Kitabı oku: «Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe)», sayfa 5
Arthur lächelte wieder, als ob er sagen wollte: Mein Scherz ist gelungen.
»Mein Kind«, flüsterte er, »deine Djali hat gut gespielt; fast hätte sie mir den Sieg streitig gemacht.«
»Ist sie doch meine Schülerin, die den Freund ihrer Lehrerin zu schätzen weiß.«
Wie jeder Eifersuchtsszene, wenn sie zu Ende gespielt wird, so folgte auch dieser eine innige Umarmung, in der Arthur alles vergaß, was vorgefallen war, und erst als die Uhr Mitternacht schlug, erinnerte er sich an den Aufbruch.
»Und wenn ich dich morgen Abend nicht in der Loge sehe?«, fragte Arabella beim letzten Kuss.
»Dann hat ein plötzlicher Tod meinem Leben ein Ende bereitet!«, rief der Dandy, aus dem in der letzten halben Stunde wieder ein glühender Liebhaber geworden war.
»Um Gottes willen«, rief Arabella erschrocken, »ich würde auf der Bühne zu Boden sinken, wenn ich dich nicht sähe!«
»Keine Sorge, mein Engel, du wirst mich sehen!«
Noch einen Kuss, dann trat Arthur ins Vorzimmer. Sally geleitete ihn bis zur Ausgangstür auf die Straße, die der Portier auf ihr Geheiß öffnete. Zofe und Portier empfingen jedes ein Goldstück für ihre Dienste.
»Ein artiger junger Mann«, meinte der Mulatte, indem er die Tür wieder schloss. »Wird er oft wiederkommen?«
»Ich glaube«, sagte die Zofe und fügte beschönigend hinzu, »er ist ja der künftige Gemahl meiner jungen Herrin.«
Als Sally in das Boudoir zurückkehrte, lag Arabella auf dem Sofa.
»Ich bin müde«, sagte sie, »entkleide mich.«
Die Zofe begann und vollendete ihr Geschäft.
»Miss«, sagte sie lächelnd, indem sie der Tänzerin einen weißen Nachtmantel überwarf, »ist etwas vorgefallen, das Sir Arthur erschreckt hat?«
»Hast du etwas gehört?«
»Nein, ich saß im Vorzimmer und war eingeschlafen, als er so stürmisch eintrat. Aber nachher, während Sie mit Arthur plauderten, habe ich etwas gehört, was mich ein wenig erschreckte.«
»Nun?«, fragte Arabella gespannt.
»In dem Baum, der sich vor dem Fenster des Vorzimmers erhebt, hörte ich plötzlich ein Knistern, als ob kleine Zweige abgebrochen würden. Ich lauschte, aber das Geräusch schwieg. Schon glaubte ich, mich getäuscht zu haben, als es sich abermals vernehmen ließ; es kam näher, immer näher, bis es sich endlich in ein Rauschen dicht unter der Fensterbrüstung verwandelte. Sie können sich meine Angst denken, denn ich vermutete, dass irgendein wildes Tier, das durch Zufall in diesen Baum geraten war, von dem Schein meines Lichtes angezogen würde.«
Arabella hatte mit ängstlichen Mienen zugehört.
»Und was tatest du?«, fragte sie kaum hörbar.
»Ich fasste mir ein Herz und schlug rasch die Fensterflügel zu. Gleich darauf kam Sir Arthur, dem ich bis zur Tür leuchtete. Dann habe ich nichts mehr gehört.«
»Es wird ein Nachtvogel gewesen sein«, meinte die Tänzerin beruhigt, schlang ihren Mantel fester um sich und wollte in ihr Schlafgemach gehen; an der Schwelle blieb sie jedoch noch einmal stehen. »Sally«, sagte sie, »bringe zuvor meine Djali zu Bett, ich werde noch einen Augenblick warten.«
»Das ist ja schon vor drei Stunden geschehen!«, antwortete Sally.
»Geh nur hinein, und du wirst zugleich den Grund für Arthurs Aufregung erfahren, den du doch gewiss gern wissen möchtest.«
Sally nahm ein Licht und ging ins Schlafzimmer. Arabella warf sich aufs Sofa und lächelte still vor sich hin, denn sie dachte an Arthurs Eifersucht. Plötzlich schreckte sie der laute Schrei des Kammermädchens in dem Kabinett auf, dem unmittelbar darauf das Geräusch eines harten Gegenstandes folgte, der in dem Schlafzimmer zu Boden fiel.
»Himmel!«, rief die Erschreckte und sprang an die geöffnete Tür. Sally trat ihr aus dem dunklen Zimmer entgegen. »Nun, was hast du, du bist bleich und zitterst?«
»Ich glaube es wohl«, stammelte Sally, »ein solches Gesicht kann ein Mädchen wohl erschrecken!«
»Was für ein Gesicht?«
»Das in das Fenster Ihres Schlafzimmers sah.«
Das arme Kammermädchen zitterte am ganzen Körper; es musste sich auf einen Stuhl setzen. Arabella, in ihrem weißen Mantel, stand wie die Statue einer gallischen Priesterin vor ihr. Einige Sekunden vergingen, ehe eine von den beiden Frauen ein Wort reden konnte. Die Tänzerin, die das Gesicht nicht gesehen hatte, war erschrockener als die Zofe, die es gesehen hatte.
»Sally, kann dich nicht der Schein des Lichtes getäuscht haben? Vielleicht, dass die Blätter des Baumes …«
»O nein, Miss Arabella«, sagte die Zofe, die sich wieder etwas erholt hatte, »der Schein des Lichtes fiel in das wirkliche Gesicht eines Mannes, der auf dem Baum saß und den Kopf ins Fenster steckte, als ob er in dem Zimmer etwas suchte.«
Arabellas Angst kehrte doppelt zurück, denn sie legte sich die Frage vor, ob Arthur das Gesicht gesehen hatte, oder nicht. Da fiel ihr Sallys Erzählung ein.
»Wann hörtest du das Geräusch auf dem Baum am Fenster des Vorzimmers?«, fragte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.
»Nachdem Sir Arthur mich durch sein stürmisches Eintreten aus dem Schlaf geweckt hatte.«
Arabella schöpfte wieder Atem, denn sie erinnerte sich, dass Arthur unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Vorzimmer in das Kabinett gegangen war, und war der Meinung, dass der durch das Schließen der Fensterflügel vereitelte Versuch, in das Vorzimmer zu dringen, den in dem Schlafzimmer zur Folge gehabt habe. Arthur konnte mithin das Gesicht nicht gesehen haben, da dessen Besitzer unmöglich in einer Minute jenen Baum verlassen und den an dem Fenster des Schlafzimmers ersteigen konnte. An einen Sprung war auch nicht zu denken, da die beiden Fenster des Boudoirs zwischen den fraglichen Zimmern lagen, vor denen keine Bäume standen.
»Und wie sah das Gesicht aus?«, fragte die junge Herrin weiter.
»Ach, mein Gott, ich konnte es nur einen Augenblick sehen, da mir vor Schreck das Licht aus der Hand fiel, aber dieser Augenblick genügte, um mir die fürchterlichen Züge auf ewig einzuprägen.«
»Nun, so rede, wie sah es aus?«
»Es war ein langes, braunes Gesicht mit zwei großen feurigen Augen, die wie Kohlen aus einem wilden, dunklen Bart glühten. Das lange Haupthaar hing verwirrt über die Stirn und lief an den Seiten mit dem Bart zusammen. Von dem übrigen Körperteil gewahrte ich nichts als den Kragen eines farbigen Hemdes, denn der Mann lag mit der Brust auf dem Fenstersims.«
Das war kein Liebhaber, dachte Arabella, das war ein Dieb, der Arthurs Eifersucht nicht erregen kann. »Und zog er sich bei deinem Anblick nicht zurück?«, fragte sie laut.
»Ich glaube, Miss, denn als ich mich ein wenig erholt hatte, hörte ich ein hohles Rauschen in den Zweigen, tief unter dem Fenster.«
»Gut«, sagte Arabella, die auf diese Nachricht den Mut einer Spanierin bekam, »so folge mir, wir wollen das Fenster schließen und dann zur Ruhe gehen.«
Mit diesen Worten ergriff sie das Licht und trat kühn in das Schlafzimmer. Sally bekam ebenfalls wieder Mut, als sie ihre Herrin ohne Furcht vorangehen sah. Kein Blatt regte sich in den Zweigen des Baumes am Fenster, und das Innere des Zimmers war so ruhig wie Djali, die ihr Bad verlassen und sich in einen mit Decken ausgefüllten Binsenkorb gelegt hatte, der ihr als Bett diente. Mit demselben Mut, mit dem sie eingetreten war, schloss Arabella die Flügel der Fenster und zog die Vorhänge zusammen.
Nach zehn Minuten lag Arabella unter der leichten, seidenen Decke ihres Bettes und dachte über die Vorfälle des Abends nach, und je mehr sie darüber nachdachte, desto ruhiger wurde sie, denn sie sah ein, dass Arthur in keinem Fall Anlass zu Argwohn nehmen konnte. Den kleinen Streit, den die Bäume vor den Häusern von New Orleans erregt hatten, hielt sie für einen Zufall, der mit dem Gesicht am Fenster durchaus nicht in Verbindung zu bringen war. Schon streckte der mohnbekränzte Schlummergott seine Arme nach dem reizenden Mädchen aus, als plötzlich ein Gedanke sein Köpfchen durchfuhr, der den wohltätigen Gott wieder verscheuchte.
Und wenn dieses Gesicht dennoch einem Liebhaber gehört hätte, war dieser Gedanke, wenn vielleicht ein abscheulicher, wilder Indianer dich zufällig gesehen hat und dir nun nachstellt? Sollte Arthur die Indianer nicht gemeint haben, als er von den Bäumen vor den Fenstern sprach? »Hu«, rief sie halblaut aus, »wenn ein solcher Mensch seine Arme nach mir ausstreckte – entsetzlich! – Doch nein«, fügte sie nach einer Pause hinzu, »Arthur wird mich schützen und vor den Angriffen dieser Leute sichern. Gute Nacht, mein lieber Freund, gute Nacht!«
Mit einem Lächeln, das die Eitelkeit hervorgebracht hatte, entschlummerte Arabella endlich.
Als Sally in ihr Zimmer trat, verschloss sie das erhaltene Goldstück in einem Kästchen, das noch eine Anzahl ähnlicher Münzen enthielt, denn es ließ sich ein heller Klang vernehmen, als sie es hineinwarf. Ob alle diese Goldstücke Geschenke von Arabellas Liebhabern waren, können wir nicht sagen, nur so viel glauben wir mit gutem Gewissen versichern zu können, dass sie die Zofe weder gefunden noch geerbt hatte.
Sollte man indes vermuten, das hübsche Kammermädchen fürchtete sich und dachte noch mit Schrecken an das braune, wilde Gesicht in dem Fenster des Schlafzimmers, so irrt man sich; Sally entkleidete sich mit ihrer gewöhnlichen Ruhe, schlüpfte wie ein Aal ins Bett und dachte zwar an die Erscheinung, aber nicht mit Schrecken, sondern mit der Meinung: Ich hätte auch diesem Gesicht die Tür geöffnet, wenn es meinen kleinen Schatz um einige Goldstücke vermehrt hätte.
Sally war zwar eine Engländerin, aber listig, gewandt und fein wie eine Französin.
Herrin und Zofe schlafen, wir wollen Sir Arthur auf seinem Heimweg begleiten.
Als der Portier die große Flügeltür hinter ihm geschlossen hatte, wandte er sich nach links und ging raschen Schrittes die vom Mond hell beleuchtete Straße hinab. Die einzelnen Bäume vor den Häusern, von denen einige einen nicht unbedeutenden Umfang hatten, warfen lange Schatten über den hellgrauen Boden der breiten Straße, sodass die eine Seite derselben dunkler war als die andere. Unser Held hielt sich auf der Seite, die nicht von den Bäumen beschattet wurde. Außer ihm und seinem Schatten, der mit langen Schritten neben ihm ging, befand sich kein lebendiges Wesen in der ganzen Straße. Die Bäume hatten diese Nacht ein ganz besonderes Interesse für den Dandy, denn sein Blick flog von einem zum andern, je nachdem er ihm näher kam. Dies ist wohl erklärlich, wenn man das Gespräch mit Arabella bedenkt. Der Anblick der Körper und ihrer Schatten, die sich in mannigfacher Gestalt zeigten, gewährten unserm Arthur die einzige Unterhaltung, denn die Erinnerung an die Szenen, die er mit Arabella gehabt hatte, wagte er nicht anzuregen, da sich die verunglückte Eifersuchtsszene immer in den Vordergrund drängte und ihm eine leise Schamröte ins Gesicht trieb – an Jenny, seine ihm bestimmte Braut, mochte er auch nicht denken, da ihm sein Herz, das der Leichtsinn noch nicht völlig besiegt hatte, Vorwürfe zu machen begann – und an seine übrigen Verhältnisse mochte er noch viel weniger denken, da sie sich in einem höchst beklagenswerten Zustand befanden, denn Arthur lebte wie ein Millionär, obgleich er kaum die Einkünfte eines preußischen Seconde-Lieutenants hatte. Er nahm also das Nächste, was ihm Zerstreuung bot, und dies waren die Bäume. Während er so über diese Wesen und ihre Nützlichkeit seine Betrachtungen anstellte, sah er in geringer Entfernung einen Baumschatten an der Erde, in dessen Umrissen eine lebhafte Bewegung stattfand. Es war natürlich, dass auch der Körper, der diesen Schatten warf, in Bewegung sein musste; aber wodurch sollte diese Bewegung verursacht werden? Die Luft war still und schwül, sodass sie kein Blättchen knistern ließ – von ihr konnte also keine Bewegung hervorgebracht werden, zu der mindestens die Kraft eines Herbststurmes erforderlich war. Aber selbst wenn in diesem Augenblick ein Orkan durch die Straße getobt wäre, so hätte sich seine Kraft an allen Bäumen äußern müssen, und nicht nur an dem einen – der Grund musste also in den Zweigen selbst liegen.
Einige Sekunden blieb Arthur stehen und betrachtete dieses Schattenspiel. In gleichmäßigen Schwingen bogen sich die Zweige auf und nieder und schienen nur dann und wann langsamer zu werden, um mit erneuerter Kraft ihre Bewegungen fortzusetzen. Leise schlich der Neugierige an die Häuser, wo die Bäume standen, und schlich ebenso leise von einem Baum zum andern, bis der nächste vor ihm der war, in dessen Zweigen die geheimnisvolle Bewegung stattfand.
Das Rauschen der Blätter schlug jetzt an sein Ohr; mit den Blicken aber konnte er nichts wahrnehmen, da die untersten Zweige ein dichtes Dach bildeten. Kaum hatte er dies bemerkt, als er mit einem leichten Sprung unter diesem Dach stand. Plötzlich schwieg das Rauschen und Arthur hörte folgendes Gespräch:
»Betty«, flüsterte die Stimme eines Mannes in den Zweigen, »schon seit einer Viertelstunde setze ich den ganzen Baum in Bewegung, um mich dir bemerkbar zu machen, und du hörst immer noch nicht – Betty, bist du am Fenster?«
»Pst! Pst! Pst!«, zischelte eine Stimme in dem Fenster des Hauses, vor dem der Baum stand.
»Öffne doch den Flügel, dass ich einsteigen kann – mich schmerzen die Füße, denn der Zweig ist dünn, auf dem ich stehe!«
»Um Gottes willen, nicht so laut!«, flüsterte die Stimme einer Frau, und Arthur hörte deutlich, dass sie in großer Angst sein musste.
»Bist du nicht allein, süße Freundin?«
»Nein, nein!«
»Ist dir ein Unglück widerfahren?«, flüsterte die Stimme in dem Baum mitleidig.
»Mein Mann ist zu Hause«, war die traurige Antwort.
»O weh! Ist er in deinem Zimmer?«
»Nein, er ist schon zu Bett gegangen; ob er aber schläft, weiß ich nicht.«
»Der Esel! Warum ist er nicht auf seiner Pflanzung?«
»Er sagt, er sei krank. Doch wenn dir meine Ruhe lieb ist, William, so verlass den Baum und kehre für heute still nach Hause zurück.«
»Ohne einen Kuss von dir erhalten zu haben? Betty, süßes Weib, was verlangst du? Nur fünf Minuten lass mich ein, ich beschwöre dich!«
»Wo denkst du hin? Das Schlafzimmer meines Mannes grenzt an dieses Zimmer, sein Fenster wird fast von den Zweigen berührt – er wird uns hören! Geh, William, morgen Abend bin ich allein!«
»O dieser alte Pflanzer – dass ihn ein brauner Bär verschlungen hätte! Also morgen um Mitternacht?«
»Ich erwarte dich, geliebter Freund. Kommst du auch gewiss?«
»Wenn mir Hände und Füße den Dienst nicht versagen, ersteige ich um Mitternacht diesen Baum. Schlaf wohl, herrliche, unglückliche Betty!«
Statt der Antwort auf diesen herzlichen Gruß krachte ein Schuss aus dem Fenster des Hauses. In den Blättern des Baumes rauschte es, als ob ihn ein Hagelsturm durchsauste und ein unterdrückter Schrei scholl daraus hervor. Ein zweiter durchdringender Schrei ließ sich am Fenster vernehmen.
Die tragische Wendung dieser erotischen Szene berührte den lauschenden Arthur so unangenehm, dass er mit einem Satz in der Mitte der hellen Straße war und eiligen Schrittes seinen Weg fortsetzte. Der Gedanke, der zärtliche Liebhaber könne seine Treue mit dem Tode besiegeln, da der Schuss aus dem Fenster mitten in den Baum gerichtet zu sein schien, nebst der Tatsache, dass ein Mord immer eine peinliche Sache bleibt, trieb ihn dergestalt zur Eile an, dass er das Öffnen einiger Haustüren und den Klang ihn verfolgender Schritte nicht hörte. Mit dem Urteil beschäftigt, ob die Frau nicht ebenso gut einen Schuss verdient habe wie der Liebhaber in dem Baum, bog er nach fünf Minuten um eine Straßenecke und trat in den Schatten einer dichten Allee. Hier ging er plötzlich langsamer, da er erschöpft war und nicht annehmen konnte, dass er in dieser Entfernung noch in die Folgen des Schusses verwickelt werden würde. Doch kaum hatte er einige hundert Schritte in seiner Ruhe zurückgelegt, als er plötzlich wieder durch das Geräusch laufender Personen aufgeschreckt wurde. Er drehte sich um und sah zwei männliche Gestalten so schnell die Allee herabschweben, dass er kaum so viel Zeit hatte, ihnen durch einen Sprung in das Seitengebüsch den Weg zu räumen. Die beiden Männer mussten ihn aber gesehen haben, denn sie schossen wie Pfeile auf das Versteck los und schon nach einigen Minuten fühlte sich Arthur von vier kräftigen Armen festgehalten.
»Was wollt Ihr?«, rief er entschlossen die Männer an, die mit dicken Bambusstöcken bewaffnet waren – ein Zeichen, dass sie auf den Vorfall vorbereitet gewesen sein mussten.
»Schurke, deine letzte Stunde hat geschlagen!«, rief einer der Männer, indem er seinen Knüttel schwang.
»Lass ihn, Tom, wir schleppen ihn an den Ort seines Frevels!«, rief der andere.
Arthur glaubte, er habe es mit dem Mann der treulosen Frau zu tun, deshalb schleuderte er den mit »Tom« Angeredeten so kräftig zurück, dass er mit dem Gesicht in einen Johannisbeerstrauch fiel, aus dem er sich nur mühsam wieder befreien konnte.
»Seid Ihr wahnsinnig?«, rief Arthur außer sich. »Noch einmal, was wollt Ihr?«
Statt der Antwort wurde er von einem Paar Eisenfäusten dergestalt bei der seidenen Krawatte ergriffen, dass er fast die Besinnung verlor. Er wollte schreien, aber die zusammengepresste Kehle vermochte keinen Ton hervorzubringen. So wurde er aus dem Gebüsch in die Allee geschleppt. Da änderte sich plötzlich die Szene. Die hochgewachsene Gestalt eines Mannes trat heran, ergriff den Würger bei beiden Schultern und schleuderte ihn zu Boden. Dieser hielt jedoch den stöhnenden Arthur so fest, dass er ihn mit sich hinabzog.
»Zurück«, donnerte der Mann, »oder mein Waidmesser zerschmettert euch die Schädel.«
Diese Worte hatten eine mächtige Wirkung. Der Mann, den Arthur in den Strauch geschleudert hatte, lief mit der Schnelligkeit eines Indianers den Weg zurück, den er gekommen war, und sein Genosse, der am Boden lag, ließ erschrocken die Kehle Arthurs fahren, raffte sich auf und folgte seinem Freund, aber nicht mit derselben Schnelligkeit; wie es schien, hatte ihn der Fremde zu unsanft zu Boden geworfen – er hinkte ein wenig. Arthur, am Boden sitzend, sah sich einen Augenblick um, fuhr mit der Hand über sein glühendes Gesicht, und als er einigermaßen wieder zur Besinnung gekommen war, stand er langsam auf.
»Mein Herr«, stammelte er in großer Verlegenheit, »Sie fanden mich in einer Lage, die mir ebenso unerwartet kam, wie ich entfernt bin, einen Grund dafür zu ahnen – nehmen Sie meinen Dank und die Versicherung, dass ich mir nichts bewusst bin …«
»Genug!«, antwortete die tiefe Stimme des fremden Mannes. »Ich weiß, dass diese Leute keinen Grund hatten, sich an Ihrer Person zu vergreifen; sie wurden von einem Irrtum geleitet. Setzen Sie unbesorgt Ihren Weg fort, man wird Sie nicht wieder insultieren!«
Diese Worte wurden mit einer Autorität gesprochen, die unseren Helden mit einer Achtung erfüllte, die fast an Furcht grenzte. Er forschte nach den Gesichtszügen des Sprechers, doch ein großer Hut mit breiter Krempe bedeckte Stirn und Nase, sodass er nur den unteren Teil des Gesichtes erkennen konnte, der von einem großen Bart umgeben war.
»Darf ich wissen« begann Arthur wieder, indem er sich verbeugte, »wem ich zu Dank verpflichtet bin?«
»Nein!«, war die raue Antwort. »Gehen Sie nach Hause und kümmern Sie sich nie wieder um die Bäume, die vor den Fenstern stehen!«
Mit diesen Worten hatte ihm der sonderbare Mann den Rücken zugekehrt und wieder den Weg zurück zur Straße eingeschlagen. Staunend sah ihm der junge Mann so lange nach, bis sich seine Gestalt in den Schatten der Bäume verlor. Jetzt war alles still um ihn – kein Blatt, kein Vogel, kein Lüftchen regte sich, nur der Schuss und die letzten Worte des fremden Mannes summten noch in seinen Ohren. Endlich raffte er sich auf, drehte sich um und setzte nachdenkend seinen Heimweg fort.
Arthurs Wohnung befand sich in dem Haus der alten Witwe eines englischen Kaufmanns, der in Manchester einen Bankrott von hunderttausend Pfund gemacht hatte und in New Orleans und Umgegend vielleicht ebenso viel an Grundstücken besaß, wie er in England schuldig geblieben war. Dieser praktische Kaufmann war gleich nach seiner Übersiedlung gestorben, um seiner Frau das kleine Vermögen und einen fetten Mops zu hinterlassen, der die ganze Familie ausmachte. Man kann sich wohl denken, dass die Revenuen dieser Witwe und ihres Mopses nicht unbedeutend waren. Beide bewohnten ein prachtvolles Haus, das in der Mitte eines ziemlich großen Gartens lag. Ein Zufall hatte gefügt, dass Arthur die Witwe kennenlernte, und da sie Raum genug in dem Haus und eine besondere Zuneigung in dem Herzen zu dem interessanten jungen Mann hatte, so war unserem Helden der freundliche Antrag, zwei Zimmer für sich und einen Stall für sein Pferd zu benutzen, wenn er sich in der Stadt aufhalten wolle, kein unwillkommener gewesen. Arthur wohnte also im Erdgeschoss des Hauses, das dieser Witwe gehörte.
Nach zehn Minuten stand er an einem großen Eisengitter und zog an einem Griff, den ein langer Draht mit einer Glocke im Inneren des Hauses verband. Es vergingen abermals fünf Minuten und ein kleiner Mensch in Jockey-Livree erschien, um zu öffnen. Dieser Mensch war ein junger Neger, der die Posten des Kammerdieners, des Reitknechts und des Leibjägers bekleidete.
Schweigend ging Arthur über den mit Sand bestreuten Weg auf das Haus zu und der Neger folgte, nachdem er die Tür wieder verschlossen hatte. Die Fenster seines Zimmers waren geöffnet und der Mond schien so hell herein, dass der Eintretende sogleich einen Brief erkannte, der auf dem Tisch lag.
»Bob, Licht!«, befahl er dem Neger.
Bob spielte den Kammerdiener und brachte das Verlangte. Verwundert sah er einen Augenblick die beschmutzte Kleidung seines Herrn an, dann zog er sich in das Vorzimmer zurück.
Arthur betrachtete die Aufschrift des Briefes. Die Züge schienen ihm nicht fremd zu sein, denn er erbrach den Brief mit einer Miene, als ob er sagen wollte: Ich vermute, was der Absender mir mitteilt.
Arthur las.
»Diesen Nachmittag ließen mir Ihre beiden Wechselgläubiger die unangenehme Notiz zugehen, dass sie Ihnen nur noch eine Frist von drei Tagen zur Einlösung der Wechsel gestatteten und dass sie nach Ablauf derselben unfehlbar von ihrem Recht Gebrauch machen würden. Als Ihr Sachwalter verfügte ich mich in die Wohnung dieser beiden Herren und versuchte persönlich, einen neuen Aufschub zu erlangen; meine Worte aber fanden kein Gehör und selbst der Hinweis auf Ihre bevorstehende Heirat mit Miss Jenny, der seine Wirkung sonst nicht verfehlte, blieb dieses Mal ohne Erfolg. Wie es scheint, haben die beiden Spekulanten das Zutrauen zu dieser Heirat verloren, oder sie beabsichtigen einen neuen Coup, der neue Zinsen eintragen soll. So viel steht fest, dass sie sich nach drei Tagen Ihrer Person wollen bemächtigen lassen, wenn bis dahin keine Zahlung erfolgt. Dies zur schuldigen Nachricht von Ihrem
Morris, Advokat.«
Kaum hatte unser Dandy diese tröstlichen Zeilen gelesen, so gab er ein Zeichen mit der Glocke, die auf dem Tisch stand. Bob trat ein.
»Wie spät ist es in der Nacht, Bob?«
Der Neger zog eine große, dicke Uhr mit Schildpattgehäuse aus der Tasche, betrachtete einen Augenblick das Zifferblatt und antwortete:
»Halb zwei Uhr, Sir!«
»Gut. Um drei Uhr sind die Pferde gesattelt; wir reiten hinaus zur Pflanzung. Sind die Gewehre in Ordnung?
»Ich habe mich diesen Abend darum gekümmert.«
»So halte sie bereit, ich will jagen!«
Bob verließ das Zimmer und ging in den Stall. Arthur zog seinen grünen, beschmutzten Frack aus und legte einen leichten Schlafrock aus dunkelroter Seide an. Nachdem er sich behaglich eine Zigarre angezündet hatte, warf er sich aufs Sofa und überließ sich seinen Gedanken.
Arthur war einer von den Charakteren, die für die Zerstreuungen, die der Zufall bietet, wie sie auch immerhin kommen mögen, im höchsten Grade empfänglich sind; er war ein Weltmann, der am Morgen vergessen hatte, was er am Abend getan hat, und mittags nicht wusste, was er nachmittags machen sollte. Er fasste die sichersten Beschlüsse und ließ sie ebenso sicher wieder fallen. So war sein erster Gedanke, nachdem er den Brief gelesen hatte, zu Jenny zu eilen, den letzten Willen des Vaters durch die Heirat zu erfüllen, seine Schulden von dem erheirateten Vermögen zu bezahlen und ein ordentlicher Pflanzer zu werden. Arabella, in der er nicht mehr und nicht weniger als eine Tänzerin sah, obgleich er von ihren Reizen mächtig gefesselt wurde, hoffte er, in dem Wahn zu lassen, dass er sie liebte, um später, wenn sie New Orleans den Rücken gekehrt haben würde, den Kontakt zu ihr völlig abzubrechen.
Man sieht aus diesen Plänen, dass Arthur den Leichtsinn eines echten englischen Dandys besaß und dass er seine Heirat mit Jenny vielleicht noch weiter hinausgeschoben hätte oder vielleicht gar nicht darauf eingegangen wäre, wenn ihn seine Verhältnisse nicht dazu gezwungen hätten.
Indem er dichte Rauchwolken an die Decke des Zimmers wirbeln ließ, stieg plötzlich ein anderer Gedanke in ihm auf, den ein Vergleich zwischen Jenny und Arabella erzeugt hatte. Er wollte mit der Tänzerin fliehen. Fast entzückt über den Einfall, verließ er das Sofa und ging in großen Schritten auf und ab.
»Arabella liebt dich«, flüsterte er vor sich hin, »sie wird den Vorschlag mit Freuden annehmen; außerdem ist sie reizender als Jenny und weiß das Herz eines Mannes besser und länger zu fesseln als die Tochter eines Pflanzers in Louisiana. Wir bereisen die größten Städte Europas, und ich weide mich an den Triumphen, die meine Frau durch ihre Kunst erringt. Ja, ich bleibe bei Arabella!«
Doch schon der nächste Augenblick änderte diesen Entschluss wieder, und sein Leichtsinn unterlag diesmal der ruhigen Vernunft.
»Aber wie lange wird Arabella ihre Kunst üben können?«, fragte er sich. »Sie ist ohne Vermögen und ich besitze nichts als zehntausend Dollar Schulden. Was soll aus mir werden, wenn die Tänzerin keine Grazie und Elastizität mehr besitzt? Oder was soll aus mir werden, wenn sie meine Armut entdeckt, mich verlässt und einem Reichen den Vorzug gibt? – Jenny dagegen hat eine ausgedehnte Pflanzung, die in meinen Besitz übergeht – nein, Arabella, das Wagnis wäre zu groß – ich heirate meine Jenny, die auch ein hübsches Gesicht und eine zierliche Taille besitzt!«
Nachdem dieser Entschluss feststand, betrachtete er so lange den Mond, bis Bob meldete, dass die Pferde gesattelt im Hof ständen.
Arthur kleidete sich an, warf Büchse und Jagdtasche um, bestieg sein Pferd und sprengte durch die mondhelle Nacht, dass es Kies und Funken stob.
Bob folgte auf einem mageren Klepper, der aber dem schlanken, glänzenden Tier seines Herrn an Schnelligkeit nicht nachstand.