Kitabı oku: «Liebe ohne Kaution», sayfa 3

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Anschließend ging er in sein Büro am Ende des Flurs. Es gab viel zu tun. Max leistete ihm Gesellschaft und starrte ihn aus grünen Augen an, die Lider halb gesenkt, als würde er ihn dieselben Dinge fragen, die der eingebildete Lincoln ausgesprochen hatte.

Wer ist der Junge, Aug? Max war der Einzige, der ihn Aug nennen durfte. Warum ist er hier? Warum ist er auf meiner Couch?

August schüttelte den Kopf. »Sein Name ist Artie, Max.« Er streckte eine Hand aus und die Katze ließ sich dazu herab, sich von August hinter den Ohren kraulen zu lassen. »Und ich weiß nicht, was er hier macht. Wahrscheinlich bin ich ein Idiot?«

Max schien darüber die Schultern zu zucken und stolzierte dann aus dem Raum.

Später, nachdem August sich noch eine Tasse Kaffee geholt hatte, fand er Max auf der Couchlehne. Über Artie wachend. Genau das tat er.

»Dich hat er also auch verzaubert, wie ich sehe«, sagte August. »Und er ist nicht mal wach.«

Max warf ihm wieder diesen Blick zu.

Und schien erneut die Schultern zu zucken.

Kapitel Drei

Artie erwachte ziemlich plötzlich aus einem Traum voller Nebelschleier und dem Gesicht eines schönen Mannes. Er hatte das Gefühl, diesen Jemand kennen zu müssen. Oh, diese Augen!

Aber als er sich umsah, war er zuerst nicht sicher, wo er sich befand. Irgendetwas roch sehr gut, aber da war ein schweres Gewicht auf seinem Brustkorb und als er herumrutschte und versuchte, sich aufzusetzen, miaute ihn das Gewicht vorwurfsvoll an. Er starrte in sehr grüne Augen in einem pelzigen, orangen Gesicht.

»Heilige Scheiße!« Er schluckte. »W-wer bist du?«

»Hallo, Schlafmütze«, ertönte eine Männerstimme. »Maximilian! Geh runter von ihm!«

Die Katze sprang herunter und Artie setzte sich auf. Am anderen Ende des Raumes, ein kleines Handtuch über dem Arm und einen hölzernen Kochlöffel in der Hand, stand einer der attraktivsten Männer, die er je gesehen hatte.

»Oh!« Das war der Mann aus seinem Traum.

»Geht es dir gut?«, fragte der Mann.

Alles stürmte wieder auf ihn ein.

Es war der Kerl, der ihn aus dem Knast geholt hatte. Der Kautionsvermittler. Jemand, der hieß wie ein Monat… das wusste er noch. »August?«, riet er. Weil es richtig klang. Und weil der große, hoch gewachsene, maskuline Mann wie ein August aussah.

Der Mann nickte. »Das bin ich. Was ist mit dir? Fühlst du dich etwas besser?«

Artie setzte sich noch ein Stück weiter auf, bis seine Füße den Boden berührten, und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Ja«, antwortete er. »Ich glaube schon.«

»Hast du Hunger?«

»Hunger?«, wiederholte er und – woah! – er erkannte, dass er regelrecht ausgehungert war. »J-ja.«

»Gut. Ich setze Pasta auf. Ich wollte nicht anfangen, bevor du wach bist. Du bist wieder auf der Höhe?«

Artie nickte und biss sich auf die Unterlippe. »Ja.« Zumindest war er wach.

August lächelte und es war so ziemlich das sexyeste Lächeln aller Zeiten.

»Hoffe, du magst Spaghetti.« Er verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Natürlich magst du Spaghetti. Wer mag keine Spaghetti?«

Der Kerl hatte für ihn gekocht?

»Das Rezept ist von meiner Mama und die Wurst habe ich bei Carello's auf dem Markt gekauft. Sie ist ausgezeichnet!« Er wackelte mit den Augenbrauen und verließ den Raum. Artie ertappte sich dabei, wie er sich vorbeugte, August hinterher.

Artie sah sich in dem Raum um und ja, er erinnerte sich. Er war in Augusts Apartment, einem großen, männlichen Loft in einem roten Backsteingebäude voller schwarzem Leder, glänzendem Chrom und dunklem Holz. August hatte ihn hergebracht, damit er sich den Smoking ausziehen konnte. Moment. Konnte das stimmen? Warum hätte er einen Smoking tragen sollen? Oh. Kaffee. Er hatte ihm einen Kaffee angeboten und…

Ich bin eingeschlafen. Himmel! Ich bin im Apartment dieses armen Kerls eingeschlafen. Was muss er denn jetzt denken?

Neben ihm ertönte ein dumpfes Geräusch und er sah, dass die orangefarbene Katze zurückgekehrt war und ihn aus ihren großen grünen Augen musterte. Sie wurden schmal, abwägend. Seine Augen.

Hatte August ihn nicht Maximilian genannt? »Hallo, Max? Ist es okay, wenn ich dich Max nenne?«

Der Kater miaute einmal und stieß dann mit dem Kopf gegen Arties Hand, als wollte er sagen: »Klar. Solange du mich streichelst.« Pflichtbewusst tat Artie das.

Was machte er hier? Er sollte gehen. Es war nicht die Aufgabe dieses Mannes, ihm Abendessen zu machen. Auf seiner Couch einschlafen! Wie dämlich. Er überlegte, aufzustehen und sich rauszuschleichen, als ihm einfiel, dass er sein Auto nicht hier hatte. Dann, bevor er über eine andere Möglichkeit nachdenken konnte, nach Hause zu kommen, kehrte August in den Raum zurück.

Er trug eine sehr weich aussehende Jeans und ein noch weicheres Sweatshirt. Ein paar Farbspuren waren auf den Schultern zu sehen, die sich bis nach vorne zogen und – nein, keine echte Farbe. Das war nur das Design. So, wie es aussehen sollte. Und… woah! Sechs Farben, beginnend mit rot auf seiner rechten Schulter, bis zu einem Lila auf der linken. Schwul? Nein! Konnte dieser Mann schwul sein?

Das ließ Artie wieder an die Unterwäsche denken. Die sehr sexy, blaue Unterwäsche, die er ziemlich ordentlich ausfüllte. Wow, er hatte so heiß ausgesehen, wie er da gestanden war, mit all diesen schönen Muskeln. Kein Makel, der seine Brust befleckte, und nur der leichteste Hauch von Haaren über den Brustmuskeln, der Augusts Schönheit nichts nahm, sondern sie noch betonte.

Oh, und sein Gesicht! Diese warmen, braunen Augen. Der herrliche olivfarbene Teint. Schwarzes Haar, zurückgekämmt und oben voll, kurz an den Seiten. Und ein sexy Bartschatten. Vielleicht waren da sogar schon ein paar Stoppeln. Artie konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie sie sich anfühlen mochten. Hart und kratzig? Oder weich und glatt? Er biss sich auf die Lippe. Konnte es irgendjemanden geben, der mehr seinem Typ entsprach? August sah aus wie ein Geheimagent aus einem Groschenroman.

Artie schielte nach unten. Oh. August war immer noch barfuß. Und sogar seine Zehen waren sexy. Lang, aber nicht zu lang. Sie spannten sich an und Artie wurde bewusst, dass er gestarrt hatte. Er schaute zurück nach oben in Augusts Gesicht und errötete. Und… Himmel. Errötete August auch?

Er sah Augusts Adamsapfel hüpfen.

»Äh, das Wasser kocht«, sagte sein Gastgeber. »Ich würde sagen, noch höchstens zwanzig Minuten.«

»D-du musst das nicht machen«, sagte Artie. Es war ihm unmöglich, nicht unangenehm berührt zu sein.

»Das ist kein Problem. Außerdem wirst du dich danach viel zu schuldig fühlen, mich auf der Kaution sitzen zu lassen.« Er grinste.

Die Kaution!

Oh nein. Jetzt fiel ihm wirklich alles wieder ein. Das ganze Ausmaß dessen, was passiert war. Willie. Ein Haufen Gras. Laute Musik. Ein Brownie – der Grund dafür, warum alles so verschwommen war. Eine Polizistin, die ihn aus dem Bett schmiss. Er war unterhalb der Hüfte nackt gewesen.

Artie schauderte bei der Erinnerung an diese Blamage. Keine Frau hatte ihn je nackt gesehen, außer seiner Mutter in der Badewanne, als er ein kleines Kind gewesen war.

Dann Knast! Er hatte die Nacht im Knast verbringen müssen. Wenn es irgendetwas gab, das Artie sich nicht hatte vorstellen können, dass er jemals erleben würde, dann war es, in den Knast zu wandern. Er hatte sich jedenfalls nicht ausgemalt, dass ein großer, übergewichtiger, gruselig aussehender Mexikaner sich vor seinen Augen betatschen und Worte flüstern würde, bei denen Artie sich sicher war, dass sie etwas damit zu tun hatten, ihn vornüber zu beugen und zu vögeln, bis seine Augen hervortraten.

Himmel, Himmel, Himmel!

Er seufzte.

Demaine. Der große Muskelberg, der ihm geholfen hatte, einen Weg aus dem Gefängnis zu finden.

Aber zum Preis von 2.500 Dollar, die er diesem James Bond in Jeans zahlen musste, der keine drei Meter entfernt stand.

»Bist du okay?«

Eine Welle der Niedergeschlagenheit baute sich drohend am Horizont auf und Artie sackte in sich zusammen, den Blick auf den Perserteppich auf dem Boden vor ihm gerichtet. All dieses Geld. Jetzt war er vorbestraft. Wie sollte er das seiner Mutter erzählen? Wie sollte er das seiner Schwester erzählen? Sie war seine Nummer eins, aber sogar sie würde enttäuscht von ihm sein.

»Artie?«

Da waren wieder Augusts Zehen. Er war auf Artie zugekommen, während er sich in Selbstmitleid gesuhlt hatte, und jetzt stand er direkt vor ihm. Artie blickte auf, an einem sexy Knie und – schau ihm nicht in den Schritt! – dieser muskulösen Brust vorbei und in Augusts attraktives Gesicht.

»Geht es dir gut, Mann?«

Artie seufzte. »Mein Leben ist ruiniert.«

»Ach, Mann, das kannst du nicht wissen.« Er setzte sich neben Artie. »Überhaupt nicht.«

»Doch, weiß ich.« Die Welle kam näher und türmte sich über ihm auf, dunkel und schrecklich. »Was soll ich machen, wenn ich ins Gefängnis muss?« Der Raum schien still zu werden – als würde die Welt den Atem anhalten, darauf wartend, dass die Flutwelle über sie hereinbrach. »Ich habe eine Vorstrafe, die mich für den Rest meines Lebens verfolgen wird.«

»Artie, du weißt nicht, was der nächste Tag bringt.«

»Weiß ich nicht?« Mindestens ein Dutzend Erinnerungen schlugen über ihm zusammen, eine nach dem anderen, und jede machte seinen Magen etwas schwerer. »Dieses Mädchen, das ich in der Highschool kannte. Klassenbeste. Beliebt und alles. Sie hat dieses Auto von einem Typen auf Craigslist gekauft. Sie ist kontrolliert worden, weil ein Rücklicht durchgebrannt ist. Aus irgendeinem Grund hat der Cop ihr Auto durchsucht. Vielleicht waren ihre Ohrringe schuld. Ich weiß es nicht. Sie haben eine Graspflanze in ihrem Aschenbecher gefunden und haben sie festgenommen. Es gab ein verdammt hohes Bußgeld und ich habe vergessen, wie viele Sozialstunden. Hundert Stunden, so weit ich weiß. Ich glaube, es waren viel mehr, aber so wie es meinem Kopf gerade geht?« Artie schüttelte den Kopf. »Ich kann mir wegen nichts mehr sicher sein. Aber das weiß ich. Sherri hat nie auch nur ein Bier getrunken. Und schau, was ihr passiert ist!«

August seufzte. Es war ein tiefes Seufzen und machte Arties Magen nur noch schwerer. Dieser Mann musste Einiges gesehen haben. Er wusste, was auf dem Spiel stand.

»Ich bin ein junger, sogenannter privilegierter weißer Kerl. Richter mögen es, an Typen wie mir ein Exempel zu statuieren. Ich bin erledigt.« Er wandte sich mit großen Augen an August. »Komm schon. Schau mich an! Ich wiege höchstens 65 Kilo. Irgendein Kerl namens Bubba wird mich jede Nacht über seine Pritsche legen. Ich könnte genauso gut jetzt gleich damit anfangen, meine Jeans tief sitzend zu tragen.«

Er vergrub das Gesicht in den Händen und tat alles, was er konnte, um zu verhindern, dass er in Tränen ausbrach.

***

Bubba? Hatte Artie wirklich Bubba gesagt?

August musste sich zusammenreißen, damit er nicht lachte. Und sein letzter Kommentar. Der bezog sich bestimmt auf den Glauben, dass die Mode, die Jeans tief sitzen zu lassen, im Gefängnis begonnen hatte und sexuelle Verfügbarkeit signalisierte. Jetzt zu lachen, wäre jedoch alles andere als angebracht, oder?

»Weißt du«, sagte er stattdessen, »diese ganze Vorstellung stimmt nicht, okay?«

Artie schaute ihn verblüfft an.

»Das mit den Hosen? Dass es bedeutet, dass ein Kerl nach einem Beschützer oder etwas in der Art sucht, damit er sich keine Sorgen darüber machen muss, dass man ihn… na, du weißt schon.«

Artie blinzelte ihn lediglich an.

»Zwar hat man hängende Hosen zuerst im Gefängnis gesehen, aber es bedeutet nichts. Es hat nichts mit Sex zu tun. Es liegt daran, dass manche Gefangene Klamotten bekommen, die ihnen nicht passen. Und weil man im Gefängnis keine Gürtel tragen darf – diese ganze Sache mit dem Suizid, weißt du –, rutschen ihnen die Hosen über die Ärsche. Dann sind sie irgendwann in der Hip-Hop-Szene aufgetaucht und –«

»Wovon redest du?« Artie blinzelte erneut, dann verengte er die Augen und schaute August durch feuchte Wimpern an.

August öffnete den Mund, um ihm mehr zu erzählen, als es ihm einleuchtete. Artie konnte das natürlich gar nicht aufnehmen. Er befand sich mitten in der vermutlich ersten Katastrophe seines jungen Lebens. Und obwohl das vollkommen unangebracht war, brachte ihn dieser Gedanke beinahe zum Lachen. Als ob er so viel älter wäre als Artie. Er ist 24. Ich bin 31. Ein paar Jahre weniger und wir hätten zusammen zur Schule gehen können.

Aber ein Gedanke, der ihm zuvor gekommen war, entsprach der Wahrheit. Ende zwanzig tat sich in der Entwicklung eine Menge. Und verhaftet zu werden und möglicherweise für eine Zeit ins Gefängnis zu müssen, würde diesen jungen Mann ein gutes Stück erwachsen werden lassen.

Eine Gefängnisstrafe.

Es war denkbar.

Ein hübscher junger Kerl wie Artie könnte an einem Ort wie diesem zerfetzt werden und wer wusste, wie er nach dieser Erfahrung sein würde?

Als hätte Artie seine Gedanken gelesen, sagte er: »Meinst du, das macht einen Unterschied? Einheitliche Sträflingskleidung? Wie lange bis nach meiner Ankunft dauert es, bis ich gar nichts mehr anhabe und sie mich herumreichen wie Penner eine Flasche Fusel?«

August versteifte sich, seine Muskeln verspannten sich und er biss die Zähne zusammen. Der Gedanke war furchtbar. Diese Augen, so voller Angst und Verwirrung. Wie würden sie nach ein paar Jahren im Knast aussehen?

August erschauerte.

Dieser süßer Junge – denn vierundzwanzig hin oder her, das war Artie nun mal – würde zerstört sein. Das System besserte sich nicht. Er hatte irgendwo gelesen, dass zwischen 45 und 77 Prozent der Häftlinge wieder im Gefängnis landeten.

Artie mit all seinem Potenzial wäre zerstört. Alles, was er der Welt bieten konnte, wäre verloren. Und während August neben Artie auf seiner Ledercouch in seinem schicken Loft saß, erkannte er, dass er aus irgendeinem Grund wissen wollte, wie dieses Potenzial aussah. Wer Artie war.

Jetzt geht das schon wieder los, sagte der Lincoln, der in seinem Kopf lebte und vermutlich immer dort leben würde, obwohl ihre Beziehung gescheitert war. Jetzt geht das schon wieder los, du verliebst dich in einen hübschen jungen Mann. Du willst ihn retten.

Ich habe mich einst in dich verliebt, sagte er dem Lincoln-Doppelgänger. Dich gerettet.

Die Stimme verstummte.

»Ich werde versuchen, dir zu helfen«, sagte er zu dem sehr realen Artie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er drückte sie tröstend und war wieder einmal überrascht, wie robust Artie sich anfühlte. Er sah aus, als könnte eine starke Brise ihn fortwehen, aber seine ausgeleierten Klamotten schienen etwas Solideres zu verstecken.

»Warum? Warum willst du mir helfen? Ich hab dir fast mein ganzes Geld gegeben. Ich kann dir nicht noch mehr geben. Ich werde jeden Penny brauchen, den ich noch übrig habe.«

Warum? Gute Frage. Was hatte Artie an sich im Vergleich zu den hunderten anderen Männern, die möglicherweise in den Knast wandern würden? Sollte irgendjemand herumgereicht werden wie eine Flasche Fusel? Natürlich nicht. Aber wenn er in Arties Gesicht schaute – diese Augen, diese Lippen, diese große edle Nase (für eine Sekunde schoss August ein Bild in den Kopf, wie sie gebrochen aussehen würde, leicht zu einer Seite hin verbogen) – er schauderte, und etwas in August erwachte, irgendein animalischer Beschützerinstinkt, und er wusste, dass er Artie helfen musste. Helfen musste.

»Ich will nicht noch mehr von deinem Geld.«

»Warum hilfst du mir dann?«, rief Artie aus.

»Weil…« Warum? Weil er schön war? Das war kein guter Grund. Weil er süß und unschuldig war? Ha! Das kannst du nicht wissen. Du dachtest auch, dass Harry Bedfords Freundin süß und unschuldig war, und sie hat dich angestochen!

Aber…

»Weil ich dir glaube, Artie. Ich habe mit einer Menge Arschlöcher zu tun. Das ist Teil meines Jobs. Aber ich habe auch mit vielen Leuten zu tun, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Ich hab bei dir so ein Gefühl. Wenn ich einen passenden Anwalt für dich finden könnte–«

»Wie viel wird mich das kosten?«

»– glaube ich, dass wir deine Weste von all dem reinwaschen könnten.«

Artie setzte sich gerade hin. »Du meinst, das könnte klappen?« Seine Augen waren groß und voller Fragen. »Könnte die Anklage fallen gelassen werden?«

August dachte noch einmal darüber nach. Er wollte Artie keine falschen Hoffnungen machen und wusste nicht viel über den Fall. Er musste mehr darüber erfahren. Aber er konnte auch sehen, dass Artie völlig verängstigt war. Etwas musste er ihm geben.

»Wenn das Gras, das du mit dem Brownie aufgenommen hast, innerhalb einer Woche aus deinem System verschwindet, würde das beweisen, dass du es nicht regelmäßig nimmst.«

»Eine Woche? Ich dachte, Marihuana bleibt für dreißig Tage im Körper.«

»Nicht, wenn man es nur einmal nimmt«, erklärte August. »Es wird sich schnell von allein erledigen. Wenn wir dir ein paar Charakterreferenzen besorgen können, wird das viel bringen. Hast du das? Deine Familie vielleicht?«

»Oh nein! Meine Familie? Ich will nicht, dass sie davon erfährt!«

August schüttelte den Kopf. »Süßer« – Süßer? – »sie werden es herausfinden.«

»Oh herrjemine«, stöhnte Artie. »Sie werden dermaßen enttäuscht sein.«

»Weil es sie schockieren würde?«

»Oh ja!«

»Das ist eine gute Charakterreferenz«, sagte er und zwinkerte Artie zu. »Auch wenn sich dein Mitbewohner für dich einsetzen würde. Das würde alles viel dazu beitragen, dich rauszuhauen.«

»Ich weiß nicht, ob das funktionieren wird. Bei Willie ist das schwer zu sagen.« Artie lachte. »Wusstest du, dass Willy ein anderes Wort für Schwanz ist?«

Dieses Mal erlaubte August es sich, ebenfalls zu lachen.

»Das scheint gar nicht zu ihm zu passen, denn ich mag Schwänze, und…« Arties Augen weiteten sich und er wurde leuchtend rot.

August lächelte, lehnte sich Artie entgegen und sagte leise: »Ich bin auch schwul.«

»Wow«, flüsterte Artie. Für eine lange Zeit sagte er nichts und als August gerade versuchen wollte, die Stille zu durchbrechen, redete Artie weiter. »Das sind schon zwei.«

Zwei? Zwei was? »Zwei?«, fragte August laut.

Artie schien sich auf etwas weit Entferntes zu konzentrieren. Auf etwas in einer anderen Welt. »Zwei schwule Kerle, die mir helfen.«

August wusste nicht, was das bedeutete, aber…

»Du wirst mir wirklich helfen?«, fragte Artie.

August nickte.

»Aber warum?«

Ja, warum nur? August war sich nicht ganz sicher. Aber irgendwie war der Drang zu groß, um ihn zu verleugnen.

Kapitel Vier

Das Abendessen war absolut köstlich. Arties Mutter war keine schlechte Köchin, aber nicht gerade ein Profi. Für Artie hatten solche Grundnahrungsmittel wie Hackbraten und Schmorbraten und Spaghetti immer gut geschmeckt. Spaghetti waren Spaghetti. Und die Soße wurde mit den Nudeln vermischt und auf einem Teller verteilt.

Was August ihm servierte, hatte keine Ähnlichkeit mit den Gerichten seiner Mutter. Zuerst kam die Pasta, dann dicke, wundervoll aromatische Soße mit viel Fleisch darauf, und dann ein Stück echter Parmesan, der vor seinen Augen darüber gerieben wurde. Oh, was für ein Unterschied.

Und das Brot!

Echtes Knoblauchbrot. Frisch vom Markt, sagte August, wie die Wurst. Mit einer Menge echter Butter und echtem gehacktem Knoblauch, nicht nur getrocknetes Pulver vom Dollar Store. Es war himmlisch.

Max fing an zu betteln, als August Artie aufforderte sich hinzusetzen.

»Mach dir keine Sorgen, Maximilian!«, beruhigte August den Kater. »Für dich ist auch gesorgt.« Er hatte scheinbar ein kleines Stückchen Wurst aufgehoben und legte es auf das Trockenfutter im Napf des Katers. »Aber nicht zu viel«, erklärte er Artie. »Sie ist ein bisschen scharf.«

»Wein?«, fragte August und holte eine dunkelgrüne Flasche aus einem Weinregal über dem Kühlschrank.

Artie verzog unbewusst das Gesicht. Er schauderte.

»Oh?« August betrachtete die Flasche. »Du magst keinen Wein? Das ist kein schlechter. Er ist ziemlich lecker.« Er hob sie höher. »Ist vom Weingut Silver Springs aus der Region.« Er drehte sich zu Artie um und lächelte. »Oder so ähnlich.«

Artie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Ich glaube nur nicht, dass ich jemals wieder in meinem Leben high sein will.« Und dann, fast so, als würde eine Glocke in seinem Kopf bimmeln – bling! –, realisierte er, dass er gar nicht mehr high war.

»Alles okay?«, fragte August. Er sah besorgt aus.

Artie lachte. »Ja. Mir geht's gut. Ich bin nicht mehr high. Oh, Gott sei Dank! Ich hatte Angst, dass mein Gehirn geschädigt wurde oder so was. Als würde ich mich vielleicht nie wieder normal fühlen.«

August lachte. »Ich erinnere mich. Ich hab dir ja gesagt, dass du wieder fit wirst. Ich schätze mal, diese Brownies hatten es in sich. Weißt du, wie viel Gras er reingemacht hat?«

Artie zuckte die Schultern. »Willie meinte, ungefähr eine Tüte.«

»Eine Tüte?«

»Ja«, sagte Artie und nickte. »Du weißt schon.« Er hob die Hände und formte die ungefähre Größe der Sandwichtüten. »Ungefähr so viel?«

August schluckte hart. »Du sprichst von einer 30-Gramm-Tüte?«

Artie nickte. »Wahrscheinlich«, sagte er. »Das hat Willie gesagt, glaube ich.«

»Er hat eine ganze 30-Gramm-Tüte für ein Blech Brownies verwendet?« Augusts Augen waren geweitet.

Artie zuckte erneut die Schultern.

August pfiff. »Wenn man sie nicht mit Marihuana-Butter macht, was der einfachste Weg ist, braucht man nicht mehr, als man für einen Joint verwenden würde. Kein Wunder, dass du völlig im Arsch warst.«

Artie fragte August nicht nach Marihuana-Butter (wo kaufte man Marihuana-Butter? Nature's Own Market?) oder woher er wusste, dass man auf diese Weise am besten Gras-Brownies machte. Er schüttelte lediglich den Kopf, froh darüber, nicht mehr high zu sein. Er hatte es gehasst. Er konnte nicht verstehen, wie jemand mögen konnte, was dieses Zeug in einem auslöste. Einmal hatte er Willie dabei gesehen, wie er seine Pfeife reinigte. All diese teerartige Scheiße. Ging das nicht direkt in die Lungen?

Dann bemerkte er, dass August die Weinflasche wegstellte, und konnte nicht übersehen, dass er zusammenzuckte. Oh! Dieser Verband. Er fragte sich, was es damit auf sich hatte.

August öffnete den Kühlschrank und starrte mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck hinein. Suchend. Nachdenklich.

»Hey«, sagte Artie. »Ich hab nicht dich gemeint. Ich hab nur gesagt, ich will keinen Wein. Trink ruhig welchen, wenn du willst.«

August schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist okay. Ich habe Cola. Und Eistee.«

»Gerne«, erwiderte Artie. »Oder Wasser.«

August schaute ihn an, als hätte er vorgeschlagen, sie sollten Benzin trinken, und Artie wäre fast in Gelächter ausgebrochen. Er hatte nicht geahnt, dass er für ein solches Dilemma gesorgt hatte. Aber er wollte dennoch nichts Berauschendes, dessen war er sich sicher. »Okay. Mach nur, trink ein Glas –«

»Nein«, sagte August. »Das sind nur anständige Manieren. Ich will nicht, dass du dich unwohl fühlst.«

Diese Worte überraschten Artie. Ein Gentleman. War August einer? Ein echter Gentleman. Die Vorstellung ließ ihn begeistert erschauern. Er hatte in seinem Smoking so gut ausgesehen. Er sah auch in Jeans (trotz des großen Lochs am Knie – oder vielleicht sogar deshalb) und Sweatshirt toll aus.

Aber oh, der Smoking und die Vorstellung von ihm als Gentleman. Niveauvoll und den ungeschickten Kerlen aus seinen Highschool-Zeiten weit voraus. Anders als die typischen Kerle in seinem Alter. Idioten wie Willie, mit seinen T-Shirts, auf die komische Band-Namen wie Airbourne oder Five Finger Death Punch oder Shinedown gedruckt waren, von denen er keine kannte und wahrscheinlich keine mögen würde. Mehr Lärm als Musik. Er fragte sich, welche Musik jemand wie August mochte. Würde es Klassik sein? Jazz vielleicht? Oder… Er richtete sich auf seinem Stuhl auf, als er bemerkte, dass er in Gedanken versunken war.

»Bitte«, sagte er. »Nimm, was du –«

August zerschnitt die Luft mit einer schnellen Handbewegung. »Thema abgehakt«, sagte er.

Artie klappte den Mund zu. Thema abgehakt. Normalerweise hätte ihn ein so autoritärer Kommentar angepisst. Es erinnerte ihn zu sehr an seinen Vater. Nicht, dass der ein schlechter Mann gewesen wäre, außer, wenn er getrunken hatte. Artie hatte schnell gelernt, dass es allerlei Arten von Betrunkenen gab: Betrunkene, die überm Glas heulten. Betrunkene, die albern wurden. Betrunkene, die flirteten. Und die bösen. Sein Vater gehörte zu Letzteren, was noch ein Grund mehr war, warum Artie sich von sämtlichen Rauschmitteln fernhielt. Leute bekamen alles Mögliche vererbt und das wollte er meiden wie die Pest. Er hatte gesehen, was das anrichten konnte.

Es war nicht so, dass es ihm fehlte. Warum sich darüber den Kopf zerbrechen? Warum ein Risiko eingehen? Man musste sich nur anschauen, was es anrichtete, einen Mitbewohner zu haben, der so was tat.

Warum bin ich überhaupt bei ihm eingezogen?

»Magst du Cola?«, fragte August und starrte wieder in den Kühlschrank. »Ich habe welche hier.« Er wandte sich wieder Artie zu. »Und ich mache dir gern einen Tee!«

»Wasser, wirklich«, erwiderte Artie. Es berührte ihn, wie hingebungsvoll August sich als Gastgeber verhielt. Einen Moment später wurde ein Wasser mit Eiswürfeln vor ihm abgestellt.

»Stört es dich, wenn ich Kerzen anzünde?«, fragte August.

Die Frage überraschte Artie. Kerzen? Und ob es ihn stören würde? Na ja, Himmel. Überhaupt nicht.

»Ich meine, was ist italienisches Essen ohne Kerzen, stimmt's?«

Aber das ließ Artie nur an eine seiner liebsten Filmszenen aller Zeiten denken. Zwei Hunde, Susi und Strolch, die Spaghetti aßen. Und wie das ausging.

Oder The Apartment. Mit Jack Lemon, der Shirley MacLaine Abendessen kochte. Spaghetti, um genau zu sein. Wenn ein Mann das Abendessen machte, war das romantisch. Nicht, dass ihm schon einmal ein Mann Abendessen gekocht hätte. Aber wow, es war wirklich romantisch…

»Klar«, sagte Artie. Dann, aus Furcht, dass August denken könnte, es würde ihn stören, sagte er schnell: »Es stört mich überhaupt nicht.« Es wäre romantisch.

August lächelte sehr charmant. »Wie wäre es mit etwas Musik?« Er verließ für einen Moment die Küche und sanfter Jazz erfüllte den Raum.

Jazz also, was? Es passte schön zum Essen, zu den Kerzen und… zu Augusts Augen.

»Ich hoffe, du magst Saxofon. Das habe ich auf YouTube gefunden und ich mag es echt. The Chillin' Sax Groove.«

Artie nickte nur. Er hatte noch nie davon gehört, aber es klang angenehm. Ganz bestimmt keine Fahrstuhlmusik.

Danach haute Artie einfach nur rein. Er konnte nicht anders, denn er war wirklich hungrig. Hungriger, als ihm bewusst gewesen war. Ausgehungert, wie es schien.

Bis er anfing, das letzte bisschen der dicken Soße mit dem übrigen Brot aufzuwischen, bemerkte er nicht, dass August ihn ansah. Oder eher die Art und Weise, wie er ihn ansah.

Im Kerzenlicht war es einfach umwerfend.

Aber was genau lag in diesem Blick? Es war schwer zu sagen. Aus irgendeinem Grund machte es Artie ein wenig nervös. Als wollte August ihn mit etwas Knoblauchbrot aufwischen und verschlingen.

Oh nein! War August deshalb so nett zu ihm? Er wollte ihn ins Bett bekommen? Genau wie all die anderen Kerle? Ihn vögeln und dann rauswerfen? Deshalb das alles?

August setzte sich auf. Sein ganzes Gesicht sah anders aus. »Artie? Stimmt was nicht?«

***

August drehte sich der Magen um. Was um alles in der Welt?

In der einen Minute sah Artie aus, als sei er im Himmel, und in der nächsten… Mann, das war übel! Ihre Blicke waren miteinander verschmolzen und plötzlich sah Artie aus, als wollte er aufspringen und wegrennen. Habe ich etwas falsch gemacht?

»Was willst du von mir?« Die Wucht, mit der er die Frage stellte, warf August beinahe in seinen Stuhl zurück.

Was er wollte? Was meinte Artie damit? »Nichts«, sagte er mit der gleichen Leidenschaft. »Das habe ich dir doch gesagt.«

»Willst du… mich? Hast du mich deshalb hergebracht? Du willst mich f–«

Gott! Nein! Das dachte Artie? »Nein!« Wie war er auf diese Idee gekommen?

»Wie du mich anschaust!« Artie zitterte, seine Augen waren groß und rund und sahen den niedlichen Big-Eye-Gemälden von Margaret Keane so verdammt ähnlich.

Aber du hast ihn sehr wohl angeschaut, nicht wahr? Als würdest du ihn hochheben und in dein Bett tragen wollen. Weil du das willst, nicht? Da war er wieder, der Lincoln-Doppelgänger in seinem Kopf. Verdammt noch mal! Und er hatte recht. Er ist genau dein Typ. Unschuldig. Bringt den Daddy in dir hervor, stimmt's?

Er sagte Lincoln, dass er seinen verdammten Mund halten sollte, und entschuldigte sich bei Artie. »Nein, Artie. Ich meine…« Aufrichtigkeit! »Ich finde dich verdammt niedlich. Aber nein. Ich wollte nur helfen.« Abendessen als Hilfe? »Und dann bist du eingeschlafen und ich wusste, dass du das High ausschlafen musstest. Ich wollte dich so durch den Wind nicht allein in deinem Apartment lassen, denn dann wärst du nicht mal nüchtern gewesen, wenn du diesem verfickten Mitbewohner wieder begegnet wärst, und –«

Oh nein!

Arties Gesichtsausdruck hatte sich erneut verändert. War das etwa blankes Entsetzen?

»Artie?« Hatte er es wieder vermasselt?

»Mein Mitbewohner! Heilige Scheiße! Was soll ich zu ihm sagen? Was, wenn er wieder mit dem Gras und der Musik anfängt und die Polizei kommt und –«

August streckte die Hand aus und berührte Arties Arm, bevor er es realisierte. Er riss die Hand zurück, als hätte Arties Haut ihn verbrannt und schluckte. »Du musst da verdammt noch mal raus.«

»Wie? Ich habe mein ganzes Erspartes aufgebraucht, um aus dem Knast rauszukommen, und –«

Scheiße! Ein anderer, genauso erschrockener Gesichtsausdruck. Der Junge war wirklich ein offenes Buch. Aber August kannte Artie nicht und er war nicht ganz sicher, was genau dieser Ausdruck bedeutete.

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