Kitabı oku: «Geliebte Dominica», sayfa 2
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Lord Hawkston entschloß sich, dem Gouverneur, Sir Arthur Görden, seinen Wunsch vorzutragen, eine Frau für Gerald zu finden. Dabei hatte er nicht vor, auch nur ein Wort über Emilys Wankelmut zu verlieren, nicht, weil er ihren Ruf schonen wollte, sondern weil er Captain O’Neill gut leiden konnte und der Meinung war, daß sich dieser mit der Wahl seiner Ehefrau genügend Probleme aufgeladen hatte. Doch gleich zu Beginn der Unterhaltung erfuhr er, daß die junge Frau ihm zuvorgekommen war.
Sie saßen kaum allein in seinem Arbeitszimmer, als Sir Arthur auch schon lächelnd sagte: „Ich weiß, was Sie zu mir führt, Hawkston. Miss Ludgrove hat mich bereits davon unterrichtet, daß sie beabsichtigt, Captain O’Neill zu heiraten.“ Als sein Gegenüber nichts entgegnete, fuhr er fort: „Das ist keine angenehme Situation für Sie, da Sie die junge Dame als zukünftige Gattin für Ihren Neffen hergebracht haben. Nach allem, was ich höre, täte dem jungen Mann der beruhigende Einfluß einer Ehefrau not.“
Lord Hawkston war kaum überrascht, daß der Gouverneur offensichtlich genaue Kenntnisse über Geralds Gewohnheiten besaß. Obwohl man hätte annehmen können, daß er inmitten des Glanzes und Prunkes von Queens House weit entfernt vom alltäglichen Leben lebte, gab es wenig, ob es in Colombo oder anderen Teilen des Landes geschah, wovon er nichts wußte.
„Mein Neffe scheint sich wie ein Narr benommen zu haben, Exzellenz“, gab Lord Hawkston zu.
„Da geht es ihm wie einer ganzen Anzahl junger Männer, die zum ersten Mal ins Land kommen“, erwiderte Sir Arthur, „und leider wissen Sie und ich, daß viele Leute hier nur zu bereit sind, einen jungen Mann auf die schiefe Bahn zu bringen, vor allem wenn er zahlen kann.“
Lord Hawkston erinnerte sich unwillkürlich an die wilden Nächte, die er zu Beginn in Colombo erlebt hatte, nur war er im Unterschied zu Gerald zu schlau gewesen, sein Geld an zweifelhafte Frauen und Vergnügungen zu verschwenden. Später hatte er sich einer angenehmen Liaison mit einer schönen Portugiesin in Kandy erfreut, die er besuchte, wenn es seine Zeit erlaubte, und diese Verbindung hatte einige Jahre gedauert, wobei er mit äußerster Diskretion vorgegangen war.
„Ich wünschte, wir hätten uns mehr um Ihren Neffen kümmern können“, sagte Sir Arthur nachdenklich. „Zu Beginn hat er ein paarmal bei uns diniert, da jedoch die Gastlichkeit bei einem Regierungsvertreter naturgemäß überaus formell ist, muß sie einem jungen Menschen hochgestochen und langweilig erscheinen. Mein Sekretär hat mich übrigens davon informiert, daß wir ihn letztes Jahr zu unserem Weihnachtsball eingeladen haben, daß er jedoch auf diese Einladung nicht reagierte.“
Lord Hawkston preßte die Lippen zusammen, da ihm nichts mehr zuwider war, als schlechte Manieren. Während der kurzen Zeit, die er Gerald in England gekannt hatte, hatte sich dieser zumindest wie ein Gentleman benommen.
„Jetzt stellte sich die Frage, was Sie mit ihm anfangen wollen“, fuhr der Gouverneur fort.
„Ich beabsichtigte, ihm eine Ehefrau zu verschaffen, Exzellenz“, erwiderte Lord Hawkston mit harter Stimme. „Nachdem die Pläne in Bezug auf das Mädchen, das er sich selbst gewählt hat, fehlgeschlagen sind, muß ich einen adäquaten Ersatz finden.“
Sir Arthur lachte.
„Wie typisch für Sie, sich nicht geschlagen zu geben. Der junge Mann kann sich glücklich schätzen, einen solchen Onkel zu haben.“
„Natürlich zähle ich dabei auf Ihre Hilfe.“
Wieder lachte der Gouverneur.
„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen in dieser Beziehung wirklich eine Hilfe sein kann. Alleinstehende junge Damen sind hier knapp gesät, trotzdem dürfte es die eine oder andere Offizierstochter geben, die noch nicht von einem Untergebenen weggeschnappt wurde.“
„Ich würde einem Mädchen den Vorzug geben, das schon längere Zeit in Colombo lebt“, sagte Lord Hawkston. „Ich für mein Teil habe mich so an das Land gewöhnt, daß ich vergessen hatte, daß ein Neuling meine Begeisterung vielleicht nicht teilt.“
„Sie denken an die Einsamkeit auf einer Plantage“, bemerkte Sir Arthur ernst. „Ich fürchte, Sie werden ein außergewöhnliches Mädchen finden müssen, das diese Art zu leben erträgt, Hawkston. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber Miss Ludgrove schien mir dafür auch nicht gerade die richtige Person zu sein.“
„Das weiß ich jetzt auch, aber sie war Geralds Wahl, nicht meine.“
„Und Sie glauben, daß er ein Mädchen nach Ihrem Geschmack akzeptieren wird, ohne Einwände zu erheben?“
„Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben, wenn er sich nicht auf einem Dampfer nach England wiederfinden will, wobei er für seine Passage selbst arbeiten müßte, da ich nicht gedenke, sie zu bezahlen.“
Der Gouverneur warf ihm einen prüfenden Blick zu, bevor er ruhig sagte: „Es ist ein gefährliches Unterfangen, soweit es Liebe oder Ehe betrifft, Vorsehung zu spielen. Sie könnten sich leicht die Finger verbrennen.“
„Ich habe Ihre Warnung zur Kenntnis genommen, Exzellenz, kann aber trotzdem auf Ihre Hilfe nicht verzichten.“
„Wenn ich die Einladungsliste für heute abend betrachte, steht kein Name darauf, der uns von Nutzen sein könnte“, stellte Sir Arthur fest. „Es wäre daher wohl am besten, sich morgen in der Kirche unter der Gemeinde umzusehen.“
Als er Lord Hawkstons Gesichtsausdruck gewahrte, lächelte er.
„Von einem Gast in Queens House wird naturgemäß erwartet, daß er den Gouverneur zum Gottesdienst begleitet.“
„Ich werde mich selbstverständlich meiner Pflicht nicht entziehen.“
„Es wird nicht so schlimm werden, wie Sie befürchten. Unser Vikar hat nämlich die Auflage erhalten, nicht länger als eine Viertelstunde zu predigen.”
Die graue Steinkirche von St. Peter lag nicht weit von Queens House entfernt. Lord Hawkston beobachtete, wie sich die Bänke mit eleganten Menschen füllten, die jene eines Besseren belehrt hätten, die der Meinung waren, Ceylon liege hinter dem Mond.
An der Tür begrüßte der Vikar den Gouverneur und begleitete ihn traditionsgemäß zu seinem Kirchenstuhl, der mit Samtkissen und Gebetbüchern mit dem englischen Wappen ausgestattet war.
Gegenüber befanden sich die Bänke für den Chor, dahinter saß vor der Orgel ein junges Mädchen in einem weißen Baumwollkleid, dessen Kopf eine häßliche Schute mit schwarzen Bändern zierte. Und dann entdeckte Lord Hawkston, daß sich dieser Aufzug noch fünfmal wiederholte. Auf der letzten Chorbank saßen fünf Mädchen in den gleichen weißen Baumwollkleidern, den gleichen Schutenhüten, schwarzen Handschuhen und schwarze Schärpen um die Taillen.
Zuerst hielt er das für die spezielle Tracht der Chorsängerinnen, bis er den Gouverneur flüstern hörte: „Der Vikar hat sechs Töchter.“
„Sechs?“ hätte der Lord beinahe laut ausgerufen.
„Seine Frau ist vor zwei Jahren gestorben“, sagte Sir Arthur hinter seinem Gebetbuch. „Seitdem stellt er uns unsere Sünden und das Höllenfeuer, das uns dafür erwartet, noch plastischer vor Augen.“
Der Vikar war ein großer, hagerer Mann, der in seiner Jugend gut ausgesehen haben mußte. Jetzt wirkte er so dünn und leichenähnlich, daß man unwillkürlich auf den Gedanken kam, er habe sich selbst alle Freuden des Lebens ausgetrieben. Der von ihm ausströmende Fanatismus warf für Lord Hawkston die Frage auf, ob seine Töchter nicht unter seiner Strenge und übertriebenen Religiosität zu leiden hatten.
Die älteste der fünf nebeneinander sitzenden Mädchen schien sehr hübsch zu sein, soweit man das unter der Krempe ihres Hutes erkennen konnte. Die anderen waren noch nicht erwachsen und besaßen Gesichter wie Milch und Blut, kleine Stupsnasen und große Augen, mit denen sie neugierig die Gemeinde musterten.
Die an der Orgel sitzende Tochter des Vikars schien auch am Hinterkopf Augen zu haben. Sie wies eine ihrer Schwestern zurecht, die herumzappelte und reichte gleichzeitig einem kleinen Jungen aus dem Chor das aufgeschlagene Gesangbuch, weil er sich nicht zurechtfinden konnte. Sobald sie nicht spielte, drehte sie sich um, damit sie den Chor im Auge hatte. Als sie sich einmal erhob, konnte Lord Hawkston nicht umhin, ihre elegante Figur zu bewundern, die selbst das grobe Material ihres Kleides nicht verhüllen konnte.
Den Worten des Gouverneurs zufolge war die Mutter vor zwei Jahren gestorben. Entweder bestand der Vikar auf einer langen Trauerzeit, wie das inzwischen in England Mode geworden war, oder die Mädchen mußten ihre Schutenhüte solange tragen, bis eine Neuanschaffung unerläßlich war.
Trotz des respektablen Alters der Orgel wurde sie meisterhaft gespielt, wie Lord Hawkston bemerkte. Er machte sich Gedanken darüber, wie die Familie wohl leben mochte. Als er die Predigt des Vikars hörte, eröffnete sich ihm ein genaueres Bild über die dort herrschende Atmosphäre.
Der Gouverneur hatte recht gehabt. Der Mann war besessen von dem Gedanken an die Sünde und die Strafen, die einem dafür auferlegt wurden, vor denen es kein Entrinnen gab. Dabei sprach er mit einem Feuer, das von dem tiefen Ernst seines Glaubens gespeist wurde. Als Priester war er ohne Zweifel berufen, als Vater mußte er schwer zu ertragen sein.
Einmal stockte der Pfarrer, weil er anscheinend zwei Seiten seiner Notizen auf einmal umgeblättert hatte. Als das geschah, drehte sich seine älteste Tochter um und blickte zur Kanzel hinauf, wodurch sich Lord Hawkston zum ersten Mal Gelegenheit bot, ihr voll ins Gesicht zu sehen.
Es war herzförmig geschnitten mit einer schmalen, geraden Nase und grauen Augen, soweit Lord Hawkston das aus dieser Entfernung erkennen konnte. Ihre Brauen waren schön geschwungen, das aschblonde Haar jedoch war streng und höchst unkleidsam unter der schwarzen Schute festgesteckt.
Als der Vikar den Faden wiederfand, entspannte sich seine Tochter sichtbar. Sie wandte sich wieder dem Chor zu und beugte sich vor, um einem kleinen Jungen das Spielen mit einer Schleuder zu verwehren. Dieser erschrak und ließ die Schleuder und den Stein los, den er gerade in die Schlinge legen wollte. Beides fiel nicht gerade geräuschlos zu Boden. Bevor sie ihn daran hindern konnte, kroch der kleine Junge zwischen den Beinen von zwei anderen hindurch, um sich sein kostbares Eigentum wiederzuholen. Als er wieder auf seinen Platz schlüpfte, warf er der Pfarrerstochter einen ängstlichen Blick zu, was ihm ein drohendes Stirnrunzeln einbrachte. Über seinem demütig gebeugten Kopf trafen sich ihre Augen mit denen ihrer jüngeren Schwester, und ein amüsiertes Lächeln spielte um ihre Lippen. In diesem Augenblick stand für Lord Hawkston fest, daß sie die richtige Frau für Gerald war. Ein Mädchen, das mit einem fanatischen Vater, einer Horde unartiger Chorjungen und einem Haus voller Schwestern fertig wurde, würde das auch bei seinem unbotmäßigen Neffen schaffen.
„Erzählen Sie mir noch etwas über Ihren Pfarrherrn“, bat er den Gouverneur auf der Heimfahrt.
„Er ist ein schwieriger Mann“, erwiderte Sir Arthur. „Ständig wettert er über die Ausschweifungen im Hafenviertel, und ich muß ihm dann klarmachen, daß es nicht zu meinen Pflichten gehört, die Männer dort davon abzuhalten, ihr Geld auszugeben, wie es ihnen beliebt, und daß ich nur eingreifen kann, wenn sie gegen Gesetze verstoßen.“
„Und seine Töchter?“ erkundigte sich Lord Hawkston.
„Die kenne ich kaum“, sagte der Gouverneur schulterzuckend. „Sie werden zwar von Zeit zu Zeit zu irgendwelchen Gesellschaften eingeladen, aber ihr Vater huldigt der Trauer um seine verstorbene Frau auf eine Art, die anscheinend alles ausschließt außer Gebete. Daher trifft man nur das älteste Mädchen bei den Zusammenkünften der Sonntagsschule, oder wenn sie für die Armenarbeit ihres Vaters sammelt.“
„Welch trübseliges Leben!“ bemerkte der Lord.
„Das kann man wohl sagen. Die meisten Frauen heutzutage würden es unerträglich finden“, stimmte sein Gesprächspartner zu.
Nach dem Lunch setzte sich Lord Hawkston zum Sekretär des Gouverneurs, einem älteren Mann, der sein ganzes Leben in Colombo verbracht hatte, und dessen Kenntnis der lokalen Verhältnisse für seinen Dienstherrn unbezahlbar waren.
„Ich würde gern alles wissen, was Sie mir über den Vikar von St. Peter berichten können“, sagte er.
„Sein Name ist Redford, er lebt seit zweiundzwanzig Jahren in Colombo und hat auch hier geheiratet“, erwiderte der Sekretär. „Seiner Überzeugung nach sind wir in Queens House unempfindliche und gefühllose Burschen, die seinem dringenden Wunsch, Colombo zu bessern und zu läutern, nicht das nötige Verständnis entgegenbringen.“
„Und was wissen Sie über Mrs. Redford?“
„Sie war charmant, und wenn jemand die menschlichen Züge des Vikars zum Vorschein brachte, dann war es seine Frau. Sie stammte aus dem englischen Landadel, und ihr Vater hatte etwas mit dem Botanischen Garten in Kew zu tun. Als er eines Tages herkam, um den Gouverneur zu beraten, welche Pflanzen für einen bestimmten Boden taugten, begleitete sie ihn und verliebte sich prompt in den Vikar.“
Der Sekretär machte eine Pause, bevor er fortfuhr: „Redford war damals ein gutaussehender junger Mann, dessen penetranter Glaubenseifer jedoch schwer zu ertragen war.“
„Das Paar hatte sechs Töchter.“
„Zu seinem großen Kummer wurde dem Vikar kein Sohn geschenkt. Nachdem Dominica und Faith das Licht der Welt erblickt hatten, taufte er die dritte Tochter Hope, aber unglücklicherweise folgten ihr drei weitere Mädchen, Charity, Grace und Prudence.“
„Gütiger Gott“, rief Lord Hawkston, „welche Belastung für die armen Dinger.“
„Dominica hatte Glück, sie wurde an einem Sonntag geboren, der Name erscheint daher passend, aber die anderen haben zusätzlich ihr Päckchen zu tragen. Es sind reizende Mädchen“, sagte er, „meine Frau schätzt sie sehr, und ab und zu erlaubt man ihnen, meine Tochter zum Tee zu besuchen, die Invalide ist. Andere Unterhaltung haben sie kaum, ihr Vater hält nichts von weltlichen Vergnügungen.“
„Ich möchte dem Vikar einen Besuch abstatten“, sagte Lord Hawkston. „Darf ich mich zur Einführung auf Sie beziehen?“
Der Sekretär lächelte.
„Erwähnen Sie den Gouverneur, Mylord, der Vikar ist trotz aller Gegensätze von Seiner Exzellenz beeindruckt.“
„Ich werde Ihren Rat beherzigen.“
Um vier Uhr nachmittags sprach er im Pfarrhaus vor, weil er das nicht nur für eine korrekte Besuchszeit hielt, sondern weil auch kein Gottesdienst stattfand. Die Tür wurde von einem etwa vierzehnjährigen Mädchen geöffnet, in dem er Charity vermutete. Als er erklärte, ihren Vater sprechen zu wollen, beeilte sie sich verwirrt, ihn in ein Vorderzimmer zu führen, wo sie ihn mit der gestammelten Bemerkung stehen ließ, ihren Vater holen zu wollen.
Lord Hawkston sah sich um, wobei er bemerkte, daß seine Umgebung ärmlich war, jedoch Geschmack verriet. Das Material der Vorhänge konnte nur ein paar Pfennige der Meter gekostet haben, paßte aber in der Farbe zum Blau des Meeres. Sofakissen gab es nicht. Der Boden war geschrubbt und nur von ein paar Matten bedeckt.
Auf dem Tisch stand eine Schale mit Blumen, und es roch nach Lavendel, den Lord Hawkston nach einigem Suchen in einem Topf auf dem Fensterbrett fand, wo ihn die Sonne erreichte. Da es Sonntag war, waren die Jalousien herunter gezogen, so daß nur eine Handbreit Licht unter jeder hervorkam. Lord Hawkston wußte, daß es in Schottland und einigen Teilen Englands Sitte war, am Sonntag die Jalousien zuzumachen, hätte etwas Derartiges aber kaum auf Ceylon erwartet.
Als der Vikar erschien, wurde ihm seine Entgleisung klar, an einem Sonntag vorzusprechen.
„Sie wünschen, Sir?“ fragte der Vikar, der aus der Nähe noch asketischer wirkte als in der Kirche.
Die feierliche schwarze Kleidung, die hervorstehenden Backenknochen, das hagere Gesicht und das graue, an den Schläfen weiße Haar vermittelte den Eindruck, man habe einen der alten Propheten vor sich, der Hölle und Verdammnis auf die Einwohner von Sodom und Gomorrha herunterrief.
„Ich bin Lord Hawkston!“
Der Vikar neigte leicht das Haupt.
„Ich wohne beim Gouverneur in Queens House“, fuhr er fort. „Mich führt eine wichtige Angelegenheit zu Ihnen, die ich gern mit Ihnen besprechen möchte.“
Draußen zog Charity die Tür hinter ihrem Vater ins Schloß und rannte die Treppe hinauf. Dominica war in ihrem Schlafzimmer, das sie mit Faith teilte. Sie war gerade von der Sonntagsschule gekommen und nahm den Hut ab, als Charity hereinstürzte.
„Was ist geschehen? Warum bist du so aufgeregt?“ fragte sie.
„Ein Gentleman ist bei Vater, der in einem Wagen des Gouverneurs gekommen ist. Es ist derselbe, der heute in der Kirche neben dem Gouverneur saß und sich amüsierte, als Ranil die Schleuder fallen ließ.“
„Das war kein bißchen amüsant“, sagte Dominica. „Papa hat das Geräusch gehört und war sehr verärgert. Man kann ihm einfach nicht verständlich machen, daß die Chorjungen der Predigt niemals lauschen.“
„Warum sollten sie“, stellte Charity gleichmütig fest. „Ich wette, der Gouverneur tut es auch nicht.“
„Was mag der Gentleman von Papa wollen?“ fragte Dominica.
„Vielleicht lädt er uns zu einem Ball ein“, meinte Charity.
Dominica lachte.
„Eine Einladung zu einem Ball ist genau so unwahrscheinlich wie ein Besuch auf dem Mond. Außerdem würde uns Papa nie erlauben, hinzugehen.“
„Wenn ich erwachsen bin, werde ich tanzen, ganz gleich was Papa sagt.“
„Das solltest du ihn aber besser jetzt noch nicht hören lassen“, ließ sich eine Stimme vom Eingang her vernehmen, „sonst ist dir eine Tracht Prügel gewiß.“
Faith war, wie Lord Hawkston schon in der Kirche bemerkt hatte, ein sehr hübsches Mädchen mit blondem Haar, blauen Augen und einer Engelsmiene. Nichts in ihrem Äußeren deutete darauf hin, daß sie einen schnellen Verstand besaß und wie Charity nur zu bereit war, sich gegen die von ihrem Vater erlassenen Beschränkungen aufzulehnen.
„Was geht hier eigentlich vor?“ fragte sie. „Haben wir tatsächlich einen jungen Mann im Haus?“
„Nicht direkt jung, aber elegant und eindrucksvoll. Übrigens wohnt er im Queens House.“
„Ist es der aus der Kirche?“ erkundigte sich Faith. Als Charity nickte, fuhr sie fort: „Ich habe ihn mir genau betrachtet und finde ihn ausgesprochen attraktiv.“
„Du findest beinahe jeden Mann attraktiv“, stellte Dominica lachend fest.
„Leider kommt mir außerhalb der Kirche kaum einer zu Gesicht“, erwiderte Faith. „Und dabei hatte ich so gehofft, daß der Leutnant, der mir letzten Sonntag schöne Augen gemacht hat, wieder da wäre, aber leider scheint er Dienst zu haben.“
Dominica warf einen Blick zur Tür.
„Nimm dich in Acht, Faith“, sagte sie. „Ich habe immer Angst, daß Papa dich eines Tages so reden hört.“
„Papa ist viel zu sehr damit beschäftigt, unten in der Stadt die Sünden auszurotten; in seinem eigenen Haus bemerkt er sie nicht“, sagte Faith gleichmütig.
„Da wäre ich nicht so sicher.“
„Was mag der Gentleman mit Papa zu besprechen haben?“ fragte Charity. „Soll ich an der Tür horchen? Wenn Papa mich erwischt, kann ich immer noch behaupten, daß ich darauf warte, seinen Gast hinauszugeleiten.“
„O ja, tu das“, rief Faith.
Doch da mischte sich Dominica ein: „Du wirst nichts dergleichen tun, Charity. An fremden Türen zu lauschen ist, wie du sehr wohl weißt, ungezogen und vulgär.“ Plötzlich stieß sie einen kleinen Schrei aus. „Du lieber Himmel, glaubt ihr, daß er zum Tee bleibt? Ich wollte gestern einen Kuchen backen, aber leider war mir das Haushaltsgeld ausgegangen, und ich hatte nicht den Mut, Papa um mehr zu bitten.“
„Na, wenn schon“, sagte Faith. „Wir können ein paar Sandwiches machen und Früchte aus dem Garten holen. Vermutlich wird er in Queens House so mit Delikatessen vollgestopft, daß ihm unser einfaches Essen sowieso nicht schmeckt.“
„Bitte rede nicht so vor deinen jüngeren Schwestern“, flehte Dominica. „Papa ist nun mal der Meinung, daß Luxus sündige Gedanken erzeugt.“
„Nach dem, was wir essen, ist es ein Wunder, daß wir überhaupt denken können“, rief Faith. „Vermutlich leide ich längst an Unterernährung.“
Dominica lachte.
„So siehst du aber gar nicht aus. Erst neulich mußte ich dein Kleid in der Taille um drei Zentimeter weiter machen.“
„Das kommt vom natürlichen Wachstum“, erwiderte Faith voller Würde.
Ihre Schwester setzte gerade zu einer Entgegnung an, als sich von unten her die Stimme ihres Vaters hören ließ: „Dominica, komm zu mir, ich brauche dich.“
Sie sah die anderen entsetzt an.
„Richtet schnell einige Sandwiches her und holt Früchte“, sagte sie. Noch in der Tür gab sie die letzten Instruktionen, dann lief sie die Treppe hinunter.
„Du hast mich warten lassen“, begrüßte er sie vorwurfsvoll.
„Entschuldige, Papa, ich mußte eben Faith und Charity Bescheid sagen, was sie tun sollen, falls unser Besucher zum Tee bleibt.“
„Tee?“ Der Vikar reagierte, als ob er von einer solchen Mahlzeit noch nie etwas gehört hätte. „Ach ja, vielleicht sollten wir ihm höflicherweise eine Tasse Tee anbieten.“
„Soll ich welchen machen?“
„Nein, das können die anderen tun. Lord Hawkston möchte mit dir sprechen.“
Bevor die überraschte Dominica etwas äußern konnte, öffnete ihr Vater die Tür und schob sie ins Wohnzimmer. Auch ihr war der Fremde neben dem Gouverneur nicht entgangen, und sie erkannte ihn auf der Stelle, wobei sie ihn aus der Nähe weit besser aussehend fand als heute morgen in der Kirche. Noch dazu wirkte er außerordentlich elegant in ihren Augen. Seine Kleidung war schick, sie konnte nur aus England stammen, doch trug er sie so lässig, als ob sie ein Teil von ihm wäre.
„Mylord, dies ist meine Tochter Dominica“, stellte der Vikar vor.
Lord Hawkston verbeugte sich, während Dominica in einem tiefen Knicks versank. Ein paar Augenblicke herrschte Schweigen, und sie fragte sich, warum keiner der Männer etwas sagte. Schließlich räusperte sich ihr Vater und ergriff das Wort.
„Lord Hawkston hat mich mit einem ziemlich ungewöhnlichen Vorschlag überrascht.“
Dominica sah mit ihren großen grauen Augen zu ihm auf.
„Ja, Papa?“
Wieder entstand eine Pause, bis Lord Hawkston die Angelegenheit in die Hand nahm.
„Würden Sie es sehr unschicklich finden, Vikar, mich mit Ihrer Tochter allein zu lassen, damit ich ihr meinen Vorschlag, wie Sie es nennen, selbst unterbreiten kann.“
Auf dem Gesicht des Pfarrers malte sich tiefe Erleichterung.
„Das dürfte wohl am besten sein, Mylord. Ich werde inzwischen meine anderen Töchter bitten, für uns Tee zu machen.“
Er eilte aus dem Zimmer und schloß die Tür hinter sich, während Dominica den fremden Besucher fragend anblickte.
„Vielleicht sollten wir uns zuerst setzen“, schlug er vor, worauf sie errötete.
„Ich bitte um Verzeihung, Mylord, die Überraschung hat mich meine guten Manieren vergessen lassen.“
„Was ich Ihnen sagen möchte, wird eine noch größere Überraschung für Sie bedeuten“, erwiderte er, „trotzdem bitte ich Sie, mir ruhig zuzuhören, ohne vorschnell einen Entschluß zu fassen.“
Er setzte sich auf das Sofa und bedeutete Dominica mit einer Handbewegung, neben ihm Platz zu nehmen, was sie nach kurzem Zaudern tat.
Als er sich ihr jetzt zuwandte, wurde ihr unter seinem intensiven Blick beklommen zumute. Seine Vermutung von heute morgen erwies sich als richtig. Sie hatte tatsächlich aschblondes Haar mit silbernen Lichtern darin, das im Nacken zu einem dicken Knoten hochgesteckt war. Ihre grauen Augen waren von langen, dunklen Wimpern überschattet, die geschwungenen Brauen darüber ebenfalls dunkel. Ihre Perlmutt weiße Haut war klar und rein. Wenn sie errötete, glaubte man die Morgenröte am Himmel aufsteigen zu sehen.
Sie war sehr schlank, doch selbst das Kleid aus grober Baumwolle, das ihre Figur eng umschloß, vermochte nicht die weichen, runden Brüste zu verbergen. Ihre schlanke Taille konnten die Hände eines Mannes leicht umspannen.
Die Finger, die so kunstfertig die Orgel gespielt hatten, waren lang und zartgliedrig. Jetzt hielt sie sie im Schoß gefaltet, wie ein Schulkind, das gleich ein Gedicht aufsagen sollte.
„Vermutlich fragen Sie sich nach dem Zweck meines Besuches“, begann er nach einiger Zeit.
„Wir haben an einem Sonntag selten Besuch.“
„Es tut mir leid, den Sonntag entweiht zu haben“, erwiderte er mit leiser Belustigung. „Zu meiner Entschuldigung kann ich nur vorbringen, daß es mich danach drängte, Sie kennenzulernen und Ihnen meinen Wunsch zu eröffnen.“
„Und welcher Wunsch wäre das?“
„Meine Antwort mag Ihnen sehr direkt erscheinen“, erwiderte er, wobei seine Augen unverwandt in ihrem Gesicht forschten. „Ich habe bei Ihrem Vater angefragt, ob Sie es wohl in Erwägung ziehen könnten, meinen Neffen, Gerald Warren, zu heiraten.“
Dominica starrte ihn mit großen Augen an.
Dann sagte sie mit einer Stimme, der man die mühsame Beherrschung anmerkte: „Meinen Eure Lordschaft das im Ernst?“
„Aber selbstverständlich, doch lassen Sie mich deutlicher werden. Mein Neffe, der auf meiner Plantage nahe Kandy arbeitet, lebt seit zwei Jahren im Lande. Ich traf gestern aus England kommend mit einer jungen Dame ein, mit der er verlobt war. Die beiden sollten gleich nach unserer Ankunft heiraten, aber unglücklicherweise erfuhr ich inzwischen, daß die betreffende Dame ihre Meinung geändert hatte.“
„Und warum wollte sie ihn nicht mehr heiraten?“
„Weil sie an Bord unseres Schiffes einen Mann kennenlernte, dem sie offensichtlich den Vorzug gab. Inzwischen ist mir allerdings selbst klar geworden, daß sie für meinen Neffen nicht die erstrebenswerte Frau gewesen wäre. Er braucht jemand, der für ihn da ist und ihm die Einsamkeit erträglich macht, unter der ein Pflanzer unvermeidlich leidet, der monatelang von der Welt abgeschnitten auf einer Plantage lebt.“
Nach einer Pause fuhr er fort: „Als ich Sie heute morgen Orgel spielen hörte, während Sie gleichzeitig ein paar unartige Chorjungen in Schach hielten und Ihrem Vater Ihre Aufmerksamkeit schenkten, wußte ich, daß ich die richtige Frau für Gerald gefunden habe.“
Dominica holte hörbar Atem.
„Wie können Sie dessen so sicher sein, Mylord?“
Er lächelte.
„Was soll ich darauf sagen? Daß ich einen gesunden Instinkt besitze?“
„Ihren Worten entnehme ich, daß Ihr Neffe und die junge Dame sofort nach der Ankunft heiraten wollten. War er nicht tief enttäuscht über den Sinneswechsel seiner Braut?“
„Sie haben ein Recht, diese Frage zu stellen, Miss Redford“, sagte Lord Hawkston. „Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Mein Neffe weiß noch nicht, welchen Verlauf die Dinge inzwischen genommen haben. Eine Erkrankung hinderte ihn daran, uns in Colombo zu treffen. In seinem letzten Brief schreibt er, daß er mich in wenigen Tagen in Kandy zu sehen hofft.“
„Werden Sie ihm wenigstens mitteilen, daß er nicht die Braut bekommt, die er sich ausgesucht hat, sondern stattdessen ein Mädchen Ihrer Wahl?“
So sanft die Frage gestellt war, konnte Lord Hawkston nicht verhehlen, daß sie ein wenig sarkastisch klang.
„Wenn Gerald erst selbst merkt, daß er einer höchst unpassenden Verbindung entgangen ist, dürfte er gegen das Arrangement, das ich für ihn getroffen habe, nichts einzuwenden haben.“
„Erwarten Sie tatsächlich, daß ich einwillige, einen Mann zu heiraten, den ich noch nie gesehen habe?“ fragte das Mädchen.
„Sie dürfen meiner Versicherung glauben, daß mein Neffe ein sehr gutaussehender junger Mann ist. Über einen Meter achtzig groß, ist er ein ausgezeichneter Reiter und auch auf dem Tanzparkett zu Hause.“
„Und wenn er mich nicht mag?“ fragte sie leise.
„Unter den gegebenen Umständen wird er ein hübsches Mädchen mit offenen Armen empfangen, dem sein Wohl und Wehe am Herzen liegt.“ Er dachte kurz nach, dann fuhr er fort: „Wenn Sie ihn zwei- oder dreimal getroffen und mit ihm getanzt hätten, hätte er Ihnen nach diesen flüchtigen Begegnungen einen Antrag machen können, den Sie möglicherweise angenommen hätten. Und ich bitte Sie nun, über das Fehlen dieser nichtigen Formalitäten hinwegzusehen.“
Als das Mädchen nichts entgegnete, sprach er weiter: „Es dürfte wohl kaum Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, daß es ihr Vater schwer haben wird, seine sechs Töchter mit einem passenden Ehemann zu versorgen. Wenn Sie meinen Neffen heiraten, werde ich Ihnen eine nicht zu verachtende Apanage aussetzen, die sich nach meinem Tode vervielfachen wird.“
Dominica warf ihm einen Blick zu.
„Bis dahin dürfte wahrscheinlich noch einige Zeit vergehen, Mylord.“
Er lächelte.
„Ich nähere mich den mittleren Jahren und beabsichtige nicht, eine Ehe einzugehen. Nachdem ich solange allein gelebt habe, bin ich so ganz zufrieden, Junggeselle zu bleiben. Daher wird Gerald nicht nur den Titel, sondern auch den nicht unbeträchtlichen Familienbesitz in England erben.“
Da sie sich in Schweigen hüllte, fuhr er fort: „Ich habe Sie auserwählt, Dominica - ich hoffe, Sie erlauben mir, Sie bei Ihrem Vornamen zu nennen -, weil ich Sie für ein vernünftiges Mädchen halte. Und Ihr gesunder Menschenverstand sollte Ihnen sagen, wie vorteilhaft mein Angebot ist.“ Er ließ sie nicht aus den Augen. „So ungewöhnlich, ja unkonventionell das Ganze ist, sollte Sie das doch nicht stören. Begleiten Sie mich nach Kandy auf meine Plantage, dort werden Sie selbst feststellen, wieviel Sie und mein Neffe miteinander gemein haben.“
Dominica erhob sich und zog die Fensterjalousien hoch, worauf heller Sonnenschein das Zimmer durchflutete. Mit Augen, die nichts aufnahmen, starrte sie hinaus.
„Was beunruhigt Sie?“ fragte er nach einiger Zeit.
„Ich frage mich, was meine Mutter mir in diesem Fall raten würde.“
„Sie würde sich wünschen, Sie gut verheiratet zu sehen“, erwiderte er. „Den Worten Ihres Vaters zufolge sind Sie über zwanzig, also in einem Alter, wo die meisten Mädchen sich in Gedanken mit einem Brautschleier schmücken.“
„Mama war bei Ihrer Hochzeit erst achtzehn, sie hatte sich auf den ersten Blick in meinen Vater verliebt.“
„Und genau so wird es Ihnen mit meinem Neffen ergehen. Betrachten Sie die Angelegenheit mal von einer anderen Seite. Wie ich gehört habe, gestattet Ihr Vater Ihnen und Ihren Schwestern nicht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wie soll eine von ihnen heiraten, wenn sie keine Gelegenheit hat, einen Mann zu treffen, weil sie weder einen Ball noch sonst eine Veranstaltung besuchen darf. Möchten Sie wirklich den Rest ihres Lebens in diesem Haus zubringen, sich um Ihre Schwestern und Ihren Vater kümmern, die Chorjungen beaufsichtigen und in der Sonntagsschule Unterricht geben?“
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