Kitabı oku: «Sherlock Holmes - Seine Abschiedsvorstellung», sayfa 2

Yazı tipi:

»Ja, ja, das verstehe ich schon. Aber was ist mit dem Verschwinden der anderen?«

»Ich habe zwar noch nicht all meine Fakten beisammen, aber ich kann mir nicht denken, daß uns dies vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen sollte. Dennoch, es ist ein Fehler, den Tatsachen mit Behauptungen zuvorzukommen. Unmerklich biegt man sich dann die Fakten zurecht, damit sie besser zu den Theorien passen.«

»Und diese Botschaft?«

»Wie lautete sie noch? ›Unsere Farben, grün und weiß‹ – klingt nach Pferderennen. ›Grün offen, weiß geschlossen.‹ Das ist eindeutig ein Signal. ›Haupttreppe, erster Korridor, siebte rechts, grüner Boi.‹ Ein Stelldichein. Schon möglich, daß hinter alledem ein eifersüchtiger Ehemann steckt. Es war ohne Zweifel ein riskantes Unternehmen; sonst hätte sie nicht ›Gott schütze Sie‹ hinzugefügt. ›D.‹ – das könnte uns auf die Sprünge helfen.«

»Der Mann war Spanier. ›D.‹ steht vermutlich für Dolores, der Name ist in Spanien sehr häufig.«

»Gut, Watson, ausgezeichnet – nur leider völlig ausgeschlossen. Eine Spanierin würde einem anderen Spanier auf spanisch schreiben. Diese Mitteilung stammt also mit Sicherheit von einer Engländerin. Nun, im Moment bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu fassen, bis dieser treffliche Inspektor wiederkommt, um uns abzuholen. Einstweilen aber wollen wir froh und dankbar sein, daß ein gütiges Geschick uns für ein paar flüchtige Stunden von den unerträglichen Strapazen des Müßiggangs erlöst hat.«

Noch ehe unser Polizeibeamter aus Surrey wieder zu uns zurückgekehrt war, traf die Antwort auf Holmes' Telegramm ein. Holmes las sie durch und wollte sie schon in sein Notizbuch stecken, als sein Blick auf mein erwartungsvolles Gesicht fiel. Mit einem Lachen warf er sie mir zu.

»Wir bewegen uns in gehobenen Kreisen«, bemerkte er.

Das Telegramm enthielt eine Liste von Namen und Adressen:

Lord Harringby, The Dingle; Sir George Ffolliott, Oxshott Towers; Mr. Hynes Hynes, J. R, Purdey Place; Mr. James Baker Williams, Forton Old Hall; Mr. Henderson, High Gable; Rev. Joshua Stone, Nether Walsling.

»Dies ist ein sehr simples Verfahren zur Eingrenzung unseres Operationsfeldes«, sagte Holmes. »Zweifellos hat Baynes mit seinem Sinn für Methodik bereits einen ähnlichen Weg eingeschlagen.«

»Ich verstehe nicht ganz.«

»Nun, mein lieber Freund, wir waren bereits zu dem Schluß gediehen, daß es sich bei der Botschaft, die Garcia bei Tisch erhielt, um eine Verabredung oder ein Stelldichein gehandelt hat. Nun denn, falls die naheliegende Lesart die richtige ist und man, um sich zu diesem Treffen zu begeben, eine Haupttreppe emporsteigen und die siebte Tür in einem Korridor aufsuchen muß, so ist es völlig klar, daß das betreffende Haus sehr groß sein muß. Und mit ebensolcher Gewißheit läßt sich sagen, daß dieses Haus nicht mehr als ein oder zwei Meilen von Oxshott entfernt sein kann, da Garcia in diese Richtung gegangen ist und, nach meiner Auslegung der Tatsachen, rechtzeitig in Wisteria Lodge5 zurückzusein hoffte, um sich seines Alibis zu bedienen, das nur für die Zeit bis ein Uhr gelten würde. Da die Anzahl großer Häuser im engeren Umkreis von Oxshott begrenzt sein muß, habe ich die naheliegende Methode angewandt, den von Scott Eccles erwähnten Häusermakler anzufragen, ob er mir eine Liste davon zusammenstellen könnte. In diesem Telegramm hier sind sie nun alle aufgeführt, und in einem von ihnen muß das andere Ende unseres verschlungenen Fadens liegen.«

Es war kurz vor sechs Uhr, als wir in Begleitung von Inspektor Baynes im hübschen Dorf Esher in der Grafschaft Surrey eintrafen. Holmes und ich hatten uns für eine Übernachtung gerüstet und fanden im Bull behagliches Quartier, Sodann machten wir uns zusammen mit dem Detektiv auf den Weg nach Wisteria Lodge. Es war ein kalter, dunkler Märzabend; ein scharfer Wind wehte und peitschte uns den Nieselregen ins Gesicht; es paßte alles zusammen mit der öden Allmende, durch die wir unserem tragikumwitterten Ziel entgegenstrebten.

2. Der Tiger von San Pedro

Nach einem kalten und trübseligen Marsch von einigen Meilen kamen wir an ein hohes, hölzernes Tor, welches sich auf eine düstere Kastanienallee öffnete. Wir folgten der geschwungenen, überschatteten Einfahrt zu einem gedrungenen, finster wirkenden Haus, das sich nachtschwarz gegen den schiefergrauen Himmel abhob. Aus dem Fenster links neben der Eingangstür drang schwacher Lichtschimmer.

»Ein Constable hält die Stellung«, sagte Baynes. »Ich will mal eben ans Fenster klopfen.« Er stapfte über das Rasenstück und pochte mit der Hand gegen die Scheibe. Durch das beschlagene Glas hindurch konnte ich undeutlich erkennen, wie ein Mann aus seinem Sessel neben dem Kaminfeuer aufsprang, und gleichzeitig drang ein gellender Schrei aus dem Zimmer. Einen Augenblick später öffnete uns ein schwer atmender und totenblaßer Polizist die Tür; die Kerze in seiner Hand zitterte und schwankte.

»Was ist los, Walters?« fragte Baynes barsch.

Der Mann wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.

»Bin ich froh, daß Sie hier sind, Sir. Das ist ein langer Abend gewesen, und meine Nerven sind wohl auch nicht mehr das, was sie mal waren.«

»Ihre Nerven, Walters? Ich wußte gar nicht, daß Sie so was haben.«

»Nun, Sir, das liegt an diesem einsamen, stillen Haus und diesem komischen Zeugs in der Küche. Und als Sie dann ans Fenster geklopft haben, da hab ich gedacht, es sei zurückgekommen.«

»Was sei zurückgekommen?«

»Wenn Sie mich fragen, Sir, dann war's der Teufel. Es war am Fenster.«

»Was war am Fenster, und wann?«

»Das ist jetzt etwa zwei Stunden her. Es war eben dunkel geworden. Ich hab in meinem Stuhl gesessen und gelesen. Ich weiß nicht genau, was mich von meinem Buch aufblicken ließ, aber auf jeden Fall war da ein Gesicht, das mich durch die untere Fensterscheibe hindurch anstarrte. Guter Gott, Sir, das war vielleicht ein Gesicht! Das wird mich noch im Traum verfolgen.«

»Tz, tz, Walters; so redet doch kein Constable der Polizei.«

»Ich weiß, Sir, ich weiß; aber es ist mir wirklich durch Mark und Bein gegangen, das kann ich nun einmal nicht abstreiten. Es war weder schwarz noch weiß, Sir, noch sonst von irgendeiner Farbe, die ich kenne, sondern ein ganz komischer Farbton, wie Lehm mit einem Spritzer Milch darin. Und dann seine Größe, Sir – es war zweimal so groß wie Sie. Und wie es aussah – große starrende Glotzaugen und eine Reihe weißer Zähne wie ein hungriges wildes Tier. Ich sage Ihnen, Sir, keinen Finger konnte ich rühren und keinen Atemzug tun, bis es weghuschte und nicht mehr zu sehen war. Dann bin ich hinausgerannt und habe das Gebüsch durchsucht, aber Gott sei Dank war da niemand mehr.«

»Würde ich Sie nicht als tüchtigen Mann kennen, Walters, dann müßte ich Ihnen hierfür einen Rüffel geben. Und wenn es der Teufel in Person wäre, nie darf ein Constable im Dienst Gott danken, daß er ihn nicht dingfest machen konnte. Das Ganze war doch wohl nicht bloß ein Hirngespinst oder ein Anfall von Nervenschwäche?«

»Dies zumindest läßt sich sehr einfach feststellen«, sagte Holmes und zündete seine kleine Taschenlampe an. »Ja«, meldete er nach einer kurzen Untersuchung des Rasenstücks, »Schuhgröße zwölf6, würde ich sagen. Wenn alles an ihm von derselben Größenordnung ist wie seine Füße, so muß es allerdings ein Riese gewesen sein.«

»Und was ist weiter mit ihm passiert?«

»Es macht den Anschein, daß er sich durch das Gebüsch zur Straße durchgeschlagen hat.«

»Nun gut«, sagte der Inspektor mit ernster und nachdenklicher Miene, »wer immer das gewesen sein mag, und was immer er gewollt hat, jetzt ist er jedenfalls nicht da, und es gibt Dringlicheres zu erledigen. Mr. Holmes, wenn es Ihnen recht ist, werde ich Sie nun durchs Haus führen.«

Eine eingehende Durchsuchung der verschiedenen Schlafzimmer und Salons hatte keine Ergebnisse gezeitigt. Offensichtlich hatten die Mieter wenig oder gar nichts mitgebracht und das Haus mitsamt dem ganzen Inventar, bis hin zu den geringsten Kleinigkeiten, übernommen. Eine ganze Menge Kleider mit dem Etikett von Marx & Co., High Holborn, war zurückgelassen worden. Telegraphische Nachforschungen hatten bereits ergeben, daß die Firma Marx über ihren Kunden lediglich zu sagen wußte, daß er stets pünktlich bezahlt hatte. An persönlichen Habseligkeiten fand sich allerlei Krimskrams, ein paar Pfeifen, mehrere Romane, zwei davon auf Spanisch, ein altmodischer Zündnadelrevolver und eine Gitarre.

»Das alles gibt nichts her«, sagte Baynes, der mit der Kerze in der Hand von einem Raum zum andern stapfte. »Jetzt aber, Mr. Holmes, möchte ich Sie bitten, Ihre volle Aufmerksamkeit der Küche zuzuwenden.«

Es handelte sich um einen hohen, düsteren, im rückwärtigen Teil des Hauses gelegenen Raum mit einem Strohlager in der Ecke, das offenbar dem Koch als Schlafgelegenheit diente. Auf dem Tisch stapelten sich Schüsseln mit Speiseresten und schmutzige Teller, die Überbleibsel des Mahles vom vorigen Abend.

»Sehen Sie sich das an«, sagte Baynes. »Was halten Sie davon?«

Er hielt seine Kerze hoch und beleuchtete einen merkwürdigen Gegenstand, der hinten auf der Anrichte stand und so runzelig, verdorrt und verschrumpelt war, daß sich kaum feststellen ließ, was es einmal gewesen sein mochte. Es ließ sich bloß sagen, daß es schwarz und lederig war und eine gewisse Ähnlichkeit mit einer zwergenhaften menschlichen Gestalt aufwies. Bei näherer Betrachtung hielt ich es zuerst für einen mumifizierten Negersäugling, dann schien es mir mehr nach einem uralten, verhutzelten Affen auszusehen. Und ich blieb auch im Zweifel darüber, ob es menschlicher oder tierischer Natur war. Um seine Mitte war eine zweireihige Muschelkette geschlungen.

»Sehr interessant – wirklich sehr interessant!« murmelte Holmes, während er das unheimliche Relikt eingehend betrachtete.

»Sonst noch etwas?«

Wortlos ging Baynes zum Spülstein voran und hielt seine Kerze darüber. Darin lagen in wildem Durcheinander Rumpf und Glieder eines großen, weißen Vogels, den man mitsamt den Federn gewaltsam in Stücke gerissen hatte. Holmes deutete auf die Kehllappen an dem abgetrennten Kopf.

»Ein weißer Hahn«, sagte er. »Höchst interessant! Das ist wirklich ein sehr sonderbarer Fall.«

Sein schauerlichstes Schaustück hatte Mr. Baynes indes für den Schluß aufgehoben. Unter dem Spülstein zog er einen Zinkeimer hervor, der eine beträchtliche Menge Blut enthielt. Dann nahm er vom Tisch eine Platte, auf der ein Haufen verkohlter kleiner Knochenstücke lag.

»Etwas ist hier getötet und etwas ist hier verbrannt worden. Das hier haben wir alles aus dem Feuer gescharrt. Wir hatten heute früh einen Arzt hier. Er sagt, es sei nicht menschlicher Herkunft.«

Holmes lächelte und rieb sich die Hände.

»Inspektor, ich muß Ihnen wirklich gratulieren zu der Art, wie Sie einen so außergewöhnlichen und aufschlußreichen Fall angehen. Ihre Fähigkeiten – wenn ich dies sagen darf, ohne Ihnen zu nahe zu treten – scheinen Ihre Position bei weitem zu überragen.«

Inspektor Baynes' kleine Äuglein funkelten vor Freude.

»Sie haben recht, Mr. Holmes; wir versumpfen hier in der Provinz. Ein Fall wie dieser ist schon eine Chance, und ich hoffe, daß ich sie nutzen kann. Was halten Sie von diesen Knochen?«

»Ein Lamm, würde ich sagen, oder ein Zicklein.«

»Und was ist mit dem weißen Hahn?«

»Merkwürdig, Mr. Baynes, höchst merkwürdig, wenn nicht geradezu einzigartig.«

»Ja, Sir, in diesem Haus müssen sich sehr seltsame Leute mit sehr seltsamen Gewohnheiten eingenistet haben. Einer davon ist tot. Sind seine Gefährten ihm nachgeschlichen und haben ihn umgebracht? Wenn ja, so sollten sie uns nicht entwischen, denn alle Häfen werden überwacht. Ich persönlich sehe die Sache allerdings anders. Weiß Gott, Sir, ich sehe diese Sache ganz anders.«

»Sie haben also eine Theorie?«

»Das habe ich, und ich werde sie auf eigene Faust anwenden, Mr. Holmes. Das bin ich mir schuldig. Sie haben einen bekannten Namen, ich muß mir erst noch einen machen. Ich möchte hinterher gern sagen können, ich habe den Fall ohne Ihre Hilfe gelöst.«

Holmes lachte gutmütig.

»Schon gut, Inspektor«, sagte er. »Gehen Sie Ihren Weg, und ich gehe meinen Weg. Meine Resultate stehen freilich jederzeit voll und ganz zu Ihrer Verfügung, falls Sie darauf zurückgreifen wollen. Ich denke, ich habe nun alles gesehen, was ich in diesem Hause sehen wollte; woanders kann ich meine Zeit wohl nutzbringender verwenden. Au revoir, und viel Glück!«

Aus einer Vielzahl unscheinbarer Anzeichen, die jedem anderen als mir wohl entgangen wären, schloß ich, daß Holmes auf einer heißen Spur war. Mochte er auch einem zufälligen Beobachter so teilnahmslos wie immer erscheinen, verrieten mir seine heller gewordenen Augen und die energischeren Bewegungen jedoch eine verhaltene Ungeduld und eine gewisse Angespanntheit, die keinen Zweifel daran ließen, daß er sein Wild aufgestöbert hatte7. Er sagte nichts, das war so seine Art; meine war es, daß ich keine Fragen stellte. Ich war es zufrieden, an der Hatz teilzunehmen und meinen bescheidenen Beitrag zu leisten, wenn es galt, das Wild zu stellen, doch ich vermied es, dieses angespannt arbeitende Gehirn durch unnötige Unterbrechungen zu stören. Zu gegebener Zeit würde ich alles erfahren.

Ich wartete also, doch zu meiner ständig wachsenden Enttäuschung wartete ich vergeblich. Ein Tag nach dem anderen verstrich, ohne daß mein Freund irgendwelche Schritte unternommen hätte. Einen Vormittag verbrachte er in der Stadt, wo er, wie ich beiläufig erfuhr, das British Museum besucht hatte. Von diesem einen Ausflug abgesehen, verbrachte er seine Tage mit langen, meist einsamen Spaziergängen, oder er plauderte mit einigen Klatschmäulern aus dem Dorf, mit denen er Umgang pflegte.

»Ich bin überzeugt, Watson, eine Woche auf dem Lande wird von unschätzbarem Wert für Sie sein«, sagte er. »Es ist so wohltuend, mal wieder die ersten grünen Triebe an den Hecken und die Kätzchen an den Haselsträuchern zu sehen. Mit einem Spaten, einer Botanisierbüchse und einem Pflanzenbestimmungsbuch versehen, kann man hier lehrreiche Tage verbringen.« Er selbst streifte tatsächlich solchermaßen ausgerüstet durch die Gegend; die Ausbeute an Pflanzen, die er des abends nach Hause brachte, nahm sich indes recht kläglich aus.

Auf unseren Streifzügen begegneten wir hin und wieder auch Inspektor Baynes, dessen dickes, rotes Gesicht sich zu einem Lächeln verzog und dessen Äuglein aufleuchteten, wenn er meinen Gefährten begrüßte. Er ließ wenig über den Fall verlauten, aber diesem wenigen konnte man entnehmen, daß auch er mit dem Gang der Dinge keineswegs unzufrieden war. Dennoch muß ich gestehen, daß ich ein wenig überrascht war, als ich fünf Tage nach dem Verbrechen meine Morgenzeitung aufschlug und da in großen Lettern geschrieben fand:

DAS RÄTSEL VON OXSHOTT

LÖSUNG IN SICHT

MUTMASSLICHER MÖRDER GEFASST

Holmes fuhr wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl auf, als ich ihm diese Schlagzeile vorlas.

»Beim Zeus!« rief er aus. »Soll das heißen, daß Baynes ihn erwischt hat?«

»Allem Anschein nach«, erwiderte ich, indem ich die folgende Meldung überflog:

Großes Aufsehen erregte in Esher und Umgebung die Nachricht, daß gestern spät abends eine Verhaftung in Zusammenhang mit dem Mord von Oxshott erfolgt sei. Unsere Leser werden sich daran erinnern, daß vor einigen Tagen Mr. Garcia von Wisteria Lodge tot auf der Allmende von Oxshott aufgefunden wurde, wobei sein Leichnam Spuren brutalster Gewaltanwendung aufwies, und daß in derselben Nacht sein Diener und sein Koch die Flucht ergriffen, was darauf hinzudeuten schien, daß sie an dem Verbrechen beteiligt waren. Es wurden Vermutungen laut, die jedoch nie bewiesen werden konnten, der Verstorbene habe möglicherweise Wertgegenstände in seinem Hause verwahrt, deren Entwendung das Motiv für das Verbrechen gewesen sein könnte. Inspektor Baynes, in dessen Händen der Fall liegt, hat nichts unversucht gelassen, das Versteck der Flüchtigen ausfindig zu machen, wobei er sich von der wohlbegründeten Annahme leiten ließ, daß sie nicht sehr weit geflohen waren, sondern sich in irgendeinem für diesen Fall vorbereiteten Schlupfwinkel versteckt hielten. Die Entdeckung der beiden war indes von Anfang an abzusehen, da der Koch nach Aussagen von ein oder zwei Handelsreisenden, die ihn einmal zufällig durchs Fenster gesehen hatten ein Mann von äußerst auffallender Erscheinung ist – es handelt sich um einen riesigen, monströs aussehenden Mulatten mit einem gelblichen Gesicht von stark negroidem Einschlag. Dieser Mann wurde nach dem Verbrechen noch einmal gesehen, da er die Unverfrorenheit hatte, noch an demselben Abend wieder in Wisteria Lodge aufzutauchen, wo er von Constable Walters entdeckt und verfolgt wurde. Inspektor Baynes, der davon ausging, daß dieser Besuch nicht ohne eine bestimmte Absicht erfolgt war und sich deshalb vermutlich wiederholen würde, ließ das Haus sogleich räumen, legte jedoch ein paar seiner Leute im Gebüsch in den Hinterhalt. Der Mann ging in die Falle und wurde gestern abend nach einem Handgemenge, in dessen Verlauf der Wilde Constable Downing eine üble Bißwunde beibrachte, festgenommen. Wie verlautet, soll der Gefangene dem Richter vorgeführt und ein polizeilicher Antrag auf Untersuchungshaft gegen ihn gestellt werden; man erhofft sich von dieser Festnahme Entwicklungen von großer Tragweite.

»Wir müssen unbedingt sofort zu Baynes«, rief Holmes und griff nach seinem Hut. »Wir können ihn gerade noch abfangen, ehe er aufbricht.« Wir eilten die Dorfstraße entlang, und wie erwartet trafen wir den Inspektor im Begriff, sein Quartier zu verlassen.

»Schon die Zeitung gelesen, Mr. Holmes?« fragte er und streckte uns ein Exemplar entgegen.

»Ja, Baynes, ich habe sie gelesen. Halten Sie mich bitte nicht für anmaßend, aber ich möchte Ihnen eine freundschaftliche Warnung erteilen.«

»Eine Warnung, Mr. Holmes?«

»Ich habe mich recht eingehend mit diesem Fall befaßt, und ich bin gar nicht überzeugt, daß Sie auf dem rechten Weg sind. Ich möchte nicht, daß Sie sich zu weit vorwagen, es sei denn, Sie sind sich ganz sicher.«

»Sehr freundlich von Ihnen, Mr. Holmes.«

»Ich versichere Ihnen, ich will nur Ihr Bestes.«

Einen Moment lang schien es mir, als ob etwas wie ein Zwinkern über eines von Mr. Baynes' winzigen Äuglein huschte.

»Wir hatten vereinbart, Mr. Holmes, daß jeder von uns seinen eigenen Weg verfolgt; und genau das tu ich auch.«

»Oh, sehr wohl«, sagte Holmes. »Nichts für ungut.«

»Schon recht, Sir; ich bin überzeugt, daß Sie es gut mit mir meinen. Aber jeder hat nun mal so seine eigenen Methoden, Mr. Holmes. Sie haben die Ihren, und, wer weiß, vielleicht habe ich die meinen.«

»Wir wollen kein Wort mehr darüber verlieren.«

»Ich will Ihnen gern das Neueste berichten, jederzeit. Dieser Bursche ist ein Wilder, wie er im Buche steht; stark wie ein Zugpferd und grimmig wie der Teufel. Er hat Downing fast den Daumen durchgebissen, bis sie ihn endlich überwältigt hatten. Er spricht so gut wie kein Wort Englisch, alles, was wir aus ihm herausbekommen, sind ein paar Grunzlaute.«

»Und Sie glauben, beweisen zu können, daß er seinen ehemaligen Herrn ermordet hat?«

»Das habe ich nicht gesagt, Mr. Holmes; das habe ich nicht gesagt. Wir alle haben unsere kleinen Tricks. Versuchen Sie's auf Ihre Art, und ich versuch's auf meine. So hatten wir es abgemacht.«

Holmes zuckte die Achseln, als wir gingen.

»Ich werde aus dem Mann nicht schlau. Er scheint mit offenen Augen ins Unglück zu rennen. Nun, jeder von uns muß es wohl auf seine Art versuchen, wie er zu sagen pflegt, und schauen, was dabei herauskommt. Aber dennoch ist da was an diesem Inspektor Baynes, das ich nicht ganz verstehe.«

»Nehmen Sie doch gleich mal Platz in diesem Stuhl da, Watson«, sagte Sherlock Holmes, als wir wieder in unserem Logis im Bull angelangt waren. »Ich möchte Sie über den Stand der Dinge informieren, da ich heute abend womöglich Ihre Hilfe brauche. Lassen Sie mich Ihnen die Entwicklung dieses Falles darlegen, soweit ich diese nachzuzeichnen vermag. So simpel der Fall in seinen Hauptzügen auch anmuten mag, so birgt er doch ungeahnte Schwierigkeiten im Hinblick auf eine Verhaftung. In dieser Beziehung gilt es noch einige Lücken zu füllen.

Wenden wir uns nochmals dem Brief zu, der Garcia am Abend seines Todes übergeben wurde. Die Theorie von Baynes, daß Garcias Diener etwas mit der Sache zu tun haben sollten, können wir ruhig übergehen. Der Beweis für ihre Unrichtigkeit liegt darin, daß Garcia selbst den Besuch von Scott Eccles in seinem Hause arrangiert hat, was sich nur dadurch erklären läßt, daß er sich ein Alibi beschaffen wollte. Folglich war es Garcia, der in jener Nacht etwas vorhatte, und zwar allem Anschein nach etwas Verbrecherisches, bei dessen Ausführung er dann den Tod fand. Ich sage ›verbrecherisch‹, weil nur ein Mann mit verbrecherischen Absichten den Wunsch hat, für ein Alibi zu sorgen. Wer also kommt dann am ehesten für den Mord an ihm in Frage? Doch wohl diejenige Person, gegen die der verbrecherische Anschlag gerichtet war. So weit, scheint mir, bewegen wir uns auf sicherem Boden.

Damit wird nun aber auch ein Grund für das Verschwinden von Garcias Dienerschaft ersichtlich. Sie waren alle drei Komplizen bei diesem uns unbekannten Verbrechen. Klappte die Sache und kehrte Garcia zurück, so würde die Aussage des englischen Gentleman jeglichen Verdacht entkräften, und alles wäre in Ordnung. Indes, das Unternehmen war gefährlich, und kehrte Garcia innerhalb einer festgelegten Zeit nicht zurück, so mußte angenommen werden, daß er selbst ums Leben gekommen war. Für diesen Fall hatten sie deshalb vereinbart, daß sich die beiden Bediensteten an einen vorher bestimmten Ort begeben sollten, wo sie vor den Ermittlungen der Polizei in Sicherheit und außerdem in der Lage wären, den Anschlag später zu wiederholen. Das würde die vorliegenden Fakten doch umfassend erklären, nicht wahr?«

Das ganze Durcheinander begann sich vor meinem geistigen Auge zu entwirren, und ich fragte mich, wie jedesmal, warum mir dies alles nicht längst schon klar gewesen war.

»Aber warum sollte einer der Diener zurückkommen?«

»Man könnte sich vorstellen, daß er in der Aufregung der Flucht etwas Kostbares, etwas, von dem er sich nicht trennen konnte, zurückgelassen hat. Dies würde seine Hartnäckigkeit erklären, denken Sie nicht?«

»Nun ja, und was kommt als nächstes?«

»Als nächstes kommt der Brief, den Garcia während des Abendessens erhalten hat. Er verweist auf einen Verbündeten auf der anderen Seite. Es fragt sich bloß, wo diese andere Seite ist. Ich habe Ihnen bereits dargelegt, daß es sich um ein großes Haus handeln muß und daß die Anzahl großer Häuser begrenzt ist. Die ersten paar Tage hier in diesem Dorf verbrachte ich mit einer Reihe von Spaziergängen, auf denen ich – in den Pausen zwischen meinen botanischen Studien – alle großen Häuser in der Umgebung auskundschaftete und die Familiengeschichte ihrer Bewohner unter die Lupe nahm. Ein Haus, ein einziges nur, erregte meine Aufmerksamkeit. Es war der berühmte, alte, im Stile Jakobs des Ersten erbaute Landsitz High Gable, der eine Meile hinter Oxshott und weniger als eine halbe Meile vom Schauplatz der Tragödie entfernt liegt. Die anderen Landhäuser gehören alle prosaischen, ehrbaren Leuten, die ein Leben fern aller Abenteuerlichkeit fuhren. Mr. Henderson von High Gable jedoch ist nach allem, was man so hört, ein merkwürdiger Mann, dem merkwürdige Erlebnisse durchaus widerfahren könnten. Ich konzentrierte also meine Aufmerksamkeit auf ihn und seine Hausgenossen.

Ein eigenartiges Grüppchen, das kann ich Ihnen sagen, Watson – und der Mann selbst ist der eigenartigste von allen. Es gelang mir, unter einem plausiblen Vorwand bei ihm vorzusprechen, aber im grüblerischen Blick seiner dunklen, tiefliegenden Augen glaubte ich lesen zu können, daß er sich über den wahren Grund meines Besuches völlig im klaren war. Er ist ein kräftiger und energischer Mann um die fünfzig mit eisengrauem Haar, dicken, buschigen, schwarzen Augenbrauen, dem Gang eines Hirsches und dem Auftreten eines Imperators – ein gefährlicher, herrischer Mensch, hinter dessen pergamentenem Gesicht der Jähzorn lauert. Henderson ist entweder Ausländer öder hat längere Zeit in den Tropen gelebt, denn er wirkt gelblich und ausgedörrt, ist aber zäh wie Peitschenleder. Sein Freund und Sekretär, Mr. Lucas, ist ohne jeden Zweifel Ausländer; er ist schokoladenbraun, durchtrieben, glatt und katzenhaft, seine Sprechweise ist von giftiger Sanftheit. Sie sehen, Watson, jetzt haben wir bereits zwei Gruppen von Ausländern – eine in Wisteria Lodge und eine in High Gable –, womit sich die Lücken allmählich schließen.

Diese beiden Männer, zwischen denen eine enge und vertraute Freundschaft besteht, bilden das Zentrum des Haushalts; daneben gibt es aber eine Person, die in unserem speziellen Zusammenhang vielleicht noch wichtiger ist. Henderson hat zwei Kinder, Mädchen im Alter von elf und dreizehn Jahren, und eine Miss Burnet, eine Engländerin von ungefähr vierzig Jahren, ist ihre Gouvernante. Zudem gibt es da noch einen ergebenen Diener. Diese kleine Gruppe bildet die Familie im engeren Sinn, denn sie reisen gemeinsam in der Welt umher, und Henderson ist ein großer Reisender, ein Mensch, der immer auf dem Sprung ist. Erst vor ein paar Wochen ist er, nach einjähriger Abwesenheit, wieder nach High Gable zurückgekehrt. Beizufügen wäre noch, daß er enorm reich ist und jegliche seiner Launen mit Leichtigkeit befriedigen kann. Im übrigen wimmelt es in dem Haus von Dienern, Lakaien, Dienstmädchen und dem sonstigen überfütterten, unterbeschäftigten Personal eines englischen Landhauses.

All dies habe ich teils durch Dorfklatsch, teils durch eigene Beobachtung in Erfahrung gebracht. Es gibt kein willigeres Werkzeug als einen entlassenen, von Groll erfüllten Diener, und ich hatte das Glück, so einen aufzugabeln. Ich rede von Glück, aber natürlich wäre es mir kaum über den Weg gelaufen, wenn ich nicht danach Ausschau gehalten hätte. Jeder hat so seine Methode, wie Baynes zu sagen pflegt. Und meiner Methode ist es zu verdanken, daß ich John Warner, den ehemaligen Gärtner von High Gable, aufgegabelt habe, der von seinem anmaßenden Brotherrn in einer Aufwallung von Zorn gefeuert worden war. Er wiederum hatte Freunde unter dem Hauspersonal, das dem Herrn ohne Ausnahme mit Furcht und Abscheu gegenübersteht. Und damit hatte ich meinen Schlüssel zu den Geheimnissen des Hauses.

Seltsame Leute, Watson! Ich will nicht behaupten, daß mir schon alles bis ins letzte klar ist, aber seltsame Leute sind sie allemal. Das Haus hat zwei Flügel, und die Dienerschaft lebt in dem einen, die Familie im anderen. Die beiden Gruppen kommen nicht miteinander in Berührung, mit Ausnahme von Hendersons Leibdiener, welcher der Familie das Essen serviert. Alles wird zu einer bestimmten Tür gebracht, der einzigen Verbindung zwischen den beiden Hausteilen. Die Gouvernante und die Kinder gehen kaum je außer Haus, es sei denn in den Garten. Henderson macht keinen Schritt ohne Begleitung. Sein dunkler Sekretär ist wie sein Schatten. Unter der Dienerschaft wird gemunkelt, der Hausherr habe eine entsetzliche Furcht vor irgend etwas. ›Hat dem Teufel für Geld seine Seele verkauft‹, sagt Warner, ›und fürchtet sich jetzt, daß sein Gläubiger auftaucht und sein Eigentum verlangt.‹ Niemand hat die leiseste Ahnung, woher diese Leute kommen oder wer sie sind. Sie sind äußerst gewalttätig. Henderson ist schon zweimal mit der Hundepeitsche auf jemanden losgegangen, und nur sein voller Geldbeutel und großzügige Abfindungen haben verhindert, daß er vor Gericht kam.

Und nun, Watson, wollen wir unsern Fall einmal im Licht dieser neuen Informationen betrachten. Es ist so gut wie sicher, daß der Brief aus diesem merkwürdigen Haus kam und eine Aufforderung an Garcia war, einen bereits geplanten Anschlag auszuführen. Wer hat diese Mitteilung geschrieben? Es war jemand im Innern der Festung, und es war eine Frau. Wer anderes kann es gewesen sein als Miss Burnet, die Gouvernante? All unsere Überlegungen scheinen in diese Richtung zu weisen. Auf jeden Fall dürfen wir dies als Hypothese annehmen und schauen, was für Konsequenzen sich daraus ergeben würden. Ich darf hinzufügen, daß meine erste Vermutung, es könnte eine Liebesgeschichte in diese Sache hineinspielen, aufgrund des Alters und der Wesensart von Miss Burnet mit Sicherheit als nichtig ausgeschlossen werden kann.

Wenn sie die Nachricht geschrieben hat, so war sie vermutlich eine Freundin und Verbündete von Garcia. Wie dürfte sie sich also verhalten haben, als sie von seinem Tod erfuhr? Falls seine Unternehmung eine verbrecherische war, so kam wohl kein Wort über ihre Lippen. In ihrem Herzen blieben aber gleichwohl Bitternis und Haß gegen diejenigen zurück, die ihn getötet hatten, und soweit dies in ihrer Macht stünde, würde sie wohl helfen, ihn zu rächen. Könnten wir sie also aufsuchen und für unsere Zwecke einzuspannen versuchen? Dies waren meine ersten Gedanken. Aber damit kommen wir zu einem düsteren Kapitel. Miss Burnet ist seit der Mordnacht von keiner Menschenseele mehr gesehen worden. Sie ist seit jenem Abend wie vom Erdboden verschwunden. Lebt sie überhaupt noch? Hat sie vielleicht in derselben Nacht den Tod gefunden wie ihr Freund, den sie herbeigerufen hatte? Oder wird sie lediglich gefangengehalten? Das ist der Punkt, den wir noch klären müssen.

Ermessen Sie die Schwierigkeit der Lage, Watson. Wir haben keinerlei Handhabe für einen Haussuchungsbefehl. Unsere ganze Theorie würde einem Richter wohl als Hirngespinst erscheinen. Das Verschwinden der Frau hat kein Gewicht, da es in diesem seltsamen Haushalt durchaus vorkommen kann, daß eines seiner Mitglieder eine Woche lang unsichtbar bleibt. Und doch könnte es sein, daß sie sich jetzt in diesem Augenblick in Lebensgefahr befindet. Doch ich kann nichts anderes tun, als das Haus im Auge zu behalten und meinen Agenten Warner beim Tor Wache halten zu lassen. Aber wir können es nicht dulden, daß eine derartige Situation andauert. Wenn das Gesetz nichts tun kann, so müssen wir eben auf eigene Gefahr handeln.«

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