Kitabı oku: «Sol Tenebrarum», sayfa 6
Der Zustand des Spleen oder Ennui war eng mit dem Konzept der schwarzen Melancholie verwandt, das in der Romantik vorherrschte. Die romantische Literatur präsentierte die Welt oft als ein riesiges Grab und eine schwarze Leere, wie es in Edward Youngs Night Thoughts (1745) beschrieben wird. Diese düstere Sicht des Universums wurde als schwarze Melancholie bezeichnet, mit Depression und Verzweiflung assoziiert und als Grund für zahlreiche Selbstmorde angesehen. Die schwarze Melancholie (später mit dem deutschen Begriff Weltschmerz bezeichnet) war der ultimative Pessimismus, der aus der Kontemplation über die Welt resultierte, ein vages Sehnen und Unzufriedenheit mit der umgebenden Wirklichkeit, und das Taedium vitae, der Überdruss und die Abscheu vor dem Leben. In der Romantik wurde diese Einstellung auch durch das Erscheinen von Goethes Roman Die Leiden des jungen Werther populär, dessen Protagonist ein hypersensibler junger Mann war, der unter schweren Anfällen von Melancholie litt. Sein Zustand wurde als Weltschmerz (ein Gefühl des unter der Welt Leidens) oder Ichschmerz (ein Gefühl von Unzufriedenheit mit sich selbst) bekannt.
Die schwarze Melancholie war, ähnlich wie der Spleen, von einem tiefen Gefühl von innerer Leere und Hoffnungslosigkeit der Existenz charakterisiert. Ihre Ursache war jedoch etwas anderes als lediglich Langeweile. Während der Spleen aus der Ermüdung durch die Aspekte des äußeren Welt wie den Routinen des Lebens resultierte, war die schwarze Melancholie tief im menschlichen Selbst verwurzelt. Die Kontemplation über die Leere der äußeren Welt führte zur Entdeckung der eigenen inneren Leere, des unerforschten dunklen Abgrunds, der das Zentrum der eigenen Seele bildet. Man glaubte, dass es eine enge Verbindung zwischen der äußeren Realität und den inneren geistigen Zuständen gab. In diesem Sinne war die schwarze Melancholie die Wahrnehmung der Leere, innerlich wie äußerlich. Die Welt der romantischen Melancholie war das Reich der Zweifel und vagen Gestalten, die bedeutungslose Domäne der Verwirrung, in der das Leben keinen Sinn hatte. Menschliche Wesen waren nur noch leere Schalen, bar einer Essenz, einer Lebenskraft, die ihre Existenz rechtfertigen würde. Alles in der Welt war illusorisch. Der Mensch war von trügerischen Erscheinungen umgeben, während die wahre Essenz der Objekte der menschlichen Wahrnehmung verborgen blieb. Diese Unfähigkeit, die verborgene Realität zu durchschauen und den Sinn der eigenen Existenz zu finden, war eine der Hauptursachen der schwarzen Melancholie. Diese Einstellung wurde später von J.P. Sarte als „die Übelkeit” beschrieben, die obsessive Beschäftigung mit der eigenen Existenz im Verhältnis zur Außenwelt. Die Konfrontation mit der wahren Natur von Leben und Tod und das Bewusstsein der eigenen Schwäche resultierte in der Übelkeit, dem anhaltenden Erleben der Existenz als einer Last. Es war das Gefühl, das jemandes Empfindsamkeit fast völlig zerstörte.
Hin zur modernen Psychiatrie
„Die kennzeichnenden mentalen Eigenschaften der Melancholie sind eine grundlegend schmerzliche Schwermut, ein Abbruch des Interesses an der Außenwelt, Verlust der Liebesfähigkeit, Hemmung aller Aktivität und ein Sinken des Selbstbewusstseins.”36
Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Begriff „Melancholie” in der Medizin durch den Begriff „Depression” ersetzt, was die Entwicklung der modernen Psychiatrie einleitete, während die Bedeutung des Wortes „Melancholie” selbst auf Trauer und Gram begrenzt wurde.
In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde Deutschland als das Zentrum der europäischen Psychiatrie angesehen und der einflussreichste Vertreter der neuen psychiatrischen Medizin war der deutsche Arzt Emil Kraepelin (1856-1926) Seine Beschreibung und Klassifizierung der Geisteskrankheiten wurde in zwei Werken veröffentlicht: Compendium und Kurzes Textbuch. Er widmete einen großen Teil seines Werkes der Besprechung der manisch-depressiven Verrücktheit, die er als „einerseits den gesamten Bereich der sogenannten periodischen und zirkulären Verrücktheit, andererseits einfache Manie, den größeren Teil der als Melancholie bezeichneten morbiden Stadien und auch eine nicht unbeachtliche Anzahl von Fällen von Amentia (verwirrte oder delirierende Verrücktheit)” einschließend beschrieb.37 Kraepelin unterteilte depressive Zustände in mehrere Kategorien: Melancholia simplex (die leichtesten depressiven Stadien, charakterisiert durch einfache psychische Hemmungen ohne Halluzinationen oder merkliche Wahnvorstellungen, begleitet von grundlegend in sich gekehrter Niedergeschlagenheit, düsterer Hoffnungslosigkeit und völligem Fehlen von Energie), Melancholia gravis (charakterisiert durch häufige Halluzinationen und Wahnvorstellungen, moralische Obsessionen und Verfolgungsideen), paranoide Melancholie (morbide Stadien mit extremen Wahnvorstellungen, Schwermut, Verzweiflung, düsteren Stimmungen und Selbstmordtendenzen), fantastische Melancholie (umfasst üppige Halluzinationen, fantastische und hypochondrische Wahnvorstellungen, Vernichtungsideen, umwölktes Bewusstsein und Willensstörungen) und delirierende Melancholie (delirierende Depressionsstadien mit einer grundlegend fantastischen Umwölkung des Gewissens).
Der Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts brachte die Entwicklung eines neuen medizinischen Bereichs mit sich, der psychoanalytischen Bewegung. Die Grundlagen der psychoanalytischen Theorien basierten auf den Ideen, die von dem österreichischen Arzt Sigmund Freud (1856-1939) vorgestellt wurden. Zu ihm gesellten sich bald die Schweizer Psychiater Paul Eugen Bleuler und Carl Gustav Jung sowie der Österreicher Alfred Adler. Im Jahre 1910 gründeten sie die Internationale Psychoanalytische Gesellschaft. Im Jahre 1917 veröffentlichte Freud seinen Essay Trauer und Melancholia, in dem er die beiden Phänomene als eng miteinander verwandt beschrieb, da beide Reaktionen eines undefinierten Verlustes oder der Trennung von einem geliebten Objekt waren. Er machte jedoch einen fundamentalen Unterschied zwischen diesen zwei emotionalen Zuständen aus. Während Trauer nach dem Verlust einer Person oder einer abstrakten Idee wie z.B. Freiheit aufkommt, bleibt die Ursache der Melancholie unbekannt. Trauer ist durch einen Rückzug von der umgebenden Welt charakterisiert und auf die Gefühle des Betreffenden nach der Trennung von einem wichtigen Aspekt seines Lebens ausgerichtet. Bei der Melancholie ist der Verlust nicht klar definiert. Die Person leidet unter Gram, ohne sich eines Grundes dafür bewusst zu sein. In diesem Sinne ist die Trauer ein Zustand mit Bezug zur Außenwelt, während die Melancholie zu einem inneren Zustand des menschlichen Selbst wird. In der Trauer nimmt die Person die Außenwelt als leer und bedeutungslos wahr. In der Melancholie ist es das Selbst, das ruiniert und leer wird. Eine melancholische Person ist isoliert, depressiv und erlebt den Verlust „des anderen” als den Verlust des eigenen Selbst. Die freudianische Melancholie ist dann eine Form des Narzissmus, die verzweifelte Sehnsucht nach dem eigenen Selbst, das verloren gegangen ist. Dies ist der Grund, weshalb es so schwierig ist, die Ursache der Krankheit zu definieren, und weshalb sie durch extreme Selbsterniedrigung charakterisiert ist.
Freud identifizierte auch den Selbstzerstörungstrieb als einen weiteren Aspekt der Melancholie. Er beschrieb diese Neigung als „Todesinstinkt” (in der psychoanalytischen Literatur auch als „Thanatos” bezeichnet). Nach Freud gibt es zwei angeborene Tendenzen, die die menschliche Existenz bestimmen: Den Wunsch zu leben (Eros) und den Todeswunsch (Thanatos). Der Todesinstinkt kann auf andere oder auf sich selbst gerichtet sein. Er ist oft eine Mischung aus Selbsthass, sexueller Perversion und melancholischen Obsessionen. In diesem Sinne wird das Leben als beständiger Kampf zwischen dem instinktiven Wunsch nach Leben und der Sehnsucht nach dem Tod angesehen.
Freuds und Jungs Lehren wurden zur Grundlage der modernen psychologischen Ansichten über die Melancholie. In den Vorstellungen, die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vorherrschten, bezog sich der Begriff „Melancholie” allein auf Gram, während alle anderen Aspekte dieses Zustands mit Depression assoziiert wurden. Der modernen Psychologie zufolge ist Depression der Zustand, in dem sich jemand ohne bestimmten Grund grämt. Das Leben und alle Anstrengungen scheinen sinnlos zu sein, die Welt wird dunkel und leer, und die Sicht der Zukunft wird von einer Folge melancholischer Bilder getrübt. Die natürliche Lebensenergie schwindet, jede Entscheidung ist schwierig und selbst die trivialsten Dinge erscheinen als unlösbare Probleme. Diese Veränderung ist sowohl im emotionalen als auch im körperlichen Zustand erkennbar. Solch eine Person neigt dazu, meist über die Hoffnungslosigkeit des eigenen Lebens nachzudenken, und träumt vom Tod, der die einzige Lösung und Flucht von der Last der Existenz zu sein scheint. Das Gedächtnis wird schwach, jeder Gedanke ist schmerzlich, die Lebensdynamik verlangsamt sich und der Betroffene erlebt Apathie und innere Schwere. Das Leben wird dunkel und der natürliche Rhythmus von Tag und Nacht ist gestört. Der Zyklus von Tag und Nacht wird im menschlichen Leben nicht nur mit dem biologischen Mechanismus des Schlafens und Erwachens assoziiert, sondern auch mit einer bestimmten Wahrnehmung der Realität. Im Licht ist die Welt hell, rational, logisch und sicher. In der Dunkelheit ist alles unbekannt, furchterregend, irrational. Die Leere der Dunkelheit ist mit Bildern erfüllt, die die eigene Vorstellungskraft erschafft, manchmal angenehmen, manchmal extrem erschreckenden, wie im Fall der Depression. Der Leidende beobachtet sichtbare Veränderungen in seiner körperlichen Erscheinung, fühlt sich krank, körperlich schwach und von der Krankheit aufgezehrt.
In der heutigen Zeit wird der Begriff „Melancholia” in der Psychiatrie nicht mehr verwendet, und die geistigen Störungen, auf die er sich in den letzten Jahrhunderten bezog, fanden ihren Platz in einer allgemeinen Kategorie von affektiven oder Stimmungsstörungen. Größtenteils verschwunden ist auch die Idee der Kreativität, die den melancholischen Zuständen und dem „inspirierten Wahnsinn” nach den alten Vorstellungen von künstlerischem oder poetischem Genius zugeschrieben wurde. Viele dieser Ideen überlebten jedoch bis in die heutige Zeit in der Magie und dem westlichen esoterischen Denken. Sie wurden von okkulten Systemen übernommen, die aus den esoterischen Traditionen der Renaissance und der Romantik und dem Interesse am spirituellen Fortschritt des Einzelnen hervorgingen, in dem die Phasen von Brillianz und Erleuchtung abwechselnd mit den Perioden von Melancholie vorkommen, der dunklen Nacht der Seele, die ihre Bedeutung nie verloren hat für jene, die auf den Pfaden der Ewigkeit wandeln.
1 Arikha, Noga: Passions and Tempers: A history of the humours
2 Gleichwie stammt die endgültige Form der Humoralöpathologie aus dem 2. Jh. v.u.Z.
3 Seine Hauptschriften sind: Die Physik; Die Metaphysik; Nikomachische Ethik; Eudemische Ethik; Politik; Rhetorik; De Anima
4 De atrabile, De temperamentis, und De sanitate tuenda
5 Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
6 Hildegard von Bingen: Buch des ganzheitlichen Heilens
7 Arikha, Noga: Passions and Tempers: A History of the Humours
8 Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
9 Weyer, Johann: Of Deceiving Demons
10 Pico Della Mirandola, Giovanni: Oration on the Dignity of Man
11 Sein berühmtestes Werk über Geisteskrankheiten ist Von den Krankheiten die die Vernunft berauben.
12 Zitiert in: Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
13 Webster, John: The Duchess of Malfi
14 Der Corpus Hermeticum war eine Sammlung griechischer esoterischer Texte aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, das geheime Weisheit enthalten sollte und Hermes Trismegistos zugeschrieben wurde, dem „dreifach großen Hermes“, ein Synkretismus aus dem griechischen Gott Hermes und dem ägyptischen Thoth. Die Sammlung wurde von Gelehrten der frühen italienischen Renaissance zusammengestellt, insbesondere Marsilio Ficino.
15 Tillyard, E.M.W: The Elizabethan World Picture
16 Plato: Ion
17 Tillyard, E.M.W: The Elizabethan World Picture
18 Ebenda
19 Rachwał,T., T. Sławek: Lines, Planes and Solids: Studies in the Seventeenth-century Writings
20 Ebenda
21 Agrippa, Henry Cornelius. Drei Bücher der Magie
22 Sibly, Ebenezer: A New and Complete Illustration of the Occult Sciences
23 Ebenda
24 Cuddon, J.A.: Dictionary of Literary Terms and Literary Theory
25 Webster, John: The Duchess of Malfi
26 Boerhaave, Herman: Aphorisms: Concerning the Knowledge and Cure of Diseases
27 Arikha, Noga: Passions and Tempers
28 Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
29 Ebenda
30 Ebenda
31 Arikha, Noga: Passions and Tempers
32 Baudelaire, Charles
33 Arikha, Noga: Passions and Tempers
34 Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
35 Redfield Jamison, Kay: Touched with Fire
36 Freud, Sigmund: Mourning and Melancholia
37 Zitiert nach: Radden, Jennifer: The Nature of Melancholy
Kapitel III - Furor Divinus
Die antike Sicht des Wahnsinns
„Tatsächlich ist der Rausch, wenn er als Geschenk vom Himmel kommt, der Kanal, durch den wir die größten Segnungen empfangen.“1
In Euripides‘ Die Bacchantinnen begegnen wir einer Szene, in der eine Gruppe von Frauen, die Bacchantinnen, in einem Zustand der Eks-tase tanzt, singt und wild schreit. Nach einer Weile hören sie auf zu tanzen und zerreißen in einer wilden Trance Tiere mit bloßen Händen. Sie greifen grasende Rinder an, reißen sie in Stücke und verstreuen die Teile ringsum. Man kann sehen, wie eine Rippe oder ein gespaltener Huf hier- oder dorthin geworfen wird. Teile, die an Fichten hängen, sind geschändet und triefen von Blut. Die Frauen bewegen sich wie Vögel, die von ihrer Geschwindigkeit angehoben werden, fallen wie der Feind über Dörfer her und kehren das Unterste zuoberst. Sie schleppen Kinder aus den Häusern und erschlagen jeden, der ihnen im Weg steht. Was immer sie sich auf die Schultern laden, bleibt dort, ohne festgemacht zu sein und fällt nicht auf die dunkle Erde, weder Bronze noch Eisen. Sie tragen Feuer in ihrem Haar, ohne dass es sie verbrennt. Als die Dörfler, aufgebracht über die Plünderung durch die Bacchantinnen, zu ihren Waffen eilen, lassen die Frauen ihre Thyrsosstäbe los, die die Männer verwunden und in die Flucht schlagen. Danach kehren sie dorthin zurück, von wo sie aufgebrochen sind, waschen sich das Blut ab, und Schlangen lecken mit ihren Zungen die Tropfen von ihren Wangen.2 Sie tun das zu Ehren von Dionysos in seinen Mysterien der Ekstase und Berauschung. Nach dem Ritus fallen sie erschöpft zu Boden und schlafen leblos. Was sie zum Wahnsinn treibt, ist die göttliche Besessenheit, ein Zustand, in dem sie außergewöhnlich stark und wild werden und in dem sie besondere Kräfte zu haben scheinen. In der Antike nannte man diesen Zustand Furor divinus, den göttlichen Rausch, und hielt ihn für ein Ergebnis von Besessenheit durch Götter oder Dämonen. Aber die ganze Idee, die hinter diesem Glauben steht, resultiert aus der engen Verbindung zwischen der Sicht des Wahnsinns und der Melancholie.
Man glaubte, dass melancholische Menschen wegen ihrer natürlichen Veranlagung anfälliger für Verrücktheit waren. Die Vorherrschaft der schwarzen Galle über die anderen Säfte machte sie wechselhaft und schwach, unfähig, dem Einfluss der Geister zu widerstehen, die ihre Seelen in Besitz zu nehmen versuchten. Man glaubte, dass melancholische Menschen besessen wurden, wenn die schwarze Galle heiß wurde und zum Gehirn aufstieg. Dann konnte eine Person zeitweilig den Verstand verlieren und sich wie von einer übernatürlichen Macht besessen verhalten. Dies konnte natürlich auch Menschen mit den drei übrigen Temperamenten geschehen, da die schwarze Galle in jedem menschlichen Organismus vorhanden war, aber eine melancholische Person erlebte diese Zustände sehr viel häufiger und in einer viel schwereren Form. Die Melancholie erschien deshalb nicht nur als eine inhärente Veranlagung, sondern auch als eine Folge zeitweiliger Anfälle von Wahnsinn.
Die griechische Mythologie beschreibt Helden, die darunter leiden (Ajax, Herkules, Bellerophon), in Homers Iliade oder Die Odyssee. Auch im griechischen Drama finden wir häufig das Thema von Wahnsinn und melancholischen Obsessionen (Aeschylos, Sophokles oder Euripides).
Die melancholische Verrücktheit erzeugte entweder Zustände von extremer Depression und Rückzug von der Außenwelt, oder extreme Aggression, Gewalttätigkeit und unkontrollierbares Verhalten. Asklepiades unterschied drei Formen von psychischen Krankheiten: Phrenitis, Furor und Delirium. Die Melancholie gehörte zum teilweisen Delirium, während Manie wegen der starken Tendenz zu Wahnvorstellungen allgemein als Delirium klassifiziert wurde. Eine ähnliche Unterteilung traf Cornelius Celsus in seiner medizinischen Abhandlung De re medica, in der Geisteskrankheiten in drei Kategorien gruppiert sind: Phrenitis, Mania, Melancholia. Der Römer Cicero verglich die Manie mit dem Furor und suchte ihre Ursachen in Wut, Angst und Gram. Es ist charakteristisch, dass es in Rom eine Göttin gab, die die Schutzherrin der Geisteskranken war – Angerona Dea. Sie schützte ihre Anhänger vor Wahnsinn, mysteriösem Gram und Depression.
Zeitweilige Anfälle melancholischen Wahnsinns wurden nicht als schädliche Krankheit, sondern als Quelle von Kreativität und überragenden Kräften betrachtet, die für Menschen auf gewöhnliche Art nicht zugänglich waren. Der Vorreiter der Theorie des kreativen Wahnsinns war Plato. In Phaedros liefert er eine detaillierte Beschreibung der Haupttypen des Wahnsinns, wobei er sich auf ihre kreativen Qualitäten konzentriert. Melancholie als ein Resultat des Überschusses an schwarzer Galle war die Quelle des Rausches, in dem die göttliche Kraft sich manifestieren konnte: Der platonische Furor divinus war der Zustand, in dem die menschliche Seele zeitweilig empfänglich und extrem anfällig für den göttlichen Einfluss war, der sich als Genius manifestierte. Diese Theorie wurde später von Aristoteles weiterentwickelt, dessen rationale Philosophie die mysteriöse Theorie des kreativen Wahnsinns als einer göttlichen Besessenheit ins Gleichgewicht mit den bekannten menschlichen Qualitäten brachte. Im dreißigsten der Problemata physica3 stellt er fest: „Wieso sind all jene, die in der Philosophie oder Politik oder Dichtung oder den Künsten bedeutend geworden sind, ganz klar Melancholiker?” Die Antwort auf diese Frage ist ihm zufolge in der mysteriösen und veränderlichen Qualität der schwarzen Galle zu finden: „Dass alle melancholischen Personen außerhalb des Gewöhnlichen stehen, ist nicht Krankheit, sondern ihrer natürlichen Veranlagung zu verdanken.”
Der Überschuss an schwarzer Galle führte zu Perioden zeitweiligen Wahnsinns, in denen die Kreativität, der Intellekt, die Kraft und andere Fähigkeiten in einem solchen Ausmaß gesteigert waren, dass derjenige, der an einem solchen Anfall litt, für besessen durch übernatürliche Kräfte gehalten wurde. Es war jedoch eine rationale und völlig irdische Erklärung, welche die Grundlage für die Entwicklung der Theorie des Furor divinus in der Renaissance lieferte.
Einer der bedeutendsten Vertreter der frühen Renaissance, Marsilio Ficino, erforschte die widersprüchlichen Aspekte des melancholischen Temperaments, wobei er sich auf die positiven konzentrierte. Ficino erklärte wie Aristoteles, dass alle herausragenden Menschen wie große Philosophen, Propheten, Genies oder fähige Künstler, an Melancholie litten, entweder durch Veranlagung oder zumindest durch eine Tendenz, Anfälle dieser „Krankheit” zu erleben. Ficinos Lehren waren in der antiken platonischen und neoplatonischen Philosophie verwurzelt. Er entwickelte die ursprünglichen Ideen von Plato und der neoplatonischen Schule des dritten Jahrhunderts weiter. Plotin und seine Anhänger erklärten, dass der Zustand der Melancholie der Rauschzustand war, der einem die Kommunikation mit dem göttlichen Geist, dem Nous, erlaubte. Der Nous war die Manifestation der innewohnenden Göttlichkeit, die Tiefe der Seele. Der Mensch war den Neoplatonikern nach das Zentrum des Universums, der Knotenpunkt des riesigen Netzes von Sphären, die sich im menschlichen Wesen widerspiegelten – ein perfekter Mikrokosmos. Gott war die äußerste Wesenheit im ganzen Universum, und der melancholische Rausch erzeugte einen Zustand von extremer Empfänglichkeit der Seele, durch den das menschliche Wesen sich mit der göttlichen Macht verbinden konnte. Dies war der Prozess, der im Pimander beschrieben ist, dem legendären hermetischen Text, der Hermes Trismegistos zugeschrieben wird. Die Geschichte von Adam, die in dem Text vorgestellt wird, zeigt die Überzeugung von der einzigartigen Stellung und Natur des menschlichen Wesens. Im Pimander ist Adam mehr als ein Mensch: Er ist göttlich und gehört zur Rasse der Sternendämonen, der göttlich erschaffenen Herrscher der unteren Welt. Selbst als er fällt, ist dieser Fall selbst ein Akt der Macht. Er kann „sich hinablehnen durch die Armatur der Sphären, ihre Hüllen aufreißen und herabkommen, um sich der Natur zu zeigen.” Auf eine ähnliche Weise gründete Ficino seine Philosophie auf die Überzeugung, dass die menschliche Seele das Zentrum des Universums ist. Er war der erste Gelehrte im Europa der Renaissance, der den Pimander ins Latein übersetzte und in der platonischen Akademie in Florenz verbreitete. Nach dem Erstdruck im Jahre 1471 wurde der Text bis zum Ende des Jahrhunderts mindestens sechzehnmal neu aufgelegt.
So war der Mensch das würdigste Geschöpf in der ganzen Schöpfung. Und so, wie der Mensch der Mittelpunkt des Universums war, so wurde die Erde als das dichteste und feste Element als kosmisches Zentrum betrachtet, als ein unveränderlicher Hervorbringer aller Dinge. Eine ähnliche Stellung war die des schwarzen Saftes im menschlichen Organismus. Die schwarze Galle der Melancholie war der wichtigste Saft in Ficinos Sicht der Melancholie. In seinen Drei Bücher über das Leben verglich er die Melancholie mit der hermetischen Taxonomie der kosmischen Sphären, die sich bis zum Nous erstrecken. Die Taxonomie war folgendermaßen:
Die Melancholie war sowohl das Zentrum als auch der Höhepunkt des intellektuellen Lebens. Ficino assoziierte sie eng mit der Kontemplation. Er erklärte, dass eine lange Periode der Kontemplation das Gehirn durch den Überschuss an Gedanken kalt und trocken mache und den Geist leere. Die Melancholie hatte jedoch eine duale Natur: „Da ist tiefe Kahlheit, aber auch reines verbindendes Licht.” Diese Dualität wurde von den kalten und heißen Qualitäten der schwarzen Galle verursacht. Die kalte Qualität induzierte ein Stadium der Depression und Stagnation, während die heiße einen Rausch erzeugte, der den menschlichen Geist in die höchsten Sphären aufsteigen und eine unmittelbare Vision des Göttlichen erreichen ließ. Die schwarze Galle „zwingt das Denken dazu, das Zentrum seines Objekts zu durchdringen und zu erforschen, weil die schwarze Galle selbst dem Zentrum der Erde ähnelt. Ebenso erhebt sie das Denken zum Verstehen des Höchsten, weil sie mit dem höchsten der Planeten korrespondiert.” Ficino stellte fest, dass der Zustand des göttlichen Rausches wie ein „spirituelles Nirwana, in dem die Stimmung heftig brennt” war.
Ficinos Theorie der Melancholie wurde von Agrippa übernommen und in seinem berühmtesten Werk De Occulta Philosophia weiterentwickelt. Agrippa folgte den drei Ebenen der Melancholie, die Ficino vorgeschlagen hatte, und klassifizierte sie als Melancholia imaginativa, Melancholia rationalis und Melancholia mentalis. Die dreifältige Kapazität der Seele (die imaginative, die rationale und die mentale) wurde mit bestimmten Zuständen assoziiert, die von der melancholischen Stimmung verursacht wurden. Nach Agrippa wird die Seele in der ersten Phase, wenn sie auf die Imagination konzentriert ist, „besessen” von den niederen Geistern, von denen der Mensch Anleitungen in den handwerklichen Künsten erhält. Wenn die Seele sich auf den Verstand konzentriert, wird sie von mittleren Geistern übernommen, die Wissen über die Erkenntnis von natürlichen und menschlichen Dingen vermitteln. Die letzte Phase ist die „intellektuelle” Ebene der Seele, wenn sie sich zum Intellekt erhebt und von den höheren Geistern die Geheimnisse der göttlichen Angelegenheiten lernt. Deshalb war der göttliche Rausch, der Furor divinus, die Quelle der kreativen Inspiration, die höchste und edelste Ebene der Seele, die durch den kreativen Gebrauch der verschiedenen Zustände erreicht werden konnte, die die schwarze Galle im menschlichen Körper und der Seele erzeugte.
Die Lehre des Furor divinus war höchst einflussreich in der Antike und der Renaissance. Der melancholische Wahnsinn war das dynamische Element der Kunst, Philosophie und Literatur. Das Prinzip der Verrücktheit und der Irrationalität wurde in moderner Zeit von Friedrich Nietzsche untersucht, der in seiner Geburt der Tragödie feststellte, dass die antiken Kulturen um zwei kontrastierende Prinzipien herum aufgebaut waren, dem rauschhaften und dem gelassenen. Er nannte das erste Prinzip „dionysisch” und letzteres „apollonisch”. Während der Begriff „apollonisch” alles bezeichnete, was rational, harmonisch, edel, einfach und ruhig war, stand das dionysische Prinzip mit dem Furor divinus in Verbindung und beinhaltete irrationale Elemente, Verfall, Unordnung, Auflösung, dunkle und mysteriöse Visionen, Halluzinationen, Trancen und Berauschung. Er war das Prinzip der göttlichen Besessenheit, das sich in bacchischen Feiern manifestierte, in künstlerischer Manie oder Anfällen von Wahnsinn, in denen Leute die Zukunft vorhersagen konnten oder allen anderen Formen von ekstatischen Zuständen.
Der Furor divinus wurde bei den alten Griechen vorwiegend mit dem bacchischen Wahnsinn und dem prophetischen Rausch assoziiert, der für Orakel charakteristisch war. Berichte über göttliche Besessenheit, die sich als ein Anfall von Raserei manifestieren, sind auch in anderen Kulturen zu finden, in alten und in modernen Quellen. Die folgende Präsentation der Arten von Wahnsinn ist ein Überblick über einige ausgewählte Aspekte des Furor divinus, abhängig von ihrem kulturellen Kontext.
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