Kitabı oku: «Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's», sayfa 9
Anhang
Briefe von Immermann an Elisa
1
Münster, den 2. Februar 1822.
Da Sie so freundlichen Antheil an den Versuchen eines Neulings nehmen, meine gnädige Frau, so erlauben Sie mir gewiß gütigst, die Ueberreichung der Leichenrede, die ich betrübten Herzens gefertigt habe. Sie ist so durch Druckfehler entstellt, daß ich mit der Zusendung der gereinigten Ausgabe eilen mußte. Sonst möchten Sie das Opus aus andrer Hand früher erhalten, und jene Feinde der Autoren würden auch das Wenige von Gunst zerstören, was Sie der Stachelnuß sonst vielleicht noch zuwenden.
Gehorsamst
Immermann.
2
Münster, den 16. Februar 1822.
Die anliegende Abhandlung aus der Naturgeschichte darf sich vielleicht heute unter dem ernster, wissenschaftlicher Betrachtung so günstigen Himmel von bekanntem Stoff, Ihrer Aufmerksamkeit erfreuen. Sollten Sie die Ausfüllung der Gedankenstriche wünschen, so werde ich sie mündlich zu geben im Stande sein. Leider kann ich Ihnen morgen den »Prinzen von Homburg« nicht vortragen, da ich noch nicht im Besitz meines Exemplars bin. Indessen wird sich wohl etwas andres finden, vielleicht kann ich »Freia's Altar« von Oehlenschläger verschaffen.
Immermann.
3
Münster, den 22. Februar 1822.
Mit dem herzlichsten Danke für Ihre so gütige Einladung auf heute Abend, verbindet sich das Bedauern bei mir, nicht folgen zu dürfen, da ich anderwärts versagt bin.
Wollen Sie mir erlauben, morgen zu erscheinen? Ich werde für die Bejahung auslegen, wenn mir kein Verbot entgegenkommt.
Sie kennen meine gesellschaftlichen Freuden, und erlassen mir die Beweisführung, daß ich mit der höchsten Freude den Vorschlag, am Donnerstag und Sonntag Ihnen vorlesen zu dürfen, annehme.
Mit großer Verehrung
Immermann.
4
Münster, den 5. März 1822.
Ich sende Ihnen eine Folge von Landschaften von Antonius Waterloo, die, wenn Ihr Auge nicht vom alterthümlichen Aufzug dieser Blätter beleidigt wird, Ihnen wegen der geistreichen Ausführung vielleicht gefallen werden. Einige Wille's liegen auch dabei.
Als ich mich heute wieder lebhaft und freudig unsres vorgestrigen Abends erinnerte, kam mir das mitfolgende Gedicht in's Gedächtniß, welches das Gefühl einer einst verlebten wunderbaren Mondnacht bewahrt. Ich habe es für Sie abgeschrieben, weil es mir vielleicht Verzeihung für meine fatale Englische Krankheit erwirkt.
Ich denke, es soll schön und heiter bleiben. Wie herrlich wird dann unser Ausflug sein!
Immermann.
5
Magdeburg, den 1. Februar 1824.
Die heutigen Stunden der Muße seien Ihnen gewidmet, meine liebe Freundin. Ich bin hier noch nicht recht zur Ruhe gekommen, sonst würde dieser Brief früher abgegangen sein; möchte er sie gesund treffen! Meine Reise war im Ganzen sehr einförmig, das wahre Muster einer Winterreise. Am Dienstag vor acht Tagen kam ich bei meiner Schwester an, fand dort die Mutter, und bin nun seit acht Tagen in der Vaterstadt, die mir aber bei dem reißenden Wechsel aller Verhältnisse fast fremd geworden ist, und worin niemand, bis auf meinen Bruder Ferdinand, der unterdessen außerordentlich sich entwickelt hat, meine Sprache zu reden scheint. Diese Erfahrung haben Sie wohl auch schon gemacht, daß Sie deutsche Worte und Reden hörten, und dennoch merkten, wie die Leute mit diesen Worten ganz andre Begriffe verbanden, als Sie.
Ich wohne im Hause meiner verstorbenen Großmutter, und ihre alte langjährige Freundin, von der ich Ihnen erzählte, sorgt für mich auf das beste, so daß ich nur nöthig habe, mich vor Verwöhnung in Acht zu nehmen, wie man denn in dieser Beziehung sich immer hüten muß, wenn man das Glück hat, ein Gegenstand weiblicher Sorge und Pflege zu sein. Glücklicherweise ist das Leben zu strenge, als daß die weichen und weichlichen Seiten in unsrer Natur so leicht überhand nehmen können.
Die Stadt hat sich in mancher Hinsicht verschönert. So sind zum Beispiel am Fürstenwall, an einer Stelle, wo sich sonst nur eine kahle Mauer befand, schöne grüne Terrassen angelegt, welche mit Rosen und andrem Gesträuch besetzt werden. Das Ganze muß, wenn es fertig ist, einen erfreulichen Anblick geben. Die Anpflanzungen, welche der alte Horn anlegte, scheinen auch gediehen zu sein, soweit sich dies im Winter sehen läßt; kurz, meine Freundin, Sie brauchen sich jetzt grade keine Wüste um Magdeburg zu denken, wenn wir gleich durch Natur und militairisches Verhältniß immer nur auf das Nothdürftige hingewiesen sein werden. – Das Theater ist zweimal besucht worden, außer einem gewissen Hartmann senior, von dem ich den Hugo in der Schuld sah, ist nichts des Nennens Werthes unter der Gesellschaft. Die Erleuchtung ist zu Gunsten derer, welche Ursach haben, ihr Gesicht nicht zu zeigen, denn es ist so finster darin, daß man kaum die Gesichtszüge der Schauspieler erkennen kann. Was man sonst hier für Aesthetik treibt, darum habe ich mich noch nicht bekümmern können.
Denn es ist eine solche Masse von Arbeit über mich gestürzt, daß ich freilich, der ich dort doch eigentlich nur ein Müßiggänger war, alle Hände voll zu thun habe, und die frühen Morgenstunden zum Actenlesen benutzen muß, damit ich vorbereitet am Tage verhören kann. – Hiervon nichts weiter! Wenn ich mich mit Ihnen unterrede, wollen wir in freieren und heiterern Regionen wandeln, als wohin den Juristen sein Pfad führt.
Ueber meine hiesigen Umgebungen und Verhältnisse erwarten Sie wohl noch kein Urtheil von mir. Personen und Sachen darf ich das Mißbehagen, welches mich nicht verläßt, wahrlich nicht zur Last legen. Aber ich habe in jeder Beziehung zu viel verloren, als daß ich vergnügt sein dürfte. Neigung und Dank wandern beständig in die Ferne, da kann man freilich in der Nähe und Gegenwart nicht zu Hause sein. Indessen bin ich gefaßt, denn ich habe, wie Sie wissen, meinen ganzen gegenwärtigen Zustand in Münster schon vorhergesehen.
Die Koffer, worin Ihre Papiere aus Versehen mit eingepackt sind, habe ich noch nicht. Sobald sie ankommen, erfolgen die Papiere zurück. Ich bitte, dieß dem Herrn General nebst meiner besten Empfehlung und nochmaligen Danksagung für alle erwiesene Gewogenheit, zu melden. – Ueber Ihre Geldangelegenheiten nächstens mehr, ich muß diesen Brief gleich absenden, und kann deßhalb jetzt über jenen Punkt mit Ihnen nicht ausführlich reden.
Möge mir nun bald gute und schöne Kunde von Ihnen zukommen! Ich habe den Wunsch und das Bedürfniß mit Ihnen in beständiger naher Verbindung zu bleiben. Die heutigen flüchtigen Zeilen sehen Sie nur wie ein Billet an, welches Ihnen in der Eile von einem fernen Freunde und seiner Gesinnung Nachricht giebt.
Der Reiz, die Anmuth und Würde Ihres Wesens, werden Sie gewiß immer tragen und halten. In dieser Zuversicht sage ich Ihnen heute Lebewohl als
Ihr treuer Freund
Immermann.
6
Magdeburg, den 8. Februar 1824.
Ich benutze den Sonntag, liebe Freundin, um mich im Gespräch mit Ihnen von manchem Drückenden zu erholen. Möchten Ihnen denn meine Worte auch nur Erholung und Heiterkeit bringen! Ich sehe Sie nun im Geist bald mit dem Garten beschäftigt, und freue mich, daß die Zeit der Erlösung aus dem engen Zimmer nahe ist. Wir hatten hier schon einige sehr heitre, warme Tage, leider haben sie wieder unfreundlichen Platz gemacht.
Wenn alle, die von Münster kommen, jene Stadt so loben, wie ich, so wird bald das Vorurtheil gegen dieselbe verschwinden. Ich mache mir es zum Geschäft, alle ihre Vorzüge herauszuheben, und muß mich nur in Acht nehmen, daß ich nicht bei meinen lieben Landsleuten in den Ruf eines schlechten Patrioten komme. Ernsthaft gesprochen, so scheint es mir in unserem, so verschiedenartig componirten Staate recht eigentlich die Pflicht eines jeden wohldenkenden Beamten, den sein Geschick in eine neue Provinz warf, zu sein, die üble Meinung und das Mißtrauen, welches zwischen den alten und neuen Bürgern herrscht, so viel in seinen Kräften steht, zu zerstreuen.
Möchte man nur immer zu allem seinen Beifall geben können! Auch wir sind hier nicht von Verhaftungen verschont geblieben. Ein junger Mensch, ein Referendarius Caspari, aus einer mir bekannten und befreundeten Familie, wurde vor acht Tagen nach Berlin gebracht. Zur Freude jedes Vaterlandsfreundes hat aber das hiesige Oberlandes-Gericht feierlich gegen diese Handlung protestirt, und den Justizminister offiziell aufgefordert, das Recht zu schützen. – So etwas hilft zwar in der Regel nichts, aber es zeigt doch, daß die Gerichtshöfe in Preußen immer noch ihrer hohen Würde eingedenk sind. –
Wie oft wünsche ich des Abends, bei Ihnen zu sein! Meine Tage gehn hier sehr streng und arbeitsam hin. Ein großer Abstich gegen sonst. Indessen sehe ich ein, daß, wenn ich meine Zwecke erreichen will, doch einmal diese strenge, arbeitsame Zeit eintreten mußte. Ein schönes Leben zu führen, gelingt nun einmal in Norddeutschland nicht, der Fleiß ist unser Apollo, und die Mühe unsere Muse! Nichts ist lächerlicher, als ein norddeutscher Geschäftsmann, der zu seiner Erholung des Sommers vier Wochen in's Bad geht, und nun durchaus nichts mit Zeit und Natur zu beginnen weiß. Ein solcher Mann ist eine ächt komische Figur, und ich muß sie mir für meinen Roman ausbilden.
Ihre Papiere sind angekommen, und ich sende sie Ihnen bald mit der fahrenden Post. Sehr glücklich würden Sie mich machen, wenn Sie mich auch in der Ferne zu Ihrem Geschäftsträger erwählten.
Meine Zeit ist etwas knapp, ich muß Ihnen herzliches Lebewohl sagen.
Ihr Freund
Immermann.
7
Magdeburg, den 15. Februar 1824.
Heute, meine liebe Freundin, sollen Sie einen Brief voll Stadtneuigkeiten haben, damit Sie sehen, wie nachtheilig die Entfernung von Ihnen auf mich wirkt. Ich fange an zu klatschen.
Unsre Jünglinge hier sind ganz andre Leute, als die dortigen. Auf einem Ball vor acht Tagen ist zwischen einem Referendarius und zwei Offizieren über einen Tanz der heftigste Streit entstanden, der sich durch zwei Duelle, eins auf den Degen und eins auf Pistolen, in dieser Woche ausgeglichen hat. Sie können denken, in welchem Aufruhr die hiesige Damenwelt sich befindet, und es ist nur schade, daß niemand blieb, alsdann würde erst der Jubel vollständig sein.
Ein armer Criminalrichter, der vom Morgen bis zum Abend inquirirt, darf leider an dergleichen nicht denken, und so fehlt ihm jedes Mittel, sich dem schönen Geschlechte interessant zu machen. Wenn ich genöthigt wäre, mich zu schlagen, so müßte ich es wahrhaftig am lieben, heiligen Sonntag thun, denn in der Woche hätte ich keine Zeit dazu.
Ich zähle jetzt jeden Tag, der uns dem Frühlinge näher bringt, mehr um Sie, als um mich. Wenn ich Sie nur erst mit Harke und Spaten im Garten beschäftigt, glühendroth im Antlitz, pflanzend und säend weiß, dann ist mir nicht bange für Sie, dann schweigt vor der äußeren Anstrengung die Erinnerung an die harten Schicksale, mit welchen der Himmel Sie prüfen, durch welche er Sie verklären will. – Unter den vielen guten Gaben, mit welchen Natur und Erziehung Sie bedachte, pries ich immer die Neigung, sich körperlich zu regen und zu bewegen. Es ist unbeschreiblich, was Sie dadurch für Vortheile über die stillsitzenden Damen erlangen. Ich bin zwar kein Wahrsager, aber Ihnen getraue ich mir doch ein recht zufriednes und gesundes Alter zu prophezeihen. Einer gewöhnlichen Frau dürfte man freilich nicht von ihrem Alter reden, entschuldigen Sie mich mit der Freimüthigkeit, die Sie mir immer erlaubten, daß ich zu Ihnen so ungalant sprach.
Liebe Freundin, Sie müssen sich wirklich meiner annehmen, wenn ich nicht dem Schönen absterben soll. Ich meine, daß Sie mir aus Ihrer Lectüre hin und wieder das Wissens- und Merkenswürdige mittheilen. Wenn ich jetzt nicht aufmerksam gemacht werde, so erfahre ich nichts, denn lange zu suchen und zu forschen, dazu fehlt die Zeit. – Wie oft besucht mein Geist den Bücherschrank und alle die Plätze, wo bei Ihnen die Literatur aufgestapelt liegt! Als ich Sie erst kennen lernte, hielt ich Sie für grundgelehrt, und scheute mich, weil ich meiner eigenen Ignoranz mir bewußt war, etwas vor Ihnen. Nachher habe ich denn erfahren, daß Sie etwas viel besseres sind, nämlich gebildet, das heißt nicht in dem abgenutzten Sinne der Zeit, sondern in dem Sinne, wo das Wort die harmonische Gestaltung des ganzen Wesens durch Lehre, Geschick und Nachdenken bezeichnet.
Diese Nacht habe ich im Traum den ganzen Tasso aufgeführt. Das ist ein Zeichen, daß wir uns bald wiedersehn werden, denn ohne Sie kann ich das Stück nicht geben.
Ihre Papiere sind am vorigen Posttage nicht angenommen worden, weil sie in Wachsleinwand eingeschlagen werden mußten. Sie langen nun künftigen Freitag an. Nebst meiner Empfehlung an den Herrn General bitte ich ihn in meinem Namen wegen dieser Verzögerung um Entschuldigung zu bitten.
Es sagt Ihnen herzliches Lebewohl
Ihr treuer Freund
Immermann.
8
Magdeburg, den 22. Februar 1824.
Ich muß zwar fast verzweifeln, meine liebe Freundin, Ihnen Neues und Interessantes zu melden, denn mein Leben geht hier sehr einförmig hin, indessen will ich die gute Gewohnheit der wöchentlichen Correspondenz doch nicht gleich in ihrem Entstehen wieder vergehn lassen, weil mir gar zu viel daran liegt, mit Ihnen in beständiger Verbindung zu bleiben, und diese nur durch ununterbrochene Correspondenz möglich wird. Briefe müssen sich dem Tagebuche nähern, dann ist ein Leben mit dem Entfernten gedenkbar, setzt man sich nur alle Monat einmal hin, um zu schreiben, so ist es keine Unterredung mehr, sondern ein Bericht, ein Vortrag.
Diese Woche war hier ein großer Ball bei Hake's in köstlich verzierten, nur etwas zu engen Zimmern. Die Dame muß außerordentlich viel Geschmack besitzen, alles zeugte von ihrem feinen Sinn. Ich tanzte nicht, spielte nicht, sondern bewegte mich, den Hut in der Hand, umher, und suchte – Sie! – Ich erinnerte mich nämlich einer ähnlichen steifen Geschichte bei Horn's, vor der ich mich sehr gescheut hatte, die mir aber das Gespräch mit Ihnen noch immer zur vergnügten Erinnerung macht. Sie können sich als Frau – mit angeborenem und durch Ihre Lage ausgebildetem Talente für gesellige Verhältnisse gerüstet, keine Idee von der Befangenheit machen, die mich jederzeit in großen Kreisen, besonders im Anfange befällt. Ich muß jederzeit alle Standhaftigkeit zusammennehmen, um nicht lächerlich zu erscheinen. Indessen tröstet mich zuweilen die Betrachtung, daß ich so viele Andere, welche recht routinirt zu sein glauben, bei dem Bestreben, sich zu produciren, die kuriosesten Figuren machen sehe. Die ächte feine Lebensart und Sitte ist etwas sehr Ausgezeichnetes, und eben so wenig durch Mühe und Arbeit zu erringen, wie jedes andre Talent. – Hake und die Gräfin besitzen es wirklich, es ist nicht möglich, mit mehr Anstand und Würde ein Fest zu geben, als sie thaten.
Sonst sind in dieser Woche für mich zum Theil recht unruhige und unangenehme Tage gewesen. Die Auction des Mobiliarnachlasses meiner Großmutter wurde vorgenommen, wobei ein solcher Lärm herrschte, daß ich immer meinte, sie würden mich mit losschlagen. Meines Verweilens in diesem Hause wird nicht lange sein, es wird höchst wahrscheinlich verkauft. Ich sehe mich deßhalb auch schon nach einer andern Wohnung um, und werde vermuthlich Ostern ausziehen.
Ich freue mich, daß Paulmann's Benefiz so gut ausgefallen ist. Er verdient wohl, daß man ihn achte. Menschen, die einen so hohen Begriff von der Kunst und ihrer Schwierigkeit haben, sind heutzutage selten, weil die Welt mit lauter Genies, denen nichts Mühe macht, besät ist. Es ist unglaublich, wie die ästhetische Oberflächlichkeit um sich gegriffen hat, und man kann es dem Publico nicht verdenken, wenn es am Ende von Kunst und Dichtung gar nichts mehr wissen will. Alles glaubt jetzt, wenn es das Patent der Bildung gelöst hat, musiciren, recitiren und dichten zu können. So verderben die vielen Pfuscher das Handwerk.
Wenn Sie wirklich nicht im »Ivanhoe« übersetzen, so haben Sie wohl die Güte, mir das Buch bald zu übersenden. So lieb mir Ihre Hülfe sein würde – ich glaube doch, daß ich mich nun wieder allein werde daran machen müssen.
Leben Sie wohl, theure Freundin! Mögen diese Zeilen Sie zu guter Stunde antreffen. Dies wünscht
Ihr Freund
Immermann.
9
Magdeburg, den 1. März 1824.
Recht herzlich freut es mich, liebe Freundin, von Ihnen vernommen zu haben, daß Sie gesund und wohl sind. Ihre Zeilen sind mir eine freundliche Erscheinung in meinem hiesigen strengen und ernsten Verhältniß, sie wehen mir wie die ersten lauen Lüfte des Frühlings Trost und Freude in's Herz, und erinnern mich wieder, daß es noch eine schönere Welt giebt, als die der sauren Arbeit und der todten Mühe. Es ist aber gut, wenn man auch solche Zeitläufte einmal durchmacht, damit man Fleiß an Andern schätzen lernt. Ich komme mir, wenn ich beim Schein meiner Morgenlampe mich zu den Akten setze, vor, wie einer von den Schmiedegesellen des Vulkan, die auch mit frühem Morgen das berußte Schurzfell umnehmen und in der Esse zu hämmern beginnen. Mit meinem Bruder, der in ähnlicher beständiger Arbeit steckt, scherze ich oft über unsere Lage und wir nennen uns gegenseitig die zwei Banausen. Sie erinnern sich des Worts, welches durch Vossens und Stolberg's Streit allgemein bekannt wurde, und in der ursprünglichen Bedeutung einen Menschen anzeigt, der beim Feuer arbeitet, in der abgeleiteten aber jeden bezeichnet, der sich handwerksmäßig abmüht.
Sie sind dort recht reich an Kunstgenüssen gewesen, und ich möchte fast mit Ihnen schelten, daß Sie den »König Lear« verschmähen konnten. Doch werde ich über diesen Punkt wohl nicht mit Ihnen fertig werden und wir wollen die Partie lieber für remis erklären, da ich um der Wahrheit willen mich nicht für matt erklären kann, auf der andern Seite es aber für unbescheiden halte, Ihnen fernerhin immerfort Schach zu bieten. Dem Herrn General danke ich im Namen der Kunst für die Paulmann zuerst angethane Ehre. – Hier steht es schrecklich mit dem Theater – nicht sowohl mit dem Personal, welches wirklich mittelmäßig genug ist, sondern mit dem Publico, welches kalt wie Eis sich nimmt, und nur am Sonntag – wenn das Haus voller Schüler, Handlungsdiener und Handwerksgesellen steckt, warm wird. – Die Musik ist die einzige liberale Beschäftigung, welche hier, wie aller Orten, blüht, wenn man die armselige Koketterie, die mit dieser Kunst getrieben wird, eine Blüthe nennen kann. Doch ist eine Diskantstimme hier – deren Genuß ich Ihnen wohl wünschte. Ein so herrlicher, reiner und unverbildeter Glockenton, daß man nichts Schöneres und Herzergreifenderes hören kann.
Nächstens werde ich auch einige Zeilen des Dankes und der Erinnerung an den alten Horn abgehen lassen. Er bleibt mir immer im Herzen. Hier steht sein Andenken – wenigstens bei den Männern – überall auf das beste angeschrieben. Sie sehen also, daß diese Liebschaft unsres Geschlechts – wie Sie oft die Neigung zu ihm nannten, eine allgemeine ist, und der würdige Herr zu den umworbenen und gefeierten Schönen gehört.
Leben Sie wohl, meine Freundin, und gedenken Sie Ihres Freundes in Gutem.
Immermann.
10
Magdeburg, den 6. März 1824.
Ihre letzten lieben Zeilen, meine Freundin, habe ich erhalten, und sage Ihnen herzlichen Dank dafür. Ich freue mich, daß Ihnen der projectirte Frauenverein Gelegenheit zur Thätigkeit geben wird, in der Ihnen so wohl ist; nur fürchte ich, daß die edle Errichterin Sie bald aus der schönen Vereinigung jagen wird, da mir ihr Talent zu lösen und zu stören, wohl – die Fähigkeit zusammenzuhalten aber weniger bekannt ist. Sie müssen sich indessen doch zwingen und so lange aushalten als möglich, denn etwas äußeres Leben ist jedem Menschen, besonders aber Ihnen, nöthig, wenn Sie nicht in düstern Trübsinn versinken sollen.
Wäre ich doch einer Ihrer reichen Verwandten, Sie sollten sich gewiß nicht über Verlassenheit zu beklagen haben. Wie traurig ist es, daß Freunde so selten Verwandte und Verwandte so selten Freunde sind! Die Verwandtschaft pflegt in der Regel sich nur durch Hemmen und Schenken bemerkbar zu machen, wenn aber Noth eintritt und man dann nach der Familie sich umsieht, da ist man ganz frei und unbeschränkt.
Vor einigen Tagen fand ich in »Des Knaben Wunderhorn« zwei Gedichte: »Lob der himmlischen Freuden« und »Antonius Fischpredigt,« die Ihrem komischen Sinne zusagen werden und deren Abschrift ich Ihnen das nächste Mal mitschicke. Könnte ich sie Ihnen nur vorlesen! Hier nimmt niemand irgend etwas von mir in Anspruch, als das Geschäftstalent, und das ist meine schwächste Seite. Ein Dichter ist wirklich ein sehr unglücklicher Mensch – alle andren Künste haben doch auch eine Art von Stelle in der Welt, der Dichter aber schwebt vogelfrei zwischen Himmel und Erde. Drum müssen wir uns an den Genuß halten, den wir selbst von unsren Vortrefflichkeiten haben, und unser Heil in der Einbildung suchen. –
Der Winter scheint seine Rechte nachholen zu wollen, es ist empfindlich kalt, jedoch heitrer, klarer Himmel; und wäre ich dort, so holte ich Sie heute zu einem Spaziergange ab. Hier komme ich nicht viel zum Wandern, ich suche mir aber dadurch zu helfen, daß ich stehend arbeite und beim Dictiren hin und her gehe.
Wenn jemand das Unglück hat, zur Festung verurtheilt zu werden, so wünsche ich ihm keinen andern Strafort, als Magdeburg. Denn um hier Glück in der Gesellschaft zu machen, muß man durchaus Staatsgefangener sein – diese dürfen überall erscheinen und erregen das meiste Interesse. Mehrere haben sich schon von hier Frauen geholt. – Mir kommt es mitunter so vor, als sei ich zur Festung verurtheilt, aber von Glück hat sich noch nichts einfinden wollen.
Leben Sie wohl, theure Freundin, und vergnügter als
Ihr Freund
Immermann.