Kitabı oku: «Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln», sayfa 14

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Bohrwürmer – der Schrecken der Seefahrer

Lagos, die Hauptstadt Nigerias, war mein 34. Hafen auf dieser Fahrt. Selten verirren sich Yachten in jene Gegend, um so gastfreundlicher nahm man mich auf. Motorschaden? Man erkundigte sich nach Reparaturmöglichkeiten, und kurze Zeit später wurde die LIBERIA im Hafengelände von Apapa auf Land geschleppt. Es wurde auch höchste Zeit, denn mein Boot besaß keinen Kielschuh, der es vor den Bohrwürmern, den gefürchteten Teredos, schützen konnte. Und Bohrwürmer sind in Westafrikanischen Gewässern so häufig anzutreffen wie Nudeln in der Nudelsuppe.

In jedem zweiten Brief hatte Niña angefragt, ob diese lieben Tiere sich nicht schon in mein Boot eingeschlichen hätten – sie hoffte wohl insgeheim, ich müßte dann schleunigst nach Deutschland zurückkehren. Und ich war ihr ob dieser Hoffnung nicht einmal böse.

Bohrwürmer sind keine Würmer, sondern Muscheltiere, die sich darauf spezialisiert haben, das Holz derartig zu durchlöchern, daß es das Aussehen eines Schwammes erhält und schließlich zerfällt. Schiffsbohrwürmer haben griechische Triremen wie auch die sonst unbesiegte „Golden Hind“ von Francis Drake zerstört, und heute noch geben die Yachtbesitzer aller Welt jährlich Millionen von Mark aus, um ihr Unterwasserschiff vor ihnen zu schützen.

Als winzige Larven schwimmen die Tierchen im Meer umher und suchen emsig nach einer Wohnung, die ihnen zugleich Nahrung liefern kann. Mittels eines technisch interessanten Schabmechanismus drillen sie sich in das Holz, das ihnen ein ewiges Gefängnis wird.

Das Achterende des Tieres bleibt stets an der Eintrittsöffnung haften, es kann sogar den Eingang zur Höhle verschließen, während das Vorderende immer lustig weiterbohrt, so daß sich das Tierchen schließlich wie eine Ziehharmonika auseinanderzieht oder, besser gesagt, auseinanderwächst, und zwar bis zu der stattlichen Länge von einem Meter.

In Australien gibt es Eingeborene, die diese dort besonders großen „Holzwürmer“ mit Hochgenuß verzehren.

Das Gemeine an dem Tier ist die Tatsache, daß es ohne Schaden eine recht lange Trockenkur an Land vertragen kann, weil sein Hinterende die Pforten verschließt.

Aber zum Glück muß es nach ein paar Tagen doch einmal Atem holen, und dann bekommt es zu seinem Entsetzen nicht den gewohnten und gewünschten Sauerstoff aus dem Meer, sondern aus der Luft. Der bekommt ihm gar nicht; es stirbt langsam ab. Für den Segler ist es daher sehr schwer, mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Tiere in seinem Boot bereits tot oder immer noch am Leben sind.

Zauber und Antizauber

Auf der Werft erregte die Anwesenheit einer deutschen Yacht bei den Nigerianern großes Aufsehen. Immer wieder kamen Neugierige zu Besuch und versuchten festzustellen, ob sich das Bild, das sie sich von den Deutschen gemacht hatten, mit der Wirklichkeit deckte.

Da kamen welche, die in den Deutschen gewaltige Krieger sahen; andere meinten, es müßten alle Nazis oder mindestens Störenfriede im Verein der Völker sein, und andere wiederum, die regelmäßig englische Zeitungen lasen, wußten besser als ich, in welchen heimischen Ministerien sich noch ehemalige Größen des Dritten Reiches verbergen. Es war erstaunlich, wie interessiert sich diese intelligenten Burschen nach allem erkundigten, was nicht zu ihren Vorstellungen paßte.

Daß ich nahezu alle Arbeiten an meinem Boot selbst ausführte, imponierte ihnen am meisten und schien sie zutraulicher zu machen.

Eines Tages erschienen zwei ganz besonders Neugierige mit einem seltsamen Anliegen. Mr. Abu und Mr. Ajobi suchten Hilfe bei mir. Ich fragte die beiden jungen Leute; die nicht so recht mit der Sprache herausrücken wollten, ob sie krank seien? „No, Sir, nicht direkt!“ Ob sie Geld benötigten? Entsetzt wehrten sie ab. Ob sie mir etwa eine Frau andrehen wollten? Denn dieses Angebot erhält man nahezu in jedem Hafen. Auch nicht! Schließlich kam es heraus: „Doktor, Sie müssen ein Ju-Ju-Mann sein, weil Sie ganz alleine von Europa hierher gekommen sind. In der Nacht allein segeln, ohne Maschinisten, ein zerlegbares Fahrrad an Bord, niemals krank werden und immer den richtigen Hafen finden – das kann nur ein Ju-Ju-Mann!“

Das hatte ich nicht erwartet! „Sagen Sie mir doch bitte, was Sie unter einem Ju-Ju-Mann verstehen!“ forderte ich sie auf.

„Das ist ein Zauberer, der Menschen krank und gesund machen kann. Das ist aber auch ein Mann, der übernatürliches leistet“. Und, ohne daß ich darauf eingehen konnte, fuhren sie fort: „Wir brauchen Hilfe, um uns gegen die Zauberkraft unseres Dorfes schützen zu können.“

„Aber man kann doch nicht einfach ein halbes Pfund Antizauberkraft kaufen wie in einem Laden! Oder wollen Sie von mir etwa ein Amulett haben?“

“No, listen, Sir: wir gehören einem Geheimbund an, einem amerikanischen; wir besitzen eine ganze Bibliothek von Büchern über Mystizismus und Okkultismus, aber wir haben nichts darin gefunden, was uns Afrikanern helfen könnte. Schauen Sie, wir beide kommen aus dem Hinterland, und dort hat man uns übelgenommen, daß wir in die Stadt gezogen sind und will uns mit einem Zauber verderben. Wir haben sogar Angst, daß unsere eigenen Frauen von den Dorfbewohnern verhext worden sind und uns vergiften wollen. Vielleicht wissen Sie irgendeinen Gegenzauber aus Ihrer Heimat, der uns immun macht.“

Die beiden kannten die Bibel recht gut, sie waren intelligent und wußten über Suggestion und Hypnose besser Bescheid als die meisten Europäer – doch gegen den uralten Urwaldzauber konnten sie sich nicht wehren. Sie sind ihm bis zur letzten Nervenzelle verfallen, trotz ihrer christlichen Übertünchung.

Aber wer von uns Europäern ist frei von jeglichem Aberglauben? Und wenn wir uns in mehr als 1900 Jahren nicht völlig von abergläubischen Vorstellungen lösen konnten, wie kann man da von diesen einfachen Menschen erwarten, daß sie es binnen zehn oder zwanzig Jahren vermögen?

So darf es niemanden wundernehmen, wenn er in einer Zeitung aus Lagos liest, Nigerias Fußballmannschaft sei nur deshalb von den ghanesischen Spielern geschlagen worden, weil diese sich der schwarzen Magie bedient hätten. Der Sportredakteur behauptet allen Ernstes, die Ghanesen hätten vor dem Spiel aus einem Pokal schwarzes Wasser getrunken, auf einen schwarz angemalten Schädel gespuckt, wären alle mit schwarzen Ringen geschmückt gewesen, hätten einen rot angemalten Schädel herumgetragen und dazu kriegerische Lieder gesungen.

Trotz dieser düsteren Vorgänge müssen wir uns fragen, was schlimmer ist: ein Afrikaner, der an seinen Ju-Ju glaubt, oder ein Europäer, der auf sein Massenhoroskop in der Illustrierten schwört?

„Auslandszulage“ für Einheimische

Auf der großen Regierungswerft, auf der mein Boot überholt wurde, konnte man etwas von der heutigen Struktur eines westafrikanischen Staates erfahren. Ich lernte dort mehrere schwarze Vorarbeiter kennen, die genau die gleichen Gehälter erhielten wie ihre europäischen Vorgänger – inklusive Auslandszulage! Das ist natürlich ein Witz, denn auf diese Weise bekommen die Vorarbeiter ungefähr das Gehalt eines Arztes. In Liberia erlebte ich Ähnliches.

An den hohen Lebenskosten in nahezu allen westafrikanischen Gebieten tragen die Europäer einen großen Teil der Schuld: sie sind der irrigen Auffassung, daß sie unter der Tropensonne die gleichen Lebensmittel essen müssen wie zu Hause. Kartoffeln, europäische Gemüse und Fleisch müssen teilweise tiefgekühlt und per Flugzeug eingeführt werden. Und die Afrikaner machen ihnen das häufig nach, sie essen europäische Nahrung und verachten ihre frische, gesunde, heimatliche Kost. Die Folge davon ist, daß bei den Afrikanern in erschreckendem Maße Zivilisationskrankheiten, vor allem Karies, zunehmen.

Als ich einst meinen Hausboy beauftragte, mir ein Blattgemüse aus den Cassavablättern herzustellen, wehrte er erschrocken ab: „Das ist armer Leute Essen!“ Es zieme sich nicht für einen Europäer. Er selbst aß auch keinen ungeschälten Reis mehr, sondern nur noch geschälten, er bezog seine Fische nicht mehr von den Fischern, sondern kaufte norwegische Heringe in Dosen, und anstatt westafrikanisches Palmöl zur Zubereitung von Speisen zu nehmen, nahm er Margarine.

Daß bei solchen Ansprüchen die Lebenskosten steigen, liegt auf der Hand. Daß die Erhöhung der Preise auf alle Zweige der Wirtschaft übergreift, beweist die bittere Klage des Abgeordneten Wachuku Abengove im Parlament: früher habe man eine einzige Kuh für eine Braut bezahlt, heute jedoch müsse man fast schon eine ganze Herde geben! Wo soll das bloß noch hinführen!

Ibadan, die afrikanischste Stadt

Im „Lagos Yacht Club“ lernte ich den jungen deutschen Vizekonsul kennen, der an Land ebenso gerne raste wie auf dem Wasser. Außer einem schnittigen Sportwagen besaß er nämlich auch ein sehr schnelles Boot, einen Katamaran1 vom Typ „Shearwater III“, mit dem schon Geschwindigkeiten bis zu 22 Knoten erreicht worden sind.

Der Vizekonsul führte mich kreuz und quer durch Lagos, eine Lagunenstadt, die sich auf drei flachen Inseln erhebt. Lagos ist häßlich: ein Wirrwarr von Baracken, Hütten, Bungalows, Bars, Marktständen und nur wenigen Hochhäusern. Im Eingeborenenviertel hat man den Eindruck, daß sich mehr Hausrat außerhalb der Wellblechhütten befindet als innerhalb. Jeder handelt mit jedem Plunder!

Und über allem eine Wolke von Staub, Dreck, Gestank. Schreiende Reklame! Schrille Musik! Fette Mammies hocken geduldig vor ihrem Krempel und Trödel. Zerfurchte, zahnlose Greisengesichter bieten aufgeblasene Vogelmägen oder halbverweste Webervögel an. Hübsche, stark geschminkte Mädchen handeln mit „Kosmetika“, darunter weißem Ton und Antimonpulver.

Lagos ist umgeben von Morast und Mangrovensümpfen, die immer für frischen Moskitonachschub sorgen, von Brackwasser und Salzwasser. Und von Barackenvorstädten! Es dauerte lange, bis wir uns auf der Ausfallstraße nach Ibadan an Scharen von Radfahrern, kopflastigen Fußgängern, Autos und „Mammiewagen“ vorbeigekämpft hatten, diesen farbprallen motorisierten Beförderungsmitteln für Marktfrauen und Farmer.

In rasendem Tempo jagten wir auf annehmbaren Asphaltstraßen durch hügelige Farmlandschaften nach der 170 km entfernten größten Negerstadt der Welt, nach Ibadan, von dem es heißt, daß seine Einwohnerzahl nahe an die Millionengrenze herankomme.

Ibadan ist ein monströse Stadt. Afrikanisch durch und durch. Lehm und Wellblech, Lehm und Dachpappe, Lehm und Palmwedel, Lehmstraßen und Lehm in der Luft! Es gibt nur eine Farbe – Lehmfarbe. Das Grün der wenigen Bäume ist mit orangefarbenem Staub bedeckt. Die Dächer, die Autos, ja, selbst die Gesichter tragen diese feine Staubschicht! Nur am Rande der Stadt sieht man einige europäisch anmutende Häuser, nur im Schwimmbad entdeckten wir überhaupt Weiße.

In unmittelbarer Nähe von Ibadan gibt es vier weitere Großstädte, die alle von den intelligenten Yorubas gegründet wurden, deren Kunstgegenstände aus Bronze und Terrakotta von einem Kunstsinn zeugen, den man Afrikanern früher nie zugetraut hätte.

Vor den Toren von Ibadan erstreckt sich das großzügig angelegte Universitätsgebäude mit modernsten Lehrgebäuden und Studentenheimen, vor denen selbst wir Europäer staunend stehenbleiben und uns fragen müssen: ist dies alles noch Afrika? Welch ein Gegensatz zwischen Ibadan, der afrikanischsten Stadt, die ich je gesehen habe, und dieser amerikanisch anmutenden Universität!

Gewiß, eine Universität für die 36 Millionen Einwohner von Nigeria reicht nicht hin und nicht her, aber der Anfang ist gemacht, und ist nicht allein das schon lobenswert?

In der Dunkelheit fuhren wir wieder wie der Blitz in Richtung Süden nach Lagos. Hatte mein Begleiter auf der Hinfahrt vor jeder Kurve einige Male gehupt, so blinkte er jetzt warnend mit den Scheinwerfern. Die meisten Wagen, die uns begegneten, blendeten nicht ab – weil sie es gar nicht können. Aber wir erreichten trotz allem Lagos mit heiler Haut.

Abschied vom „Lagos Yacht Club“

Im Yachtclub fragte mich eines der Mitglieder: „Nun, was halten Sie von Lagos?“

„Well, viele freundliche Menschen und viele bissige Moskitos in einer sehr kontrastreichen Stadt.“

Der Brite lachte, ohne auf meine nichtssagende Antwort einzugehen: „Wir Briten verstehen uns nur auf drei Dinge: den Afrikanern reines Wasser zu geben, religiös tolerant zu sein und gute Schulen zu bauen.“

Von den Franzosen bin ich mehrfach gefragt worden, wer denn nun die bessere Kolonialpolitik treibe, sie oder die Engländer?

Beide Länder haben viel zu viele Kolonien besessen, als daß sie allen die notwendige Fürsorge hätten angedeihen lassen können. Vereinzelt haben beide Hervorragendes geleistet; Westafrika ist im allgemeinen von beiden vernachlässigt worden, wenn sie auch sein Gold und seine Diamanten geschätzt haben. Von einer „besseren“ Kolonialpolitik kann man kaum reden, höchstens von einer andersartigen.

Nachdem ich noch den Kompaß im Hafen kompensiert2 hatte, rüstete sich die LIBERIA IV, deren Umsteueranlage inzwischen wieder lief, zur Abfahrt. Es ließ sich nicht vermeiden, daß ich ein großes Geleit von Booten des Yachtclubs erhielt, als ich durch die Lagune und den Kanal dem Meer entgegenkreuzte. Das letzte Boot, das mich in der Dämmerung und im Nebel verließ, gehörte dem Clubsekretär Roy Fluellen, bei dem ich so häufig an der „Marina“, der Hauptstraße von Lagos, zu Gast war.

Immer noch herrschte nebliges Harmattanwetter. Nicht einen einzigen klaren Tag hatte ich in Lagos erlebt; die Sonne hatte stets einen ausgeprägten Ring um sich herum gehabt. So schlimm sei der Harmattan bisher noch nie gewesen, war mir von Seeleuten und Landratten versichert worden. Tags zuvor war gerade ein Dampfer gegen die Mole der EIder Dempster Lines gerannt. Die Einheimischen sehen diesen Guineaharmattan gern, denn er bringt kühlere oder trockenere Luft aus dem Norden, vor allem nachts. Dafür nehmen sie die feine Staubschicht aus der Sahara, die in ihre Häuser dringt, schon in Kauf.

Auf dem Meer war die Sicht zuweilen bis auf eine halbe Seemeile beschränkt. Weil sich hier außerdem die Strömung völlig unberechenbar verhält, kommt es häufiger zu Schiffsunglücken, als sich bei dem sonst so ruhigen Wetter vermuten läßt. Der Kapitän der „Atlantik“ hatte mir erzählt, er sei mit der Strömung nach Kamerun gefahren und 14 Tage später wiederum mit der Strömung zurück nach Lagos gekommen!

In dieser Ecke, dem Golf von Biafra, treffen der Guineastrom und der kalte Benguelastrom aufeinander. Ihr Zusammentreffen ist heute so, aber morgen bestimmt anders. Es gibt keine Strömungsgesetze in diesem Winkel. es sei denn, das Gesetz des Zufalls. Um so mehr mußte ich mich auf eine genaue Navigation konzentrieren, um mein neues Ziel, den Hafen Santa Isabel auf Fernando Póo, zu erreichen.

1 Schiff mit zwei Bootskörpern.

2 Ausgleichen von ablenkenden magnetischen Kräften, die vom Schiffskörper ausgehen, durch Anbringen von kleinen Magneten in der Nähe des Kompasses.

SIEBENTES KAPITEL
IM EINBAUM ZU ALBERT SCHWEITZER

Vor dem Nigerdelta, weit draußen im Meer, schaukelte eine Schar von Eingeborenenbooten, die auf Fischfang ausgezogen waren. In einem dieser Boote glaubte ich plötzlich einen Weißen zu sehen. Das überraschte mich so, daß ich auf den Einbaum zuhielt.

Erst als ich unmittelbar neben ihm lag, merkte ich, daß der Fischer kein Weißer war, sondern ein afrikanischer „Weißer“, ein Albino, der sich die Haare schwarz gefärbt hatte. Albinos sind besonders sonnenempfindlich; auch dieser hatte sich im Gegensatz zu seinen Kollegen sorgfältig gegen Strahlen geschützt.

Es ist wenig bekannt, daß es auch „rote Neger“ gibt, in deren Stammbaum sich jedom kein weißer Seemann verewigt hat. Haut und Haare sind bei ihnen so rot wie bei den Albinos weiß. Beide bekommen wieder smwarzc Kinder, doch trifft man in der Familie des roten Negers auch rote Verwandte an.

Neben diesen beiden Gruppen gibt es noch Afrikaner, die zwar eine schwarze Haut, aber rote oder auch ebenso glatte und feine Haare besitzen wie Europäer. Bei ihnen spielen jedoch meist Blutbeimischungen aus hamitischen Stämmen eine Rolle.

Blutrausch im Regenwald

Tagelang segelte ich an dem riesigen Nigerdelta mit seinem Fluß- und Inselgewirr entlang, das einst Sklavenhändlern wie Sklaven ideale Verstecke bot. Noch vor 80 Jahren nahmen in dieser Gegend spanische und portugiesische Sklavenschiffe ihre schwarze Fracht auf und machten sich dann so schnell wie möglich aus dem Staube, weil englische, amerikanische und französische Fregatten und Korvetten hinter ihnen her waren.

Gewiß, die Sklavenjäger haben dem Lande entsetzlich geschadet – aber wurden ihre Grausamkeiten nicht noch übertroffen durch die Massenschlachtungen, die der Herrscher von Benin ungefähr zur gleichen Zeit im Hinterland des Nigerdeltas an seinen eigenen Untertanen vornehmen ließ? Oder durch die Mordgier des Königs von Dahomey und seiner blutrünstigen Amazonentruppe? Dieser Unmensch ließ noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Tausende und Abertausende von Menschen schlachten oder einem Fetisch opfern und fand persönliches Vergnügen daran, immer neue, raffiniert ausgetüftelte Varianten des Mordens zu ersinnen.

Nach zwei Tagen Fahrt kam das Leuchtfeuer auf Kap Formoso in Sicht. Es liegt etwa in der Mitte der 450 Seemeilen langen Strecke zwischen Lagos und Santa Isabel, der Hauptstadt der spanischen Insel Fernando Póo. Obwohl ich in der belebten Dampferstraße segelte, konnte ich weder tags noch nachts ein Schiff ausmachen – der Harmattan umgab mich wie eine ditke Watteschicht und raubte mir jegliche Sicht. So hieß es doppelt aufpassen.

Nach weiteren zwei Tagen schretkten mich um vier Uhr morgens laute Brandungsgeräusche auf, ich suchte verzweifelt, die Dunkelheit mit meinen Blitken zu durchdringen, doch es war nichts zu erkennen, gar nichts. Erst im Morgengrauen machte ich im Harmattan und Dunst den dunklen Schatten des Kap Europa an der Nordwestetke von Fernando Póo aus; laut Handbuch wirft dort ein Leuchtturm sein Feuer über 20 Seemeilen weit in die Nacht. Aber bei diesem mörderischen Guinea-Nebel hatte ich nachts kaum meine Hand vor den Augen sehen können, geschweige denn den Lichtfinger des Leuchtturms!

Im Meer hatte ich inzwischen zahlreiche Kokosnüsse entdetkt, die vom Steilufer ins Wasser gefallen waren. Mit dem Ketscher fischte ich mir ein paar davon aus dem Wasser; sie waren alle noch frisch! Kokosnüsse können sich im Meer bis zu einem Jahr keimfähig halten – bis sie auf ein einsames, ödes Inselchen getrieben und zu Ahnherren eines neuen Kokosnußhaines werden.

Einige Stunden später rasselte der Anker in dem halbkreisfönnigen Krater, der den Hafen von Santa Isabel bildet, in die Tiefe. Neben mir lag ein Thunfischfischer aus Bilbao, weiter im Osten dümpelten sampaähnliche Schmugglereinbäume, die aus dem Nigerdelta kamen, um auf Fernando P60 billig Tabak und Alkohol einzuhandeln, den sie im britischen Gebiet weiterverkaufen.

Fernando P60 ist nur 17 Seemeilen vom Festland entfernt. Ich hatte mich schon auf den Anblick des großen Kamerunberges gefreut, den bereits der karthagische Suffet Hanno rund 1900 Jahre vor den Portugiesen mit seiner kleinen Expedition gesehen haben soll. Jedoch der Nebel verhinderte jede Fernsicht.

Die drei anderen Inseln in der Bucht von Biafra, der äußersten Ostecke des Golfes von Guinea, sind Principe, São Tomé und AnnobÖn. Sie erstrecken sich wie Fernando P60 mit den Festlandsgebirgen, den Kamerunbergen und den Baluebergen, in einer Richtung: von Nordosten nach Südwesten. In prähistorischen Zeiten waren alle Vulkane dieser Gebirgskette aktiv. Heute rumort es nur noch in Kamerun, die anderen Vulkane sind kalt, ihre Krater haben sich mit Wasser gefüllt und bilden paradiesische Seen, die nur den einen Nachteil haben: sie liegen so abseits von aller Welt, daß kaum jemand den Weg zu ihnen findet.

Alle Inseln waren früher einmal in portugiesischem Besitz. Später sind Fernando P60 und das Inselchen Annobon im Austausch für südamerikanische Gebiete an Spanien gefallen. England wollte den Spaniern Fernando Pbo streitig machen und bot ihnen als Entschädigung eine karibische Insel an, die – ebenfalls zu Spanien gehörte! Kenner historischer Begebenheiten werden sich eines ähnlichen Falles erinnern: Helgoland und St. Croix …

Die Urbevölkerung von Fernando P60 stammt V01.1 Festland, das sie wahrscheinlich auf der Flucht vor kriegerischen Stämmen verlassen hat. Man unterscheidet mehrere Stämme, die unter dem Sammelnamen „Bubi“ zusammengefaßt werden. Und diesen Bubis sagt man in allen Büchern nach, sie seien degeneriert. Mir schienen sie genauso intelligent zu sein wie die Spanier; es gibt unter ihnen sogar Akademiker, die „emanzipiert“ sind, die also die gleichen Rechte wie die Spanier besitzen.

Fernando Pbo ist zum größten Teil für die Plantagenwirtschaft erschlossen. Fincas reihen sich an Fincas, Kakaobäume an Kaffeesträucher, Bananenstauden an Manilahanf – so daß der Laie das eine kaum vom anderen unterscheiden kann. Infolge dieser intensiven Plantagenwirtschaft braucht die Insel stets dringend Arbeitskräfte, koste es sie, was es wolle.

Von den liberianischen Arbeitssklaven hört und sieht man nichts mehr. Nur von einem erzählte man mir: er hatte sich eine Farm gekauft und war inzwischen so reich geworden, daß er seine Kinder in Madrid zur Schule schicken konnte. Das Los der Afrikaner ist im Vergleich zu dem der Landarbeiter auf der Iberischen Halbinsel nicht schlecht.

Im Süden der Insel, an der schönen Bucht von San Carlos, traf ich eine deutsche Dame, die sich seit dem letzten Kriege auf Fernando Pöo eine größere Faktorei aufgebaut hat. Als ich mich vorstellen wollte, fiel sie mir ins Wort: „Halt! Ich kenne Sie! Keinen Namen sagen!“

Ich war rasiert und trug unauffällige Kleidung und fühlte mich somit völlig „inkognito“. In jedem Hafen war ich auf Leute gestoßen, die zumindest von dem Arzt gehört hatten, der mit Hilfe der Hypnose in einem Faltboot den Atlantik überquert hatte. Aber diese Dame argumentierte anders: „Sie riechen nach Meer … Sie kommen aus Hamburg und haben La Corufia passiert!“

Des Rätsels Lösung: ein halbes Jahr zuvor, in La Corufia, hatte ein Herr aus Fernando P60 meine Eintragung in das Gastbuch des Yachtclubs – darunter meine geplante Reiseroute – gelesen und flugs seine Inselfreunde benachrichtigt. So war ich schon lange vorangemeldet. Kein Mensch kann heutzutage mehr inkognito reisen …

In Santa Isabel kam ich gerade zu einem Ereignis zurecht, das man seit Monaten mit Sehnsucht erwartet hatte: zum ersten Mal in der Geschichte der Insel fand ein Stierkampf statt.

Die Toreros waren eigens zu diesem Zwecke aus Spanien angereist. Schwarz und Weiß begrüßen sie voller Jubel. Die Begeisterung der Zuschauer war so groß, daß sie auf die Mangobäume kletterten, um besser sehen zu können. Sie krachten dann auch mitten in der Corrida mit Geschrei zu Boden, und einige von ihnen mußten mit gebrochenen Knochen ins Krankenhaus abtransportiert werden.