst foppten die Herren den glückstrahlenden „Bergrat“ und erwiesen ihm faustdicke „Ehrfurcht“, so daß Bodlak auf den verwegenen Gedanken kam, die ihm zuteil gewordene „Auszeichnung“ der Grubenverwaltungszentrale in Wien zu – telegraphieren. Daraufhin verflüchtigten sich zwei der Ingenieure unter Vorschützung heftiger Hustenanfälle.
Der jüngste Kanzleiinsasse blieb tapfer, riet von jeder Telegraphiererei ab; denn es müsse vor der offiziellen Verbreitung der „Glücksnachricht“ die landesherrliche Genehmigung zur Führung des ausländischen Titels durch die Vizegespanschaft in Varazdin erwirkt worden sein. Deshalb werde der Herr „Bergrat“ gut tun, das Dekret persönlich dem Obersekretär der Vizegespanschaft zu überbringen, der das Weitere dann schon veranlagen werde.
„Prozim (bitte), wie lange wird es dauern, bis die Genehmigung erteilt wird?“ fragte schluckend vor Erregung Herr Bodlak.
Der Ingenieurbenjamin zog die Schultern hoch und sprach: „Acht Monate, vielleicht ein Jahr; vielleicht wird die Zustimmung überhaupt nicht erteilt!“
„Wie? Was? Überhaupt nicht? Warum?“
„Man läßt fremde Titel nicht gern herein! Belgisches nach Kroatien schon gar nicht gern!“
„Wo doch der belgische König die kroatischen Gruben gekauft hat!“ rief in wachsender Erbitterung der „Bergrat“.
„Haben Sie den Kaufvertrag gesehen? Ich nicht!“
Mit kurzem Gruß verabschiedete sich Bodlak.
Immer tiefer nagten Kummer und Groll in der ehrgeizerfüllten Brust. Die Sorge vor einer Verweigerung der landesherrlichen Zustimmung wuchs mit jeglichem Tage und führte zu dem Entschluß, durch Veröffentlichung des – „Dekretes“ in den Zeitungen einen – „Druck“ auf die Regierung auszuüben. Bodlak kalkulierte. Unter solchem „Druck“ wird die Unterbehörde, wenn auch widerwillig, die Angelegenheit an das Ministerium weiterleiten müssen. Im Ministerium aber sitzen „gebildetere“ höhere Beamte, die schon ihrer Bildung wegen mehr Achtung vor dem – König von Belgien haben werden….
Mit Fleiß und Geduld schrieb Bodlak sein französisches „Ernennungsdekret“ mehrere Male ab und schickte die Abschriften nebst Begleitbriefen an verschiedene Zeitungen.
Die kroatischen und ungarischen Blätter druckten den Text im französischen Wortlaut ab und beglückwünschten ironisch Herrn Bodlak mit etlichen angehängten Worten zur „Auszeichnung“. Das Wort „Auszeichnung“ unter Gänsefüßchen.
Das deutsche Wochenblatt veröffentlichte die „Ernennung“ in deutscher Sprache mit dem Beifügen: „Erörterung überflüssig“. Der Wortlaut entsprach genau dem vom Oberingenieur verfaßten Urtext:
„Wir, Leopold, König von und zu Belgien, der Belgier und Brabanter, ernennen Sie in Anbetracht Ihrer primitiven Kenntnisse im Bergbau zu Unserem königlichen Bergrat in partibus in fidelio. Teilen Sie Uns mit, ob Sie diesen Titel in Kroatien annehmen und führen dürfen, damit Wir Ihnen das große Diplom non plus ultra senden können. Achtungsvoll Leopold II.“
Brüssel, Datum des Poststempels.
Siegel. Léopold Roi des Belges Propriétaire aux mines en Croatie.
Am meisten krümmten sich die Bewohner von Varazdin und Očura nebst Umgebung vor Lachen über den köstlichen Text dieser Verulkung. Das witzige „Ernennungs“-Dekret druckten schleunigst viele andere Zeitungen ab, so daß eine Anzahl anderer Leute Anlaß zur Heiterkeit hatten. Von Mund zu Mund durch Kroatien lief die Kunde. Der Ulk griff über auf Ungarn und Österreich; sehr zur Freude der Kohlenbergbaugesellschaft, der für ihre kroatischen Glanzkohlen eine riesige und dabei kostenlose Reklame gemacht wurde.
Der verulkte Bergverwalter machte noch weiter von sich reden, da er beim Varazdiner Gericht – Klage wegen Beleidigung einreichte, aber nicht sagen konnte, wer bestraft werden sollte. Selbst verständlich wurde das Klagebegehren abgewiesen.
Bodlak war in Kroatien unmöglich geworden.
Die Zentrale erwies sich für die riesige Reklame dankbar, indem sie den Mann mit vollem Gehalt pensionierte. Worauf Bodlak verschwand.
Durch Briefe aus Očura erfuhr man auch in Brüssel von der drolligen Ulkgeschichte. König Léopold hat besonders über den ihm unterschobenen Brief und das „achtungsvoll“ gelacht, war aber „verschnupft“, daß man ihm ein so – „minderwertiges“ Französisch zutraute….
Die Kohlenbahn Očura-Friedau wurde nicht gebaut; die Verfrachtung findet heutzutage auf einer anderen Strecke: Golubovec-Varazdin statt, deren vorletzte Station (vor dem Endpunkte Golubovec) das vielgenannte Očura ist. Die Gesellschaft besteht noch immer und freut sich ihres Besitzes im kohlenreichen Gebirge Kroatiens.
Alte Leute schmunzeln heute noch, wenn die Rede ist von – kroatischen Glanzkohlen.
Auf Forstinspektion
Nach Aufhebung der sogenannten Militärgrenze (8. August 1873) mußten die Wälder zunächst des nordwestlichen Teiles Kroatiens durch eigene Forstkommissäre der Vizegespanschaften neu „eingeschätzt“, auf ihren Wert berechnet, dabei der Forstbetrieb besichtigt werden. Eine schwere Aufgabe für den Geist, aber auch für den Körper der Forstkommissäre, die das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen wollten. Fehlte die Kenntnis der Landessprache, so war der harte Dienst noch mehr erschwert besonders bezüglich Beschaffung von Unterkunft und Verpflegung. Glücklicherweise waren damals die Waldhüter, Förster, ein Teil der Pfarrer sowie immer die israelitischen Kaufleute in den Dörfern der deutschen Sprache mächtig und gewillt, sich derselben gegenüber den oft hilflosen Forstkommissären zu bedienen.
In der Absicht, das meilenweite, gutbestockte Waldgebirge von Jelenska gornja (oberer Hirschberg) „auf Forstinspektion“ zu durchwandern, stapfte der Kommissär Günter, ein Deutschösterreicher, mit leerem Ränzel und wenigen Brocken der kroatischen Sprache durch das flache Vorland. Der Schritt wurde beschleunigt, als der Beamte gewahrte, daß ihm aus den Waldbergen ein dräuendes Gewitter entgegenkam, Wolken mit allen Anzeichen auf Hagel.
Wollte Herr Günter nicht vom Hagelsturm überrascht werden, mußte der Forstkommissär ein schützend Dach, Unterkunft für etliche Stunden finden. Schutz konnte im nächsten Dorfe Osekovo nur das Pfarrhaus bieten. In der elenden Gastwirtschaft war außer Slibowitz nichts zu haben, der Aufenthalt unmöglich.
Die höfliche Bitte um gütige Erweisung von Gastfreundschaft erfüllte der Pfarrer, ein katholischer Kroate, sofort in aller südslavischen Liebenswürdigkeit, aber verblüffend eilig und wortkarg. Dem Gaste wurden Wein, Käse und Brot auf den Tisch im Wohnzimmer gestellt; dazu sprach der erregte Župnik (Pfarrer): „Bitte, zugreifen! Gesellschaft kann ich nicht leisten! Muß Hagel beobachten, Wetter läuten lassen!“ Und weg war er. Der Kommissär stärkte sich, trat dann an das Fenster und harrte des Losbruches des Hagelsturmes.
Windpurren, heftiges Sausen in den Lüften, atembeklemmender Druck, böige Stöße; doch kein Tropfen, nicht ein Hagelkorn entfiel dem schweren Gewölk, das weiter in das Vorland trieb und etwa zwei Stunden von Osekovo niederging.
Von dem Augenblick an, da für das Dorf und die Felder von Osekovo die Gefahr des Hagelschlages gewichen schien, verstummte das Gewimmer aus dem Glockenturm. In das Wohnzimmer trat der Župnik, rieb sich vergnügt die Hände, schenkte die Gläser voll und hieß den Gast willkommen im Pfarrhause. Nach der Landessitte wurden die Bilikumgläser (Willkommenswein) auf einen Schluck geleert und sogleich wieder gefüllt. Die sonst übliche Feierlichkeit der Überreichung von Salz, Brot und Hausschlüssel auf einer Tablette ließ der Župnik weg; er war zu sehr erfüllt von dem Frohgefühl, daß die Hagelwolken diesmal unschädlich über die Fluren von Osekovo hinweggegangen waren. „Gut für die Parochianen, gut für mich!“
„Sind Hochwürden mit Ökonomie ‚gesegnet!‘“ fragte der Kommissär.
„Gottlob nicht! Bin jedoch an jedem gnädigen Unterbleiben von Hagelschlag finanziell interessiert!“
„Wieso?“
„Wenn es in und um Osekovo nicht hagelt, das Unwetter in – anderen Pfarrbezirken niedergeht, bekomme ich über den Zehent hinaus von jedem Osekovo-Bauern in Getreide die Hagelgratifikation! Auf deutsch:
‚Tempestasdotation‘!“ Der Pfarrer blinzelte luftig, ermunterte zum Trinken und leerte sein Glas.
Der Kommissär ereiferte sich gegen Aberglauben und Unsinn. Zumal doch der Pfarrer wahrhaftig nichts dafür könne, wenn es hagelt, oder wenn die Gefahr weiterzieht.
Der Župnik nickte. „So hab' ich früher auch geredet, sogar einmal von der Kanzel aus gegen die unsinnige Behauptung polemisiert, daß der Pfarrer, wie dies die Bauern glauben, Hagel machen und Hagel vertreiben könne. Ich tu's nicht wieder! Kein Wort sag' ich dagegen bis an mein Lebensende!“
„Warum?“
„Nach jener Predigt kam ein Bauer, einer der Starosten (Dorfältesten) zu mir und sagte: ‚Sehr schöne Predigt, aber nicht für mich! Denn ich habe Hochwürden im Chorrock und mit Stola schon oft in den – Wolken gesehen, wie Sie den – Hagel verteilten! Kein Mensch weiß, wie der Hagel entsteht; Sie haben von der Kanzel erzählt, wie der Hagel – gemacht wird! Also nütze das Leugnen nichts, daß Sie großen Einfluß haben.‘ – Darauf habe ich, der Župnik, versucht, dem Starost diesen Irrglauben auszureden. Der Starost aber erklärte. ‚Kein Unsinn! Von den Bauern wäre es nur dann dumm, wenn sie einem Župnik, der den Hagel nicht wegschicken kann, weiterhin die Tempestasdotation, die Hagelgratifikation in Getreide, extrig zahlen würden!‘ – Daraufhin habe ich, der schlecht bezahlte Pfarrer, die Bauern doch lieber auf ihrer für mich wohltätigen Meinung gelassen.“
„Begreifliche Unterlassungssünde! Aber doch Versündigung gegen die eigene Überzeugung!“
Der Pfarrer blinzelte und sprach: „Der Herr sind Waldschätzungskommissär! Arbeiten Sie ein Jahr auf Forstinspektion in Kroatien, dann kommen Sie wieder nach Osekovo und bringen Sie Ihre sämtlichen Sünden gegen die Überzeugung mit! Na zdravje! (Zur Gesundheit!) – Grüßen der Herr, falls Sie in Jelenska gornja nächtigen, meinen Amtsbruder, der als – , ‚Wald‘pfarrer oft Hagel hat! Der Kollege wird unter Tempestasdotation für – Hagel_versendung_, für Schutz seiner eigenen Gemeinde mitten im Wald, nicht zu ‚leiden‘ haben! Haha!“
Kommissär Günter mußte einen Happen Schinken essen, noch einen Krug Wein leeren zu Ehren der kroatischen Gastfreundschaft, die immer ihr Bestes, zuweilen sogar das letzte gibt mit einer Bereitwilligkeit, die zu Herzen geht und Ablehnung ausschließt.
Dann setzte Herr Günter die Wanderung fort. Spät erreichte er das Walddorf Jelenska gornja, wo der Kommissär erst recht auf die Gastfreundschaft des Pfarrers wegen der Nächtigung angewiesen war.
Eiskörner auf dem Weg und auf den wenigen Feldern brachten das Gespräch mit dem Župnik von Osekovo sofort in lebhafte Erinnerung. Und schwer fiel die Bitte um Aufnahme ins Pfarrhaus für die Nacht.
Doch der Pfarrer von Jelenska gornja ließ von Verdruß oder übler Laune nichts merken, hieß den Gast herzlich willkommen und reichte das Bilikum mit aller feierlichen Umständlichkeit und einer Ansprache, die in der Bitte ausklang, oft und zu jeder beliebigen Stunde bei Tag oder Nacht einzukehren in dem Hause, das von diesem Augenblick an Eigentum des Gastes sei.
Was das Haus, das einsame Dorf im weiten Forst bieten konnte, wurde freudig gegeben. Fröhlich war die Unterhaltung bei erstaunlich gutem Wein. Vom Hagelschlag wurde kein Wort gesprochen, hingegen von der Notwendigkeit ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln, da auf viele Meilen ringsum nichts zu haben sei….
Mit Sitte und Brauch in katholischen Pfarrhäusern vertraut, wollte der Forstkommissär frühmorgens der vom Pfarrer zelebrierten Messe im Kirchlein beiwohnen und dadurch den Hausherrn gebührend ehren. Vergebens wartete Günter in seiner Stube auf das „Zusammenläuten“ aller Glocken als Zeichen für den Beginn des Gottesdienstes. Die Glocken blieben stumm.
Um etliche Minuten verspätet kam der Beamte in die Kirche.
Hinterdrein beim Frühstück im Pfarrhause fragte Günter, warum das allerorten übliche „Zusammenläuten“ unterblieben sei.
Der Župnik lachte. „Strickmangel!“
„Was? Keine Stricke an den Glocken? Warum?“
„Abgerissen von den erbosten Bauern!“
„Abgerissen? Weshalb denn?“
„Weil der Župnik den Hagel nicht rechtzeitig nach Osekovo hinausdirigiert hat!“
„O weh! Dann ist's heuer mit der – Tempestasdotation nichts!“
„Stimmt! – Keine Sorge, Herr Forstkommissär! Ihr Ränzel wird deshalb doch mit Proviant gefüllt!“
So war es auch. Reichlich versorgt trat Günter seinen Marsch an. Und an einer vereinbarten Stelle, weit vom Dorfe entfernt, traf er mit dem dorthin bestellten Waldhüter zusammen, so daß der mühereiche Dienst begonnen werden konnte. Tagsüber Arbeit für Kopf und Füße, Nächtigung in einer Rindenhütte. Wie wohl tat da die Atzung als Spende des Waldpfarrers, der des Hagelschlages wegen bei seinen erbitterten Bauern in – Ungnade gefallen war!
Schmunzeln mußte der Beamte, so er der bäuerlichen – Rachetat gedachte: die Agrikel rissen die Stränge ab, weil die Glocken „unter Führung des Župniks“ den – Hagel nicht verjagt hatten….
Der Dienst führte den Kommissär Günter auch in das – „griechische Waldmeer“. So wurde ein Forst in der Ausdehnung von über 30000 Joch (rund 12900 ha) aus dem Grunde in Fachkreisen benannt, weil er von Kroaten griechisch-orthodoxer Religion in geringer Zahl besiedelt war.
Wer von der Beamtenschaft erstmals eine Kommissionsreise in dieses Gebiet, „Gorievica“ (Gorievitza) genannt, unternehmen mußte, erhielt von den gewitzigten Kollegen stets ein Bündel von Ratschlägen und Warnungen in einer Form, die an dicke Übertreibungen gemahnte und zum Lachen reizte. So besagte eine Schilderung aus dem Munde eines alten Forstbeamten. Im „griechischen Waldmeer“ wohnen die faulsten Menschen Europas, das Walddorf Jesenaš hat zwar einen Popen, doch das Beten lehrt die „Griechen“ der – jüdische Krämer, der ihre Steuern bezahlt, für alles sorgt, was die Dörfler zum Leben brauchen; der die ständig drohende Hungersnot verhindert, der, kurz gesagt, der „Herrgott“ von Jesenaš ist und dies mit Zustimmung des – Popen.
Zu dieser „handgreiflichen“ Übertreibung lachte Forstkommissär Günter, daß ihm das Wasser aus den Augen tropfte, und nicht ein Wort davon glaubte er.
Vor Beginn der Dienstreise wurde der Oberwaldhüter Kuster in Samarica (Samaritza), einem Dorfe am Fuße des gebirgigen Waldmeeres, vom Eintreffen des Kommissärs benachrichtigt und beauftragt, alles Weitere zur Verständigung von Förstern, Waldhütern und wegen Unterkunft in den Walddörfern zu veranlassen.
Im Wagen verließ Forstkommissär Günter seinen Wohnort (Sitz der Vizegespanschaft), fuhr einen Tag lang, bis der Rosselenker erklärte, auf der schlechten Straße nicht weiterfahren zu können. Auf dem Rücken eines Bauernpferdes, ohne Sattel, wurde die Dienstreise fortgesetzt, bis der Besitzer des Gauls versicherte, er sei nun müde genug. Zu Fuß „reiste“ der Beamte weiter und erreichte abends das ziemlich große Dorf Samarica. Die aufgestellten „Ausspekulierer“ (jugendliche Späheposten) meldeten die Ankunft rechtzeitig, so daß der einsame, krachmüde Wanderer mit – Glockengeläute begrüßt wurde.
Ob dieses seltsamen Empfanges höchlich erstaunt, fragte Günter den alten Waldhüter Kuster, wie denn ein Forstbeamter dazu komme, mit – Glockengeläute begrüßt zu werden. Glockenklang gebühre doch dem einziehenden Bischof oder Archimandriten.
Kuster schüttelte das graue Haupt. „O, Gospodin! Der Archimandrit kommt nie nach Samarica, ein Herr von der Gespanschaft in fünfzig Jahren einmal, ein Forstbeamter sehr selten! Also ist die Ankunft Euer Hochwohlgeboren ein großes Fest, das gebührend gefeiert werden muß! Gott segne Ihren Einzug in Samarica und in meine hochbeglückte Hütte!“
In Günter stieg etwas wie eine Ahnung auf, daß die Schilderungen der Kollegen vielleicht doch nicht so arg – übertrieben sein könnten.
Der Kommissär mußte im Hause des Oberwaldhüters wohnen; die Unterkunft war nicht schlecht. Als Atzung in der Stube zu ebener Erde, wo Günter, von Kuster bedient, allein speisen mußte, gab es gebratenen Buran (Puter) in einem wahrhaft riesigen Exemplar, bei dessen Anblick der Kommissär die Hände zusammenschlug und dann dem Hausherrn Vorwürfe wegen solcher Auslagen machte.
Kuster verneigte sich ehrerbietig und beteuerte, auf „seine Rechnung“ schon zu kommen. Der Buran aber sei unbedingt nötig; erstens, damit der gnädige Herr unter allen Umständen satt werde; zweitens, weil der Buran morgen ein – Bošpor9 sein müsse.
Auf eine nähere Schilderung ließ sich der Hauswirt nicht ein, widmete vielmehr alle seine Aufmerksamkeit den Vorbereitungen zum Bilikum. Salz, Brot und ein ganzer Schlüsselbund lagen bereits auf einer Kupferplatte; dann wurde ein Glaspokal gefüllt, der mindestens eine – Kaisermaß (etwa anderthalb Liter) fassen mochte. Während des Essens schielte der Kommissär in wachsender Angst nach diesem „Becherchen“, das nach südslavischem Brauch vom Gaste auf einen Zug bis zum letzten Tropfen geleert werden mußte.
Nach Beendigung dieser Vorbereitungen zum Bilikum stellte sich der Alte wieder demütig hinter den Stuhl des Gastes, bat um das Zugreifen, reichte auch die Schüsseln wieder, bot Dunstobst und Salat an, der im dunkelgrünen Öl der Sonnblumenkerne schwamm. „Wollen Euer Gnaden sich geneigtest versorgen! Wir haben nur diesen Buran und sonst nichts für die Nacht! Der Waldhüter ist nicht der Bischof von Djakovar!“
Zur Ablenkung suchte Günter ein forstliches Gespräch in Gang zu bringen. Auch war ihm lästig, daß der Alte stets demütig hinter dem Stuhle stand und Lakaiendienst versah.
„Bitte gehorsamst! Zu Dienstgesprächen geben die nächsten drei Wochen auf der Gorievica reichlich Gelegenheit! Heut' ist Festtag für meine Hütte!“
„Was? Drei Wochen?“ Den Forstkommissär hatte der Schrecken herumgerissen. „Drei Wochen Walddienst ohne Unterkunft? Darauf bin ich nicht vorbereitet! Für Biwakieren nicht im geringsten ausgerüstet! Irren Sie sich denn nicht, Kuster?“
Bescheiden klang die Erwiderung. „Bei der Aufforstung des vorderen Teiles der Gorievica hab' ich als Lehrling mitgeholfen; jetzt bin ich siebzig Jahre alt, Euer Hochwohlgeboren untertänigst zu dienen! Bitt' ich gehorsamst: noch ein Stückchen! Vielleicht von der Grlina (Hals), wo ist schön fett und wird machen morgen leichtes Steigen! Ein Schluck Slibowitz dazu, schmeckt sehr gut!“
Günter konnte nicht mehr essen; er war satt zum Platzen.
Nun bat der Hauswirt, dem hohen Gaste das Bilikum reichen zu dürfen.
Während etliche Wachskerzen angezündet wurden, traten zwei Waldhüter in die Stube, verneigten sich vor dem Kommissär, meldeten sich aber nicht, stellten sich am unteren Ende des Tisches auf und standen militärisch stramm.
Kuster hielt eine feierliche Willkommrede und reichte dem Gast die Platte.
Der Forstkommissär dankte, ergriff den schweren Pokal und begann zu schlucken.
In diesem Augenblick erklangen die kleinen Glocken der Kapelle neben dem Waldwärterhause. Dieses Signal wurde von den großen Glocken der Kirche in Samarica übernommen, so daß feierliches Geläute der Bevölkerung ankündigte, daß der zu Besuch erschienene Forstkommissär soeben beim Oberwaldwärter Kuster das Bilikum trinke.
Keinen Ton davon hörte Günter, der mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Unmenge Wein kämpfte, die hinuntergegossen werden mußte. Mit zwei winzigen Unterbrechungen zum Atemholen gelang es, den Pokal zu leeren. Auf die Nagelprobe des letzten Tropfens ließ es der Kommissär freilich nicht ankommen.
Dank und Händedruck. Mit einem Blick auf die beiden stramm stehenden Waldwärter am Tischende meinte der Kommissär. „Wohl unsere Begleiter?“
„Gehorsamst zu dienen, Gospodin, nein! Heute sind die beiden die Stolfunktionäre!“
„Was sind sie?“
„Stolfunktionäre, Stol ist gleich Tisch! Zu Ehren des hohen Gastes bin ich der untertänigste stolaravnatelj das ist der Tischdirektor oder Rektor; der kleine Tune, der Anton, ist der fiskus mein Stellvertreter; hingegen der große schwarze Gliša (Gregor) wird sein beschäftigungslos in seinem Tischamt! Gehorsamst aufzuwarten!“
Zunächst erkannte der Kommissär die Notwendigkeit, einen Trinkspruch auf den Hausherrn auszubringen.
Große Freude darüber, die auch nach – außen hin kundgegeben wurde, indem der jüngste Sohn des Hausherrn abermals die Glocken der Kapelle erklingen ließ.
Dann bat der „Fiskus“ um die hohe Ehre, ein Glas auf das Wohl des Herrn Forstkommissärs leeren zu dürfen. Gläserklingen, Glockenhall hinaus in die stille Nacht.
Günter wollte nun den andern Waldwärter ermuntern, sich mit einem Glase Wein an der Tafelfreude zu beteiligen.
Doch erschreckt, wiewohl geehrt und freudeglänzend, wehrte Gliša ab mit den Worten. „Nicht möglich!“
„Warum? Ist Er denn abstinent oder Türke, der Wein nicht trinken darf?“
Dem befragten Waldwärter rutschte die Wahrheit heraus, die nicht gesagt werden sollte „Jesam vunbačitelj!“10
Im Antlitz Kusters spiegelten sich Angst und Zorn; die Blicke kündeten Rache. Um wenigstens für den Augenblick lästiger Fragerei zu entrinnen, holte Kuster „besseren“ Wein. Die zwei anderen, dienstlich stramm am Tische stehenden „Funktionäre“ begriffen die Situation völlig und verstanden jetzt nicht mehr – Deutsch.
Forstkommissär Günter hatte vom Bilikum her zuviel Wein im Leibe, der ungewohnte Alkohol wirkte, machte eigensinnig und hartnäckig; justament wollte der Oberbeamte die wahrheitsgetreue Übersetzung des Wortes haben, das den Hausherrn offensichtlich in Verlegenheit und Zorn gebracht hatte und das zweifellos dem Gaste verheimlicht werden sollte.
Dem zurückgekehrten Kuster wurde scharf zugesetzt. Doch den Kroaten war der Kommissär weder mit der Mundfertigkeit noch mit der Trinkfähigkeit gewachsen. Günter hatte schließlich den – Zungenschlag, die Übersetzung aber nicht. Und den „Kampf“ mußte er aufgeben, sein Zimmer aufsuchen….
Das „Katergericht“, der „Bošpor“, wartete vergebens auf den Gast. Günter hatte seinen Willen durchgesetzt, trotz aller „Verkaterung“ frühmorgens den Dienstmarsch angetreten. Kuster mußte mit, das Sträuben und Zureden nützte nichts.
Wie sich alle „Pressiererei“ auf Erden rächt, so blieb auch der überstürzte Abmarsch von Samarica nicht ohne Folgen, indem Kuster der Eile wegen mit – leerer Torba (Tragsack) die Führung übernahm, der Kommissär etliche Stunden später schwer unter Hunger und Durst litt und obendrein keinen Wunsch, keine Klage äußern durfte.
Die Waldhüter aus Samarica kamen nach, selbstverständlich mit leeren Händen; etliche Förster stießen zu; die Dienstgeschäfte der Waldeinschätzung begannen und währten bis zum späten Abend. Als pflichteifriger Beamter vergaß Günter während der Dienstausübung auf alle Bedürfnisse.