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Kitabı oku: «Justizmord », sayfa 10

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8

Frau Turel hatte ihren Satz noch nicht beendet, da erschien Mister Harvey und sagte:

»Aber nein! – Ohne Frau Turel? – ausgeschlossen!«

Der Staatsanwalt trat vor ihn hin und fragte:

»Sie stellen sich freiwillig?«

Harvey tat erstaunt und erwiderte:

»Wie – bitte?«

»Sie leugnen doch nicht, Voisin getötet zu haben?«

Der Amerikaner zog einen Stoß Zeitungen aus der Tasche und fragte:

»Ja, haben Sie denn die Nachtausgabe der in Paris erscheinenden »Chicago Times« noch nicht gelesen?«

»Das ist doch Ihr Blatt?«

»Allerdings! Und ich bin stolz darauf, daß man in Paris bereits um drei Uhr nachts wußte, was sich jetzt um halb sechs Uhr früh hier in Marseille abspielt.«

»Sie treiben ein gewagtes Spiel!« sagte Dubois drohend.

Harvey reichte jedem der Anwesenden ein Exemplar der »Chicago Times« und sagte zu Frau Turel:

»Bitte, lesen Sie dem Herrn Staatsanwalt vor!« Jeder entfaltete seine Zeitung. Frau Turel las. die übrigen lasen halblaut mit:

»Ein Justizmord in Toulon in letzter Minute verhindert! – Am dreizehnten April erschien im Office des Marseiller Korrespondenten der »Chicago Times« ein Weinreisender, namens Henri Voisin, der seiner Firma in Bordeaux Gelder unterschlagen hatte, und bat, ihm die Flucht nach Amerika zu ermöglichen. Er bot dafür ein amtliches Zertifikat über die Einfuhrerlaubnis von Spirituosen nach den Vereinigten Staaten. Der zufällig anwesende Zeitungsverleger Mister Harvey stellte sofort die Fälschung des Zertifikats fest. Im Augenblick, in dem er mit Hilfe seines Korrespondenten Marot die Festnahme Voisins veranlassen wollte, zog Voisin einen Revolver und erschoß sich.«

»Demnach hätte Voisin sich also selbst erschossen«, sagte Dubois – und Frau Turel fuhr fort:

»Mister Harvey, der sich seit Jahren auf der Jagd nach Sensationen für seine Blätter befand, kam sofort auf den Gedanken, diesen Vorfall für die »Chicago Times« auszubeuten. – Er rief einen Arzt und einen Notar, der den Tatbestand an Ort und Stelle aufnahm – und dem er alles genau so voraussagte, wie es sich dann später in Nizza und in Marseille bis zum Morgen der geplanten Hinrichtung abgespielt hat.«

Harvey zog ein Schriftstück aus der Tasche und sagte:

»Hier ist das beglaubigte Dokument!«

Dubois, dem man die Empörung schon während der Lektüre deutlich vom Gesicht lesen konnte, fuhr den Amerikaner an:

»Sie haben der französischen Justiz einen bösen Streich gespielt.«

»Aber nein!« erwiderte Harvey. »Sie haben sämtlich pflichtgemäß gehandelt. Es liegt auch nicht ein einziger Verstoß gegen das Gesetz vor. Daß sie trotzdem im Begriff standen, einen Unschuldigen hinzurichten – gerade damit habe ich die Todesstrafe ad absurdum geführt.«

»Während alle stark beeindruckt schienen, wandte sich der Staatsanwalt an Harvey und sagte:

»Sie werden sich wegen groben Unfugs und Beiseiteschaffung einer Leiche zu verantworten haben.«

»Das, denke ich, werde ich überstehen«, erwiderte Harvey. Dann trat er an Frau Turel heran, streckte ihr die Hand hin und sagte: »Nicht wahr, Frau Turel, Sie werden mich doch verteidigen?«

»Herzlich gern!« erwiderte die und schlug ein. – »Ich bin ja so froh, daß Sie nun doch ein anständiger Mensch sind.«

Aber Marot, der sich vollkommen wieder in der Gewalt hatte, fragte den Amerikaner:

»Wenn Sie nun nicht doch zur Zeit gekommen wären, Mister Harvey?«

»Dann hätte der Notar, der draußen auf dem Richtplatz steht und ein Duplikat hat, im letzten Augenblick interveniert.«

Marot ging auf Dorothée zu, nahm ihre beiden Hände und sagte:

»Ich habe dir unrecht getan ! – Verzeihst du mir?«

Dorothée schlang ihre Arme um Marots Hals und sagte:

»Längst vergeben!« – Dann rief sie übermütig: »Aber, was viel wichtiger ist: wann geht der nächste Zug nach Paris?«

Dubois, der das Buch der Hingerichteten in der Hand hielt und gerade darüber nachdachte, wie man diesen ungewöhnlichen Fall registrieren sollte, erwiderte:

»Ein Kursbuch führen wir in der Mörderzelle noch nicht. – Aber vielleicht, daß die neue Strafprozeßreform . . .«

Er führte den Satz nicht zu Ende.

Aber der Wächter, der nahe an ihn herangetreten war, fragte ängstlich:

»Herr Staatsanwalt, wer zahlt denn nun die Henkersmahlzeit ?«

Dubois vergaß über diese neue Schwierigkeit für einen Augenblick das Wesentliche und erwiderte:

»Sie haben recht! Eine schwierige Frage! Ich werde sofort ein Aktenstück darüber anlegen.«  –

Ende des Kriminalfalls.

Was vorausgegangen war.

Mister Lincoln Harvey, dem außer der »Chicago Times« noch ein halbes Dutzend Tageszeitungen mit einer Million Auflage gehörten, saß an seinem Schreibtisch und drückte wie ein rasender Klavierspieler auf die Tasten seiner elektrischen Klingelanlage. Innerhalb weniger Sekunden alarmierte er zwei Dutzend seiner Redakteure, die aus ihren Zimmern stürzten, auf den engen Korridoren mit den Köpfen zusammenrannten und sich neugierig und ängstlich zuraunten:

»Was will der Alte?«

Gleich darauf standen sie vor ihrem Chef – dicht zusammengedrängt – wie ein massiger Körper mit unzähligen Köpfen, die bald emporschössen, bald sich duckten und in ständiger Bewegung waren.

Auf dem breiten Schreibtisch Mister Harveys lagen die Hauptblätter der heutigen Tageszeitungen ausgebreitet. Der Anblick stimmte die Herren Redakteure nicht heiter.

»Meine Herren!« begann Harvey und wies auf die Zeitungen: »Zehn Blätter und keine Sensation! Ich bin kein Vampir, der seinen Lesern das Geld aus der Tasche zieht, ohne ihnen etwas zu bieten.«

Ein paar Köpfe schössen in die Höhe die große Mehrzahl aber verschwand hinter den breiten Rücken der Kollegen.

»Reden Sie nicht!« fuhr Harvey fort noch ehe einer der Herren es gewagt hätte, den Mund aufzutun. »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Das alte Lied! Es passiert nichts. Die Ozeanflüge interessieren nicht mehr. Die Gesellschaftsberichte unserer Milliardäre schüren das Feuer der Bolschewisten. Die Eheskandale in Hollywood hängen dem Publikum zum Halse heraus. Die Prohibition ist ein zu Tode gehetztes Thema. Mord und Totschlag verursachen längst keine Schrecken mehr. Revolutionen in Europa sind abgestandene Themen. Erdbeben, bei denen nicht mindestens ein Weltteil von der Erdoberfläche verschwindet, üben auf das Publikum keinen Reiz mehr aus. – Das sind Ihre Entschuldigungen! Aber es sind keine. Denn Sie sind keine Reporter, sondern hochbezahlte Redakteure. Sie sollen nicht berichten, sondern erfinden. Um in meinen Zeitungen zu lesen, was in der Welt vorgeht und was die Telegraphenagenturen an Millionen Blätter berichten, dazu brauche ich Sie nicht! Von Ihnen verlange ich Dinge, die ich in anderen Blättern nicht finde.«

»Ich hatte mir erlaubt«, erwiderte ein schlanker hagerer junger Mann.

»Wahnsinn waren die Vorschläge, die Sie mir unterbreitet hatten. Unter der Überschrift: Die Welt aus den Fugen! wollten Sie innerhalb einer Woche die Nachrichten bringen: Umsturz in Rußland. Rückkehr der Romanows Die Großfürstin Anastasia besteigt den Thron ihrer Väter. – Attentat eines Schimpansen auf Professor Voronoff. Die Affen protestieren gegen ihre Menschwerdung. – Wilhelm der Zweite verläßt Holland und übernimmt den Oberbefehl über die chinesische Armee. – Der Dichter d'Annunzio plant einen Flug in die Hölle, um die Schilderungen Dantes nachzuprüfen. – Es war noch mehr. Die anderen Verrücktheiten habe ich Gott sei Dank vergessen. Auf die Art geht es natürlich nicht.«

»Ich war der Ansicht, es solle eben etwas ganz Ungewöhnliches sein.«

»Gewiß! Aber nicht Dinge, die sich sofort nachprüfen und widerlegen lassen. Ihr Weg ist falsch! Es genügt nicht, Ideen zu haben. Man muß sie auch in die Tat umsetzen. Dazu gehört ein starker Wille und unter Umständen der Mut zu einem Verbrechen.«

Die Herren Redakteure wichen verängstigt zurück.

»Es kommt weniger auf das Was an, weit mehr auf das Wie. Wen interessiert heute ein Mord? Aber wenn man ihn mit einem Geheimnis umgibt, die Neugier der Leser erregt, sie nötigt, Stellung zu nehmen, und sie auf die Folter spannt, dann kann man aus einem gewöhnlichen Mord mehr herausholen als aus einem Flug nach der Hölle.«

»Aber ein Mord bleibt doch immer . . .« »Sensationen, die sich im Augenblick ihres Eintritts auswirken, sind zu vermeiden. Die Wirkung eines politischen Bombenattentats zum Beispiel ist im Moment des Geschehens und mit Feststellung der Zahl seiner Opfer erschöpft. Ob der Attentäter Anulli oder Trevesti heißt, ob er tot oder noch lebend gefaßt wird – wen interessiert das noch? – Aber einen Mord kann man mit einem Geheimnis umspannen, das die Leser wochenlang in Atem hält, – Meine Herren, Sie haben mich hoffentlich verstanden. – »Wie Sie wissen, fahre ich heute abend nach Europa. Sollte sich mir drüben die Möglichkeit bieten, Ihnen an einem Beispiel zu demonstrieren, was ich meine, so werde ich der Gelegenheit nicht aus dem Wege gehen. Auch wenn sie Gefahren in sich birgt. Ich erwarte von Ihnen hier das gleiche. Auf Wiedersehen, meine Herren!«

Er machte eine Handbewegung. Die Herren waren entlassen. – Draußen auf dem Flur ballten sie sich noch einmal zusammen. Ganz dicht. Ihre Köpfe berührten sich fast.

»Der Alte hat den Verstand verloren«, sagte der schlanke, hagere junge Mann.

Aber die Feststellung genügte nicht. Sie brachte keine Entspannung.

»Er verlangt von uns, daß wir Verbrechen begehen«, erklärte ein anderer.

»Bei dem Gehalt!«

»Und den Aussichten!«

»Das soll er man selbst besorgen.«

Am Abend desselben Tages trat Mister Harvey seine Reise nach Europa an. Sie führte ihn über London nach Paris an die Riviera.

Genau drei Wochen später ereignete sich, was auf den vorstehenden Seiten geschildert ist.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 kasım 2019
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