Kitabı oku: «Der Heilungsweg des Schamanen im Lichte westlicher Psychotherapie und christlicher Überlieferung», sayfa 3

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Albert Einstein: »Ich vertraue auf Intuition.«

Es tut gut, nach der etwa fünfhundertjährigen Überbetonung der Vernunft und der fast ausschließlichen Wertschätzung des Denkens und Lenkens nun wieder den Wert des anderen Pols zu erkennen. Im Duden finden wir unter »Intuition«: »unmittelbare ganzheitliche Sinneswahrnehmung, ohne Reflexion entstandene Erkenntnis des Wesens eines Gegenstandes«. Manchmal wird sie als »Wissen ohne Wissen« bezeichnet. Wolfgang Amadeus Mozart (†1791) und Johann Wolfgang von Goethe (†1832) berichteten übereinstimmend von Einfällen in Überfülle, die in bestimmten Augenblicken kamen, die sie aber nicht herbeizwingen konnten. Intuition spielt aber nicht nur im Wirken des Künstlers eine entscheidende Rolle:

Manche knifflige wissenschaftliche Probleme wurden auf diesem Weg gelöst, worauf nicht nur Albert Einstein (†1955) verwiesen hat. Zum Beispiel: berichtete der Chemiker August Kekulé (†1896), dass er die Ringstruktur des Benzols durch Bilder von Schlangen, die ihm im Halbschlaf gekommen waren, entdeckt hatte; und auf ähnliche Weise entschlüsselte Melvin Calvin (†1997) die Geheimnisse der Photosynthese. Der Physiker Michael Boris Green entwickelte die Stringtheorie, nachdem ihm unverständliche, verrückte Bilder in den Sinn gekommen waren.

Wenn es stimmt, dass der Mensch vielleicht 100.000 Entscheidungen pro Tag zu treffen hat, wäre dabei das bewusste logische Denken absolut überfordert. Wir entscheiden vorwiegend intuitiv, nachweislich kurz bevor sich unser Denken damit befasst – mit dem »Bauch-Hirn«, das mit seinen etwa 100 Millionen Nervenzellen v.a. im Darm zu lokalisieren ist und laut aktueller Forschung fast 9-mal mehr Informationen nach oben schickt als umgekehrt. Das gilt für kleine tägliche Entscheidungen ebenso wie für die Partnerwahl oder Managemententscheidungen. Interessanterweise heißt es schon in den Psalmen (16,7): »Selbst des Nachts unterweisen mich meine Nieren.«

Diese bei jedem Menschen vorhandene Fähigkeit kann man auch bewusst trainieren und nützen. Unsere frühen Vorfahren haben in der Nutzung dieser Erkenntnisquelle über Jahrtausende Erfahrungen gesammelt. Schamanische Arbeit funktioniert nämlich nur, wenn man (wie in anderen spirituellen Traditionen) das Denken reduziert, sein Ich und die eigenen Absichten zurückstellt und sich der Intuition überlässt.

Zum Beispiel: macht der gewiefte Westler vor einer Entscheidung eine Pro- und Contra-Liste für jede Alternative, gewichtet die Argumente, diskutiert mit anderen darüber, macht vielleicht ein Gruppen-Brainstorming und zerbricht sich den Kopf, was die beste Lösung sein könnte. Wenig üblich ist, – vielleicht zusätzlich – sich still hinzusetzen, mit dem Nachdenken aufzuhören und sein Unbewusstes um Hinweise auf die richtige Lösung zu bitten, die auch durch kleine Körpersignale bestätigt werden können.

Wie unsere Altvordern wartet man nicht auf eine spontan auftretende Eingebung, sondern begibt sich in einen veränderten Bewussheitszustand, der intuitive Einfälle ermöglicht – eine natürliche Fähigkeit, die grundsätzlich jeder lernen und üben kann und wohin er sowieso jede Nacht reist. Man könnte auch sagen: es handelt sich um induzierte Träume.

Diese Methoden (in der schamanischen Sprache: Befragung der Geister) könnten wie in den Stammeskulturen nicht nur zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, sondern auch zur Lösung politischer, wirtschaftlicher sowie wissenschaftlicher und technischer Fragestellungen. Die Antworten entsprechen allerdings nicht immer dem, was man vorher vermutet und sich gedanklich zurechtgelegt hatte. Aber die Lösungshinweise, die (psychologisch gesprochen) aus der Weisheit des – kollektiven – Unbewussten aufsteigen, bzw. (schamanisch gesprochen) einem in Trance in der Anderswelt geschenkt werden, sind meiner Erfahrung nach verlässlich und stehen im Einklang mit dem Wohl des ganzen Universums. Sie kommen oft nicht in »digitaler« Form, sondern »analog« in Form von Bildern, die erst entschlüsselt werden müssen.

Susanne mailte mir: »Ich sah Würmer unter meinem Weisheitszahn, damit konnte ich nicht wirklich was anfangen. Als ich in der darauf folgenden Nacht träumte, dass sehr viele Ameisen im Mund diese Würmer auffraßen, streckte ich die Fühler nach einem Zahnarzt aus und vereinbarte einen Termin.

Röntgen und Untersuchung ergaben, dass der Zahn ok wäre und ich bestand dennoch drauf, dass er rausgerissen wird. Wir staunten beide nicht schlecht, als am Zahn eine Zyste dranhing, die fast gleich groß war wie der Zahn selbst. ›Höchste Zeit,‹ war der Kommentar des Zahnarztes. Du kannst Dir vorstellen, wie dies mein Vertrauen in meine Intuition gestärkt hat.«

So nähern wir uns einer zweiten Grundannahme, die sich wesentlich von unserer vergleichsweise erheblich eingeschränkten Sichtweise im Westen unterscheidet. Es fragt sich ja:

Wie kann eine Person von einer anderen etwas spüren und wissen, was sie gar nicht wissen kann?

Das lässt den, der zum ersten Mal einer schamanischen Behandlung beiwohnt, ergriffen, aber verwundert den Kopf schütteln.

Doch das Phänomen kennen wir auch aus verschiedenen Richtungen der Psychotherapie: ob in Gestaltarbeit, Psychodrama, in der Familienrekonstruktion, der Part s Party, bei Familien- oder Strukturaufstellungen – wer mit diesen Methoden arbeitet, hat die Erfahrung gemacht, dass man sich auf die wesentlichen Aussagen der Darsteller/Rollenspieler (von seltenen Ausnahmen abgesehen) verlassen kann.

Es kommt vor, dass vom Spieler sogar dieselben Formulierungen gebraucht werden, die der Fallbringer vom Dargestellten kennt, dessen Symptome er ansatzweise spürt, selbst wenn dieser schon gestorben ist.

Fachleute sagen ja, dass eine Gitarrenseite – einmal gezupft – nie wieder aufhören wird zu klingen, auch wenn wir den Ton mit unseren Ohren bald nicht mehr wahrnehmen. Theoretisch sei es möglich, mit einem sensiblen Messgerät Töne hörbar zu machen, die vor hunderten Jahren erklungen sind. Haben wir in Trance etwa diese Fähigkeit?

Unsere abendländische Kultur ist die einzige auf der Welt und in der Geschichte, die die Individualität in nie gekanntem Maße betont. Wir sind es gewohnt, uns als Einzelwesen, getrennt von allen anderen, zu sehen. Aus schamanischer Sicht wird die Einzelausformung und Unterscheidbarkeit des Einzelnen vom Anderen nicht geleugnet, so wie auch ein Finger sich vom anderen unterscheidet und sogar eigene Namen hat: Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger ... Was unsere Kultur trotz der Entwicklung der Systemtheorie nicht sehr ernst nimmt, ist, dass Alles mit Allem verbunden ist. Schamanisch wird der ganze Kosmos wie ein einziger Organismus gesehen.

Zweite Grundannahme: Alles ist Teil eines Ganzen.

Wenn ein Finger verletzt wird, spürt dies auch der andere Finger, denn es gibt Verbindungen: Haut, Gewebe, Blut- und Nervenbahnen ... Sehe ich mich also als Teil eines Körpers, gibt mir das nicht nur Kraft durch die Erfahrung des Verbundenseins, sondern ich kann die Verbindung auch nützen und wahrnehmen, was in einem anderen Teil des einen los ist. Ich brauche also keinem eine Ohrfeige zu geben, da kann ich mir ja gleich selbst eine runterhauen; und wenn ich einem anderen Liebes antue, dann beschenke ich dadurch auch mich selbst.

»Wir … wissen auch, dass wir als lebendiger Teil dieser Erde

ihr nicht Gewalt antun können,

ohne uns selbst zu verletzen.«

Lame Deer, Lakota-Häuptling (†1877)

Diese uralte schamanische Sicht der Einheit aller Lebewesen fand auch Eingang in den Hinduismus, Jainismus und Buddhismus, wo sie einen bedeutenden Impuls für das praktische Leben darstellt.

In der jüdisch-christlichen Tradition wurde oft der Auftrag Gottes: »Macht euch die Erde untertan!« (Gen. 1,28) missverstanden, dass man die Natur brutal ausbeuten dürfe.

Wie anders spricht Roy SESANA (2005), der alte San aus der Kalahari-Halbwüste in Botswana, z. B. über die Jagd:

»Ich kann Worte nicht lesen. Doch ich kann das Land lesen und die Tiere. Alle unsere Kinder können dies. Könnten sie es nicht, wären alle längstens schon tot ... Jagen heißt: Zu den Tieren gehen und mit ihnen zu sprechen. Du stiehlst nicht ihr Leben. Du gehst hin und fragst ... Du spürst der Antilope nach ... Du sprichst zu ihr und schaust ihr in die Augen. Und dann weiß sie, dass sie dir ihre Kraft geben muss, damit deine Kinder weiterleben können.«

Tobee Tcori, wie er auch genannt wird, der bekannteste Sprecher der Buschleute, hat 2005 für den Kampf gegen die Vertreibung seines Volkes, das wegen des Diamantenabbaus aus ihrer Heimat zwangsumgesiedelt worden war, den Alternativen Nobelpreis erhalten.

Der Biologe und Kulturwissenschafter Andreas WEBER (2007), der der Frage nachgeht, was wir in uns vernichten, wenn wir die Natur zerstören, präzisiert: »Lange Zeit haben Biologen und Philosophen zu solchen Themen geschwiegen. Erst seit den letzten Jahren beginnen sie zu begreifen, wie sehr wir mit anderen Wesen verbunden sind ... Ohne lebende Wesen um uns herum ... müssen unsere eigenen Empfindungen verkümmern ... Denn wir sind Tiere. Darum gehört zu dem, was unser innerstes Wesen ausmacht, auch das, was andere Tiere uns zu zeigen vermögen ... In den abgründigen Augen der wilden Kreaturen sehen wir uns selbst ... Alles Seelische hat eine körperliche Kehrseite. Wir sind in unserer Psyche mit der Natur verflochten ... Das heißt freilich zu begreifen, dass es auf diesem Planeten kein Drinnen und kein Draußen gibt, keine Systeme, die exklusiv für den Menschen gelten und nicht für Fische und Vögel, Tauben und Tiger. Genauso wenig existiert ein isoliertes Reich des Geistes.«

Weber zieht eine besorgte Bilanz: »Das Ende des ökologischen Zeitalters, so fürchten manche, wird eingeläutet durch die schleichende Machtübernahme von transnationalen Konzernen wie Monsanto, die sich an keine demokratische Errungenschaft mehr gebunden fühlen; durch kapitalistische Diktaturen wie China, die Umwelt- und Menschenrechte gleichermaßen ignorieren und den Abschied von ihnen auch hierzulande zunehmend erzwingen. Der Sibirische Tiger und der Yangtse-Delfin sterben darum nicht allein. Wir sterben jetzt schon mit ihnen.«

Seit alters werden alle Dinge als Geschwister und Verwandte gesehen, als Abkömmlinge des Großen Geheimnisses:

»Gott schläft im Stein,

atmet in der Pflanze,

träumt im Tier,

wacht auf im Menschen,« heißt es in einem alten Spruch, der immer wieder verschieden formuliert wird ( z. B. Rudolf KAISER, 1990).

Alles, was existiert, ist aus der einen Schöpferkraft hervorgegangen (wie immer man sich diese vorstellt) – religiös ausgedrückt: aus Gott – und ist daher gleicherweise göttlich und gleicherweise Geschöpf wie alles andere, was existiert. Das hat natürlich einen ganz anderen, achtungsvollen Umgang mit der übrigen Natur zur Folge. Wenn Tiere oder Pflanzen ihr Leben hingeben, um mich zu ernähren, werde ich mich selbstverständlich bei ihnen dafür bedanken und vielleicht eine Gegenleistung bringen, was manchmal zutreffend, aber meist missverständlich als »Opfer« bezeichnet wird. Das englische »to offer« bedeutet einfach, etwas anzubieten – etwa, wie man selbstverständlich ein Gastgeschenk mitnimmt.

Aus schamanischer Sicht umfasst diese Verbundenheit eben nicht nur alle Menschen, sondern alles, was existiert: auch Tiere, Pflanzen, Materie, den ganzen Kosmos, alles, was existiert hat und existieren wird, vom Anfang bis zum Ende der Zeit:

»Ich war da in vielen Erscheinungsformen, ehe ich die

mir gemäße Gestalt fand.

Die schmale Schwertklinge war ich und bin die vergoldete

Lanze gewesen.

(Und werde sie wiedererkennen, wenn sie sich mir von

neuem zeigen.)

Ich war ein Regentropfen in der Luft und war ein leuchtender

Stern am Himmel.

Das Wort in einem Buch war ich und bin im Beginn ein

Buch gewesen.

Ich war das Licht in einer Lampe, dreimal in Folge, je eine Zeit.

Eine Brücke war ich und spannte mich über dreimal zwanzig Flüsse.

Als Adler kreiste ich in den Lüften und durchpflügte als Schiff

das Meer.

In der Schlacht führte ich die Krieger, war das Band an der

Windel des Säuglings.

Das Schwert in einer Hand war ich und das Schild im Kampf.

Eine Harfensaite bin ich gewesen, neun Jahre lang, dann vom

Zauber gebannt für ein Jahr in das Gischten des Meeres.

Ich war der Schürhaken im Feuer und war ein Baum tief

im Dickicht.

Nichts existiert, mit dessen Wesen ich mich nicht verbunden hätte.«

heißt es in dem Gedicht »Cad Goddeu«, das Taliesin zugeschrieben wird, einem vermutlich historischen Barden des 6. Jahrhunderts (siehe Fritz LAUTENBACH, 1991),

»Ich bin alt. Ich bin jung. Ich weiß, was gesagt wurde,« in einem anderen keltischen Lied.

Wer länger meditiert, kennt diese All-Einheits-Erfahrung, in der sich alle Grenzen aufheben, was einen fasziniert und erschüttert zugleich. »Alles ist eines. Und eines ist alles,« beschreibt Meister Eckhart (†1328) diese schwer in Worte zu fassende Erfahrung.

Das erinnert an die schöne Beschreibung von Hermann HESSE (1981):

»Siddhartha bückte sich, hob einen Stein vom Erdboden auf und wog ihn in der Hand. ›Dies hier‹, sagte er spielend, ›ist ein Stein, und er wird in einer bestimmten Zeit vielleicht Erde sein, und wird aus Erde Pflanze werden, oder Tier oder Mensch. Früher nun hätte ich gesagt: Dieser Stein ist bloß ein Stein, er ist wertlos, er gehört der Welt der Maja an; aber weil er vielleicht im Kreislauf der Verwandlungen auch Mensch und Geist werden kann, darum schenke ich auch ihm Geltung. So hätte ich früher vielleicht gedacht. Heute aber denke ich: Dieser Stein ist Stein, er ist auch Tier, er ist auch Gott, er ist auch Buddha, ich verehre und liebe ihn nicht, weil er einstmals dies oder jenes werden könnte, sondern weil er alles längst und immer ist – und gerade dies, dass er Stein ist, dass er mir jetzt und heute als Stein erscheint, gerade darum liebe ich ihn, und sehe Wert und Sinn.‹«

Aus dieser ganzheitlichen Sichtweise werden viele Phänomene verständlich, bis hin zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgängen. Der Zusammenhang des Individuums mit dem Ganzen wird auch schön beschrieben in der taoistischen Geschichte vom Regenmacher:

In einem Dorf in China herrschte eine furchtbare Dürre. Als alle üblichen Methoden nichts fruchteten, holte man den berühmten Regenmacher aus dem fernen Dorfe. Er erbat sich ein kleines Haus am Dorfrand, die Mahlzeiten sollte man außen hinlegen und ihn auch sonst nicht stören. Als es nach Tagen noch immer nicht regnete und die Leute bereits ungeduldig wurden, ging die Tür auf und er trat heraus. Da zogen Wolken auf und ein herrlicher Regen erfrischte das Land. Die Menschen fielen auf die Knie und bewunderten den großen Regenmacher. »Ich bin gar keiner,« antwortete der Fremde. »Aber ich sah, als ich ins Dorf kam, dass alle Leute außer sich und nicht im Tao waren. Auch ich wurde gleich davon ergriffen. So habe ich mich zurückgezogen, die Balance in mir wieder herzustellen. Und als ich soweit war, begann es zu regnen. Man kann den Regen nicht herbeizwingen. Aber ist man mit sich im Reinen, kommt das Wetter, wie es soll.«

Dritte Grundannahme: Alles Existierende ist beseelt.

Darin drückt sich die Ehrfurcht vor der Natur in allen ihren Ausdrucksformen aus: Nicht nur der Mensch hat demnach eine Seele, sondern alles und jedes hat eine, wenn auch nicht die gleiche – sogar, was in unserer Kultur als »anorganische Materie« bezeichnet wird. Üblicherweise spricht man von »Animismus« (das lateinische Wort »animus« bedeutet: Wind, Hauch, Seele, Geist).

Dieser Respekt drückt sich auch darin aus, dass man nicht einfach die Gaben der Natur nimmt, sondern es ist ein Geben und Nehmen. Z. B. bedankt man sich bei den Tieren und Pflanzen, die man isst – auch dafür, dass man deren Qualitäten in sich aufnehmen darf – und gibt ihnen oder der Erde, wo sie lebten, etwas zurück, sozusagen ein rituelles Gegengeschenk, indem man z. B. einen Tropfen des Getränks, bevor man es zu sich nimmt, nicht nur seinen Ahnen, sondern auch der Erdmutter widmet.

In einer Reihe von Kulturen geht man davon aus, dass der Mensch mehrere Seelen hat (Daan VAN KAMPENHOUT, 2001), von denen eine z. B. in traumatischen Situationen flüchtet, um die Situation erträglicher zu machen und das Überleben zu sichern. Diese Seele, in anderen Traditionen: dieser Seelenteil, fehlt einem aber dann – einer der Auslöser z. B. für schizophrene Schübe oder schwere Depressionen. Behandelt werden sie durch eine »Seelenrückholung« (Sandra INGERMANN, 1998), – in der Gestalttherapie würde man von einer »Reintegration abgespaltener Persönlichkeitsanteile« reden.

Ein peruanischer Schamane erzählte bei einer internationalen Begegnung in Österreich, dass er ein paar Jahre in den Dschungel gegangen sei, um sich von den Bäumen, Pflanzen und Tieren unterrichten zu lassen, welche Mittel wie zubereitet für die Behandlung menschlicher Krankheiten hilfreich seien. Dermaßen ausgebildet behandelt er nun meist erfolgreich sogar Aids- und Krebskranke, was im entfernten Bezirkskrankenhaus bestätigt wird.

Aus schamanischer Sicht löst nicht der Wirkstoff einer Heilpflanze den Heilungsprozess aus, sondern der Geist, die Seele der Pflanze, z. B. der Liane im Ayahuasca-Gebräu oder des San Pedro Kaktus. So sind also auch Medinzinmänner und -frauen nicht materielle Mediziner wie westliche Ärzte, sondern sie nehmen Kontakt auf mit den darin innewohnenden Naturgeistern und arbeiten mit deren Hilfe. Wirksam ist also nicht die Materie, sondern deren Geist oder Seele oder Energie.

Interessanterweise spricht auch die Physik von einer in allem schlummernden Energie, z. B. von der Energie der Atome und dass sich diese von der Struktur her bei allem Existierenden bis auf ihre Größe kaum unterscheiden.

Weit darüber hinausgehend macht man als Schamane aber die Erfahrung, dass man sich mit allem, was existiert, unterhalten kann, nicht nur mit anderen Menschen und Tieren, sondern auch mit Pflanzen und Steinen respektive ihren Seelen.

So begrüßt man zu Beginn schamanischer Rituale die »Herren und Herrinnen der Gegend«, die in dieser Gegend zuständigen Energien der Erde. Wenn man jemanden besucht, geht man ja auch nicht grußlos in die Wohnung, nimmt ein Glas aus dem Schrank und schenkt sich ein Glas Wein ein. Außerdem nimmt man fairerweise ein Gastgeschenk mit.

Ich wende mich dabei in jede Himmelsrichtung, sehe diese Instanzen jeweils in menschlicher Form, begrüße sie und bitte sie um ihre Unterstützung und ihren Segen beim Ritual. Manchmal kommt es aber auch vor, dass z. B. die Herrin im Osten des Ritualplatzes ( z. B. durch kontaminierten Boden) krank und geschwächt ist und mich bittet, für sie und ihr Land ein Ritual zu machen – was ich dann auch tue. Manchmal ist der Herr einer Himmelsrichtung todbeleidigt auf uns Menschen, weil auf seinem Boden, für den er zuständig ist, (oft vor Jahrhunderten) von Menschen entsetzliche Gräueltaten begangen wurden, sodass der zuständige Herr den Menschen, die dort wohnen oder arbeiten, nicht mehr gewogen ist.

2010 wurde ich vom Geschäftsführer der deutschen Filiale eines österreichischen Konzerns gefragt, ob ich nicht ein schamanisches Ritual machen könnte, weil die deutsche Tochterfirma seit der Gründung keinen Gewinn gemacht habe. Alle Analysen und bisherigen Maßnahmen seien wirkungslos geblieben. Wenn sie in diesem Jahr nicht in schwarze Zahlen käme, würde sie geschlossen. In dem Haus sei übrigens bisher noch keine einzige Firma erfolgreich gewesen, mehrere seien bereits in Konkurs gegangen. Jetzt seien sie die einzigen Mieter in dem vierstöckigen Gebäude.

Als ich hinkomme, kann ich an dem Gebäude kein Problem erkennen (manchmal führt einen ja schon der Anblick des Gebäudes zu der Hypothese, dass hier irgendetwas nicht stimmt). Auch das versammelte Management wirkt in keiner Weise konfliktbeladen oder unengagiert, im Gegenteil. Ich bin schon gespannt, ob sich eine unbekannte Störquelle zeigen wird und wenn ja, welche.

So beginne ich mit der Kontaktaufnahme zu den Energien der Region. Im Norden des Firmenstandorts sehe ich einen distinguierten älteren Herrn mit graumeliertem Haar und Bart, der aber völlig giftig und destruktiv ist. Er frisst mich. Ich bin eine goldfarbene helle Lichtkugel und als Vertreter des Allerhöchsten in keiner Weise gefährdet. Bald bereut er dies, denn ich gehe nicht wieder raus, sondern beginne, seinen vergifteten Körper immer mehr mit der Einfachheit und Stimmigkeit, die von mir ausgeht, zu bearbeiten und zu entgiften. Er kann sich nicht dagegen wehren. Bald habe ich seinen Bauch gereinigt, dann seine Brust und sein Herz und zum Schluss auch den Kopf, bis er – wenn auch noch unstabil – vollkommen frei ist. Jetzt bedankt er sich bei mir, dass ich ihn von dem alten Fluch befreit habe und verspricht, in Zukunft den Firmenstandort nicht mehr zu schwächen und zu schädigen, sondern im Gegenteil ihn zu segnen und zu unterstützen. Schwere Störungen konnte ich auch im Süden und Westen der Firma feststellen. Ich kann sie bereinigen.

Niemals käme ich als Wirtschaftspsychologe, als der ich sonst in Unternehmen gerufen werde, auf solche Zusammenhänge, die uns naturwissenschaftlich Erzogenen schon äußerst skurril erscheinen. Es wehrt sich alles in uns gegen die Vorstellung, dass von einem Boden respektive seiner Seele destruktive Energien ausgehen könnten.

Allerdings in dem Monat nach dem schamanischen Ritual machte der deutsche Standort über eine Million Euro Umsatz, so viel wie schon lange nicht. Er kam in diesem Jahr erstmals aus den roten Zahlen und besteht – umstrukturiert – heute noch. Nachdem ich immer wieder solche Erfahrungen mache, bin ich gezwungen, solche Zusammenhänge zu respektieren und als mögliche Ursache von Problemen ins Auge zu fassen.

Außer von Träumen kennen wir solche Vorgänge lediglich aus Märchen, wo man sich ebenfalls mit den Elementen der Natur unterhalten und sie um Hilfe bitten kann. Auch hier kann man nicht einfach nur nehmen, sondern muss auch etwas dafür geben. Spätestens seit dem Zeitalter der Aufklärung (18. Jh.) erscheint uns dies als kindliches, prärationales Denken. Aber Märchen zeugen augenscheinlich von dem alten Wissen um die Vernetztheit menschlicher Schicksale mit der übrigen Natur und von der Erfahrung, dass man diese Verbindung auch zur Problemlösung nutzen kann.