Kitabı oku: «Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's», sayfa 12
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Münster, den 8. November 1831.
Es ist nicht anders, liebe Verehrte, ich muß noch ein Wörtchen Nachruf zu Ihnen herüber lispeln lassen. Wer kann gegen das Getreibe des Herzens. Ich meine Ihnen noch nahe zu sein, trotz den zwischen uns liegenden Strecken,
»Wo im Sande der Weg verzogen fortschleicht.«
Möchte ich für so viel Güte Sie mit einer anziehenden Reisebeschreibung erfreuen können. Aber weder die öden Haiden, noch die zahlreiche Passagiergesellschaft, mit der ich in dem großen Kasten eingepfercht war, wollen mir Stoff dazu reichen. Um jene interessant zu machen, müßte mir die Phantasie eines Georg Jacobi, der die in seine Gedichte aufgenommene Winterreise von Halberstadt nach Düsseldorf so lieblich erzählt, und um aus dieser etwas zu machen, der reiche Humor eines uns wohl bekannten Freundes beistehn. – Als ich abfuhr schimmerten noch die Lichter des Himmels, von denen Jesus Sirach sagt: »Sie wachen sich nicht müde!« – Der trübe Morgen verscheuchte sie bald, allmählig wurde der Tag freundlicher, und als er sich neigte, zogen die Sterne wieder herauf, und in schöner Pracht schien der Orion grade in mein Wagenfenster. Immer habe ich diese Himmelskinder geliebt; schon als Knabe konnte ich mich oft nicht satt an ihnen sehn. Seltsam war es mir da zu hören, daß die Grönländer die Sterne für verklärte Grönländer halten, und den Mond für den ersten unter ihnen, weil er einst die mehrsten Seehunde gefangen. Freilich muß der Mensch sich alles vermenschlichen, womit er sympathisiren soll! Ich sah zu ihnen auf, wie zu alten, lieben Freunden, und in einem von ihnen gar freundlichen und milden glaubte ich Ihren Blick zu sehen. Endlich war die Mitternacht gekommen, sie brachte mich an meine Wohnung. Die Augen meiner Freundin hatten sich wacker gehalten; gleich beim Geklingel der Schelle kam sie mir herzlich entgegen, und eine der ersten Fragen waren Sie – ich brachte ihr mit Innigkeit Ihren innigen Gruß. Noch wurde eine Stunde fröhlich verschwatzt, nun aber war es mit meinem langen Heldenlaufe aus, und ich schlich ermüdet zum Schlafe. Heute bin ich wieder frisch auf, und ich habe mich bereits an vorgefundenen Briefen von meinen Kindern und Freunden, von Krummacher, von Professor Augusti in Bonn u. a. m. ergötzt. – Der Letztere, mein herzlicher Freund, thut mir unter anderem den Vorschlag, daß wer von uns beiden den andern überlebt, ihm ein kleines schriftliches Denkmal stifte. »Sie haben dies,« schreibt er, »bei Berg und Nonne mit so viel Liebe und Einsicht gethan, daß ich mir's als etwas recht Erwünschtes denke, eben von Ihnen einen solchen Dienst zu erhalten. Sollte ich aber Sie überleben, so würde ich, obwohl mit schwerem Herzen, Ihnen ein gleiches thun. Lachen Sie nicht über den seltsamen Einfall! Wir sind in Hinsicht der Denkart und des Gefühls nahe genug verwandt, um auch in dieser Hinsicht für einander zu passen, und daß es dem Zurückbleibenden darum nicht übel anstehn würde, zu sagen: »es ist mir leid um Dich, mein Bruder Jonathan!« – Wie sehr hat mich das alles gerührt, und mir meinen Augusti wo möglich noch lieber gemacht!
Jetzt kommt für mich die liebe Arbeit herbei, die mich eine Zeitlang nur zu sehr festhalten wird. Aber für schöne Erinnerungen soll sie mir doch Raum lassen. – Wenn Sie mitunter ein geisterhaftes Säuseln um sich vernehmen, so erkennen Sie darin die Nähe eines Freundes, der zu seinen liebsten Gedanken auch den an Sie zählt! Wie ist es mir so lieb, daß ich nun auch Ihre nächsten Umgebungen weiß. An Immermann meinen besten Gruß. Seinen jüngsten Gedichten habe ich manche schöne Stunde zu verdanken. Ich habe es ihm aber nicht gesagt, weil ich mir zu wenig bin, solchen Dichter zu preisen. – Vorgestern, in eben der Stunde, wo ich dieses schreibe, sagte ich Ihnen ein Lebewohl. Möchte es nicht zu lange dauern, daß ein Willkommen darauf folge! Ganz und von Herzen der Ihrige
Möller.
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Münster, den 31. Mai 1832.
Ich kann es nicht bei den mündlichen Herzensgrüßen bewenden lassen, die ich so eben der Freundin Engels auf den Weg gebe, für Sie – verehrte und geliebte Freundin! Ein lebendigeres, aber doch leider in todte Buchstaben gebanntes Zeichen meiner zu Ihnen sich neigenden Seele möchte ich vor Ihnen erscheinen lassen. Noch klingt in meinem Innersten der Silberton Ihres letzten Grußes. Wie sehr danke ich dafür! Möchte ich zugleich mit der Engels in Ihre ländliche Wohnung eintreten können, und so den Frühling doppelt sehen! Aber ich werde nach Bonn, und wie, wenn ich dann mit Ihnen eine Rheinfahrt machen könnte! Sie sind ja eine Vertraute des Wasserelements wie Amphitrite! Der dritte Mann, ein wackrer Tritone, fände sich dann wohl auch. Ich bitte um die Gefälligkeit, ihn zu grüßen; sein Kranz auf Goethe's Sarg hat mich gerührt. Haben Sie, meine Theure, etwa auch schon Falk's Denkschrift auf Goethe gelesen? Ich fand viel Interessantes von dem interessanten Falk. Ich will hoffen, Sie haben sie noch nicht gelesen und darum mir erlauben, sie Ihnen zu senden mit der Bitte, sie in Ihren lieben Händen zu behalten. So etwas kann mir nicht anders als ein süßer Gedanke sein.
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Münster, den 4. Septbr. 1832.
– Sie glauben wohl nicht ganz, wie sehr ich Sie liebe, wie der holde Gedanke an Sie mir wie ein frischer Thautropfen ist, in welchem die schönsten Farben des Morgenhimmels sich spiegeln. O bleiben Sie dem alten Freunde treu und ertheilen ihm dadurch eine verjüngende Kraft!
Unser gemeinschaftlicher, lieber Freund Kohlrausch ist im Begriff zu uns zu kommen. Möge er eilen, daß ich ihn nicht noch verfehle. Er hat mir, seit er Münster verlassen, keine Zeile geschrieben, auch selbst da nicht, als ich ihm vor einem Vierteljahr ein Gedicht auf seine silberne Hochzeit drucken ließ und dieses mit einem theilnahmsvollen Briefe an ihn nach Hannover schickte. – Ich bin nicht irre geworden; er liebt dennoch, weil er muß! – Leben Sie wohl, liebe Holde! Gruß an Immermann, aus dessen »Alexis« ich bereits einiges auswendig weiß. Mit vollem Herzen
der Ihrige
Möller.
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Münster, den 30. Dezember 1832.
Wie habe ich doch einen so langen Zeitraum hinschwinden lassen können, theure Gräfin, ohne Ihnen zu danken! Ach! Im Getreibe meines Lebens wollen so oft die liebsten Vorsätze nicht zur Wirklichkeit kommen! – Dennoch habe ich mehr als Sie denken mögen mit Ihnen gelebt. Meine täglichen einsamen Ausflüge in's Freie sind meistens solchem idealischen Leben gewidmet. Wollen die Haiden nichts geben, so müssen mir die Wolken eine Schweiz bilden; da besteig' ich dann mit Ihnen den Rigi, oder wandle mir Ihnen im Haslithal, oder wir schiffen auf dem Lac. Oder ich wiederhole mir den Gang nach Derendorf, wo mir eine Gestalt erschien, die mich wundersam hinzog – bald mich ahnden ließ, daß Sie in derselben verborgen seien – bis ein kühner Blick unter Ihren Hut mir die süße Gewißheit gab. – Schöner, unvergeßlicher Augenblick, kehrtest du mir hier wieder! – Vergeblicher Wunsch! – Bei Ihnen werden die friedlichen, die schönen Künste gefeiert. Mit Freude vornehme ich, daß sich um Herrn Immermann ein auserlesener Kreis bildet, ihn vorlesen zu hören. Die Iphigenie hat hoch gefallen. Möchte ich dabei sein können! Es würde ein Fest für mich sein, das Opern, Conzerte etc. weit hinter sich ließe. So habe ich nirgends sonst lesen gehört. Düsseldorf wird sich zur Kunststadt erheben. –
Ich fasse Ihre Hand! – Liebe, liebe Freundin!
Ihr ergebener
Möller.
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Münster, 3. November 1833.
Theure Frau Gräfin!
Ihre unerwartete Zuschrift hat mich eben so hoch entzückt, als tief niedergeschlagen. Die letztere Empfindung – ich schreibe dieses, nachdem ich eben erst die Züge Ihrer lieben, lieben Hand empfangen, – ist noch die vorherrschende. Nein! ich kann es mir nicht vergeben, daß ich so unbesonnen rasch, ja, so dumm und toll verfahren.2 Ein feindseliger, neidischer Dämon muß es gewesen sein, der mir immer zuraunte, daß Sie nicht kämen, sicher nicht kämen, nicht kommen könnten – und mich so zum wüsten Köln entführte. Das in Elberfeld vorgefundene Briefchen Ihrer Güte wollte mich nun auch gewissermaßen hierüber trösten. Nun aber sehe ich alles anders. Sie sind also doch in Godesberg gewesen! Ach, mehr als jemals würde es sich mir verklärt haben, hätte ich es mit Ihnen wieder betreten, mit Ihnen es genossen, wie würde mir der Mißmuth über das Verfehlen meines eigentlichen Reiseziels versüßt, ja, sofort ganz und gar vergessen worden sein! O, wie beschämend ist der Takt und die Standhaftigkeit eines weiblichen Herzens gegen die Verkehrtheit und Unbeholfenheit der meisten Männer, die nach meiner und fremder Erfahrung dem leidigen Schicksal unterliegen, in entscheidenden Augenblicken des Handelns linkisch zu verfahren. Ich bin arg dafür gestraft, so sehr, daß ich lange daran genug habe.
Und nun, großmüthige Freundin, schreiben Sie mir noch dazu! Könnte ich doch in diesem Augenblicke Ihnen die liebe, liebe Hand küssen, in's liebe Auge blicken! Die Ungeduld – o, wie ergreift sie mich, holde, süße Freundin!
Daß die Paalzow meiner noch gedacht, hat mich überrascht. Es waren schöne Tage in Godesberg, wo ich sie sah, und auch an Mondabenden ihr geistreiches Spiel und Gespräch genoß, das noch unvergessen bei mir ist. Die Kohlrausch war auch da. Ich mußte mich mit Gewalt von Godesberg wegreißen. Gern sagte ich der Paalzow meinen schönsten Gruß, wenn ich sie zu finden wüßte.
Sehr danke ich für die Worte über Immermann. Möchte er bald und frisch und wohl wiederkommen. Zu seiner Zeit wird über seine Reise Näheres kund werden, was von ihm mitgetheilt, jeder gern vernehmen wird.
Oft habe ich Sie im Geiste zum Rhein blicken sehen, auf seine empörten Wogen, seinen brausenden Sturm, eine Ariadne, – doch ohne deren Klagen! Wie lange wird es währen, ehe der Himmel die Erde wieder küßt, und sie damit zu seiner blühenden Braut erhebt! –
Ihr innigst ergebener
Möller.
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(Ohne Datum.)
Sie bestreuen mir, geliebteste Gräfin, meine letzten Tage bis zur letzten Minute mit Rosen und Vergißmeinnicht. Möchte ich doch von Mund zu Mund und Auge in Auge Ihnen danken können! Ihr eben erhaltenes, liebes Briefchen, sammt dem gestrigen rosigen, nehme ich mit als holde Unterpfänder Ihres so lieben herzigen Wesens. Daß ich heute noch einmal Sie sähe – habe ich schon mit Sehnsucht gedacht in den schlaflosen Stunden der letzten Nacht. Aber ich bin mit dem heillosesten Husten beschwert, der mich schon in der letzten Stunde bei Ihnen matt gemacht hatte. Aufschieben darf ich die Reise dennoch nicht, da sie mit meinem zeitigen Erscheinen auf der Synode in Unna zusammenhängt, und da die Luft nicht kalt ist, fürchte ich nichts. Ich bin nach drei Stunden schon bei meinen Kindern in Elberfeld und kann mich dort pflegen bis morgen Abend. Wollte ich aber auch hier bleiben bis morgen, so gewönne ich nichts hinsichtlich Ihrer, geliebte Freundin, denn ich könnte Ihnen gar nichts sein! – Die armen Erdenkinder! Wie müssen sie verleugnen lernen! – Doch ich habe ja viel Schönes genossen und erfahren. Dank, süßen, schönen Dank Ihnen dafür! – Ich grüße Immermann!
O, leben Sie wohl und erfreuen auch dadurch
Ihren
Möller.
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Münster, den 17. Februar 1835.
Kaum weiß ich ein Jahr wie das vorige erlebt zu haben, wo ich so viele mir werthe und befreundete Menschen durch den Tod verloren. Mit welcher Wehmuth erfüllt es mich auch eben jetzt wieder, daß hierzu auch der Name von Lützow zu zählen ist. Ein beweinenswerthes Geschick, das mich so innig auch und anhaltend an Sie, die edle, gefühlvolle Freundin, denken ließ. Auch hier ist Klage erschollen, und es zeigt sich überall Theilnahme. Edelmüthig hat sich hier auch Berlin und der Hof gezeigt; und dies auch neulich noch bei dem Erinnerungsfeste an den Königlichen Aufruf im Februar 1813 von Breslau aus, den ich damals aus erster Hand in Breslau selbst mitvernahm. Die Freiwilligen in Berlin haben bei jenem Feste in herrlicher Weise unseres Lützow gedacht! Gewiß haben Sie die Zeitungsberichte hierüber gelesen. – Wie oft habe ich in der nächstverflossenen Zeit mir die Worte Klopstock's gesagt:
»Ihr Edleren, ach! es bewächst
Eure Male schon ernstes Moos;
O wie glücklich war ich, als ich mit Euch noch
Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht!«
Der Frühling kommt und giebt der Welt und dem Leben wieder neuen Reiz. Ich freue mich der Hoffnung, Sie grade dann zu sehn – liebe, holde Freundin! Mein Herz schlägt Ihnen entgegen! Leben Sie wohl! Ich grüße Immermann.
Der Ihrige
Möller.
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Münster, den 9. Oktober 1835.
Ich komme zur Vielgeliebten mit dem Wunsche, daß die Biographie eines Lieblings der deutschen Frauen, Jean Paul's, eine gütige Aufnahme finde. Wie erinnere ich mich in diesem Augenblicke so lebhaft der schönen Stunden, in welchen sein »Komet« in einem Kreise, der Sie so gern umschlang, gelesen wurde! Höchst wahrscheinlich kennen Sie schon beiliegendes Werk, (ich sah es jüngst im Buchladen und sogleich stieg mir Ihr liebes Bild vor meiner Seele auf,) und haben es wohl schon genossen. Aber wenn Sie dann auch nur beim Anblick desselben meiner gedenken, so habe ich sehr viel erreicht. Denn in Ihrem Herzen zu leben – welch eine süße Vorstellung! – Wie willkommen sind mir Ihre jüngsten Grüße gewesen, als holde Laute aus der Ferne, und liebe Zeugen Ihres Andenkens! – Wie lange schon harre ich der Stunde, Sie endlich einmal wiederzusehen! Wie ungeduldig wird oft mein Sehnen! – Gegen Ende der künftigen Woche habe ich eine Reise in die Grafschaft Mark zu machen, zu einem großen Predigerconvent, der leicht zehn Tage währen kann. Da trage ich mich nun mit dem heimlichen, tiefen Wunsche, von dort aus einen Ausflug nach dem Rhein, und so auch nach Ihnen zu machen! O, daß der Himmel mich so lieb hätte, mir ihn zu erfüllen! – Ohne dies in den langen öden Winter hinabzusteigen, würde mir schwer fallen; im entgegengesetzten Falle aber mancher trübe Nebeltag mir heller werden. Warum müssen doch unsre liebsten Wünsche so schwer ihre Erfüllung finden? Warum müssen sie wie Rosen unter Dornen sein? Warum die in der Ferne, mit denen man sich immer gern möglichst nahe sähe? – Wenn ich Ihnen doch die schönsten Stellen in Jean Paul's Leben, in Ihr Auge blickend, Ihre liebe Hand fassend, vorlesen könnte; ganz allein, daß nichts von außen uns störte; oder mehr noch, das dort so anziehend beschriebene Fichtelgebirge durchwandern könnte mit Ihnen! –
Ich habe eine kleine Pause gemacht und mich losgerissen von solchen aufregenden Bildern. Ich muß Ihnen nur eben noch sagen, daß meine liebe Tochter bei mir ist, frisch und roth, und mich bittet sie in Ihr theures Andenken zu bringen. Sie erwähnte eben noch Ihres einstigen Besuches in Lienen mit großem Danke. Gessert kommt auch; er ist sehr wohl, und ist eben von Berlin mit seinem älteren Töchterchen wieder eingetroffen. Manches andere, Sie vielleicht Interessirende, würde ich mündlich besser mittheilen können, und will ich dies inbrünstig zu hoffen fortfahren. Auch die Engels grüßt mit Ergebenheit.
Leben Sie, Holdeste, wohl! Mit Herz und Seele der Ihrige
Möller.
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Münster, den 3. Juni 1836.
Heute Mittag, geliebte Freundin, erhalte ich Ihre lieben und abermals lieben Zeilen! Hätten Sie gesehen, wie die Freude aus meinen Augen strahlte! Ich habe recht gefühlt, wie lieb ich Sie habe. Ich mußte bald heraus, Geschäfte abzuthun, Besuche zu machen etc., aber immer dacht' ich an Sie. Nun komme ich gegen Abend nach Hause, müde vom Pflaster, naß vom Regen, schmollend, daß ich bei Ihnen nicht schauen konnte – und eile zum Papiere, das mein Verlangen nach Ihnen, meinen Dank, meine süßesten Wünsche für Sie herüberbringen soll. Nimmer hätte mich das Musikfest hier lassen können, wenn nicht grade an diesem Tage meine Kinder- und Enkelschaar zum Besuch bei mir angekommen wäre. Ich konnte es nicht über das Herz bringen, sie, die nur einmal im Jahr zu mir kommen, sogleich zu verlassen; sie hatten nicht daran gedacht, daß ich an jenem Feste vielleicht theilnehmen würde. – Uebrigens war bei meinem Entschluß, mit Professor Haindorf nach Düsseldorf zu reisen, weniger die Musik, als – Sie, mein Gedanke. Eine solche gigantische Musik erträgt kaum mein Nervensystem; sie würde mich in Entzückungen versetzt und außer mir gebracht haben. Nur eine Weile würde ich haben zulauschen dürfen, um dort einige Vorstellung von einem solchen Ocean von Tönen und Stimmen, von einer solchen Musik der Sphären zu erhalten, alle übrige Zeit hätte ich fern vom Getümmel, an Ihrer Seite zugebracht und damit erfahren, daß es noch etwas giebt, was eine innigere Befriedigung gewährt, als selbst die himmlische Kunst der Polyhymnia. Hier ist viel Rühmens und Preisens von der genossenen Herrlichkeit, und Haindorf bedauert jetzt innig, Ihnen nicht aufgewartet zu haben.
Immermann's, den ich gar sehr grüße, schöne Wirksamkeit, ist anerkannt genug, aber zu zahlreich sind noch die groben deutschen Tolpatschen, mit ihren langen Ohren, die Luther schon gezüchtigt, vor denen die Musen reißaus nehmen müssen. Ein unschlachtiges Geschlecht! – Ich blicke im Geiste Sie an, und bin wieder mit der ganzen Welt versöhnt. Wie lange schriebe ich noch gern! – O, leben Sie wohl! – Mit Herz und Seele der Ihrige
Möller.
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Münster, den 13. August 1836.
Es macht mir, vielgeliebte Freundin, eine eigne Freude, Ihnen etwas, das Sie für Ihren Garten gewünscht haben, gleich zusenden zu können. Noch stehen Sie als Gärtnerin vor mir, – den Rechen in der Hand emsiglich arbeitend, indem ich Sie überraschend umschlinge, und in den blauen Himmel Ihrer Augen schaue! – Könnte ich Ihnen nun auch pflanzen helfen und so lange bei Ihnen bleiben, daß ich die röthliche Frucht Ihnen reichte! –
Ich bin nun so weit wieder von Ihnen! – Wie habe ich mich bei Ihnen und mit Ihnen gefreut. Wie sehne ich mich wieder zu Ihnen! Es waren doch liebliche Stunden. Wie danke ich Ihnen für jeden Augenblick, obwohl keine volle Befriedigung! – Es ist mir wie ein Traum flüchtiger Gefühle. Ein so kurzes Zeiträumchen sollte man Sie nicht besuchen. Ich hatte mir eingebildet, ein paar Tage in Rolandseck mit Ihnen zu verleben, ein Wunsch, den ich gleich beim ersten Wiedersehen gegen Sie aussprach. – Erstes Wiedersehen! – Wie gern wiederholt es mir die Phantasie!
Die Engels hat mir mit hellen Farben den schönen Abend bei Ihnen vorgemalt, mit dem Zusatze, daß auch meiner gedacht sei von Ihnen! Sie weiß nicht ganz, wieviel sie mir damit gesagt hat.
Indem ich Immermann grüße und danke, sage ich Ihnen das schönste Lebewohl! O daß eine gütige Schickung mich bald wieder zu Ihnen führe! Fröhlich in Hoffnung küßt Ihre lieben Hände der Ihnen so ergebene
Möller.
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Münster, den 25. Mai 1837.
Endlich, theuerste Frau Gräfin, komme ich zu dem frohen Augenblick, Ihnen schreiben zu können. Wie sehr habe ich längst darnach verlangt! Wie vielmehr nach Ihnen selbst! – Ein schönes Wohlgefühl durchdringt mich bei dem Gedanken, daß auf diesen Zeilen Ihre lieben Blicke weilen werden!
Es ist der erste schöne Frühlingsmorgen, den ich erheitert in meinem Garten zugebracht habe und der mir durch die Vorstellung noch schöner geworden, daß ich sofort Ihnen schreiben wollte. Ich habe lebhaft gedacht, daß Sie auch dieses Morgens sich freuten; aber auch wie viel Sie entbehrt bei dem ewigen Zögern des Frühlings. Man hat hier kaum einzuheizen aufgehört. Der Nord hat Blüthen und Nachtigallen fast bis auf heute hier verscheucht. Doch ein Aergeres noch ist uns hier, und namentlich auch mir, durch die Grippe widerfahren. Diese hat mich wie eine Harpye lange umklammert gehalten, wie jene Riesenschlange einst den Laokoon, und monatelang habe ich mich nicht von ihr loswinden können. Ich habe nie solche entsetzliche Gefühle gekannt. –
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Münster, den 22. Februar 1838.
Daß Sie, theure Frau Gräfin, seit kurzem zweimal durch einen lieben Gruß mir Ihr köstliches Andenken bewiesen, hat mich mehr erfreut, als ich zu sagen vermag. Es hat mich gerührt, da ich nach so langem Schweigen solcher Großmuth mich nicht werth gefühlt. Ja, es hat mich entzückt, eine solche immer gleiche Güte und Treue! O, daß ich bei Ihnen wäre, und mit seelenvollen Worten und Blicken Ihnen, holde Freundin, danken könnte. Ach! wie oft wünsche ich mir Ihre liebliche Nähe, versetze mich in dieselbe, vergesse dann den rauhen Winter und athme Frühlingsluft. Noch habe ich es nicht verschmerzt, daß ich im vorigen Spätsommer Sie nicht sah. – Eine plötzliche Versetzung zu Ihnen wäre mir ein Himmel gewesen.
Das alltägliche Lebensgetreibe hat, je länger je weniger Reiz für mich. Ich lebe zurückgezogen, doch freilich nicht ungesellig, was meinem ganzen Wesen widerstrebt. Aber des wahrhaft Freundschaftlichen wird immer weniger bei dem Egoismus und Materialismus der Zeit. Mögen die Eisenbahnen kein Sinnbild eines werdenden eisernen Säculums sein!
Es ließ sich mit Anfang der herben Zeit das gesellschaftliche Leben gut an; sehr gutes Theater u. s. w. Da erhob sich der Kampf mit dem Erzbischof und päpstlichen Stuhle, worüber sich sogar eine städtische Revolution einstellte, von der die Zeitungen zum Ueberfluß berichtet haben. – Die nächsten leidigen Folgen am hiesigen Orte sind ein Zerfall der geselligen Verhältnisse, Partheisucht und Erbitterung. Alle Zurechtweisungen und Belehrungen durch so viel Königliche- und Ministerialerklärungen und so manche treffliche Brochüre sind vergeblich. Adel und Geistlichkeit und das durch letztere aufgeregte Volk meinen, es sei himmelschreiend, so mit einer Erzbischofsmütze und selbst mit dem Abgott zu Rom zu verfahren. – Ich aber habe mich dessen von Herzen gefreut und habe jetzt unsern ritterlichen König noch einmal so lieb. Oft habe ich an Klopstocks Worte in seiner Ode an Kaiser Joseph gedacht, als dieser seine große Fehde mit dem Papste begann:
»Nun mag der dreikronentragende Obermönch,
Mit seinem purpurbemäntelten Mönchlein,
Das Kanonsrecht, so weit er wollte, beschielen
Denn Du wirst sehn!« –
Eine herrliche Unterbrechung dieser odiösen Dinge war das Fest der Freiwilligen im Anfang dieses Monats. Der Verein war zum Gastmahl der tapfern Männer, deren hier über hundert anwesend waren, mit Trophäen geschmückt; die Kriegsmusik und Körner's Lieder ließen sich hören und auch die deutschen Frauen und Mädchen freuten sich im höhern Chor des Lebens bis in die nächsten Tage fort. Ich versetzte mich nach Breslau, wo mich, wie so viel Tausende, das Wort des Königs, der in unserer Mitte war »an mein Volk!« entzückte und hinriß. Auch Sie waren dort – wie ich viel später hörte – wie sehr hätte ich Sie da sehen mögen – eine wackere Thusnelda!
Die Engels empfiehlt sich Ihnen mit herzlicher Ergebenheit. Sie ist sehr wohl und mit ihrem glücklichen Handel3 innig vermählt. Ich liebe eigentlich solche Vermählungen nicht. Sie kommen mir so kalt vor, wie einst die Vermählung des Dogen von Venedig mit – dem Meere! – Wie viel lieber vermählte ich mich, holdeste Freundin, mit Ihrem Herzen! – O, leben Sie wohl und auch immer ein Bischen eingedenk des Ihnen mit Wärme ergebenen
Möller.
Unser Immermann ist, wie ich höre, mit Herrn von Voß und Andern auf dem Jubelfeste zu Köln gewesen. Ohne Zweifel hat er es mit poetischen Kränzen geschmückt. – Möchte doch der schöne Cirkel, dessen Mittelpunkt einst Sie und Ihre Güte hier waren, noch fortexistiren! Das dünkt mir jetzt eine goldene Zeit, – leider auch mit Anrufung aller himmlischen Mächte nicht zurückzuführen! – Aber die schöne Erinnerung thut mir noch heute wohl, und Ihre liebe Hand küsse ich noch jetzt dafür mit Dank und süßer Liebe! – Freundlich lächle Ihnen, nach unsern jetzt so herrlichen Sternennächten, jeder Morgenhimmel und verbreite Frieden und Freude über das Herz der Holden, die ich meine! –