Kitabı oku: «Die Spaltung Amerikas», sayfa 4

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IV

Doch selbst als das Publikum Melting-Pot bejubelte, weckte Zangwills Schmelztiegel-Metapher Zweifel. Man musste nur durch die großen Städte Amerikas spazieren gehen – etwa so wie Basil March in William Dean Howells’19 Roman von 1889 A Hazard of New Fortunes –, um zu erkennen, dass der Prozess des „Einschmelzens“ noch ganz und gar unvollständig war. Ethnische Minderheiten bildeten ihre eigenen Quartiere, in denen sie nach ihrer je eigenen Weise lebten – nicht unbedingt in jener ihrer Herkunftsländer, aber auch nicht gerade in der Art des anglozentrierten Amerikas: also in Little Italy, Chinatown, Yorkville, Harlem usw.

Auch zeigte die weiße, angelsächsische „WASP“-Kultur wenig Neigung, ihnen den Zutritt zu Anglo-Amerika zu erleichtern. Und wenn sie es tat, wenn schließlich Barrieren fielen und neue Einwanderer Akzeptanz durch Geld oder Berühmtheit erlangten, dann lockte die Aussicht auf eine Mischehe. Indem der britisch-jüdisch-russische Schriftsteller Israel Zangwill sein Drama Melting-Pot um das Thema der Ehe zwischen Menschen verschiedener Ethnien und Religionen kreisen ließ, betonte der Autor, der selber mit einer Christin verheiratet war, wohin der „Schmelztiegel“ unvermeidlich führen muss – zum Verschwinden unterschiedlicher ethnischer Identitäten in der neugeschaffenenen amerikanischen Ethnie.

War ein solches Ergebnis erstrebenswert? Viele Einwanderer dachten zweifellos so. Ebenso sahen dies im frühen 20. Jahrhundert auch die meisten ihrer Kinder. Doch bald traten einige Sprecher von Volksgruppen auf, die angetrieben wurden durch die authentische Besorgnis um ihre besonderen ethnischen Werte, zugleich aber auch durch echtes, wenn auch unbewusstes Interesse an der Erhaltung ethnischer Wählerschichten. Jüdische Kritiker tadelten Zangwill heftig: „Umso schlimmer für dich und mich, mein Bruder, die wir nun eingeschlossen und aufgelöst werden im Schmelztiegel“, schrieb etwa einer. Sogar einige Leute angelsächsischer Herkunft missbilligten die Auslöschung pittoresker ausländischer Stammeseigenschaften zugunsten einer gesichtslosen anglozentrischen Konformität.

Der Eindruck verfestigte sich, dass der Schmelztiegel nur ein Mittel war, um anglozentrische Vorstellungen und Werte auf glücklose Immigranten zu übertragen – ein Eindruck, der durch den Aufstieg der „Amerikanisierungs“-Bewegung verstärkt wurde, die als Antwort auf die neue, polyglotte Einwanderung entstanden war. Gut gemeinte Amerikanisierungsprogramme versuchten, die Assimilation voranzutreiben, indem sie den Einwanderern besondere Kurse in Sprache, Einbürgerung und amerikanischer Geschichte anboten. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 machte die Amerikanisierung schließlich zu einer zwingenden Angelegenheit. Sogar einwanderungsfreundliche Präsidenten wie Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson waren besorgt, ob „Bindestrich-Amerikaner“ in einer Krise womöglich stärkere Loyalität zu ihrem Herkunftsland empfinden mochten als zu ihrer neuen Heimat.

Drei Tage nach der Versenkung der RMS Lusitania durch ein deutsches U-Boot sprach Wilson in Philadelphia vor einem Publikum von frisch Eingebürgerten.

„Man kann kein vollständiger Amerikaner sein“, so sagte er, „wenn man sich selbst nur in Gruppenzugehörigkeiten betrachtet. Amerika besteht nicht aus lauter einzelnen Gruppen. Ein Mensch, der sich selbst nur als Angehöriger einer besonderen nationalen Gruppe in Amerika sieht, ist noch kein Amerikaner geworden!“

„Wir können keine ‚Fifty-fifty’-Loyalität in diesem Land gebrauchen“, sagte Roosevelt zwei Jahre später. „Entweder ein Mensch ist ein Amerikaner und nichts anderes, oder er ist überhaupt kein Amerikaner“. Er verurteilte solche Amerikaner, die die Welt vom Standpunkt einer anderen Nation aus betrachteten. „Wir Amerikaner sind Kinder des Schmelztiegels“, sagte Roosevelt. „Der Schmelztiegel verrichtet sein Werk nicht, es sei denn, er gibt jene, die in ihn geworfen wurden, in genau einer nationalen Form aus.“

V

„Genau eine nationale Form?“ Nicht alle waren damit einverstanden. Im Jahre 1915 schrieb Horace Kallen20, ein jüdisch-amerikanischer Philosoph, einen Essay für die Zeitschrift The Nation mit dem Titel Demokratie contra Schmelztiegel21. Der Schmelztiegel, meinte Kallen, stimme weder als Faktum noch als Ideal. Was ihn im Gegenteil beeindruckte, war das Fortbestehen der ethnischen Gruppierungen und ihrer jeweils unterschiedlichen Traditionen. Anders als frei gewählte Bindungen, so Kallen, war das ethnische Band unfreiwillig und zugleich unabänderlich.

„Männer mögen ihre Kleidung, ihre Politik, ihre Frauen, Religionen, Philosophien mehr oder weniger oft wechseln; ihre Großväter können sie nicht auswechseln. Juden oder Polen oder Angelsachsen, die aufhören wollten, Juden oder Polen oder Angelsachsen zu sein, müssten aufhören, überhaupt zu sein.“

Ethnische Verschiedenartigkeit, so beobachtete Kallen, bereichert die amerikanische Zivilisation. Er betrachtete die Nation nicht als ein Volk – außer im politischen und administrativen Sinne –, sondern eher

„als ein Bündnis oder eine Gemeinschaft nationaler Kulturen ... eine Demokratie von Nationalitäten, die freiwillig und selbständig miteinander vermittels gemeinsamer Institutionen kooperieren ... eine Vielheit in einer Einheit, eine Orchestrierung der Menschheit“.

Diese Auffassung nannte er „kulturellen Pluralismus“.

Kallen war sich nicht ganz klar bei der Frage, wie man ethnischen Separatismus befördern könne, ohne dabei zugleich das ursprüngliche Ideal einer einzigen Gesellschaft zu schwächen. Ein Kritiker warnte, dass kultureller Pluralismus letztlich „in die Balkanisierung der Vereinigten Staaten münden“ würde. Kallen führte seinen Angriff auf die anglozentrierte Assimilation allerdings zu einer Zeit, als Kritiker des melting pot vernünftigerweise noch die Stabilität des umspannenden Rahmens voraussetzen konnten. Weil er die politische Einheit des Landes als gegeben ansah, legte er so viel Wert auf den Schutz kultureller Diversität.

Die frohe Botschaft vom kulturellen Pluralismus beschränkte sich zunächst weitgehend auf Akademiker, Intellektuelle und Künstler. Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren durch eine große allgemeine Entzauberung Europas geprägt – die Angst vor der Roten Gefahr, die direkt auf Fremde zielte, das Aufkommen des anti-katholischen Ku-Klux-Klan sowie eine Kampagne, durch die – manifestiert im Einwanderungsgesetz von 1924 – die ethnische Zusammensetzung des amerikanischen Volkes festzementiert wurde. Das neue Gesetz legte Quoten auf der Grundlage der nationalen Abstammungen der Bevölkerung im Jahre 1890 fest, was den Zustrom von Einwanderern aus Süd- und Ost-Europa drastisch verminderte.

Dem fremdenfeindlichen Nationalismus der 1920er-Jahre folgten in den 1930er-Jahren Krisen, die auf einigen strittigen Ebenen nichtsdestotrotz das Gefühl stärkten, dass alle Amerikaner im gleichen Boot sitzen und daher ebenso zusammen an einem Strang ziehen sollten. Die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg zeigten die dringende Notwendigkeit eines nationalen Zusammenhalts im Rahmen gemeinsamer nationaler Ideale.

„Das Prinzip, auf dem dieses Land gegründet und durch das es immer regiert wurde“, so sagte Franklin D. Roosevelt 1943, „besteht darin, dass der Amerikanismus eine Sache des Herzens und des Verstandes ist; er ist und war niemals eine Sache der Rasse und der Herkunft. Ein guter Amerikaner ist einer, der loyal zu seinem Land steht und zu unserem tiefen Glauben an Freiheit und Demokratie“.

VI

1944 zögerte Gunnar Myrdal nicht im Mindesten, dieses „amerikanische Credo“ zum gemeinsamen Besitz aller Amerikaner zu erklären, während sein großartiges Buch An American Dilemma zugleich eine meisterhafte Analyse des augenfälligsten amerikanischen Verrats unternahm, diesem Glaubensbekenntnis tatsächlich zu entsprechen: der Behandlung der Schwarzen durch das weiße Amerika.

Edle Ideale waren als gültig für alle Amerikaner propagiert worden; doch in der Praxis galten sie nur für die Weißen. Die meisten Interpretationen der nationalen Identität waren seit Crèvecoeurs Zeiten nur auf sie gemünzt. Sogar Horace Kallen, der Vorkämpfer des kulturellen Pluralismus, sah hinsichtlich seiner „Demokratie der Nationalitäten“ keine besonderen Bestimmungen für schwarze, rote, braune oder gelbe Amerikaner vor.

Tocqueville war hier insofern eine Ausnahme, als er farbige Menschen in seine amerikanische Gleichung mit einbezog. In seiner gewohnten Voraussicht identifizierte er den Rassismus als den unheilbaren Fehler der amerikanischen Demokratie. Die „atemberaubendste Nation auf diesem Globus“ habe den roten Menschen nahezu ausgerottet; die Existenz einer schwarzen Population sei der „schrecklichste all jener Mißstände, die die Zukunft der Union“ bedrohen. Die optimistischeren Männer Emerson und Zangwill hatten die nichtweißen Nationalitäten in ihre Schmelztöpfe geworfen; Tocqueville dagegen verstand die rassistische Ausschließung als tief im nationalen amerikanischen Charakter verwurzelt.

Die Geschichte stützt dieses Urteil. Die weißen Siedler hatten die amerikanischen Indianer systematisch zurückgestoßen, ihre Tapfersten getötet, ihr Land besetzt und ihre Stämme abgesondert. Sie hatten Afrikaner, die auf ihren Plantagen arbeiten sollten, und sie hatten für den Bau ihrer Eisenbahnstrecken Chinesen nach Amerika gebracht. Sie hatten einen glitzernden Strauß von Freiheiten versprochen, ihn den Menschen anderer Hautfarbe aber vorenthalten. Ihre Verfassung schützte die Sklaverei, und ihre Gesetze machten Unterschiede auf der Grundlage von „Rasse“. Obwohl die Weißen schließlich die Sklaven befreiten, verschworen sie sich gegen sie und entmündigten die Befreiten zu Bürgern dritter Klasse. Ihre Gesetze zur Fernhaltung der Chinesen gipfelten in der totalen Unterbindung asiatischer Immigration im Einwanderungsgesetz von 1924. Nur ganz wenigen weißen Amerikanern kam es in jenen Jahren in den Sinn, dass Amerikaner anderer Hautfarbe, ebenso wie sie selbst, sich im Genuss der gleichen Rechte und Freiheiten befanden, welche die Verfassung versprach.

Doch das, was Bryce „die verblüffende Auflösekraft“ der amerikanischen Institutionen und Ideen genannt hat, begründete gerade deren Stärke – sogar bei den am grausamsten Unterdrückten und Ausgestoßenen. Myrdals Umfragen innerhalb Afro-Amerikas zeigten gerade die ungebrochene „Treue“ der Afrikastämmigen, „am amerikanischen Credo festzuhalten“. Ralph Bunche22, einer von Myrdals Mitarbeitern, machte die Beobachtung, dass jeder, den er auf der Straße traf, gleich, ob schwarz, rot, gelb oder weiß, Amerika als das „Land der Freien“ und als „Wiege der Freiheit“ betrachtete. Das amerikanische Credo, so mutmaßte Myrdal, bedeute Schwarzen sogar noch einiges mehr als Weißen, denn es war das wichtigste Mittel, um ihre unerfüllten Rechte einzuklagen. Schwarze, neue Immigranten, Juden und andere benachteiligte Gruppen, so Myrdal, „hätten wahrscheinlich kein geeigneteres System politischer Ideen erfunden haben können, das besser mit ihren Interessen übereinstimmte“.

Der Zweite Weltkrieg verlieh dem amerikanischen Credo eine neue Schärfe. Hitlers Rassismus nötigte die Amerikaner, sich konkret und schonungslos mit ihren eigenen rassistischen Vorurteilen zu befassen. Wie konnten Amerikaner an der Doktrin von der Überlegenheit der „weißen Rasse“ festhalten und dabei gleichzeitig in Übersee gegen Hitlers Vorstellung von einer „Herrenrasse“ kämpfen? Wie konnten Amerikaner es Chinesen weiterhin verbieten, Amerikaner zu werden, während China gleichzeitig ein vertrauenswürdiger amerikanischer Alliierter war? Wenn der Krieg schon nicht dem amerikanischen Rassismus ein Ende bereitete, so beförderte er die rassistische Bigotterie doch zumindest in den Untergrund. Das Überdenken von Fragen der „Rasse“ forderte das Gewissen der Mehrheit heraus und stärkte zugleich das Selbstbewusstsein der Minderheiten.

Gestärkt durch das amerikanische Credo, begannen die Schwarzen, sich für gleiche Chancen in der Arbeitswelt einzusetzen, bekämpften die Rassentrennung in den Streitkräften und kämpften in ihren eigenen Einheiten an vielen Fronten. Nach dem Krieg stärkte die lange aufgeschobene Bürgerrechtsbewegung das schwarze Selbstvertrauen. Der Zusammenbruch des weißen Kolonialismus in der ganzen Welt und das Erscheinen unabhängiger schwarzer Staaten auf der Landkarte tat ein Übriges.

Überall in Amerika begannen Minderheiten, ihren Stolz zu bekunden und ihre Rechte einzufordern. Auch die Frauen, die eine „Minderheit“, die in den USA tatsächlich eine zahlenmäßige Mehrheit bildete, suchten nun politische und ökonomische Gleichheit. Juden fanden neue Solidarität vor dem Hintergrund des Holocausts und angesichts der Errichtung eines jüdischen Staates in Israel. Änderungen in der Einwanderungsgesetzgebung ließen die Zahl jener dramatisch anschwellen, die aus spanischsprachigen und aus Ländern Asiens in die USA gelangten; dem allgemeinen Beispiel folgend, machten sie dabei ihre eigenen Vorrechte geltend. Die amerikanischen Indianer mobilisierten sich, um ihre Rechte und ihr Land zurückzufordern, lange nachdem es vom Weißen Mann in Besitz genommen worden war; ihre Wortführer lehnten sogar die historische Bezeichnung ab, auf die die Indianer stolz gewesen waren, und nannten sich selbst Native Americans, eingeborene Amerikaner.

Die Bürgerrechtsbewegung löste bei der mittlerweile schon länger anhaltenden „neuen Einwanderung“ aus Süd- und Osteuropa, bei Italienern, Griechen, Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn neue Erklärungen zu ihrer ethnischen Identität aus. Michael Novak23, ein früher und einflussreicher Theoretiker des Multikulturalismus, behauptete, für die von der Idee des Schmelztiegels geschädigten weißen Minderheiten zu sprechen, und schrieb The Rise of the Unmeltable Ethnics. „In Amerika aufzuwachsen“, so Novak, „war ein Angriff auf mein Selbstwertgefühl.“ Um sein Selbstwertgefühl zu verbessern, bekräftigte er die Notwendigkeit einer Identitätspolitik. Gegen die Vorstellung von Amerika als einer Nation aus Individuen begrüßte Novak das, was er „die neue ethnische Politik“ nannte, die so Novak, „besagt, dass Gruppen die Regeln, Ziele und Verfahren des amerikanischen Lebens strukturieren können“.

Die Leidenschaft für „Wurzeln“ wurde unterstützt durch den „Dritte-Generationen-Effekt“, auch als „Hansens Gesetz“ bekannt nach Marcus Lee Hansen24, dem großen Pionier der Einwanderungsgeschichte: „Was der Sohn zu vergessen wünscht, dessen wünscht sich der Enkel wieder zu erinnern“. Sie wurde zugleich machtvoll verstärkt durch den abnehmenden amerikanischen Optimismus hinsichtlich der Zukunft des Landes. Zwei Jahrhunderte lang waren die Amerikaner zuversichtlich gewesen, dass das Leben für ihre Kinder besser würde, als es für sie selbst gewesen war. In ihrer ausgelassenen Jugendzeit hatten die Amerikaner die Vergangenheit verachtet und sich, wozu sie John Quincy Adams aufgefordert hatte, nach vorn auf ihre Nachwelt konzentriert statt rückwärts auf ihr Vorfahren. Inmitten banger Vorahnungen eines nationalen Niedergangs begannen die Amerikaner nun, weniger nach vorn zu schauen, dafür aber umso mehr zurück. Der anschwellende Kult der Ethnizität war ein Symptom des abnehmenden Vertrauens in die amerikanische Zukunft.

VII

Ethnisch als Wort hat eine lange Geschichte. Ursprünglich bedeutete es „ungläubig“ oder „heidnisch“. Bald jedoch kam es zu einer Bedeutung, die etwas mit „Rasse“ oder „Nation“ zu tun hat. In diesem Sinne waren alle, sogar die Lowells und die Cabots, Angehörige einer ethnischen Gruppe. Damals freilich, als Henry James das Wort in The American Scene benutzte, hatte ethnisch schon den Beiklang von „Fremdartigkeit“. So, wie es seit den 1960er-Jahren verwendet wird, bezeichnet es definitiv nicht-angloamerikanische Minderheiten – eine Umkehrung der ursprünglichen Bedeutung von etwas völlig Inakzeptablem.

Mittlerweile hat das Hauptwort Ethnizität sein modernes Debüt 1940 mit W. Lloyd Warners25 sogenannten Yankee-City-Untersuchungen erlebt. Aus seinen moderaten Anfängen in jenen soziologischen Studien bewegte sich der Begriff Ethnizität mit Macht hinauf auf die Haupttribüne des öffentlichen Diskurses. Die 200-Jahr-Feiern zur US-amerikanischen Unabhängigkeit, der 100-jährige Geburtstag der Freiheitsstatue – jeder wandte sich damals ab von der Idee des Schmelztiegels und hin zu den Spektakeln der ethnischen Besonderheit.

Der Druck in Richtung auf den neuen Kult der Ethnizität kam weniger aus Richtung der ethnischen Minderheiten in ihrer Gesamtheit als vielmehr von ihren oft selbsternannten Fürsprechern. Die meisten Angehörigen ethnischer Gruppen, Weiße wie Nicht-Weiße, sahen sich selbst vornehmlich als Amerikaner.

„Die Begierde nach ‚geschichtlicher Identität‘“, so Gunnar Myrdal auf dem Höhepunkt der ethnischen Begeisterung, „ist in keinerlei Hinsicht eine Volksbewegung. Solche Sehnsüchte wurden durch wenige, gut etablierte Intellektuelle, Professoren und Autoren geweckt – meist, wie ich vermute, solchen der dritten Generation.“

Nur wenige, so Myrdal, machten sich die Mühe, sich direkt an ihre eigene ethnische Gruppe zu wenden. Diese Bewegung, fügte Myrdal mit einer gewissen Verachtung hinzu, sei nichts anderes als „intellektueller Oberklassen-Romantizismus“.

Ausgerüstet mit ausreichend Öffentlichkeitszugang und Zeit konnten Ideologen sich dennoch ein Publikum schaffen. Mit einem klar umrissenen Interesse an ethnischer Identifikation wiesen Wortführer ethnischer Minderheiten das Ideal der Assimilierung zurück. Der „Schmelztiegel“, so hieß es, würde Menschen verletzen, indem er ihr Selbstbewusstsein unterminiere. Helden oder, wie es in ihrem Jargon heißt: role models, Vorbilder, aus der eigenen ethnischen Vergangenheit würden ihnen dadurch vorenthalten. Nunmehr wurde Novaks „nicht einschmelzbare Ethnizität“ hochgehalten.

Nach einer Anhörung ethnischer Wortführer, die die Melting-Pot-Idee als eine Verschwörung zur Homogenisierung Amerikas bezeichneten, verabschiedete der US-Kongress 1974 ein Gesetz zur Untersuchung des ethnischen Erbes26 – ein Gesetz, das, indem es die ethnische Ideologie auf alle Amerikaner anwendet, das historische Recht der Amerikaner beeinträchtigte, ihre eigene ethnische Identität selbst festzulegen. Das Gesetz ignorierte völlig jene Millionen von Amerikanern – sicherlich eine Mehrheit –, die es ablehnten, sich als einer bestimmten ethnischen Gruppe zugehörig zu identifizieren.

Die ethnische Aufwallung (sie lässt sich kaum als ein Wiederaufblühen bezeichnen, denn sie hatte keinerlei Vorbild) begann als ein Zeichen des Protests gegen die anglo-zentrierte Kultur. Sie wurde inzwischen zum Kult. Heute droht diese Aufwallung zu einer Art Konterrevolution zu werden: gegen die ursprüngliche Theorie von Amerika als one people – mit einer gemeinsamen Kultur in einer geeinten Nation.

1 Thomas Paine (1736-1809): einflussreicher politischer Intellektueller und einer der Gründerväter der USA im Zeitalter der Aufklärung.

2 Thomas Paine: Common Sense (Anhang).

3 Herman Melville (1819-1891): US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter und Essayist. Sein Roman Moby Dick zählt zu den bedeutendsten der Weltliteratur.

4 Herman Melville: White Jacket, Kap. 36.

5 Ralph Waldo Emerson (1803-1882): US-amerikanischer Philosoph, Schriftsteller und Führer der Transzendentalisten in Neuengland. Emerson war vor Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs schon eine der wichtigsten intellektuellen und moralischen Stützen Abraham Lincolns.

6 Im Original: „construct a new race“

7 George Washington (1732-1799): erster Präsident der USA.

8 John Quincy Adams (1767-1848): US-amerikanischer Politiker, Diplomat und der sechste Präsident der USA (1825-1829).

9 Nach dem in Europa üblichen ius sanguinis („Recht des Blutes“, lat. sanguis „Blut“) vererbt sich Staatsbürgerschaft über die ‚Blutlinie‘ an die Nachkommen, nach dem amerikanischen ius soli („Recht des Bodens“, lat. solum „Boden“) erwirbt, wer auf amerikanischem Boden geboren wurde, allein dadurch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

10 Abraham Lincoln (1809-1865): Von 1861 bis 1865 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er war der erste aus den Reihen der Republikanischen Partei und der erste, der einem Attentat zum Opfer fiel.

11 James Bryce, 1. Viscount Bryce (1838-1922): britischer Historiker, Jurist und Politiker.

12 Gunnar Myrdal (1898-1987): schwedischer Ökonom, der vor allem durch seinen Nobelpreis und als erster Leiter der UNO-Wirtschaftskommission für Europa Bekanntheit erlangt hat.

13 W. E. B. Du Bois (1868-1963): Soziologe und führender US-amerikanischer Vertreter der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

14 Millard Fillmore (1800-1874): US-amerikanischer Politiker der Whig Party und 1850 bis 1853 der 13. Präsident der USA.

15 Frederick Jackson Turner (1861-1932): US-amerikanischer Historiker. Er wird mit dem Begriff Frontierism in Verbindung gebracht und zählt zu den bedeutendsten Historikern der USA.

16 Henry James: (1843-1916): amerikanisch-britischer Schriftsteller. Er war der jüngere Bruder des Philosophen William James.

17 Israel Zangwill (1864-1926): Schriftsteller, Essayist, Journalist und politischer Aktivist in der feministischen, pazifistischen und zionistischen Bewegung.

18 Jane Laura Addams (1860 -1935): US-amerikanische Feministin, Soziologin und engagierte Journalistin der Friedensbewegung zu Anfang der 1920er-Jahre. Sie gründete 1889 in Chicago das Hull House, heute ein Museum.

19 William Dean Howells (1837-1920): US-amerikanischer Schriftsteller, Literaturkritiker und Zeitschriftenredakteur.

20 Horace Kallen (1882-1974): In Schlesien geborener jüdisch-amerikanischer Philosoph.

21 Democracy versus The Melting-Pot

22 Ralph Johnson Bunche (1904-1971): US-amerikanischer Diplomat und Bürgerrechtler. Er erhielt 1950 den Friedensnobelpreis.

23 Michael Novak (1933-2017): US-amerikanischer katholischer Philosoph, Journalist, Erzähler und Diplomat. Starker Gegner des Multikulturalismus und der „Schmelztiegel“-Theorie.

24 Marcus Lee Hansen (1892-1938): US-amerikanischer Historiker, 1941 Gewinner des Pulitzer-Preises für seine History for The Atlantic Migration, 1607-1860.

25 William Lloyd Warner (1898-1970): US-amerikanischer Anthropologe und Sozialpsychologe.

26 Ethnic Heritage Studies Program Act

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26 mayıs 2021
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