Kitabı oku: «Norwegische Volksmährchen vol. 2», sayfa 9
Als sie sich zu Tische gesetzt hatten, sagte der Königssohn – der, welcher auf dem Riesenschloß gewesen war – es schicke sich nicht anders, als daß sie auch die Jungfrau einlüden, die ihnen den Aschraker, die Halbthür und das Kalb geliehen; »denn hätten wir die drei Dinge nicht erhalten, so wären wir noch nicht von der Stelle gekommen,« sagte er. Ja, das, däuchte dem König auch, wäre nicht mehr, als billig, und er schickte sogleich fünf von seinen Leuten zu der vergoldeten Hütte mit einem Gruß von ihm, und die Jungfrau möchte doch so gut sein, und aufs Schloß kommen und da zu Mittag essen. Die Jungfrau aber antwortete: »Grüßt nur den König wieder von mir und sagt ihm, wenn er sich zu gut dünke, um selbst zu mir zu kommen, so dünke ich mich auch viel zu gut, um zu ihm zu kommen.« Nun mußte der König sich denn selbst aufmachen, und da ging die Jungfrau auch sogleich mit. Der König aber konnte sich wohl denken, daß sie etwas Mehr war, als sie zu sein schien, und setzte sie darum bei Tafel oben an bei dem jüngsten Bräutigam. Als sie nun eine Weile gesessen hatten, nahm die Meisterjungfer den Hahn und das Huhn und den goldnen Apfel hervor, welche drei Dinge sie aus dem Riesenschloß mitgenommen hatte, und legte sie vor sich auf den Tisch hin; und sogleich fingen der Hahn und das Huhn an, sich um den goldnen Apfel zu schlagen. »Ei seht doch, wie die Beiden da um den goldnen Apfel kämpfen!« sagte der Königssohn. »Ja, so hatten wir beide damals auch zu kämpfen, um aus dem Berg zu kommen,« sagte die Meisterjungfer. Da erkannte der Königssohn sie wieder, und seine Freude war unbeschreiblich; die Trollhexe aber, die ihm den goldnen Apfel zugerollt hatte, ließ er von vier und zwanzig Pferden in Stücke zerreißen, so daß kein Fetzen an ihr ganz blieb; und nun begann erst die rechte Hochzeit; und der Schulz und der Schreiber und der Amtmann, so sehr sie sich auch die Flügel versengt hatten, waren auch mit dabei und hielten aus bis zuletzt.
17.
Wohl gethan und schlecht gelohnt
Es war einmal ein Mann, der fuhr mit einem Schlitten in den Wald und wollte sich Holz holen; da begegnete ihm der Bär. »Gieb mir Dein Pferd, oder sonst zerreiß ich alle Deine Schafe diesen Sommer,« sagte der Bär.
»Ach, Gott steh mir bei!« sagte der Mann: »ich habe kein Stück Brennholz mehr im Hause; laß mich bloß erst diesen Schlitten heimfahren, denn sonst müssen wir alle todtfrieren; morgen will ich mit dem Pferd wiederkommen.« Na, der Bär ließ ihn denn auch fahren; wenn er aber nicht wiederkäme, sagte er, dann sollt's kaputt gehen mit all seinen Schafen im Sommer.
Der Mann fuhr nun mit seinem Holz nach Hause; aber er war nicht sehr vergnügt über den Accord, wie man sich wohl denken kann. Unterweges begegnete ihm der Fuchs.
»Warum bist Du so betrübt?« fragte der Fuchs ihn.
»Ach, mir ist der Bär im Wald begegnet,« sagte der Mann: »und ich hab' ihm versprechen müssen, ihm morgen um diese Zeit mein Pferd zu bringen; sonst wollte er alle meine Schafe diesen Sommer zerreißen, sagte er.« —
»Nichts weiter, als das?« sagte der Fuchs: »Willst Du mir den fettsten Bock aus Deinem Stall geben, so will ich Dich von dem Bären befreien.«
Ja, das wollte der Mann gern und gab dem Fuchs sein Wort.
»Wenn Du nun morgen mit Deinem Pferd zu dem Bären kommst,« sagte der Fuchs: »so werde ich dort oben auf dem Berg juchen, und wenn dann der Bär Dich fragt: »Was ist Das?« dann sollst Du sagen: »Das ist Peter der Schütz, der beste Jäger im ganzen Land;« und nachher wirst Du Dir schon selbst weiter helfen.«
Als nun am andern Tag der Mann mit seinem Pferd zu dem Bären in den Wald kam, hörte man es bald oben auf dem Berg juchen.
»Horch! Was ist Das?« sagte der Bär.
»O, das ist Peter der Schütz, der beste Jäger im ganzen Land,« sagte der Mann: »ich kenne ihn an der Stimme.« —
»Hast Du keinen Bären hier gesehen, Erich?« rief es durch den Wald.
»Sag' Nein,« sagte der Bär.
»Nein, ich habe keinen Bären gesehen,« sagte Erich.
»Was ist denn Das, was da neben Dir steht?« rief es im Walde.
»Sag', es ist ein alter Kienstamm,« flüsterte der Bär.
»O, es ist nur ein alter Kienstamm,« sagte Erich.
»Solche Kienstämme pflegen wir bei uns auf den Schlitten zu werfen,« rief es im Walde: »Kannst Du's nicht allein, so will ich kommen und Dir helfen.« —
»Sag', Du kannst Dir schon selbst helfen, und wirf mich auf den Schlitten,« sagte der Bär.
»Nein, danke! ich kann mir schon selbst helfen,« sagte der Mann und warf den Bären auf den Schlitten.
»Solche Kienstämme pflegen wir nachher mit dem Strick festzubinden,« rief es im Walde: »Soll ich Dir helfen?« —
»Sag', Du kannst Dir schon selbst helfen, und binde mich fest,« sagte der Bär.
»Nein, danke! ich kann mir schon selbst helfen,« sagte der Mann und band den Bären fest mit all den Stricken, die er bei sich hatte, so daß er kein Glied rühren konnte.
»Und nachher, wenn wir sie festgebunden haben, pflegen wir in solche alte Kienstämme unsre Axt zu hauen,« rief's im Walde: »dann steuern wir besser über die großen Berge.« —
»Thu', als ob Du Deine Axt in mich hau'test,« flüsterte der Bär.
Da nahm der Mann seine Axt und zerspaltete damit dem Bären die Hirnschale, so daß er nicht mehr mucks'te. Darauf kam Reineke hervor, und sie wurden gute Freunde mit einander.
Als sie nicht mehr weit von dem Gehöft waren, sagte der Fuchs: »Ich habe keine Lust, Dir weiter zu folgen, denn ich kann Deine Hunde nicht gut vertragen; ich will aber hier auf Dich warten, dann kannst Du mir den Bock herbringen; nimm aber einen, der brav fett ist.«
Der Mann gab ihm sein Versprechen und dankte ihm für seine Hülfe; und als er sein Pferd in den Stall gezogen hatte, ging er hinüber zu dem Schafstall.
»Wo willst Du hin?« fragte seine Frau.
»O, ich will nur in den Schafstall und einen fetten Bock für den Fuchs holen, der mein Pferd gerettet hat,« sagte der Mann: »denn ich hab' es ihm versprochen.« —
»Der Henker sollte dem Schelm einen Bock geben!« sagte die Frau: »Unser Pferd haben wir ja und den Bären dazu, und der Fuchs hat uns gewiß schon mehr Gänse gestohlen, als der Bock werth ist, und hat er's noch nicht gethan, so kann er's wohl noch thun. Nein,« sagte sie: »steck lieber ein Paar von Deinen bösesten Hunden in den Sack und schick ihm die auf den Pelz, dann werden wir den alten Schelm vielleicht dazu los.«
Das schien dem Mann ein guter Rath, und er steckte zwei seiner bösesten Hunde in den Sack und damit ging er fort.
»Hast Du den Bock?« fragte der Fuchs.
»Ja, komm und nimm ihn!« sagte der Mann, machte seinen Sack auf und ließ die Hunde heraus.
»Houf!« sagte der Fuchs und nahm einen Satz: »es ist wohl wahr, was ein altes Sprichwort sagt: »Wohl gethan wird schlecht gelohnt,«« und schwang die Fersen, während die Hunde hinter ihm drein waren.
18.
Treu und Untreu
Es waren einmal zwei Brüder, der eine hieß Treu, und der andere hieß Untreu. Treu war immer gut und aufrichtig gegen Jedermann, aber Untreu war böse und voller Lügen, so daß Niemand auf sein Wort bauen konnte. Die Mutter war Wittwe und hatte nur kümmerlich zu leben; darum mußten die Söhne, als sie herangewachsen waren, in die Welt auswandern, um sich ihr Brod zu verdienen, und jedem von ihnen gab sie einen Schnappsack mit Essen auf den Weg.
Als sie nun so lange fortgewandert waren, bis es Abend wurde, setzten sie sich auf einen vom Sturm umgeworfenen Baum im Walde nieder, und jeder nahm seinen Schnappsack hervor. »Willst Du, wie ich,« sagte Untreu: »so wollen wir erst aus Deinem Sack essen, so lange Was drin ist, naher essen wir aus meinem.« Ja, Treu war's zufrieden, that seinen Schnappsack auf, und sie fingen an zu essen; aber all das Schönste und Beste pfropfte Untreu in sich hinein, und Treu bekam nur die Schwarten und die angebrannte Rinde. Am Morgen war Treu wieder der Wirth und am Mittag auch; da ward aber sein Schnappsack ganz leer. Als sie nun so lange gegangen waren, bis es wieder Abend wurde, und der Hunger sich einstellte, wollte Treu mit aus seines Bruders Schnappsack essen; aber Untreu sagte, das Essen wäre sein, und er hätte nicht Mehr, als er selbst gebrauche. »Ich hab' Dich aber doch aus meinem Schnappsack essen lassen, so lange was drin war,« sagte Treu. »Ja, warum bist ein solcher Narr gewesen und hast das gethan?« sagte Untreu: »Nun kannst Du Dir den Mund lecken, wenn Du nichts Andres hast.« – »Untreu heißt Du, und untreu bist Du, und das bist Du all Dein Lebtag gewesen,« sagte Treu. Als Untreu das hörte, gerieth er so in Wuth, daß er auf den Bruder zurannte, und ihm die Augen aus dem Kopf stach. »Nun kannst Du sehen, welche Leute treu, und welche untreu sind, Du Blindekuh!« sagte er, und damit ging er fort.
Der arme Treu ging nun und tappte blind und allein im dicken Wald umher und wußte nicht, Was er anfangen sollte. Endlich kam er zu einem großen Lindenbaum und da kletterte er hinauf, um nur die Nacht über im Schutz vor den wilden Thieren zu sein. »Wenn morgen die Vögel singen, dann ist es Tag,« dachte er: »und dann muß ich zusehen, daß ich weiter komme.« Als er aber eine Weile da gesessen hatte, hörte er, daß Jemand unter den Baum kam und anfing zu kochen und zu braten; und es dauerte nicht lange, so kamen noch Mehr, und als sie einander grüßten, hörte er, daß es der Bär, der Wolf, der Fuchs und der Hase waren, die wollten den St. Johannistag feiern.
Sie fingen nun an zu essen und zu trinken und thaten sich gütlich; und als sie damit fertig waren, setzten sie sich hin und schwatzten mit einander. Darauf sagte der Fuchs: »Wir wollen einander Geschichten erzählen.« Der Vorschlag gefiel, und der Bär begann zuerst, denn der war der Vornehmste. »Der König von England,« sagte er: »hat schlechte Augen: er kann fast nicht einen Ellbogen weit vor sich sehen; aber wenn er des Morgens auf diese Linde stiege, während der Thau auf den Blättern sitzt, und sich damit die Augen bestriche, so würde er wieder eben so gut sehen lernen, als er's zuvor gekonnt hat.« »Ja,« sagte der Wolf: »der König von England hat auch eine taubstumme Tochter; aber wüßte er, Was ich weiß, so wäre ihr bald geholfen: Als sie nämlich voriges Jahr zum Abendmahl ging, spuckte sie das Altarbrod wieder aus, und da kam eine große Kröte und verschlang es. Wenn sie jetzt nur in der Kirche unter dem Fußboden nachgrüben, so würden sie die Kröte finden; denn die sitzt unter dem Altar, und das Brod steckt ihr noch im Halse; und wenn sie dann die Kröte aufschnitten und das Brod der Prinzessinn zu essen gäben, so würde sie wieder eben so gut hören und sprechen lernen, als andre Leute.« – »Ja, ja,« sagte der Fuchs: »wenn der König von England wüßte, Was ich weiß, dann hätte er nicht so schlechtes Wasser in seinem Schloßhof; denn unter dem großen Stein mitten im Hof ist das klarste Brunnenwasser, das man sich nur wünschen kann, wenn er bloß so klug wäre und da nachgrübe.« – »Ja,« sagte der Hase: »der König von England hat den schönsten Obstgarten im ganzen Lande, aber er trägt ihm keinen Apfel, denn es liegt eine schwere goldene Kette dreimal rund um den Garten vergraben; wenn er aber die herausgrübe, so würde es der schönste Garten im ganzen Reich werden.« – »Nun ist es schon spät in der Nacht, und wir thun am besten, wir gehn wieder nach Hause,« sagte der Fuchs; und damit gingen Alle ihres Weges.
Als sie fort waren, schlief Treu, der oben in der Linde saß, sogleich ein; aber sowie am Morgen die Vögel zu singen begannen, erwachte er wieder, und nun nahm er von dem Thau, der auf den Blättern saß, und bestrich sich damit die Augen, und als er das gethan hatte, konnte er wieder eben so gut damit sehen, als zuvor, eh' Untreu sie ihm ausgestochen. Nun ging er gradesweges auf's Schloß zu dem König von England und bat um Arbeit, und die bekam er denn auch. Eines Tages kam der König hinaus auf den Hof, und als er da eine Weile auf- und abgegangen war, wollte er Etwas zu trinken haben aus seinem Brunnen, denn es war sehr heiß den Tag; als sie aber das Wasser aufschöpften, war es ganz schlammig und trübe. Darüber ward der König ärgerlich und sprach: »Ich bin der Einzige in meinem Reich, der schlechtes Wasser in seinem Hof hat, und doch muß ich es weit unter Berg und Thal herleiten.« – Treu aber sprach zu ihm: »Wenn Du mir nur etliche Leute zu Hülfe geben wolltest, damit ich den großen Stein aufbrechen könnte, der mitten in Deinem Hof liegt, dann solltest Du schon reines und gutes Wasser bekommen, und das so viel Du nur wünschen magst.« Dazu war der König sogleich bereit; und kaum hatten die Leute den Stein aufgebrochen und eine Weile gegraben, so sprang das Wasser in hellen Strahlen in die Höhe, und klareres Wasser fand man nicht in ganz England.
Einige Zeit darnach war der König eines Tages wieder auf dem Hof; da schoß plötzlich ein großer Habicht auf seine Hühner herab, und Alle klatschten in die Hände und riefen: »Da ist er! da ist er!« Der König griff nach seiner Büchse und wollte den Habicht schießen; aber er konnte nicht so weit sehen. Darüber war er sehr betrübt und sprach: »Wollte Gott, daß mir nur Jemand einen guten Rath für meine Augen geben könnte! Ich glaube, ich werde am Ende noch ganz blind.« – »Ich will Dir wohl sagen, wie Dir zu helfen ist,« sagte Treu, und erzählte ihm von dem wunderthätigen Thau auf der Linde, wodurch er selbst einmal sein Gesicht wieder erlangt hätte. Und der König begab sich noch denselben Abend nach dem Wald und schlief die Nacht über auf der Linde; und als er sich darauf am Morgen mit dem Thau, der auf den Blättern saß, die Augen bestrichen hatte, da konnte er wieder eben so gut sehen, als zuvor. Aber von der Zeit an hielt der König von Keinem mehr, als von Treu, und er mußte immer um ihn sein, wo er nur ging und stand. Eines Tages gingen sie zusammen im Garten spazieren. »Ich weiß nicht, woher es kommt,« sagte der König: »aber Keiner in meinem ganzen Lande hat so Viel auf seinen Garten verwendet, als ich, und doch kann ich keinen einzigen Baum so weit bringen, daß er auch nur einen Apfel trägt.« Da sagte Treu zu dem König: »Willst Du mir Das geben, was dreimal rund um Deinen Garten liegt, und auch so viel Leute, um es aufzugraben, dann sollen die Bäume in Deinem Garten bald Früchte genug tragen.« Ja, das wollte der König gern. Treu bekam Leute zum Graben, so viel er nur wollte; und als sie eine Weile gegraben hatten, trafen sie auf die goldne Kette, die dreimal rund um den ganzen Garten ging; und als sie die herausgegraben hatten, fingen auch die Bäume im Garten an, Früchte zu tragen, und trugen bald so viel, daß die Zweige bis an die Erde herunterhingen. Treu war nun ein reicher Mann, weit reicher als der König selbst; aber dieser freu'te sich bloß, daß nun die Bäume in seinem Garten so schöne Früchte trugen.
Eines Tages gingen Treu und der König zusammen und schwatzten von Diesem und Jenem; da kam grade die Prinzessinn an ihnen vorüber, und der König wurde ganz betrübt, als er sie sah, und sprach: »Ist es nicht Jammer und Schade, daß eine so schöne Prinzessinn, wie meine Tochter ist, des Gehörs und der Sprache beraubt sein muß?« —
»Dafür wäre wohl Rath,« meinte Treu. Als der König das hörte, ward er so froh, daß er dem Burschen die Prinzessinn und das halbe Reich versprach, wenn er ihr bloß das Gehör und die Sprache wieder verschaffen könne. Treu aber nahm ein paar Leute mit sich in die Kirche und grub die Kröte heraus, die dort unter dem Altar saß, schnitt ihr den Rachen auf, nahm das Brod heraus und gab es der Königstochter zu essen – und sowie sie das gegessen hatte, konnte sie wieder eben so gut hören und sprechen, wie andre Leute.
Nun war es so weit, daß Treu die Prinzessinn heirathen sollte, und es wurde zur Hochzeit angerichtet; das sollte aber eine Hochzeit werden, wovon man sich im ganzen Lande zu erzählen hätte. Während sie nun Alle lustig waren und sangen und tanzten, kam ein armer Bettler vor die Thür und bat um ein Wenig zu essen; aber er hatte so lumpige Kleider an und sah so entsetzlich elend aus, daß Alle sich vor ihm kreuzten. Treu aber erkannte ihn sogleich und sah, daß es sein Bruder Untreu war. »Kennst Du mich nicht?« fragte Treu ihn. »Ach, wo sollte ich wohl einen so großen Herrn gesehen haben, wie Ihr seid?« sagte Untreu. »Gesehen hast Du mich allerdings,« sagte Treu: »denn das war ich, dem Du vor einem Jahr die Augen ausstachst. Untreu heißt Du und untreu bist Du; das sagte ich Dir damals, und das sag' ich Dir auch noch jetzt; Du bist aber dessen ungeachtet mein Bruder, und darum sollst Du nicht hungrig von dannen gehen, sondern zu essen und zu trinken haben, und darnach kannst Du Dich zu der Linde begeben, auf der ich voriges Jahr in der Nacht saß – und erfährst Du dann Etwas, das zu Deinem Heil dienen kann, so ist es gut für Dich.« Untreu ließ die Worte nicht verloren sein. »Hat Treu, weil er eine Nacht auf der Linde saß, ein solches Glück davon getragen, daß er binnen einem Jahr König von halb England geworden ist, so – Wer weiß – dachte er und machte sich auf den Weg nach dem Walde und stieg auf die Linde. Er hatte noch nicht lange da gesessen, so kamen die Thiere unter dem Baum zusammen, aßen und tranken und feierten den St. Johannistag. Als sie nun genug gegessen und getrunken hatten, machte der Fuchs wieder den Vorschlag, daß sie einander Geschichten erzählen wollten, und da kannst Du Dir wohl denken, wie Untreu die Ohren spitzte. Aber der Bär war das Mal verdrießlich, brummte und sprach: »Es hat Jemand ausgeschwatzt, Was wir uns voriges Jahr erzählten, und darum wollen wir jetzt schweigen von Dem, was wir wissen!« und darauf sagten die Thiere einander gute Nacht und gingen ihres Weges; und Untreu war nicht klüger geworden, als zuvor, das macht, weil er Untreu hieß und weil er untreu war.
19.
Peter und Paul und Esben Aschenbrödel
Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne, die hießen Peter und Paul und Esben Aschenbrödel; aber weiter als die drei Söhne hatte er auch Nichts in der Welt, ja, er war so arm, daß er nicht einmal einen Knopf an seinem Rock hatte, und darum sagte er oft und alle Tage zu den Burschen, sie sollten fort in die Welt und sich ihr Brod verdienen, denn zu Hause bei ihm müßten sie doch am Ende nur todt hungern. Nun sollst Du mal hören, wie zuletzt die Burschen auf den Trab kamen; das ging nämlich so zu:
Nicht weit davon, wo der Mann wohnte, lag ein Königsschloß, und grade vor den Fenstern des Königs stand eine Eiche, die war so groß und so dick, daß sie alles Licht wegnahm, so daß die Sonne nicht ins Zimmer scheinen konnte. Darum hatte der König Demjenigen, der die Eiche umhauen könnte, viel Geld versprochen; aber dazu taugte Keiner; denn sobald Einer nur einen Span von dem Stamm abhau'te, wuchs gleich wieder noch einmal so Viel daran. Ferner wollte der König einen Brunnen gegraben haben, der sollte das ganze Jahr hindurch Wasser halten; denn alle Großen in seinem Reich hatten Brunnen, nur er hatte keinen, und das, däuchte dem König, wäre doch Unrecht. Wer ihm nun einen solchen Brunnen graben konnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, dem hatte er Geld und auch noch viele andre Dinge versprochen; aber Keiner konnt' es zu Stande bringen, denn das Schloß lag oben auf einem Berg, und kaum hatte man einige Zoll tief in die Erde gegraben, so kam man auf den harten Felsboden. Da sich aber der König einmal in den Kopf gesetzt hatte, daß die Sache zu Stande gebracht werden sollte, so ließ er zuletzt weit und breit bekannt machen in seinem ganzen Land, daß Der, welcher die große Eiche vor dem Schloß umhauen, und einen Brunnen graben könnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, die Prinzessinn und das halbe Reich haben sollte. Nun kann man sich wohl denken, daß Viele kamen, um ihr Glück zu versuchen; aber was sie auch hauen und sägen und hacken und graben mochten, es half Alles nichts: die Eiche wurde bei jedem Hieb nur noch dicker, und der Felsboden wurde nicht weicher. Endlich wollten die drei Brüder auch fort und ihr Glück versuchen, und damit war der Vater wohlzufrieden; denn bekämen sie auch nicht die Prinzessinn und das halbe Reich, dachte er, so könnten sie doch wohl bei irgend einem braven Mann in Dienst kommen, und Mehr wünschte er nicht; und als darum die Brüder davon anfingen, daß sie zu dem Königsschloß wollten, sagte der Vater auch gleich Ja, und darauf machten Peter und Paul und Esben Aschenbrödel sich auf den Weg.
Als sie ein Ende gegangen waren, kamen sie an einem mit Tannen bewachsenen Berg vorbei, und oben da hau'te und hau'te es. »Das wundert mich, daß es da oben auf dem Berg so hau't,« sagte Esben Aschenbrödel. »Du bist immer gleich bei der Hand mit Deinem Verwundern,« sagten Peter und Paul: »ist das zu verwundern, daß ein Holzhauer da auf dem Berg hau't?« – »Ja, ich möchte aber doch wissen, Was es ist,« sagte Esben Aschenbrödel, und ging hinauf. »Wenn Du ein solcher Narr bist, so sieh zu, dann wirst Du's erfahren!« riefen die Brüder ihm nach; aber Esben bekümmerte sich nicht darum, sondern ging grade nach dem Ort hin, wo er es hauen hörte, und da sah er nun eine Axt, welche ganz allein da stand und an einer Tanne hau'te. »Was stehst Du hier ganz allein und hau'st?« fragte Esben Aschenbrödel. »Ach, nun hab' ich hier gestanden und gehau't manchen lieben Tag, und hab' nur auf Dich gewartet,« sagte die Axt. »Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben, schlug die Axt von dem Helft herunter und steckte sie in seinen Schnappsack. Als er nun wieder zu seinen Brüdern kam, machten sie sich über ihn lustig und fragten: »Na, was war denn Das für Schönes, was Du da oben sah'st?« – »O, es war bloß eine Axt,« sagte Esben.
Als sie nun ein Ende weiter gegangen waren, kamen sie wieder zu einem Berg, und oben da hörten sie es hacken und graben. »Das wundert mich,« sagte Esben: »ich möchte doch wohl wissen, Was es ist, das da so hackt und gräbt.« – »Du bist immer gleich bei der Hand mit Deinem Verwundern,« sagten Peter und Paul: »hast Du denn nie die Vögel auf den Bäumen hacken und bicken hören?« – »Ja, aber ich hätte doch Lust, zu sehen, Was es ist,« sagte Esben und bekümmerte sich nicht darum, daß die Andern ihn wieder auslachten, sondern ging gradezu auf den Berg. Dort oben sah er nun eine Steinhacke, die stand da ganz allein und hackte und grub. »Guten Tag!« sagte Esben Aschenbrödel: »Was stehst Du hier ganz allein und hackst und gräbst?« – »Ach, nun hab' ich hier gestanden und gehackt und gegraben manchen lieben Tag und habe nur auf Dich gewartet,« sagte die Hacke. »Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben, schlug die Hacke vom Stiel herunter, steckte sie in seinen Schnappsack, und damit ging er wieder fort. »Das war wohl was Schönes, was Du da oben sah'st,« sagten Peter und Paul zu ihm, als er sie wieder eingeholt hatte. »O, es war nur eine Steinhacke,« sagte Esben Aschenbrödel.
Nun gingen sie ein gutes Ende weiter, bis sie endlich zu einem Bach kamen, und da nun alle Drei durstig waren von der Reise, legten sie sich nieder, um zu trinken. »Mich wundert nur dieser Bach,« sagte Aschenbrödel: »ich möchte doch wohl wissen, wo das Wasser herkommt.« – »Mich wundert nur, daß Du nicht recht im Kopf bist!« sagten Peter und Paul: »bist Du aber noch nicht verrückt, so wirst Du es wohl vor lauter Verwunderung bald werden. Hast Du denn noch nie gehört, daß das Wasser aus der Erde quillt?« – »Ja aber ich hätte doch Lust, zu sehen, wo es herkommt,« sagte Esben Aschenbrödel, und damit ging er an dem Bach entlang und bekümmerte sich nicht darum, daß seine Brüder hinter ihm herriefen und ihn auslachten. Als er nun ein weites Ende gegangen war, wurde der Bach schmäler und immer schmäler, und endlich sah er da eine große Wallnuß liegen, aus der sickerte das Wasser heraus. »Guten Tag,« sagte Esben: »Was liegst Du hier so allein und sickerst?« – »Ach, nun hab' ich hier gelegen und gesickert manchen lieben Tag und habe nur auf Dich gewartet,« sagte die Wallnuß. »Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben, nahm einen Flausch Moos und stopfte es in das Loch, so daß das Wasser nicht heraus konnte, und dann steckte er die Wallnuß in seinen Schnappsack und ging wieder zurück zu seinen Brüdern. »Nun hast Du wohl gesehen, wo das Wasser herkommt; das sah wohl hübsch aus, kann ich mir denken,« sagten Peter und Paul. »O, es war bloß ein Loch, wo es herausfloß,« sagte Esben Aschenbrödel, und die Brüder lachten und machten sich über ihn lustig; aber Esben bekümmerte sich nicht darum, sondern sagte bloß: »Ich hatte nun einmal meine Lust daran, es zu sehen.«
Als sie nun noch etwas weiter gegangen waren, kamen sie zu dem Königsschloß. Aber da nun so viele Leute gehört hatten, daß sie die Prinzessinn und das halbe Reich gewinnen könnten, wenn sie es zu Stande brächten, die große Eiche umzuhauen und einen Brunnen im Schloßhof zu graben, der immer Wasser hielt, so waren schon so Viele gekommen, die ihr Glück versucht hatten, daß die Eiche noch einmal so groß und dick geworden war, als vorher; denn Du erinnerst Dich wohl noch, daß immer doppelt so Viel wieder anwuchs, als man mit der Axt abhau'te. Darum hatte der König nun die Strafe ausgesetzt, daß wenn künftig Einer sein Glück versuchen wollte und die Eiche nicht umhauen könnte, ihm beide Ohren abgeschnitten werden sollten, und darnach sollte er auf eine Insel hinausgebracht werden, die mitten im Meer lag. Aber die beiden Brüder ließen sich dadurch nicht abschrecken, sie meinten, sie wollten die Eiche schon umhauen, und Peter, welcher der älteste war, sollte zuerst den Versuch machen. Aber es ging ihm nicht besser, als all den Andern, die vor ihm ihr Glück versucht hatten; denn für jeden Span, den er abhieb, wuchs gleich noch einmal so Viel wieder daran. Da nahmen die Leute des Königs ihn bei den Schlafitten und brachten ihn hinaus auf die Insel, nachdem sie ihm vorher beide Ohren abgeschnitten hatten. Nun wollte sich Paul daran machen; aber dem gings um Nichts besser. Als er zwei bis drei Hiebe gethan hatte, und die Leute sahen, daß die Eiche nur noch größer wurde, nahmen sie ihn ebenfalls beim Kragen und brachten ihn hinaus auf die Insel; ihm aber schnitten sie die Ohren noch dichter beim Kopf ab, weil er der Bruder von dem Andern war. Nun wollte sich Esben Aschenbrödel daran machen. »Möchtest Du gern aussehen, wie ein gemerktes Schaf, so wollen wir Dir lieber die Ohren gleich abschneiden, dann sparst Du die Mühe,« sagte der König und war gewaltig böse auf ihn, von wegen seiner Brüder. »Ich hätte doch Lust, erst mein Glück zu versuchen,« sagte Esben, und das durften sie ihm denn nicht verwehren. Er nahm nun seine Axt aus dem Schnappsack, steckte sie wieder auf den Helft und sprach dann: »Hau selber!« und sogleich fing die Axt an zu hauen, daß nur die Späne so flogen, und da dauerte es nicht lange, so war die Eiche herunter. Wie das gethan war, nahm Esben seine Hacke hervor, steckte sie wieder an den Stiel, und sprach dann: »Grabe und hacke selbst!« und sogleich fing die Hacke an zu graben und zu hacken, daß Erde und Steine umherflogen, und da kann man sich denn wohl denken, daß der Brunnen tief genug werden mußte. Als Esben ihn so tief und so groß hatte, wie er ihn haben wollte, nahm er seine Wallnuß und legte sie unten auf den Boden, dann zog er das Moos wieder aus dem Loch und sprach: »Fang' nun an zu sickern!« Da fing die Wallnuß an zu sickern, daß nur das Wasser so strömte, und da dauerte es nicht lange, so war der Brunnen bis an den Rand voll. So hatte nun Esben Aschenbrödel die Eiche umgehauen, die vor den Fenstern des Königs schattete, und einen Brunnen im Schloßhof gegraben, der beständig Wasser hielt; und da bekam er die Prinzessinn und das halbe Reich, so wie der König es versprochen hatte. Gut war es, daß Peter und Paul ihre Ohren verloren hatten, denn sonst hätten sie es immer und alle Tage hören müssen, daß Esben Aschenbrödel sich doch nicht so schlecht gewundert hatte.