Kitabı oku: «Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln», sayfa 9

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Ihr Hobby ist das Meer

Überall auf der Welt trifft man Menschen, die vom Meer träumen, von fernen Ländern und entlegenen Inseln. Ihre Begeisterung schlägt so hohe Wellen, daß sie nicht selten mit Reisevorbereitungen beginnen, bis sie dann aber bald merken, wieviel mehr zu einer Seefahrt gehört als nur guter Wille. Meist scheitert das Unternehmen schon an der leeren Reisekasse. Oder an der mangelnden Ausdauer, die leere Kasse aufzufüllen. Für die meisten Einhandsegler – ich machte dabei keine Ausnahme – ist die schwierigste Phase der ganzen Fahrt tatsächlich die Zeit, in der sie mühselig das nötige Reisegeld zusammensparen müssen.

Auch in Dakar traf ich mehrere junge Menschen, die größere Ozeanfahrten planten. Zu ihnen gehörte das Ehepaar Claude und Claudine Goché, das sein Projekt mit einer so erfreulichen Ernsthaftigkeit und Genauigkeit betrieb, daß man an den Erfolg schon im voraus glauben durfte.

Claude war Elektriker bei der französischen Armee, seine Frau Claudine, eine Mulattin, Lehrerin für die jüngsten Senegalesen. Beide trieben seit frühester Jugend Wassersport; Claude hatte sich als mehrfacher Jugendfaltbootmeister Lorbeeren geholt. Jetzt bauten sich die beiden nach Feierabend eine neun Meter lange Hochseeketsch3 vom Typ „Grenam“ – eine gewiß nicht leichte Arbeit in den Tropen. Alle zum Bootsbau nötigen Dinge ließen sie sich aus Frankreich kommen; Kiel und Spanten waren bereits fertig. Ein Funkamateurexamen hatten die beiden auch schon abgelegt. Ihre erste Fahrt sollte sie in die Karibische See führen, nach Martinique, der Heimat Claudines. Später wollten sie um die Welt.

Ganz anders bereitete sich ein zweites Ehepaar auf eine Seefahrt vor, die von Dakar zurück nach Frankreich führen sollte. Immer der Küste entlang! – so stellte sich der Mann die Reise vor! Er hatte sich ein Boot bauen lassen, aus dessen Entwurf man ersehen konnte, daß er vom Meer nichts verstand. Das Ding war ein Monstrum, eine hölzerne Karikatur, mit der sich ein richtiger Seemann nicht einmal betrunken in einen Hafen wagen würde. Seebücher gab es in der Bordbibliothek nicht.

Leider sind Leute dieses Schlages nicht selten. Immer wieder liest man von jungen Menschen, die aus dem Inland kamen und das Meer ohne die geringste Kenntnis befahren oder sogar überqueren wollten. Man kann sie nicht genug davor warnen. Das Meer läßt nicht mit sich spaßen. Es läßt nicht einmal mit sich handeln …

Flußstaat Gambia

Eines Morgens verließ ich bei frischen Winden Dakar und konnte schon in der gleichen Nacht vor Bathurst im Gambiafluß vor Anker gehen. Das damals noch britische Gambia ragt wie ein Wurm – 350 km lang – in den Senegal hinein; seine bunte Geschichte kann in Westafrika höchstens durch die Geschichte der Insel Gorée übertroffen werden.

Gambia ist ein Drittel so groß wie Belgien. Wie der Senegal führt es vorwiegend Erdnüsse aus, die einstmals von den portugiesischen Sklavenhändlern aus Südamerika mitgebracht wurden.

Die Erdnuß ist keine Nuß im botanischen Sinne, sondern eine Hülsenfrucht, die statt in der Luft unter der Erde reift. Wieviel Nährwert sie besitzt, kann man sich vorstellen, wenn man weiß, daß ein Pfund Erdnüsse genau dreimal so viel Kalorien hat wie ein Pfund Rindfleisch!

Außer Alkohol und Briefmarken, die jedes Sammlerauge entzücken, war in Bathurst wirklich nichts Interessantes zu entdecken. Lepröse, Blinde und noch viele andere Kranke bevölkerten die öden Straßen. Bathurst ist ein vergessenes Dorf, in dem nur die Träume florieren können, und Gambia ist ein vergessenes Land, das wenig Interesse daran hat, selbständig zu werden.

Anschluß an Senegal? No, Sir! An Sierra Leone? No, Sir! Unabhängigkeit? No, Sir!

Was dann? Status quo.

Wie eigenartig sich der Fortschritt eines Landes manchmal manifestieren kann, bewies mir ein Polizist in Bathurst, in dessen Büro ich mich anmelden mußte. Als er meine Papiere sah, fragte er mich verschämt, ob ich ihm nicht ein Stärkungsmittel verschreiben könne. Er sei nervös, abgespannt und brauche irgendeine Medizin. Ich riet ihm, einen Arzt aufzusuchen, gab ihm aber dennoch ein Hefepräparat, das nicht schaden konnte. Früher fragte man in Afrika nach Regenschirmen und Glasperlen, heute nach Medikamenten und Stärkungsmittel.

In Afrika, das ein Fünftel der Landoberfläche unserer Welt einnimmt, sprechen 230 Millionen Menschen etwa 700 verschiedene Hauptsprachen! Eines der guten Dinge, die der Kolonialismus mit sich brachte, waren daher die europäischen Sprachen, die heute von allen Gebildeten und Halbintellektuellen gesprochen werden und zu Regierungssprachen erhoben wurden, weil man sich sonst gar nicht verständigen könnte. Wenn der schwarze Kontinent einmal ein großes panafrikanisches Reich geworden sein sollte und Kolonialismus nur noch ein historischer Begriff, wird man dort immer noch Englisch und Französisch sprechen.

Ich nahm Kurs auf eine 160 Seemeilen entfernte Boje, die die Einfahrt in den Gêba-Fluß und damit nach Portugiesisch-Guinea markierte. Wenn die LIBERIA diese Boje, eine Stecknadel im weiten Ozean, nicht fand, würde sie ein ähnliches Schicksal wie die „Nike“ erleiden. Von der Küste sah man nichts, denn ihr sind Sandbänke oder Felsen vorgelagert. Aber an Bord befanden sich Funkpeiler, Sextant, mehrere Kompasse, Radio und alle notwendigen Karten und Bücher. Die Navigation, wenn man sie erst einmal versteht, geht leichter vonstatten als der Laie vermutet. Verstehen muß man sie allerdings!

Vom Orkan gepeitscht

In der zweiten Nacht näherte ich mich der Einfahrt. Kein einziger Leuchtturm brannte. Einige Male versuchte ich, meine Sorge, ich könnte auf eine Untiefe laufen, durch Loten zu verscheuchen: das Senkblei sauste noch immer acht bis elf Meter in die Tiefe. Erst unmittelbar vor dem Leuchtturm erkannte ich die flache Küste und – den brennenden Leuchtturm selbst. Es herrschte hellste Vollmondnacht, und hinter dem Turm ging der Mond auf, so daß das schwache Feuer nicht zu erkennen war!

Noch in der Nacht meldete ich mich bei einem Lotsen, der Bissau von meiner bevorstehenden Ankunft benachrichtigte. Kaum war ich wieder an Bord, als im Südosten eine schwarze, drohende Wolkenwand heraufzog, aus der es gewaltig blitzte und donnerte. Die ersten Windstöße fegten über den Fluß. In aller Eile verstaute ich mein Schlauchboot. Dann begann es zu stürmen, wie ich es auf allen meinen Fahrten noch nie erlebt hatte und nie wieder erlebte.

Auf vier Meter Wassertiefe hatte ich 30 Meter Kette gegeben, aber selbst das erwies sich als zu wenig! Die Kette zitterte und vibrierte. Sintflutartige Wassermassen stoben beinahe waagerecht durch die Luft. Die Wasseroberfläche war zu weißem Geifer geworden. Als ich mich schließlich zur Ankerwinsch vorgekämpft hatte, peitschte der Regen meinen Körper wie mit einer neunschwänzigen Katze. Ich gab nochmals 30 Meter Kette. Aber was bedeuten schon dreißig Meter Ankertrosse in einem Tornado? Ich flog im Bugkorb hin und her, riß mir Knie und Hände blutig und konnte froh sein, daß ich schließlich doch noch die schützende Kajüte erreichte und erschöpft auf die Schlafbank fallen durfte.

Draußen donnerte und blitzte es wie aus einer kosmischen Hexenküche; die Ankertrosse stöhnte, die LIBERIA schlug wie ein Stück Eisen in tiefe, kurze Wellentäler. Der Orkan tobte, als wolle er alles daran setzen, mich zu vernichten. Eine Stunde lang, zwei Stunden – erst kurz vor dem Morgengrauen verschwand der Teufelsspuk.

Sonnenschein, klare Luft und schöne Segelbrise am Morgen! Ebensogut hätte die Sonne jetzt ein gestrandetes Boot bestrahlen können! Ein kleines Flugzeug flog einige Male über der LIBERIA auf und ab, eine Hand winkte, als ob sie sich freute, daß an Deck alles in bester Ordnung war.

Wieder gelangte ich erst in der Dunkelheit in die heutige Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea, Bissau. Es schien, als hätte ich die Gewohnheit angenommen, immer nachts irgendwo vor Anker zu gehen. Der Ankergrund von Bissau ist ganz abscheulich: Tidenströmungen von drei bis sechs Knoten4, lehmiger Grund und unbeleuchtete Boote überall.

Als ich an Land ging, erfuhr ich, daß das Flugzeug mich tatsächlich gesucht hatte; man wollte nicht glauben, daß die LIBERIA diesen tobsüchtigen Tornado, den schlimmsten, den man seit Jahren erlebt hatte, heil überstand. Der Hafenkommandant gratulierte mir, der Rundfunk schleppte den verschollen Geglaubten vors Mikrophon.

Portugal hat für Afrika, insbesondere Westafrika, viel getan. Zahlreiche Namen, Forts und Städtegründungen sind ein bleibender Beweis dafür. Portugal hat überdies, nach dem Grundsatz Heinrich des Seefahrers, zu kolonisieren versucht, indem es Pflanzen in Afrika einführte oder auch systematisch weiter verbreitete: Bananen, Zitrusfrüchte, Mango, Mais, Maniok, Tabak. Auch Haustiere brachte es ins Land.

Als die ersten Syrer und Libanesen nach Liberia kamen, wurden sie ihres Aussehens wegen von den Eingeborenen „Portugiesen“ genannt. Wie tief muß sich selbst dort die Erinnerung an die Portugiesen eingegraben haben!

Die portugiesischen Gebiete Afrikas sind seit etwa zehn Jahren Portugal angegliedert und werden vom Ministério do Ultramar in Lissabon verwaltet. Zivilisierte Afrikaner, assimilados, haben die gleichen Rechte wie die Portugiesen, aber auch die gleichen Pflichten, zum Beispiel müssen sie Wehrdienst leisten und Steuern zahlen. Rassen- oder Farbschranken gibt es nicht. Die vielen Mulatten – ein portugiesisches Wort sagt: Gott schuf die Portugiesen, jedoch die Portugiesen die Mulatten – gelten als „Weiße“. Ob Portugal auf Grund dieser Einstellung seine afrikanischen Gebiete für sich wird retten können, ist nach den Aufständen in Angola dennoch unwahrscheinlich.

Bissau ist ein kleines, großzügig angelegtes Städtchen, dessen europäisches Viertel ebenso gut in Portugal stehen könnte. Die Privathäuser sehen einfach aus, alle Regierungsgebäude dagegen zeigen etwas von „diktatorischer Größe“: nichts für den Einzelnen, alles für den Staat.

Den Gouverneur traf ich verschiedene Male. Im Gegensatz zu seinem spanischen Kollegen in Rio de Oro beantwortete er offen alle Fragen, die ein Besucher an ihn richten konnte. Unruhen hätte es bisher noch nicht gegeben, nationalistische Ausbrüche irgendwelcher Art wären unbekannt; er glaubte daran, daß Portugal dieses Gebiet für immer halten könne.

Ein deutscher Ingenieur, den ich traf, nahm mich zu einer Exkursion ins Innere des Landes mit, wo wir noch unerwartet auf Eingeborene vom Balante-Stamm stießen, die einen Kriegstanz vorführten, wie ihn ihre Vorfahren vor tausend Jahren bestimmt nicht besser gekonnt hätten. Mein Landsmann erklärte mir auch, daß bei diesem Stamm eine seltsame Sitte herrsche: wenn die Jungen beschnitten werden, müßten sie als Zeichen ihrer Mannbarkeit eine außergewöhnliche Tat vollbringen – und das sei meist ein Diebstahl!

Vor uns dampfte der Regenwald, der echte Urwald. Er wächst in Westafrika dort, wo es keine langen Trockenzeiten gibt; er ist fast immer Laubwald. Da er keinem ausgesprochenen Wechsel der Jahreszeiten unterliegt, blüht, wächst und gedeiht er ohne Unterlaß. Jeder Baum hat seinen eigenen Rhythmus; Laubwechsel findet innerhalb weniger Tage statt, man bemerkt ihn gar nicht, da er sich von Ast zu Ast vollziehen kann.

Betritt man zum ersten Male den immergrünen Wald, so ist man überrascht, wie wenig Unterholz es dort gibt, wie wenig Gestrüpp und Gesträuch. Der Waldboden ist kahler als in unseren Laubwäldern; Ameisen, Termiten, Bakterien, Pilze und Insekten arbeiten in Windeseile welke Blätter, Samenkörner, morsche Äste und ganze Urwaldriesen zu Humus um. Im Treibhausklima und im Treibhaustempo!

Läßt man den Blick die astlosen Bäume hinaufgleiten, bis zu den Kronen empor, so erkennt man den Stockwerkwuchs des Urwaldes und entdeckt zahllose Schlinggewächse, Kletter- und Luftpflanzen, die dem Boden die letzten Sonnenstrahlen wegnehmen. Lianen umschlingen die Bäume mit festem Griff. Sie gleichen Schiffskabeln – doch besseren und stärkeren als den von Menschenhand geschaffenen. Die Fischer verwenden in Westafrika statt Tauen wurmdicke Lianen, die sich nicht strecken und auch nicht zusammenziehen oder gar im Wasser faulen.

Im untersten Stockwerk des Urwaldgebäudes herrscht eine Luftfeuchtigkeit von nahezu 100 Prozent. Die wenigen Eingeborenen, die unter dem grünen Baldachin hausen, können unbekümmert ihr Feuer anzünden: hier droht nicht die Gefahr eines Waldbrandes.

Im Regenwald halten sich nur wenige Großtiere auf. Ich bin früher im liberianischen Urwald oft auf Jagd gegangen, ohne jemals ein Tier vor die Flinte bekommen zu haben. Nur Affengeschrei erklang aus den Wipfeln – spöttisch, als wollten die Biester mich auslachen. Um am Abend solcher Buschtrips doch noch Fleisch in die Pfanne zu bekommen, beschloß ich meine Jagdausflüge in den Urwald meist mit einem Besuch der Faktorei, um eine Ente zu kaufen. Am Randes des Urwaldes, in den Savannen und an Gewässern, war die Jagd entschieden leichter.

Dennoch ist die Lebensgemeinschaft von Flora und Fauna im Urwald ungewöhnlich vielgestaltig; sie wird an Artenreichtum lediglich von der des Meeres übertroffen. Während in unseren Wäldern nur ein Dutzend verschiedener Bäume stehen, birst der Urwald von Hunderten von verschiedenen Baumarten. Und alle diese Pflanzen wachsen so schnell, daß ein Hektar Urwald eine Holzmenge liefert, die zu produzieren ein Hektar Wald in unseren Breiten sechsmal so lange braucht. Hin und wieder entdeckt man im Urwaldgebiet kleine Eingeborenen-Siedlungen, die von armseligen, mühsam angelegten Pflanzungen umgeben sind. Nach drei bis fünf Jahren Ernte roden die Eingeborenen einen anderen Abschnitt und lassen auf dem zurückgebliebenen, ausgelaugten Land Sekundärwald aufschießen.

Auch bei der Abfahrt von Bissau mußte ich wieder auf Stauwasser warten, ehe ich bei der starken Strömung und der stattlichen Zahl von Nachbarbooten den Anker aus dem Morast hieven konnte. Ich hatte mir vorgenommen, durch die vielen Inseln und Sandbänke nach Süden zu gelangen; bei der starken Strömung und der Ungenauigkeit der Seekarten mußte ich mich darauf beschränken, nur am Tage zu segeln. Hier war zentimetergenaues Navigieren nötig, wenn die LIBERIA nicht plötzlich wie ein gestrandeter Wal auf einer Sandbank sitzen sollte.

Im Bissagosarchipel ankerte ich abends in der Nähe der Insel Bubaque, auf der die deutsche Kamerun-Eisenbahngesellschaft früher einige Tausend Hektar Palmölwälder besessen hatte, die nach dem Kriege dem portugiesischen Staat übergeben werden mußten. Die Eingeborenen dieser Inselwelt haben sich lange gegen die portugiesische Oberherrschaft gewehrt; man erzählte sich von einer Königin, deren Untertanen sich bis in die jüngste Zeit weigerten, an die Portugiesen eine Hüttensteuer zu zahlen.

Geburtswehen in Conakry

Ohne böse Überraschungen gelangte ich nach einer 260 Seemeilen langen Fahrt an einem Sonntagabend nach Conakry, der Hauptstadt des früheren Französisch-Guinea, das sich, als ich dort ankam, gerade von Frankreich losgesagt hatte und zur jungen Republik Guinea geworden war.

Am Hafen setzte eine üble Strömung vorbei, die in der Dunkelheit den Landfall unnütz dramatisierte. Schließlich legte ich an einem Bauxitschiff an. Kaum hatte ich festgemacht, als ein afrikanischer Polizist erschien und die Personalien aufnahm. Ein anderer Polizist lud mich zum Duschen ein, und als ich davon zurückkam, stieß ich auf eine dritte Amtsperson, den frisch gebackenen Hafenkommandanten, einen Mulatten, der sehr verärgert war, weil er die Gelegenheit verpaßt hatte, als erster seines neu erworbenen Amtes zu walten. Später freundeten wir uns an, und er fuhr mich auch zum Präsidenten Sekou Touré.

Conakry war ein Hexenkessel, voller Aufruhr und Empörung; Gerüchte und Klatsch hielten die Stadt in Atem, und über Menschen und Dingen lag eine Spannung, die sich jeden Augenblick zu entladen drohte. Die Franzosen waren ehrlich empört, daß Guinea sich von ihnen gelöst hatte; sie transportierten alles ab, was ihnen wertvoll erschien; von schweren Straßenbaumaschinen bis zum Bleistift, von Aktenbergen bis zum letzten Revolver. Auch die Afrikaner waren empört: „Erst stellt man uns frei, uns von Frankreich zu lösen, und dann, als wir uns dafür entschieden, werden wir einfach isoliert!“

Kaum hatte es sich herumgesprochen, daß eine deutsche Yacht im Hafen eingetroffen war, da erhielt ich Besuche und freundliche Worte. Zwei Zollbeamte brachten mir sogar ein Bündel Bananen aufs Boot. Man hatte soeben einen Handelsvertrag mit der DDR geschlossen, und – Deutsche sind doch Deutsche! Geteiltes Deutschland? Nie davon gehört!

Ich ging an Land und genoß den kühlen Schatten eines gewaltigen Kapokbaumes, der am Hafeneingang wie ein Riesenwächter schützend seine Zweige breitet. Unter dem Baum hockten Marktfrauen und boten den Hafenarbeitern selbstgebackenes Brot und Obst an. Conakry verschwindet in einem Meer von Grün; riesige Affenbrotbäume, Kapok- und Mangobäume wölbten über den Straßen ihre Kronen. Nirgends in Westafrika habe ich so schattige Alleen gesehen wie hier!

Auf dem Wege zur Stadt passierte ich ein Kriegerdenkmal, das die Franzosen einst errichtet hatten. Heute trägt es eine neue Inschrift: „Die Republik von Guinea den Märtyrern des Kolonialismus.“ Zweifellos beziehen sich diese Worte nicht auf die Kolonisierung Guineas durch Frankreich, sondern auf den nicht gerechtfertigten Einsatz von Afrikanern in zwei Weltkriegen; mit dem Glauben, die Afrikaner seien für ihr Vaterland gefallen, hat der junge Ministerpräsident gründlich aufgeräumt.

In dem ein wenig vernachlässigten Regierungsgebäude traf ich den Ministerpräsidenten. Die Schlagzeilen der Weltpresse hatten den jungen Sekou Touré einen Rebellen, einen Sozialisten, einen Kommunisten, einen Marxisten und vieles andere mehr genannt. Lachend kam er mir entgegen, während der ganzen Unterhaltung blieb sein Gesicht entspannt. Er sieht gut aus, trägt ein stolzes Gebaren zur Schau und antwortet schnell und gewandt. Was will Sekou Touré?

Sein erstes Ziel ist Guineas Größe – unter welchen Bedingungen und mit welchen Mitteln er es erreicht, das ist ihm gleichgültig. Sein zweites Ziel ist ein geeintes, freies Afrika. Guinea ziehe Armut und Freiheit dem Reichtum und der Unfreiheit vor; an Verbrüderung sei ihm mehr gelegen als an Almosen, und es brauche technische Unterstützung – keine moralische.

Sekou Touré entstammt altem afrikanischem Adel; er soll ein Nachkomme der Keita-Dynastie sein, die das afrikanische Mali-Reich begründen half. Er ist Mohammedaner. Die Minister seines Kabinetts sind, wie er, sehr jung, doch sie hoffen, ihre Aufgabe lösen zu können, denn ihr Land ist reich an Bananen, Eisen, Diamanten, Bauxit, das in unmittelbarer Nähe von Conakry lagert. Große Wasserkräfte sind bisher ungenutzt.

Nomen ist nicht Omen

Für mich kam die Zeit, zur Abfahrt zu rüsten. Bojen, Strömung – das übliche Spiel. Bald war ich wieder auf dem Meer und allein. Am frühen Morgen stand ich vor Freetown in Sierra Leone, das jedoch nicht auszumachen war, weil es sich hinter einer dunklen Regenwand verbarg. Zehn Meilen vor mir im Osten mußte das „Löwengebirge“, wie die Portugiesen es nannten, liegen. Der Funkpeiler bestätigte meine Vermutung. Zum Segeln fehlte der Wind. Der Motor lief zwar, jedoch die Umsteueranlage machte nicht mehr mit.

Die Stunden verrannen, der Mittag verstrich, erst am Abend kam eine schwache Seebrise auf, und spät, sehr spät, konnte ich in Freetown vor den Marinearsenal ankern.

Ein schwarzer Händler fuhr am nächsten Morgen mit seinem Einbaum bei mir vor und wollte mir Waren andrehen, die er bei den Passagieren eines Frachters nicht losgeworden war. Da seine Preise nicht zu hoch lagen, beschloß ich, einen Speer zu kaufen. Erst das Geld, dann die Ware, forderte der Mann. Er hielt den Speer in der Hand – ich das Geld. Nach kurzem Zögern gab ich nach und ließ es in seine ausgestreckte Hand gleiten. Und da geschah, was ich vorausgesehen hatte: er nahm Reißaus. Sicher hatte er längst mit einem Blick erfaßt, daß mir kein fahrbereites Beiboot zur Verfügung stand.

„Na, warte!“ dachte ich. „So schnell legst du mich nicht herein!“

In aller Ruhe arbeitete ich weiter am Boot, verfolgte aber aus den Augenwinkeln heraus genau seinen Weg. Später nahm ich das Fernglas zur Hilfe, und als ich ihn aus dem Blickfeld verlor, schlug ich schnell das Schlauchboot auf, verstaute darauf mein Klapprad und pullte, mit einem Fernglas bewaffnet, zum Ufer.

Dann setzte die Verfolgungsjagd ein. Ich hatte mir die Richtung genau gemerkt, in der er verschwunden war, und entdeckte sein Boot schon nach wenigen Minuten in einer kleiner Bucht hinter der Regierungsmole. Der Händler machte sich eilends aus dem Staube, als er mich kommen sah. Etwa zwanzig Afrikaner lungerten um sein Boot herum und schnitten mir den Weg ab. Der Händler gehöre nicht zu ihnen, sie kennten ihn nicht, sagten sie mit drohendem Unterton in der Stimme. Ich sollte gefälligst machen, daß ich weiterkäme.

Gerade das aber hatte ich keineswegs im Sinn – jedenfalls nicht ohne Speer. Ich versuchte, meiner Wut Herr zu werden. Mal sehen, ob sich die Halunken nicht bei der Ehre packen ließen.

„Hört mal, Gentlemen, ich bin in einem kleinen Boot aus Europa gekommen, um Freetwon zu besuchen. Was aber tun Sie! Sie dulden, daß ein Gast Ihres Landes bestohlen wird! Bitte, wenn Sie das für richtig halten, werde ich gehen!“

Die Männer hatten mir aufmerksam zugehört. Sie besprachen sich leise, und dann griff einer nach dem Speer und überreichte ihn mir stillschweigend. Ich kam ungeschoren wieder zu meinem Boot zurück, und der Speer hängt heute über meinem Schreibtisch.

Freetown war einmal führend in der afrikanischen Freiheitsbewegung das gehört der Vergangenheit an. In Freetown gab es für viele Jahre die einzige westafrikanische Bildungsstätte von Bedeutung – heute haben die Nachbarländer sie überflügelt. Das angenehmste an der Stadt waren für mich ihre schöne Lage und der Gouverneur, der ein Gentleman der alten Schule war, und das nicht nur, weil er – segelte.

Ob die von England und aus den USA herübergesandten freien Afrikaner und die entlaufenen Negersklaven aus Jamaika, die hierher transportiert wurden, wohl geglaubt hätten, daß ihre Nachfahren 160 Jahre später immer noch nicht ganz frei sein würden? Freetown – freie Stadt – erwies sich als ein leerer Name. Jedoch bemühten sich die einsichtigen Briten, auch dieses Gebiet Schritt für Schritt auf den Weg zur Unabhängigkeit zu führen. Entwicklungen dieser Art brauchen Zeit. Wenn dieses Buch erscheint, wird Sierra Leone bereits unabhängig sein.

Sierra Leone ist so groß wie Irland, jedoch so reich wie irgendwer: Diamanten hinten und vorn – legal und illegal –, etwas Gold, Eisen, Chromit, Columbit, Titanium, Palmkerne, Ingwer und Kolanüsse für ganz Westafrika und die Sahara.

Als ich mich vor Jahren in Freetown nach London einschiffte, luden wir Hunderte von Säcken mit Kolanüssen, und darauf lagen dann die Deckpassagiere und kauten – Kolanüsse. In Bathurst stiegen sie wieder aus, die Säcke und die Kolanuß kauenden Passagiere. Von dort aus wurden sie den Gambiafluß 350 km aufwärts verschifft, um dann schließlich auf dem Rücken von Kamelen in den Sudan, in die entlegensten Dörfer der Wüste, verfrachtet zu werden.

Kolanüsse ersetzen in vielen Orten Westafrikas Kaffee, Kaugummi und Zigaretten, und bei einigen Stämmen ersetzt eine weiße Kolanuß sogar einen mündlichen Heiratsantrag, ganz davon zu schweigen, daß sie in der Mitgift nicht fehlen darf.

Als ich seinerzeit einem Häuptling in Liberia einen Baumstamm abkaufen wollte, um die LIBERIA I zu bauen, mußte ich ihn erst meiner Freundschaft versichern, indem ich ein Stück Kolanuß verzehrte. Ich habe mich nie an den bitteren Geschmack der Frucht gewöhnen können; und doch gibt es im Sudan Liebhaber der walnußgroßen Nuß, die ihre Lieblingssklavin für sie gegeben haben.

Die chemischen Stoffe der Nuß, vor allem das Coffein, vertreiben den Schlaf und erhöhen die Leistungsfähigkeit von Mensch und Tier.

Welcher Beliebtheit die Nüsse sich erfreuen, kann man aus der Tatsache ersehen, daß es in Dakar an jeder Straßenecke mindestens einen Kolanußhändler gibt, der am Tage etwa 20 bis 40 Stück verkauft und davon leben kann. Getränke, die Kolanußextrakt enthalten, dringen heute schon in den tiefsten Busch und in den abgelegensten Kral ein – ein Zeichen des Fortschritts?

Nachdem ich zwischen den Tiden mein Boot zum zweitenmal auf dieser Fahrt mit einer Patentfarbe gegen Algenwuchs und Wurmbefall gestrichen hatte, lichtete ich eines Abends den Anker für Liberia. In der Luftlinie sind es keine 200 Seemeilen nach Monrovia, jedoch liegen im Süden von Freetown gefährliche Bänke, die einen weiten Umweg erfordern. Die Hafenbeamten baten mich, „das Seemannsgrab nicht zu vergrößern“.

Aber sollte die LIBERIA IV wegen ein paar Riffs nicht Liberia anlaufen können, das Heimatland des Einbaumes, der den Atlantik überquert hatte?

1 Überkämmende See.

2 Das kreuzweise Herumlegen eines T aues um einen Poller.

3 Anderthalbmaster, mit dem kleinen, dem Besanmast, hinten, aber vor dem Ruder.

4 1 Knoten = 1 Seemeile = 1852 m/h.