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Kitabı oku: «Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's», sayfa 16

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Köln, den 13. September 1837.

Liebe, theure Frau Gräfin!

Ihr holdseliges Briefchen erreichte mich später, da ich nicht in Köln anwesend, sondern auf der Kitschburg bei Frau Schaafhausen vier Wochen wohnte. Fast hätte ich die Beantwortung verzögert, bis ich selbst eine wichtige Antwort aus Berlin erhalten und jedenfalls hätte ich Ihnen dann, was ich jetzt nicht kann, über meine nächste Zukunft etwas Sicheres sagen können, aber ich sehnte mich danach, Ihre lieben Zeilen zu beantworten, und sende Ihnen die Entscheidung, die ich erwarte, später nach. Unser früherer Plan war nämlich, wenn mein Bruder hierher kömmt, im Oktober nach Düsseldorf zu kommen, dort von allen Lieben Abschied zu nehmen; der Ausbruch der Cholera in Berlin, der mir lange ganz verheimlicht ward, hat aber, nachdem ich ihn erfahren, meine Abneigung und Furcht vor Berlin so gänzlich überwunden, daß ich meinen Bruder dringend gebeten habe, mich zurück zu berufen, und ich seine Einwilligung oder die Freistellung meines Willens nur abwarte, um sogleich mit meiner Jungfer dahin abzureisen. In diesem Fall würde ich auf das Wiedersehn meiner lieben Düsseldorfer Freunde verzichten müssen und mir so ihren Segen ausbitten! Wie sehr ich es entbehren müßte, Sie nicht wiederzusehn, da ich Sie nur einmal sah – das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, denn warum sollten Sie noch an meiner treuen und innigen Liebe zweifeln! Und doch scheint mir das Opfer, daß Sie hierher kommen wollen, so groß, daß, wenn ich nicht dächte, Sie hätten noch ein anderes Interesse, was Sie dazu nöthigt, ich ganz beschämt davon sein würde.

Während ich diese Zeilen schreibe, ist meines Bruders Antwort eingetroffen! Er verbittet meine Rückkehr ganz bestimmt und kündigt seine Hierherkunft auf Anfang Oktober an. Wir kommen dann entweder nach Düsseldorf, oder wir treten unsere Rückreise über Düsseldorf an. Sehn werde ich Sie also gewiß, meine liebe Freundin, denn wenn Sie in anderem Interesse nach Köln Anfang Oktober kommen, richte ich mich jedenfalls ein, Sie hier zu erwarten, wenn ein paar liebe Worte mir die Zeit bestimmen, aber um meinetwillen müssen Sie das Opfer dieser Reise nur nicht bringen, denn ich komme gewiß zu Ihnen! Wenn wir nur unsern lieben Immermann nicht bei den verschiedenen Reisen verfehlen! – Wenn er nur zurück ist zur Zeit, daß wir zu Ihnen kommen, oder wenigstens ich in Köln, wenn er hierherkömmt, obwohl Immermann ein Gut ist, warum man sich mitten in der Freude es zu besitzen, beneidet, weil man es dann auch den Liebsten zugleich gönnt. Doch ich will hoffen, uns einigt ein lieber Abend in Ihrem Hause zu dreien!

Mit welcher Bewegung las ich Ihre Erwähnung einer Sache, die viel bedeutender in meinem Leben eingeschritten ist, als ich ahnte!

Von dem ersten Bogen an, den ich faltete, bis zu der letzten Seite, die das Ganze beschloß, war ich wunderbar von dem Gegenstand beherrscht! Es hatte sich aus mir heraus eine Forderung gestellt, die mich zum dienenden Werkzeug machte. Der Stoff lag gesammelt in mir – er belastete mich, kann ich sagen – aber in welcher Form er sich entladen könnte, blieb zweifelhaft und hielt ihn länger zurück, als er geneigt war. Der Roman kann alle Zustände des Lebens umfassen, am leichtesten legt sich in ihm nieder, was sich als Erfahrung und Beobachtung in uns vorfindet. In die bequeme Form floß nun schnell und ohne Säumen das Innen Gesammelte! Ich – liebe Freundin – habe schöne Stunden damit verlebt! Der erste Theil war fertig – mir nur sollte das Ganze gehören – da verrieth ein Zufall dies Unternehmen meinem Bruder – sein Beifall war eine schöne Befriedigung! Wieder blieb es lange unser Geheimniß; – er verrieth mich einem gelehrten Freund! Es wußten es jetzt drei – man sagt, dies sei für ein Geheimniß zu viel! – Von da an ward ich gebeten, es drucken zu lassen. Wie sicher war ich – das könne und dürfe nie geschehen! Zwei Jahre lag es fertig, abgeschrieben, wie rein oft vergessen! Man verstärkte endlich die Bitten, es drucken zu lassen, durch die Täuschung, es könne dennoch Geheimniß bleiben – ich war zu unerfahren – ich glaubte daran. – Mein Verleger hat die Wahrheit gesagt, er erfuhr meinen Namen erst, als ich die ersten gedruckten Exemplare erhielt. Es blieb lange geheim – und die große Zahl der Autoren, die genannt ward, ließen mich hoffen, ich bliebe unerkannt! Wer es verrathen, noch weiß ich es nicht! – Ich erfuhr aber, was ich immer gewußt, daß eine Frau nicht bestimmt ist, der Oeffentlichteit anzugehören – ich war wund, wund bis in mein tiefstes Leben hinein! Als mein Bruder nach Berlin voranging, entschlossen wir uns, es einzugestehen, ich hoffte damit die Sache bis zu meiner Rückkehr durchgesprochen und abgethan. Wie oft ich an Sie, an Immermann in dieser Zeit dachte, darf ich ja wohl gestehen – daß ich es dennoch Ihnen beiden nicht eingestand, es Ihnen nicht geben konnte, verstehen Sie es wohl? Es gereicht mir nicht und Ihnen nicht zum Vorwurf! Was Sie nun in wenigen Worten liebevoll anerkennend darüber sagen, thut mir sehr wohl! es rührt mich, wenn ich denke, daß Sie lasen, was ich dachte und fühlte – man hat selbst immer nur ein kleines Publikum, das große täuscht sich, wenn es sich dazu rechnet – Sie werden immer zu meinen Autoritäten gehören, und wenn ich Ihrer edlen Seele darin nichts zu leide gethan habe, ist mir viel gelungen!

Sein Schicksal in der Welt ist wunderlich gewesen, und ich sehe ihm nach und möchte fragen: wie kam das? Nachdem ich aber beruhigt bin, genannt zu sein und Zeit und Gewohnheit ihr altes Recht an mir geübt, bin ich so still und gelassen mit ihm, daß ich wohl fühle, es konnte selbst dies abweichende Ereigniß mich nicht mehr meiner Stille berauben, und die Sache ist dadurch, daß sie aus mir herausgetreten ist, zugleich von mir abgelöst, sie hat ihr eigenes Schicksal, und ich sehe wie einem fremden bloß zu!

Wenn es unter uns zur Sprache kam, war ich Ihnen eine Art Uebersicht schuldig! Haben Sie sie jetzt? Und wollen Sie das Gesagte auch für Immermann sein lassen, dessen edler Natur ein theilnehmendes Verständniß meines Verhältnisses dazu nicht fremd bleiben durfte, denn ich denke gern, daß er mein Freund ist und vielleicht nicht ohne Besorgniß mich auf diesem Weg wiederfand. Sagen Sie ihm noch außerdem, er soll gar nicht denken, daß ich mir dicke Sohlen untergebunden habe, und mich als Schriftstellerin salutire! Für nichts auf der Welt habe ich so große Furcht, wie für diesen Namen! – Nichts, denke ich, hat unsere Literatur so krank an schlechten Produkten gemacht, – als die Selbsterhebung zu dem seltensten Beruf der Erde! – Ich bin allerdings eine Frau geworden, die ein Buch geschrieben hat, aber damit noch bei weitem keine Schriftstellerin, ja, ich bin gewiß, der Stoff ist jetzt in mir verbraucht, und ich bin zur Ruhe damit gesetzt!

Nun leben Sie wohl, theure Liebe! Ich bleibe Ihnen treu bis an's Ende meines Lebens!

Henriette P. g. Wach.

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Köln, den 4. November 1837.

Meine theure, liebe Gräfin!

Mit wie wehmüthigem Herzen werde ich diese Zeilen niederschreiben, da sie Ihnen sagen sollen, daß ich Sie nicht wiedersehen werde. Eine neue Kette von Leiden hat dies traurige Resultat ergeben, und nur die Gewöhnung langer Geduld und Ergebung in die widerstrebendsten Anforderungen läßt mich dieses schmerzliche Opfer bringen.

Ende September ward ich krank, und das an einer Brustentzündung bis zum Tode – als die dringendste Gefahr vorüber war, stellte sich ein Husten mit gefährlichen Symptomen heraus, der die Ankunft meines Bruders beschleunigte, seit er hier ist (s. d. 24. Okt.) haben die schmerzhaftesten allopathischen Mittel wenigstens einen Stillstand des Uebels hervorgebracht, und wir haben unsere Abreise auf den 6. November festgesetzt.

Aber meine Gesundheit ist dadurch auf den früheren geringen Standpunkt versetzt, und jede Aufregung welcher Art ist für mich nachtheilig. So habe ich eingewilligt Sie nicht wiederzusehn, obwohl es mir ein paar heiße Thränen gekostet hat. –

Leben Sie also schriftlich wohl! Wie viel Liebe, Achtung und Treue dränge ich in diese Worte! Erwiedern, erhalten Sie mir das, was mir so lange den Muth gab, Ihnen meine Liebe zu zeigen!

Wo mag Immermann sein? Vielleicht schon bei Ihnen – und schwerlich finden wir ihn irgendwo, denn unser erstes Nachtlager wird Schwelm sein!

Von Schadow's, wo sie sein mögen, wissen wir auch nichts! Grüßen Sie sie, wenn sie zurückkommen; an dem Abend ihrer Durchreise durch Köln brach die Brustkrankheit aus.

In einigen Wochen werden Sie ein Paquetchen bekommen – was darin ist, bitte ich Sie und Immermann so liebevoll und schonend nachsichtig hinzunehmen, als es mit wahrer Demuth Ihnen dargebracht wird. Ich hoffe diese zweite Auflage wird weniger Fehler enthalten als die erste!

Nicht wahr, Sie schreiben mir einige Trostesworte nach Berlin? nach diesem öden, modernen, ausgeblaßten Berlin!

Wie kalt wird mir, wenn ich daran denke!

Leben Sie wohl! Mein Bruder theilt aus eigner Empfindung meinen Schmerz Sie und Immermann nicht wiedersehn zu können, und er wagt es, Ihre schönen Hände zu küssen, und seine tiefste Verehrung Ihnen zu Füßen zu legen.

Noch einmal sein Sie und Immermann mit dem treuesten Gruß der Freundschaft gegrüßt.

Ihre

Henriette P. g. Wach.

10

Berlin, den 12. Dezember 1837.

Theure, liebe Frau Gräfin!

Seit dem 14. November bin ich hier und blicke noch immer so blöde und verzagt in die bunte, laute Welt jenseits meines Asyls – daß – schlössen mich nicht die wohnlichen Räume meines grünen Thurms ein, ich nie aus einem tiefen Bangen und Fürchten herauskommen würde. Die Reise war von mancher Seite her unsicher und bedroht, ich reiste ab mit so wenig Kräften, so halb nur von der heftigen Krankheit genesen. – Die Wege waren so schlecht, die Nachtquartiere so winterlich verstört, und nur ein vortrefflicher Reisewagen, wie ein Zimmer warm und hell, gab eine Ausgleichung so vieler Uebelstände.

Ich habe die erste Zeit in einer Betäubung und Abspannung zugebracht, die sich erst langsam verliert, und mich so gefühllos und kalt den Eindrücken, die ich seit lange fürchtete wieder zu empfinden, gegenüberstellte, daß ihre Erscheinung mir bekannt geworden war, ehe ich sie wieder erkannte. Die große Güte, womit meine Freunde mich empfangen haben, hatte vorzüglich diese Wahrheit, meinen Zustand wirklich zu berücksichtigen. Sie kamen alle zu mir, jeden Gegenbesuch ablehnend, und vorher anfragend, so daß ich nicht die Ermüdung und Abspannung, sondern bloß die Dankbarkeit für so viel Liebe empfunden habe. Hedemann's und Bülow's, dies letzte Andenken der herrlichen Humboldt's, sind nie die letzten in treuer Anhänglichkeit – sie sind mir an sich werth, und außerdem wie ein Vermächtniß! – Wie mancher Frage hatten wir Rede zu stehn, nachdem die Leuchtkugel über Köln gestiegen, und die Wege erhellt waren, die das Böse in der alten, seit Jahrhunderten wohlbekannten Maske unter Tonsur und Mitra wohlgehegt, schlich – die schnelle, energische Procedur soll Wege aufgedeckt haben, auf denen sich Viele mit gelindem Entsetzen betroffen finden werden, gewiß ist es, daß diesmal die Hambacher sich im Beichtstuhl versammelten, und zwar Hochverräther, die nach Wien und Paris die Hände ausstreckten, und in Belgien den Succurs fertig wußten. Was mögen bei Ihnen Alt- und Neukatholiken sagen – ich denke die neuen werden besonders das düstere, gesenkte Haupt mit Asche bestreuen, um Verzeihung zu erhalten für den verpönten Namen eines Altpreußen!

Jetzt glaubt man mit der liebenswürdigsten Confusion über Art und Zeit, womit sich die Leute ihre gelegentlichen Einfälle bequem machen – in »Godwie-Castle«, da habe der Verfasser so recht die Dinge beleuchten wollen, und alles sei bloß darum so und nicht anders, jener Confession in eingehender Form eine Fehde zu machen – gelegentlich sagt der Unschuldige wohl, es sei 1835 schon fertig gewesen, nie zum Druck bestimmt, aber oft schweigt er auch, denn wenn die Leute eingefahren sind, muß man sie nicht stören. Sie aber wissen, was ich immer von der schönen, malerisch romantischen Trümmer dieser Kirche gedacht habe, und werden gewiß nichts in den durchgeführten Ansichten finden, was nicht unsere früheren Gespräche enthielten.

*** sehe ich oft – sie ist gänzlich wieder eingebürgert. Ihr heiteres Gesicht, ihre bequeme Weise, macht sie überall zum willkommenen Gast! Ihre kleinen Thorheiten schaden keinem andern, gelegentlich ihr selbst, das haben die Leute gern, und sie lachen dann so mit ihr, als über sie, was sie nicht zu unterscheiden versteht, und die Confusion vermehrt, in der sie mit Jugend, Schönheit, Geist und Talent dahin schwebet, sich gegen jede Enttäuschung sichernd, durch unschuldige Liebkosungen! Wir haben viel Erinnerungen gemeinschaftlich; ihr Gatte hielt diesen Schmetterling immer zwischen Gaze, da hatte sie mehr Puder behalten!

Auf diesem Blättchen nun schenke ich Ihnen und Immermann mit klopfendem Herzen, aber zugleich mit der zärtlichsten, treuesten Anhänglichkeit für Sie beide das beifolgende Buch! Lieber Immermann, wenden Sie Ihr vortreffliches Herz nicht unlustig von mir ab, weil ich das eine Buch habe schreiben müssen! Ich bin darum bei Gott keine Schriftstellerin, die Ihnen gewiß so gründlich zuwider sind, als mir selbst, denken Sie nachher so milde und gütig von mir als vorher, ich verdiene es heute noch, wenn Sie es früher dafür hielten, denn obwohl ich das eine nicht läugnen kann, würde es Sie doch rühren, wenn Sie hörten, wie ich es habe schreiben müssen, als hätte mich einer am Kragen, und daß nur die dumme Vorstellung des Geheimbleibens mich über das Hervortreten getäuscht, und es zugelassen hat – auch würden Sie keine andern bösen Symptome entdecken, weder schwarze Finger, noch ungekämmtes Haar, mein Bruder ißt weder angebrannte Suppe, noch greift er durch die Löcher hindurch – und Sie, geliebte Freundin, Sie, eine Frau in der schönsten Bedeutung, Sie vertreten mich, denn ich weiß, Sie halten Glauben an mich – wie ich an Sie, und beide nehmen die Gabe hin, freundlich wie sie gemeint ist! Ihnen beiden treu ergeben

Ihre

Henriette.

Mein Bruder küßt voll Verehrung Ihre schönen Hände – und grüßt Immermann mit der verehrendsten Liebe! Vielleicht, lieber Immermann, grüßen Sie beide Schadow's freundlich von uns.

11

Berlin, den 6. Februar 1838.

Meine theure Frau Gräfin!

Wie liebe ich jedes Wort, was Sie niederschreiben, und wie innig fühle ich mich dann immer von dem Verlangen belebt mit Ihnen sein zu können, nur zuweilen mich an Ihrer wahrhaft weiblichen Natur erfreuen zu können, darum wenden Sie immer zuweilen ein paar Zeilen an mich, Sie verschwenden sie nicht.

Ich schreibe Ihnen heute nur einige Worte, denn die Kälte macht mich matt und müde, und ich mußte heute schon viel schreiben. Dies von Köln herübergekommene Exemplar von »Godwie-Castle« ist ein Irrthum, und die Person, die ihn machte, schrieb es mir bereits.

Die Zuckungen über den entführten Erzbischof fühlen sich noch überall. Die Partheiungen sind groß! Der König, der Kronprinz, die Minister nehmen, wie es scheint, eine feste Stellung! Gott erhalte sie dabei! nur Festigkeit kann uns gegen die Geißel Rom's schützen.

Sehr unangenehm ist die Stellung, die *** sich erwählt hat. Ich denke dabei oft an Sie und Immermann! Sie haben sie so oft gesehen – ist Ihnen denn die Ansteckung ihrer religiösen Gesinnungen auffallend gewesen? Wir sind oft recht verlegen über ihr Betragen. Sie vertheidigt in blinder Heftigkeit den Erzbischof, den Papst, die Katholiken, genug alles, was uns jetzt feindlich entgegen tritt, und zwar ohne Gründe, mit schwebelnden Gemeinplätzen in der unweiblichsten Heftigkeit – ich sowohl wie Wilhelm sind ihr so viel als möglich mit Ernst entgegen getreten, weil sie sich den nachtheiligsten Gerüchten aussetzt, wir müssen aber jetzt schweigen, denn sie erklärt uns für Fanatiker! – Sollte die Ansteckung in München geschehn sein? Doch schwerlich in Düsseldorf! Letzthin aber, wo sie von der Beschlagnahme von Papieren hörte, ward ihre Angst und ihr Nachforschen so auffallend, daß ich seitdem die Angst habe, sie könnte bei ihrer wenigen Beurtheilungskraft in die Hände irgend einer Parthei gemißbraucht werden. Dagegen glaubt mein Bruder, daß ihre ganze Art aus der Eitelkeit entspränge, sich durch geheimnißvolle Andeutungen interessant zu machen! Was glauben Sie und Immermann davon? – Ich bin wirklich besorgt um sie.

Theilen Sie mir etwas über die dortige Stimmung mit – es sind Lebensfragen – das ist entschieden!

Ich sage Ihnen heute ein herzliches Lebewohl! Voll Ehrfurcht küßt mein Bruder Ihre Hand, treu und herzlich bleiben wir beide Immermann ergeben, er soll es uns sein!

Ihre

Henriette P. g. Wach.

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Berlin, den 23. September 1840.

Wir beide, mein Bruder und ich, nehmen mit rechter Freude Ihre liebe Einladung an – und danken Ihnen sehr, daß Sie uns so ehren wollen – und doch – machte mir diese Einladung einen Eindruck, wie ich nicht beschreiben kann, und ich dachte an Sie mit ein paar heißen Thränen! Liebe, theure, edle Freundin – so sind Sie überall zum Siege bestimmt – Ihre Freunde haben nur das Zusehn – ein schönes, befriedigtes Gefühl, wenn immer das hervortritt, was wir schüchtern wegen der Schwierigkeit doch hofften, Ihres hohen Werthes halber!

Gott schütze Sie weiter!

Ihre

Henriette P. g. Wach.

13

Berlin, den 8. Mai.

O, meine liebe, theure Freundin!

Wenn Sie wüßten, welch ein leidendes Leben ich seitdem führte – ich bin so nervös seit ein paar Monaten, daß ich wie im Fieber lebe!

Während ich oft zwei, dreimal des Tages mit Ohnmacht ringe – kommen dann Stunden dazwischen, die mich täuschend gesund sein lassen!

Was mich nicht ergreift, mit fortreißt, habe ich nicht, denn ich bin so geistesmatt, daß ich nur nachgebe!

Aber unserer alten Liebe glauben Sie es gewiß, daß ich mich nach Ihnen sehnte, wie nach warmer Sommerluft – und daß ich oft dachte, wüßte sie es doch – sie käme! Nun wollen Sie mich haben – und ich komme jedenfalls ein paar Stunden, wenn ich auch etwas früher fort müßte. – Denn zuweilen halte ich es nicht aus. –

Wilhelm ist nicht zu Hause – ich theile es ihm gleich mit, und er wird so gern kommen.

Nicht wahr – eine große Gesellschaft haben Sie nicht?

Vergeben Sie diesen verworrenen Liebesbrief, wie viel behalte ich zurück!

Ihre

Henriette P. g. Wach.

August von Vietinghoff an Helmenstreit

(Wir theilen diesen Brief mit, da er einen genauen Bericht über das Ende Friesen's enthält, der so oft in diesen Blättern genannt wurde.)

Deinem Wunsche gemäß liefere ich Dir die bei Deinem Hiersein über den Meuchelmord unsres Freundes Friesen mündlich mitgetheilten näheren Umstände, nachstehend, jedoch nur in gedrängter Kürze noch einmal.

Als nach dem unglücklichen Gefechte im Februar 1814 die Unsrigen sich zurückziehen mußten, bestand der Nachtrupp des linken Flügels zum Theil aus der Reiterei der Lützow'schen Schaar und aus einem Schwarm Kosacken. Täglich drängte und verfolgte der Feind die Unsrigen, wobei viele gefallen und in Gefangenschaft gerathen sind. Die noch Freien und Rüstigen aber waren in einzelne kleine Haufen versprengt, und somit den bewaffneten Bauern im Ardennenwalde Preis gegeben.

Am 15. März befand sich unser Freund bei einem dieser Haufen. Unglücklicherweise ritt er gerade an diesem Tage ein sehr schlechtes Pferd, einen Falben von Farbe. Er wurde auf der Straße von Rheims nach Mezières, unweit Rethel angegriffen, in einen Wald gesprengt und darin von den Bauern ermordet und sodann auf Verwendung eines Bürgermeisters auf dem Kirchhofe eines Dorfes feierlich beerdigt.

Dies waren die mir zur Kenntniß gekommenen Thatsachen, als ich den Tod meines Freundes Ende März 1814 erfuhr, wo wir mit dem Fußvolk der Lützow'schen Schaar vor Jülich durch die Mecklenburger abgelöst und auf dem Marsch nach Frankreich begriffen waren. Die Ausführung des mir von dem Augenblick an zur Pflicht gewordenen Vorhabens, die Gebeine meines Freundes aufzusuchen und sie dem vaterländischen Boden zu überliefern, ward indeß durch den bald darauf erfolgten Friedensschluß und unseren Rückmarsch aus Frankreich, wenn auch nicht gänzlich vereitelt, doch wenigstens auf lange Zeit hinaus aufgeschoben. – Nächstdem, daß mir der Ausbruch des Krieges 1815 hinsichts des für mein Vaterland gehofften Heils sehr erwünscht war, hoffte ich auch dadurch von neuem Gelegenheit zur Ausführung meines mehrerwähnten Vorhabens zu finden. Durch mancherlei eingetretene Hindernisse sah ich mich aber leider abermals daran verhindert. Jedoch mein, obgleich in mancher andern Rücksicht sehr ungünstiges Geschick, führte mich bald darauf zum vierten Mal nach Frankreich und zwar gerade unmittelbar in die Gegend, wo mein Freund ermordet wurde, indem ich mittelst Cabinets-Ordre vom 2. Februar 1816 zu meinem jetzigen Regiment, dem 14. (3. Pommerschen), welches im Ardennendepartement beim Armeecorps in Frankreich steht, versetzt ward.

Endlich, Ausgangs November 1816 wurde mir durch einen meiner Kundschafter angezeigt, daß ein Unteroffizier meiner Kompagnie, mit Namen Danner, von seinem Wirthe zu Launoy ein preußisches Dienstsiegel zum Geschenk erhalten habe, welches ein im Monat März 1814 im Bois de Huilleux erschossener preußischer Offizier, der in la Lobbe begraben sei, besessen hätte. Ich ließ mir hierauf sogleich den Unteroffizier nebst seinem Wirth rufen und fand – was ich ahndete – das Dienstsiegel der Lützow'schen Schaar, welches unser Freund, da er Adjutant war, gewöhnlich bei sich führte, und welches mir, als ich es erblickte, um so mehr durch einen in dem Holzknopf befindlichen Kreuzschnitt unverkennbar war, da ich mich hierbei sofort jener Worte meines Freundes lebhaft erinnerte, als ich ihn in Holstein frug, warum er dieses Mal hineingeschnitten, er mir sagte: »Siehe, da kannst Du sehen, wie pfiffig ich bin; ich habe es deshalb gethan, um beim Siegeln sehen zu können, ob der Kopf des Adlers oben steht.« –

Durch das zufällige Vorfinden des Siegels ward mir nun auf einmal die Bahn zur Erreichung meines längst ersehnten Ziels gebrochen. Ich ritt daher am 5. Dezember 1816 nach dem Dorfe la Lobbe, welches drei Stunden von Launoy entfernt ist, und erhielt von dem dortigen Bürgermeister, Namens Deslyon, nicht nur die Bestätigung des oben Gesagten, sondern ersah auch aus der mir von demselben über den ganzen Hergang der Sache aufgenommenen protokollarischen Verhandlung die genausten darauf Bezug habenden Nebenumstände. Denen zufolge war unser Freund am 16. März 1814, des Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr, in dem etwa eine Viertelstunde von la Lobbe entfernt liegenden Bois de Huilleux, sein Pferd am Zügel leitend, angekommen, und darin auf zwei Bauern aus la Lobbe, die daselbst Brennholz schlugen, gestoßen. Er forderte sie auf, ihn ins nächste Dorf zum Bürgermeister zu bringen. Als sie beinahe aus dem Walde heraus waren, begegnete ihnen ein Haufe mit Flinten versehener Bauern, die, als sie unsern Freund erblickten, von seinen Führern sogleich dessen Auslieferung verlangten, und da sie ihnen dies nicht zugestanden (wobei es wahrscheinlich zum Handgemenge gekommen ist, welches ich aus einem Umstand schließe, den ich Dir weiter unten mittheilen werde), so schoß einer von ihnen, Namens Brodico, Schäfer auf der unweit des Dorfes Grand-Champ belegenen Ferme la Puisieux, seine Flinte auf meinen Freund ab, wobei die Kugel, die ihn tödtete, in die linke Brust durchs Herz und das linke Schulterblatt drang, worauf augenblicklich er todt zur Erde sank, von seinen Mördern ausgeplündert und ganz nackt liegen gelassen ward. – Die beiden Bauern aus la Lobbe machten hierauf dem dasigen Bürgermeister Anzeige, der, ob aus Politik oder Menschlichkeit, will ich dahin gestellt sein lassen, den Leichnam sofort nach la Lobbe bringen, ihn in einen Sarg legen, und am 17. März 1814 des Morgens um zehn Uhr auf dem dortigen Kirchhofe mit allen dabei üblichen Feierlichkeiten, d. h. nach der katholischen Liturgie, beerdigen ließ. – Von den beiden mehrerwähnten Bauern, die ich mir hatte rufen lassen, erhielt ich dann auch die Bestätigung des eben Gesagten, und überdieß, außer mehreren näheren Aufschlüssen, noch eine genaue Beschreibung meines Freundes, hinsichts seiner Gesichtsbildung, Haupthaare, Gestalt und Kleidung, und des mir sehr wohl bekannten schlechten russischen Pferdes. Einer dieser Bauern war auch noch im Besitz einer bei unserem Freund gefundenen Karte von der Champagne, die ich mir natürlich sogleich aushändigen ließ und dieselbe augenblicklich an der mir bekannten Art, wie mein Freund gewöhnlich die Orte bezeichnete, woselbst er gewesen war, erkannte, daß er sie mußte besessen haben.

Nachdem ich nun hinlängliche Thatsachen genug gesammelt hatte, die mich zu der Ueberzeugung führten, daß der in la Lobbe begrabene Preußische Offizier ohne Zweifel unser Friesen sein mußte, schritt ich an die, Behufs des Ausgrabens desselben nöthige Arbeit. Bevorworten muß ich, daß ich beim Vorfinden der Gebeine durchaus keine Täuschung zu befürchten hatte, weil ich an den, mir ganz lebhaft erinnerlichen Zeichen unfehlbar die meines Freundes erkennen mußte.

Erstlich hatte er im Unterkiefer einen Vorderzahn, der ihm einstmals beim Fechten auf dem Fechtboden zu Berlin ausgeschlagen ward, den er sich zwar gleich wieder eingesetzt hatte, der aber dessen ungeachtet (da er etwas nach vorn stand, und auch an dem Hieb des Fechtens unverkennbar war) mir ein untrügliches Kennzeichen gewährte.

Zweitens wußte ich ganz bestimmt, daß ihm nicht nur kein Zahn fehlte, sondern daß er auch vorzugsweise gute und schöne Zähne hatte. Drittens hatte er an der Stirn über dem rechten Auge eine Narbe, die er, wenn ich nicht irre, in seiner frühsten Jugend durch einen Steinwurf erhalten hatte.

Viertens dienten mir auch seine überaus starken Backen- und Augendeckelknochen, so wie überhaupt die ganze Gestalt seines Kopfes zu hinlänglicher Erkennung desselben.

Demzufolge hatte ich an dem mir vom Bürgermeister Deslyon und mehreren Einwohnern des Dorfes bezeichneten Ort, wo unser Freund begraben liegen sollte, bereits sechs Gräber ohne erwünschten Erfolg öffnen lassen, als die Nacht einbrach und mich an allem weiteren Aufsuchen für diesen Tag verhinderte. Am folgenden Tage, nämlich den 6. Dezember v. J. mußte das von mir commandirte Füsilier-Bataillon seine damaligen Cantonnirungen verlassen, und die jetzt von demselben besetzten Orte beziehen, vorher aber nach Charleville marschiren, um daselbst am 7. Dezember vom G. von Zieten besichtiget zu werden. Der Dienst gebot mir daher noch in der Nacht nach Launoy zurück zu reiten, ehe ich aber la Lobbe verließ, machte ich es dem Bürgermeister Deslyon zur ausdrücklichen Bedingung am folgenden Tage mit dem Aufsuchen der Gebeine meines Freundes fortfahren zu lassen, und wenn man sie gefunden, er sie unverzüglich nach Launoy an einen meiner Kundschafter, den ich mit dorthin genommen hatte, überschicken solle. Nach meinem Eintreffen in Launoy befand ich mich aber so höchst unwohl, daß ich mich außer Stand gesetzt sah, mit meinem Bataillon von dort nach Charleville abzumarschiren.

Ueber alle Beschreibung aber fühlte ich mich überrascht, als mir der Bürgermeister Deslyon am 6. Dezember vorigen Jahres des Nachmittags um 3 Uhr meinen Freund ganz so, wiewohl verweset, wie er zur Erde bestattet ward, übersandte. Augenblicklich erkannte ich die Gebeine an den oben erwähnten Kennzeichen für die unseres Friesen, und zwar ganz vollzählig, ausgenommen zweier Vorderzähne am Oberkiefer, die ihm, da sie ihm bei seinen Lebzeiten nicht fehlten, vermuthlich bei dem oben angeführten Handgemenge von seinen Mördern ausgeschlagen wurden, welches mir um so wahrscheinlicher ist, da die beiden Augenzähne eine widernatürliche Richtung haben, indem sie ganz nach hinten stehen, und auch sehr tief im Kiefer stecken, denn wenn sie ihm im Grabe ausgefallen wären, so hätte ich sie im Sarge vorfinden müssen.

Meine Freude und mein Schmerz über den nunmehrigen Besitz dieser theuren und herrlichen Ueberreste ist überaus und gleich groß. – Ich habe beim Anschauen und gewissenhaften Ueberzählen derselben die bittersten Thränen vergossen und seinen wahrhaft königlichen Schädel mit eben der Liebe und Freundschaft geküßt, wie ich dies bei seinen Lebzeiten im Glück und Unglück stets gethan! – Es fehlen mir die Worte um Dir meine Empfindungen in ihrem ganzen Umfange auszudrücken, die mich bei dem Bewußtsein durchdringen, die Gebeine meines Freundes, dessen Andenken die Zeit nie und nimmer aus meiner Seele verwischen kann und wird, in meiner Stube zu wissen.

Das Hirn ist im Schädel noch ganz erhalten, jedoch schon ziemlich vertrocknet. Den Gang der Kugel, durch die er getödtet ward, entdeckte ich sofort im linken Schulterblatt. Ungefähr so viel Haupthaar als zu drei Locken nöthig sind, wie sie die Frauen gewöhnlich in einer Glaskapsel auf dem Busen zu tragen pflegen, sind seltsam genug unter dem Schädel der Verwesung ganz entgangen.

Während der Belagerung von Mezières 1815 hatten die Hessen den Brodico, Mörder unseres Freundes verhaften lassen. Der damalige Bürgermeister von Launoy, jetziger Notaire daselbst, Namens Coche, ließ denselben aber absichtlich entspringen, wofür er seines Postens entsetzt ward und 50 Stockhiebe erhielt. – In Novion soll sich das Schwert und mehrere Kleidungsstücke von unserem Freunde befinden, bis jetzt ist es aber meinen Kundschaftern noch nicht gelungen, die Besitzer derselben auszumitteln, was deßhalb sehr schwer hält, da die Bewohner der ganzen Gegend befürchten, daß sie wegen der Ermordung unseres Freundes noch einmal dürften gezüchtigt werden, und daher alles sehr geheim halten. – Der Bürgermeister Deslyon hat mir bei Uebersendung der Gebeine ein Zeugniß ausgestellt, daß es wirklich die des am 16. März 1814 im Walde de Huilleux getödteten Preußischen Offiziers seien, wogegen ich ihm auf sein Ansuchen einen Empfangsschein gegeben habe.

Eine gleiche Geschichtserzählung, wie die vorstehende ist, habe ich vor Kurzem an den Doctor Jahn nach Berlin gesandt, und mich erboten alle Gebeine unseres Freundes ihm zu übersenden, wenn er, seiner mir früher gegebenen Zusicherung gemäß, sie auf dem Turnplatz bei Berlin unter der Mahlsäule der heimathlichen Erde überliefern will; widrigenfalls ich sie sonst durchaus nicht aus meinem Verwahrsam gebe, sondern sie lieber verbrenne, als wissentlich zugebe, daß sie vertrödelt werden.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
05 temmuz 2017
Hacim:
280 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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