Kitabı oku: «Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln», sayfa 6
Falsche Zähne aus dem Meer
Ein wenig Handel treibt man auch am Kap Bojador. Die Einheimischen, die man Mauren nennt, eine Mischung aus Berbern, Arabern, Semiten und Negern, sammeln bei Ebbe Algen, die, getrocknet und zu Bündeln gepreßt, nach Las Palmas verschifft werden.
Seetang wird an vielen Küsten der Welt geerntet, leider jedoch immer noch nicht in genügender Menge. Die Fabriken könnten ihn bei der Herstellung von unzähligen Produkten nutzbringend verwenden: Zahnpasta, falsche Zähne, Speiseeis, Würstchen, Puddingpulver, Schlankheitspillen und kosmetische Artikel. Aus Flugzeugen ließe sich flüssiger Seetang-Extrakt als Düngemittel absprühen, und der Erde könnten auf diese Weise Stoffe zurückgegeben werden, die der Regen ausgewaschen hat: Kalisalze, Stickstoff verbindungen, Phosphate und andere. Erst in jüngster Zeit haben Textilfabriken mit bestem Erfolg Alginsäure zum Appretieren und Imprägnieren von Geweben und Kleidungsstücken verwandt.
Daß ausgerechnet die Wüstenbewohner Meerestang ernten, überraschte mich. Sie tun es aber auch erst, nachdem sie von den Spaniern dazu angehalten wurden, diese ungeheuren Rohstoffreserven für den Menschen zu nützen. 71 v. H. der Erdoberfläche sind Wasser: welch ungenutzte Möglichkeiten! So wie vor der kalifornischen Küste schon Tangbarken und Tangmäher zur Ernte dieser riesigen Seetangwälder eingesetzt werden, so wird man über kurz oder lang auch systematisch die Tangwälder ausbeuten, die den Küsten anderer Länder vorgelagert sind.
Wichtiger noch als der Tang werden eines Tages die einzelligen Algen für die Ernährung der Menschheit sein. Eines der beinahe 20.000 Mitglieder zählenden Algenfamilie, die Chlorella, ist bereits in Laboratorien untersucht worden. Mit ihr hat man in der Kohlenstoffbiologischen Forschungsstation in Essen Versuche unternommen, bei denen man von der Vorstellung ausging, daß Algen zu den besten Sonnenverwertern gehören: fast zehnmal bessere als der allerbeste Sonnenverwerter unter unseren Kulturpflanzen, die Zuckerrübe.
Bei diesen Versuchen findet sogar der störende Rauch der vielen Fabrikschlote des Ruhrgebietes Verwendung: man leitet die Kohlensäure, die im Rauch enthalten ist, in Algenbecken, und die Süßwasseralgen bauen unter Lichteinwirkung aus Kohlensäure und Wasser Zucker und Stärke aus und können sich bei günstiger Temperatur, etwa bei plus 24 Grad Celsius, auf diese Weise einmal pro Tag vermehren. Das bedeutet, daß jeden Tag einmal geerntet werden kann, indem das Wasser zentrifugiert wird.
Das Sediment sieht wie feinste Spinatpaste aus und besteht aus Proteinen, Fetten, Stärke, Vitaminen und Spurenelementen. Man kann sich sogar aussuchen, was für Algen man erzeugen will, vorwiegend fetthaltige, stärke- oder eiweißhaltige. Die einzellige Chlorella hat kaum Abfallprodukte, da sie kein Stützgerüst wie andere Pflanzen besitzt – ein nicht zu unterschätzender Vorzug für die Nahrungsmittelfabriken.
Theoretisch ließen sich auf einem Hektar Wasseroberfläche jährlich 50 Tonnen Chlorella ernten, das ist 25 mal so viel wie der entsprechende Ertrag Weizen auf der gleichen Landfläche. Und dabei steht man erst am Beginn der Forschungen!
Aber zurück in die Wüste, zum Kap Bojador!
Von den Tangballen, die wie ein Haufen trockener Tabakblätter aussahen, schlenderten wir zum Leuchtturm, der von Stacheldrahtverhauen und Laufgräben umgeben ist, vor denen nachts die Schakale umherschleichen. Sobald wir im weiträumigen Hof des Turmes angekommen waren, klopfte man den Leutnant aus dem Bett. Er erschien im Schlafanzug und rieb sich verwundert ein paarmal die Augen, denn seit dem Bestehen des Leuchtturms war ich der erste Besucher. Freudestrahlend bot er mir eine Dusche an und lud mich zur Paella mit frischem Brot, Wein und Bier ein.
Auch die beiden Leuchtturmwärter waren inzwischen aufgestanden und baten mich flehentlich, doch ein paar Tage zu bleiben, sie kämen um vor Langeweile. Ich hätte es gern getan, jedoch die LIBERIA IV eine Nacht lang unbeaufsichtigt zu lassen, das kam mir nicht in den Sinn.
Beim Mittagessen saßen wir mit Mauren zusammen, und alle verhielten sich so, als hätte es nie Spannungen zwischen Spaniern und Mauren gegeben.
„Können Sie sich denn auf die Mauren verlassen?“ fragte ich später den Leutnant.
Er zuckte die Achseln: „Wir hoffen’s – seit dem Überfall auf diesen Turm haben wir hier nie wieder Ärger gehabt.“
„Und wann werden die entführten Leuchtturmwärter nach Ihrer Meinung wieder von den ‚Muros‘ entlassen?“
„Keine Ahnung! Das kann sich noch Jahre hinziehen!“
Ist ein Kamelhöcker ein Wassertank?
Einer der Mauren lud mich ein, seine Jaima, sein Zelt, zu besuchen. Der Leutnant fuhr mich in seinem Jeep über eine kaum erkennbare Piste und später querfeldein zu dem versteckt liegenden Zelt, in dem noch die letzten Spuren eines frisch geschlachteten Schafes zu sehen und zu riechen waren. Kleine Fleisthstücke dörrten, auf eine Schnur gereiht, in der Sonne. Der Maure zeigte mir mit berechtigtem Stolz seinen Besitz: vier verschleierte Frauen, eine Unmenge von schmutzigen Kindern, 50 Dromedare und ödes Land, soweit das Auge reichte. Zuweilen verkaufte er seine Dromedare als Braten auf die Kanarischen Inseln – zum Preise von rund 270 DM das Stück.
Kamele und Dromedare sind erst in historischer Zeit aus Kleinasien nach Afrika eingewandert, als die Pferde sich in der unfruchtbar gewordenen Sahara nicht mehr halten konnten. Diesen Tieren sagte man früher nach, sie könnten bis zu drei Wochen in der Wüste marschieren, ohne trinken zu müssen; man glaubte, sie besäßen einen Wassertank im Magen oder gar im Höcker.
In Wirklichkeit sind Kamele und Dromedare ebensowenig wie der Mensch in der Lage, Wasser zu tanken; wie er können sie nur ein Flüssigkeitsdefizit auffüllen. Ein Dromedar ist einmal dabei beobachtet worden, wie es in zehn Minuten 120 Liter Wasser trank und sein vorher vollkommen „abgemagerter“, weil eingetrocknet gewesener Körper die Flüssigkeit so schnell aufnahm, daß er zusehends beleibter wurde.
Kamele und Dromedare haben im Gegensatz zum Menschen verschiedene physiologische Eigenschaften, die sie für das Leben in der Wüste besonders geeignet machen: so können sie Harnstoff konzentrierter ausscheiden – vielleicht sogar auch Kochsalz, denn sie fressen mit Wonne Seetang. Während die Temperatur des Menschen auch in der Hitze ungefähr gleich bleibt, wechselt sie bei den Kamelen und Dromedaren ganz erheblich; morgens kann sie plus 34 Grad Celsius betragen und in der Mittagshitze 41 Grad, höher steigt sie allerdings nicht mehr. Der Vorteil liegt auf der Hand: die Wüstenschiffe schwitzen auf diese Weise weniger und sparen Flüssigkeit. Zusätzlich beziehen sie indirekt Wasser aus ihren Höckern, die vorwiegend aus Fett bestehen: beim Abbau des Fettes wird ja Wasser frei. Das gilt für Menschen wie für Tiere; aus 1000 Gramm Fett können beide etwa 1070 Gramm Wasser gewinnen. Ein weiterer Vorteil der Wüstentiere: ihre Haare isolieren besonders gut gegen Hitze. Die Araber und die Nomaden der Wüste wissen das genau und stellen daher ihre Wollkleidung meist aus Kamelhaar her.
Der Mensch hat sich physiologisch der Wüste nicht anpassen können. Verliert er dort mehr als 12 v. H. seines Körpergewichts durch Transpiration – in trockener, heißer Luft kann er theoretisch in 24 Stunden bis zu 28 Liter Körperflüssigkeit abgeben –, so muß er einen dramatischen, qualvollen Tod erleiden: seine innere Hitze steigt, sein Blut wird zähflüssig und klebrig, sein peripherer Kreislauf wird verstopft. In feuchtem, gemäßigtem Klima wird ihm hingegen ein mehr als 15%iger vorübergehender Verlust des Körpergewichtes nicht unbedingt ernstlich schaden.
Bei Dromedar und Kamel ist es anders: selbst wenn sie durch Hunger und Durst bis zu 25 v. H. leichter werden, verdickt sich ihr Blut nicht. Auch Tiere, die sich zum Winterschlaf verkriechen, können ein Drittel ihres Gewichtes durch Wasserverlust einbüßen, ohne dabei richtig krank zu werden.
Die Dromedare, diese Fernlaster der Wüste, wissen genau, wo Wasser zu finden ist. Haben sich die Nomaden in der Wüste verirrt, so überlassen sie ihnen daher vertrauensvoll die Führung und die Suche nach der nächsten Wasserstelle, und die Tiere gehen selbst dann unbeirrt ihren Weg, wenn eine trügerische Fata Morgana sie auf falsche Fährte locken will.
Stehen Dromedaren gute Weideplätze zur Verfügung, so brauchen sie nicht zu trinken: im Gras ist genügend Wasser enthalten. In heißester Wüste müssen auch sie alle drei bis vier Tage etwas zu trinken bekommen.
Wahre Durstkünstler sind die amerikanischen Beutelmäuse und die Känguruhratten der Wüste, deren Urin sofort nach Verlassen des Körpers „erstarrt“ – so salzhaltig ist er. Ähnlicher Vorzüge erfreuen sich andere Wüstentiere: Sandschlangen, Erdhörnchen oder Gazellen, die weniger Schweißdrüsen als andere Tiere besitzen und zum anderen Wasser gewinnen, indem ihr Körper das Futter oxydiert.
Aber der Mensch ist weder ein Kamel noch eine Känguruhratte, die sich zudem während der heißen Tagesstunden in ihrem Erdloch verkriecht; er kann nicht von ihnen lernen, wie man am besten mit wenig Wasser haushält.
Blühende Sahara
Das Zelt des Mauren stand mitten in ausgedörrtem, kahlem Strauchwerk auf trockenem, kiesigem Boden. Ich fragte, wann es zum letzten Mal geregnet hatte.
„Das weiß ich gar nicht mehr, fast ein Jahr muß es wohl her sein“, sagte mein Gastgeber. „Aber wenn es hier regnet, ist alles grün, dann sind wir von einer blühenden Sahara umgeben.“
„Spüren Sie im voraus, daß es Regen gibt?“
„Meistens ja, die Luft wird anders, die Sonne, die Dromedare – und wir Menschen auch.“
Die Samenkörner der Wüstenpflanzen können viele Jahre im Sand schlummern, aber wenn es dann nach fünf oder zehn Jahren wieder regnet, erwacht die Wüste zu einem kurzen Leben, blüht und streut neue Samenkörner aus.
Tamariskensträucher, die ich verschiedentlich sah, senden ihre Wurzeln bis zu 30 Meter in die Tiefe, der mexikanische Riesenkaktus streckt Seitenwurzeln bis in einen Umkreis von 30 Meter aus, der Säulenkaktus wiederum speichert Hunderte von Litern Wasser in seinem Stamm – und dennoch sind Menschen in seinem Schatten verdurstet, weil sie von diesem pflanzlichen Wassertank in der Wüste nichts wußten. Andere Wüstenpflanzen absorbieren Feuchtigkeit aus der Luft. Die Natur ist einfallsreich, sie findet immer einen Weg, um sich Trockenheit, Kälte oder Hitze anzupassen. Je schwieriger die Umweltbedingungen für Pflanzen oder Tiere, desto unbezähmbarer ihr Lebenswille.
In der Umgebung von Kap Bojador gab es keine Sanddüne, der Boden war leicht gewellt, kiesig hart, zum Teil sogar aus Stein. Nur etwa ein Sechstel der Sahara besteht aus Sand, im Innern stößt man auf Steinwüsten und nackte Gebirge.
Sollte es jemals zu einem wahren Weltfrieden kommen, und sollten Rüstungsgelder dann nutzbringender verwandt werden, so wäre die Wasserversorgung der Sahara keine unmögliche Aufgabe. Wie in früheren Zeiten Mesopotamien und sogar Lybien weitaus besser mit Wasser versorgt waren als heute – sei es durch Kanäle, sei es durch Zisternen –, so könnten auch weite Gebiete der Sahara bewässert und wieder fruchtbares Land werden.
Die riesigen unterirdischen Wasseradern der Sahara sind erst an wenigen Stellen angezapft worden. Bei Zelfana, im Nordwesten der Sahara, ist eine Oase entstanden, deren Wasser aus 1200 Meter Tiefe stammt. In Ägypten hat ein Finanzmann eine unterirdische Quelle angebohrt und aus einer Sandwüste eine blühende Farm geschaffen, auf der Obst, Getreide und Gemüse gedeihen und fettes Zuchtvieh grast. Man braucht viel Geld, sehr viel Geld, um eine Wüste zu fruchtbarem Land zu machen, aber im Vergleich zu dem, was in die Rüstung gesteckt wird, ist es wenig.
Inwieweit man Atomenergie verwenden will, um Seewasser in Süßwasser zu verwandeln und Wüsten fruchtbar zu machen, ist eine Frage des Bedarfs: das technische Verfahren an sich ist nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden. Bei zunehmender Industrialisierung werden einige Länder sich sowieso bald damit befassen müssen.
Noch ein Viertel der Erde ist heute von Wüsten bedeckt; es liegt am guten Willen der Menschen, das zu ändern.
Geisterwald über dem Meer
Unter den üblichen Zeremonien bereitete unser Gastgeber persönlich den Tee zu, während die Frauen, die mit einem nachthemdartigen blauen Burnus bekleidet waren, in einer Ecke des Zeltes hockten und verstohlen ihren blonden Gast musterten. Drei Gläser Tee mußte jeder trinken, dann erst durften wir uns umsehen, auf den Dromedaren reiten und das Innere des Zeltes begutachten. Für mich aber hieß es bald, an die Abfahrt zu denken, denn die Schatten wurden länger und länger.
Vom Jeep aufgescheucht, sprangen Gazellen durchs Gebüsch, und plötzlich stieß mich der Leutnant an, zeigte aufs Meer und rief aufgeregt: „Espejismo!“ Eine Fata Morgana! Ich hätte sie wohl nicht entdeckt, sie sah wie eine Gruppe von Bäumen über dem Wasser aus.
Nicht nur in der Wüste oder auf tropischen Asphaltstraßen stößt man auf eine Fata Morgana, auch auf dem Meer oder in der Arktis kann man sie sehen. Verbürgt ist beispielsweise ein Bericht über eine Luftspiegelung, die die Engländer in der Nähe von Hastings drei Stunden lang beobachten konnten: dort tauchte in allen Einzelheiten die 80 km entfernte französische Küste auf. Und erst vor kurzem geschah es, daß die Bewohner von Sanday, einer der Orkney-Inseln im Nordosten Schottlands, über dem Meer ein weißes Geisterdorf liegen sahen.
Soldaten und Leuchtturmwärter brachten mich zum Strand, ein letztes Händeschütteln, und dann ging es durch die Brandung. Während ich die Segel setzte und den Anker lichtete, umkreiste schon der Lichtfinger den Faro de Cabo Bojador de Don Enrique El Navegante, wie die Spanier den Turm stolz und umständlich nennen.
Ich hielt aufs offene Meer zu und dachte an die Fata Morgana und an Phantomschiffe, die möglicherweise zur gleichen Gattung der Naturphänomene gehören und nicht unbedingt Seemannsgarn sein müssen.
Der König sah ein Phantomschiff
Briten, Holländer, Norweger und andere Völker kennen Sagen von unseligen Kapitänen, die sich erdreisteten, bei Gegenwinden ein sturmumtostes Kap zu umsegeln und dafür mit dem Fluch bestraft wurden, bis zum Jüngsten Tag vergeblich gegen die rohrenden Seen ankämpfen zu müssen.
Der Kapitän Cornelius van der Decken segelt – der Sage nach – mit dem „Fliegenden Holländer“ immer noch gegen die starken Winde am Kap der Guten Hoffnung, und es gibt noch andere bedauernswerte Kapitäne, denen dieses Schicksal zuteil wurde. Wer sie trifft, hat diese Begegnung als ein böses Omen zu betrachten.
Aus dem Logbuch des britischen Dampfers H.M.S. „Bacchante“ stammt die folgende, ungewöhnliche Eintragung vom 11. Juli 1881, vier Uhr morgens:
‚Der fliegende Holländer hat unseren Kurs gekreuzt. Ein seltsames rotes Licht, wie von einem glühenden Phantomschiff mit Masten, Spieren und Segeln einer Brigg1, hob sich in 200 Meter Entfernung deutlich gegen den Himmel ab. 13 Menschen haben es gesehen, jedoch ob es Van Dieman oder der Fliegende Holländer war, konnte nicht erkannt werden. Die „Tourmaline“ und „Kleopatra“ (Begleitschiffe), die sich an der Steuerbordseite befanden, fragten durch Lichtsignale, ob wir das merkwürdige Licht auch gesehen hätten.‘
An Bord der „Bacchante“, die unter dem Kommando des Kapitäns Lord Charles Scott stand, waren Georg V., damals noch ein junger Prinz, und sein Bruder, der Herzog von Clarence.
Einige Stunden nach dem Vorfall stürzte der Matrose, der das Phänomen zuerst gesehen hatte, aus dem Krähennest und brach sich das Genick. Im nächsten Hafen kam der Admiral ums Leben.
Ein ähnlicher, merkwürdiger Bericht stammt aus Island: im April des Jahres 1927 sah ein Hafenbeamter einen isländischen Trawler2 in den Hafen von Reykjavik einlaufen. Neben diesem Fischerboot segelte ein Fischkutter aus Faroe, der neben fünf anderen Kuttern vor Anker ging. Der Beamte kletterte an Bord des Trawlers und entzifferte zusammen mit der Besatzung den Namen des Fischkutters aus Faroe: „Fugleford“.
Da alle neu eingelaufenen Boote vom Hafenarzt, den Zoll- und Immigrationsbehörden untersucht werden müssen, rief Kristjan Jonasson das Polizeiboot herbei, das 15 Minuten später auftauchte, jedoch vergebens nach dem Fischkutter suchte: er war spurlos verschwunden! Da mehrere ehrsame und rechtschaffene Beamte den Kutter zuvor gesehen hatten, wagte niemand, ihre Aussagen zu bezweifeln. Der Kutter, der sich so schnell in Luft aufgelöst hatte, wurde einstimmig zu einem Phantomschiff erklärt.
über Erscheinungen von geheimnisvollen Phantomschiffen gibt es mehr Berichte als selbst ein Seemann, der zu tief in die Flasche geguckt hat, glauben würde. In allen Gegenden der Welt, in Neuseeland wie in China oder Südchile, sind die Schiffe beobachtet worden – mit Grausen, denn überall glaubt man daran, daß sie Unglück bedeuten …
Falscher Feueralarm
Bei vorwiegend achterlichen Winden ging es südwärts nach Villa Cisneros, dem Hauptort der Provinz Rio de Oro, die mit der Provinz EI Hamra Spanisch Sahara bildet, ein Land, das größer als Italien ist und nur 20.000 bis 100.000 Einwohner hat – je nachdem, wieviel Nomaden es gerade durchstreifen.
Das einzige wirtschaftliche Ausfuhrprodukt der Spanischen Sahara stammt nicht aus der Sahara, es stammt aus dem Meer. Vor der marokkanischen und mauretanischen Küste herrscht eine kalte Auftriebsströmung, die ungewöhnlich viele Fische anzieht. Als ich aus Las Palmas abgefahren war, hatte das Wasserthermometer eine Temperatur von plus 23 Grad Celsius gezeigt, am Kap Bojador hingegen maß ich jetzt nur 17,1 Grad. In der Hauptsache sind es kanarische Fischer, die hier meist unter primitiven Bedingungen auf Fischfang gehen; sie trocknen die Fische oder pökeln sie ein und tragen sie auf den Kanaren zu Markte.
Die Saharaküste mit ihrem gleichförmigen, durch keine Schutzhäfen unterbrochenen Steilufer, ist nicht ganz ungefährlich, davon zeugen mehrere Wracks. Im Wasser flooteten unzählige rotbraune Heuschrecken; über der Sahara lag ein schwerer orangefarbener Dunst. Aus allen Richtungen des Kompasses jagten überraschend brennendheiße Böen über mein Boot, so daß ich das Gefühl hatte, es stünde in Flammen. War an Bord ein Feuer ausgebrochen!? Mit einem gehörigen Schreck in den Gliedern stürzte ich in die Kajüte, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. Erstaunlicherweise zeigte der Barograph bei diesem Überfall keinen Ausschlag. Da die heißen Böen mit Sturmesstärke über die LIBERIA herfielen, barg ich eilends das Großsegel.
Jetzt konnte ich mir erklären, warum die Kapitäne Heinrich des Seefahrers geglaubt hatten, die Planken ihrer Schiffe müßten im Süden von Kap Bojador in Flammen aufgehen!
Einige Stunden später war der Spuk verschwunden, tödliche Flaute machte sich breit.
Wenn der Wind in dieser Gegend aus einer anderen Richtung als aus Nordost kommt, und besonders, wenn er aus dem Süden weht, darf man immer mit einer Überraschung rechnen: Regen, einem Zyklon oder gar einem Heuschreckenschwarm.
Der „Admiral von Montmartre“ geht auf Weltreise
Als ich nach zweieinhalb Tagen den südlichsten Punkt der langen Landnase, die Villa Cisneros trägt, umrundete, sah ich inmitten einiger Fischerboote eine entmastete Yacht, die mir sofort bekannt vorkam. Am Spiegel konnte ich schließlich den Namen „Morwak“ ausmachen. Mir wurde flau: die Yacht gehörte einem französischen Ehepaar, das ich in Las Palmas kennengelernt hatte! Was machte sie hier?
Sie sah trostlos aus: über und über mit leeren Ölfässern bedeckt und von Ketten und Tauwerk umschlungen! Das Ruder gebrochen! Zerkratzt und zerschunden die weiße, frisch gestrichene Außenhaut! Das schmucke Boot mit der blauen Künstlermarkise, das um die Welt segeln wollte, hatte also hier Schiffbruch erlitten!
Mit leisem Unbehagen kreuzte ich durch die vielen Sandbänke der langausgezogenen Bucht. Die steigende Tide half mir vorwärtszukommen. Während der ganzen Fahrt bis Villa Cisneros beschäftigte mich das Schicksal der „Morwak“. Ich war häufiger bei Monsieur und Madame Bretonnère zu Gast gewesen. Fred war Kunstmaler, auf dem Montmartre, versteht sich, und besaß dort auch ein Restaurant. Seine Künstlerfreunde hatten ihn mit Vorschußlorbeeren bedacht: sie ernannten ihn, den Sportsegler, zum „Admiral von Montmartre“. Madame war während des Krieges Fallschirmspringerin gewesen und fühlte sich offensichtlich an Bord wohler als Fred und seine Menagerie von Pudeln, siamesischen Katzen und Kanarienvögeln.
Sobald ich im Osten der Mole geankert hatte, kam sofort der Hafenkapitän an Bord. Meine erste Frage galt der „Morwak“. Ja, die Besatzung lebe und befände sich hier an Land. Ich kletterte ins Faltboot und paddelte auf die Mole zu; bei sechs Windstärken aus dem Norden konnte ich nur unter Aufbietung aller Muskelkräfte dorthin gelangen.
Madame winkte schon von weitem, und um ihre Füße tänzelten die Pudel. Von der Mole schrie sie mir zu, ihre Segel seien in einer Bö zerrissen worden, der Motor habe nicht anspringen wollen und bevor sie ein anderes Segel hätten setzen können, habe die Strömung sie an Land getrieben – mitten in der dunkelsten Nacht! Eine gewaltige Welle habe das Boot dann plötzlich auf den Strand geworfen. An der 200 Seemeilen langen unbewohnten Felsenküste von Kap Bojador bis Rio de Oro gibt es nur einige hundert Meter Sandstrand – ausgerechnet dort mußten sie stranden, überdies in der Nähe einer Siedlung!
„Quelle chance, Madame!“
Sechs Tage, so rief sie weiter, hätten sie am Strandungsplatz gelegen, und sechs Nächte lang hätten sie geglaubt, in der Wüste umkommen zu müssen. Eingeborene fanden sie schließlich und benachrichtigten den Marinekommandanten im nahen Villa Cisneros. Und damit waren sie gerettet, voilà.
So endete der Traum einer Weltumsegelung!
Für den Kommandanten und seine Leute war die Rettungsaktion der „Morwak“ eine feine Übung; mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, bekamen sie die Yacht wieder flott. Madame lobte die Hilfsbereitschaft der Spanier, alle seien „sehr schick“ zu ihnen. Dem aber konnte ich nicht ganz zustimmen, denn die Spanische Sahara zu besuchen, das ist heute fast schwieriger als auf den Mond zu gelangen. Man braucht – und das wissen die wenigsten, die dort landen – eine Sondergenehmigung aus Madrid, die sehr schwer zu bekommen ist. 1955 hatte ich hier auf meiner Einbaumfahrt drei Wochen als halber Gefangener verbringen müssen, jetzt bahnte sich etwas Ähnliches an. Zum Glück traf ich später den Kommandanten, der mich von einem Vortrag her kannte, den ich in Las Palmas gehalten hatte. Welch ein Zufall! Er setzte sich dafür ein, daß ich mich wenigstens solange frei im Orte bewegen durfte, wie ein Spanier mich begleitete. Aus der beabsichtigten Karawanentour ins Innere wurde nichts.
So gastfreundlich, so hilfsbereit und zuvorkommend alle einfachen Spanier sind, so verletzend und voller Willkür können die Subgobernadores in Villa Cisneros sein. Das ist die Meinung vieler Segler, die hier unfreiwillig oder freiwillig Station gemacht haben.
In den letzten vier Jahren hatte sich in Villa Cisneros, das während des Zweiten Weltkrieges von Amerikanern besetzt war, wenig verändert; die Mole sollte jetzt ausgebaut werden, aber das sollte sie auch schon damals. Der Ort war mit Soldaten überfüllt, die in Zelten untergebracht waren. Villa Cisneros ist so arm, daß selbst ein Schakal sich nicht die Mühe machen würde. dort nach Beute zu suchen. Interessant sind lediglich die moderne Kirche und das Fort, das jedoch mehr nach einem Zuckerhausguß aussieht als nach dem berüchtigten Zwangslager für politische Gefangene.