Kitabı oku: «Im Zeichen der Liebe», sayfa 2
„Leider bleibt man im Buckingham Palace bei einem entschiedenen ,Nein“, erklärte Lord Milthorpe.
„Das ist ja skandalös“, ließ Sir Charles sich erneut vernehmen. „Eben las ich in der Times über die Einzelheiten der Eröffnungsfeierlichkeiten. Ehrengast ist natürlich Kaiserin Eugenie, doch auch der Kaiser von Österreich wird erwartet und sogar der russische Thronfolger. Und wir sollen nur durch einen Botschafter vertreten werden? Was für einen Eindruck wird das hinterlassen?“
„Das einzige Bestreben der Königin ist es, den Thronfolger von jeglichen Aufgaben fernzuhalten, die von Bedeutung sind“, erklärte Lord Milthorpe. „Sie möchte, daß er in ihrer Nähe bleibt und ihr ständig zur Verfügung steht. Wenn die Presse, selten genug, etwas Positives über ihn schreibt, zerreißt die Königin den Artikel, darauf verwette ich meinen Kopf.“
„Wer kann es dem Prinzen verübeln, wenn er sich seine Vergnügungen Gott weiß wo sucht?“ fragte Sir Charles.
„Kein Mensch verübelt es ihm!“ beeilte sich Lord Milthorpe seinen Freunden zu versichern.
„Was die Eröffnungsfeierlichkeiten betrifft, so gibt mir die königliche Entscheidung sehr zu denken“, meinte der Herzog nachdenklich.
Er war jünger als seine Freunde, wirkte aber durch die Autorität, die von ihm ausging, älter. Sein ungewöhnlich attraktives Aussehen machte ihn unweigerlich zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft, gleichzeitig aber war sein Ruf wieder des Thronfolgers ständig in Gefahr, was ihn jedoch nicht kümmerte.
Der Herzog lebte, wie es ihm gefiel, und da er einer der größten Grundbesitzer des Landes war und einer Familie entstammte, die in der Geschichte Englands stets eine ruhmreiche Rolle gespielt hatte, kam niemand auf den Gedanken, ihm seines Lebenswandels wegen Vorhaltungen zu machen. Er war mit dem Thronerben eng befreundet, betrachtete sich jedoch nicht als Mitglied des sogenannten Marlborough House Set, aus dem einfachen Grund, da das Alveston House Set jenem anderen Kreis Konkurrenz machte.
So hatte sich der Prince of Wales oft darüber beklagt, daß man in Alveston House die schönsten Frauen träfe, daß es dort die besten Soupers, die witzigste Unterhaltung und die aufwendigsten Feste gäbe.
„Verdammt noch mal, Varien“, hatte er wiederholt geäußert, „es kann nicht allein daran liegen, daß Sie sich diese Extravaganzen leisten können! Ich argwöhne, daß Ihr Geschmack den aller anderen übertrifft und daß Sie die originelleren Einfalle haben.“
„Sie schmeicheln mir, Sir“, hatte der Herzog darauf geantwortet.
Seine höflichen Worte wurden von einem zynischen Lächeln begleitet.
Er fand die Vergnügungen des Prinzen, die aus der Langeweile und dem Unmut über die ihm von seiner Mutter auferlegten Zwänge resultierten, viel zu gekünstelt, denn sie ließen jede Originalität vermissen.
„Varien, wissen Sie, was wir sind?“ hatte der Prinz einmal leutselig gefragt. „Wir sind die Könige der Gesellschaft, und da ich Sie ungemein schätze, stört es mich nicht, den Thron mit Ihnen teilen zu müssen.“
Der Herzog hatte daraufhin etwas gemurmelt, daß er sich geschmeichelt fühle. Insgeheim aber hatte er keineswegs die Absicht, irgendetwas mit jemandem zu teilen.
Er wußte, daß er viele Neider hatte und daß eine kleine Geste genügen würde, um sie ergeben zu seinen Füßen zu sehen. Er war so reich, daß er allen Launen nachgeben konnte, und so großzügig, daß es seinen Freunden an nichts fehlte, wenn er ihre Wünsche erriet.
Dabei wirkte er hoheitsvoller, ja, königlicher als der Prince of Wales selbst. Er hatte etwas an sich, das auch jene, die ihn liebten, auf Distanz hielt.
Natürlich gab es auch Frauen in seinem Leben. Sie kamen und gingen. Er brauchte nur einen Ballsaal zu betreten, und die Frauenherzen schlugen höher. Hunderte Augenpaare blickten ihn sehnsüchtig und unmißverständlich auffordernd an.
„Er sieht aus wie ein griechischer Gott“, hatte eine der Schönheiten im Marlborough House ihrer Nachbarin zugeflüstert.
„Wie viele Götter kennst du, meine Liebe?“ hatte die Freundin erwidert.
„Nur einen“, lautete die Antwort, „und den leider nicht so gut, wie ich es wünschte.“
Sir Charles war indessen noch immer bei der Eröffnung des Suezkanals.
„Als ich vor einem Vierteljahr Großfürst Michael von Rußland traf“, erzählte er eben, „vertraute er mir an, er hätte die feste Absicht, der feierlichen Eröffnung beizuwohnen. Also noch ein Mitglied eines regierenden Hauses, das anwesend sein wird.“
„Ich glaube, England hält sich zurück, da es von Anfang an gegen den Bau des Kanals war“, sagte darauf Lord Milthorpe. „Palmerston sprach sich entschieden dagegen aus, und Stratford de Redcliffe unternahm von Beginn an alles, um de Lesseps’ Plan zum Scheitern zu bringen.“
„Ich kann de Lesseps nur bewundern“, bemerkte Sir Charles dazu. „Es waren harte Jahre voller Enttäuschung und Resignation für ihn, ehe die finanziellen Voraussetzungen für den Baubeginn geschaffen waren.“
„Und jetzt ist der Kanal ein fait accomplit,“ stellte Lord Milthorpe fest, „und England ist entschlossen, an de Lesseps’ Triumph nicht teilzunehmen.“
„Ich sehe nicht ein, warum alle Briten zu Hause bleiben sollen“, ließ sich der Herzog plötzlich vernehmen.
„Was schlägst du vor, Varien?“ fragte Sir Charles.
„Ich schlage vor, daß wir das tun, was dem Prinzen untersagt wird.“
„Du meinst, wir sollten uns die Eröffnung nicht entgehen lassen?“
„Natürlich nicht! Warum auch?“
„Ja, warum?“ rief Lord Milthorpe. „Varien, du hast immer schon Gespür dafür bewiesen, was wirklich wichtig ist. Natürlich mußt du hinfahren! Ein Herzog bleibt immer Herzog, und wir wissen, wie vertraut du mit der Kaiserin bist.“
„Varien ist mit jeder schönen Frau ,vertraut, wie du es zu nennen beliebst“, stichelte Sir Charles. „In Paris wimmelt es von gebrochenen Herzen, wenn er sich dort aufhält.“
„Das Herz der Kaiserin bestimmt nicht“, meinte darauf der Herzog. „Sie wird sich freuen, wenn wir für de Lesseps, der eine ihrer Cousinen zur Frau hat, eintreten. Franz Joseph ist meiner Meinung nach zwar ein Langweiler, dafür ist Großfürst Michael umso amüsanter.“
„Dann wirst du also fahren“, rief Lord Milthorpe aufgeregt. „Wenn du mich nicht mitnimmst, Varien, hänge ich mich auf.“
„Das kann ich nicht verantworten“, erwiderte der Herzog lachend. „Somit habe ich keine andere Wahl: Du wirst mich begleiten, George. Laß uns beim Lunch darüber beraten, wer mitfahren soll. An Bord der Jupiter ist genügend Platz für alle unsere guten Freunde.“
„Ach, ich vergaß, daß du eine neue Jacht hast - ein Dampfschiff!“ Lord Milthorpe geriet ins Schwärmen. „Welche Jungfernfahrt wäre schöner als eine Fahrt zum Suezkanal?“
„Der Prinz wird vor Neid erblassen“, rief Sir Charles. „Der Khedive von Ägypten soll glänzende Festlichkeiten planen.“
„Glänzend ist die richtige Bezeichnung für seine Arabischen Nächte“, meinte Lord Milthorpe lächelnd.
„Nun, das wäre also geregelt“, stellte der Herzog mit einem Anflug von Langeweile fest, als finde er die Begeisterung seiner Freunde übertrieben. „Ihr müßt mir nur sagen, wen ihr unbedingt dabeihaben wollt, damit mein Sekretär die Einladungen rechtzeitig verschicken kann.“
Das sagte er in einem Ton, als sei das Thema für ihn damit erledigt, doch Sir Charles meinte nachdenklich: „Varien, mir fallt eben etwas ein ... ich glaube nicht, daß ich mitkommen kann.“
„Aber warum nicht, Charles? Du willst doch nicht behaupten, daß du die Jagd einem Ägyptenaufenthalt vorziehst? Außerdem könnten wir dort unten eine Gazellenjagd arrangieren. Eine sehr amüsante Sache, besonders, wenn man noch nie Gazellen gejagt hat.“
„Varien, du weißt genau, daß ich nichts lieber täte, als mit der Jupiter nach Ägypten zu fahren.“
„Was hält dich dann davon ab?“ wollte der Herzog wissen.
Sir Charles ließ sich ein wenig Zeit mit der Antwort.
„Morgen trifft meine Tochter in London ein. Ich habe mich noch nicht darum gekümmert, in wessen Obhut ich sie geben soll. Ich kann sie unmöglich allein in London lassen.“
„Deine Tochter? Fast habe ich vergessen, daß du eine hast!“ ließ sich Lord Milthorpe daraufhin vernehmen.
„Bettina war in einem französischen Internat“, erklärte Sir Charles. „Eigentlich hätte sie schon debütieren sollen, aber Sheila Buxton, ihre Patin, erkrankte. Und vor kurzem ist die Ärmste gestorben.“
„Ja, das hörte ich. Eine wunderbare Frau. Ich fand sie immer überaus sympathisch“, bemerkte dazu Lord Milthorpe.
„Du hast also eine Tochter, um die du dich kümmern mußt, Charles“, stellte der Herzog bedächtig fest,
„So ist es.“
„Dann muß deine Tochter einfach mitkommen“, sagte der Herzog, „da wir dich und deine gute Laune keinesfalls entbehren können.“
In Sir Charles’ Blick leuchtete etwas auf.
„Ist das dein Ernst?“
„Ja, natürlich. Eine Person zusätzlich spielt keine Rolle. Und noch etwas ... ich werde einen jungen Mann für deine Tochter miteinladen - warum nicht meinen vermutlichen Erben?“
„Du meinst doch nicht etwa Eustace?“ rief Lord Milthorpe entgeistert.
„Natürlich meine ich Eustace. Es wird meinem Halbbruder nicht schaden, wenn er von seinen ewigen Moralpredigten abgelenkt wird und meine Freunde im Oberhaus endlich in Ruhe läßt. Ständig bekomme ich ihre Klagen zu hören, weil er ihnen mit seinen Horrorgeschichten Angst einflößen will und sie gleichzeitig dazu drängt, ihre Taschen zu leeren.“
Keiner seiner Freunde gab ihm darauf eine Antwort. In seiner Gegenwart wagte es niemand, an seinem Halbbruder Kritik zu üben, im Gegenteil, man bemühte sich, etwas Nettes über ihn zu sagen.
„Varien, ich finde es sehr großzügig, daß du Bettina mitnehmen willst“, brach Sir Charles nach einer Weile das Schweigen. „Ich kann nur hoffen, das Kind ist keine Langweilerin geworden. Seinerzeit war sie nicht auf den Mund gefallen und wußte zu allem etwas zu sagen.
„Wenn sie auch nur ein bißchen nach ihrem Vater geraten ist, wird sie wie ein Lebenselixier auf unsere Gesellschaft wirken“, scherzte Lord Milthorpe gut gelaunt.
„Danke, George“, sagte darauf Sir Charles. „Ich werde mich sehr bemühen, meiner Rolle zu entsprechen.“
Der Herzog lachte.
„Charles, du fällst nie aus der Rolle, und du weißt sehr gut, daß ohne dich jeder Gesellschaft die Würze fehlt.“
Sir Charles wollte eben darauf antworten, als der Butler ankündigte: „Lady Daisy Sheridan und die ehrenwerte Mrs. Dimsdale, Euer Gnaden!“
Zwei Damen, beide auffallende Schönheiten, betraten den Salon. Als der Herzog sich erhob und ihnen entgegenging, ließen Lady Daisys Blick und seine Miene keinen Zweifel daran, daß sie einander viel bedeuteten.
Sie reichte ihm ihre behandschuhten Hände, die er an die Lippen führte.
„Entschuldige unser Zuspätkommen“, sagte Lady Daisy atemlos. „Kitty ließ sich nicht davon abbringen, noch eine Auswahl neuer Hüte zu kaufen, die sich eigentlich keine von uns leisten kann, doch wir konnten einfach nicht widerstehen.“
„Wie könnte es anders sein?“ erwiderte der Herzog mit einem zynischen Lächeln.
Er wußte sehr wohl, wer für diesen Hutkauf aufkommen mußte, ebenso wie er wußte, daß jeder Besuch der beiden Damen von der Erwartung begleitet wurde, er würde sich finanziell großzügig zeigen.
Daisys kleine Ränke und Schachzüge waren ihm nur zu vertraut.
Wären ihre Liebhaber nicht für ihre Rechnungen aufgekommen, hätte Lady Daisy Sheridan, deren Ehemann dem Kartenspiel leidenschaftlich verfallen war, ihren Ruf als einer der elegantesten Frauen Londons nicht aufrechterhalten können.
Der Herzog war nur zu gern bereit zu tun, was von ihm erwartet wurde, wenngleich er es bedauerlich fand, daß Daisy ihre Absichten so deutlich erkennen ließ.
Als wüßte sie, daß ihr Wunsch so gut wie erfüllt war, spürte er, wie ihre Hand die seine einen kurzen Augenblick lang fester umfaßte. Dann steuerte sie wie ein Schwan auf Lord Milthorpe zu und reichte diesem hoheitsvoll die Hand.
„Lieber George, ich wußte, du würdest da sein. Wie schön, dich zu sehen“, sagte sie huldvoll.
„Hoffentlich hast du Kitty nicht zu neuen Extravaganzen verführt“, seufzte er. „Meine beiden Jagdpferde, die ich mir erst kürzlich zulegte, sind noch nicht bezahlt.“
„Unsinn!“ antwortete Lady Daisy. „Du bist reich wie Krösus und weißt gar nicht, wieviel du besitzt.“
„Das kann man leider von mir nicht behaupten“, meinte darauf Sir Charles mit einem Lächeln.
„Nein, wirklich nicht“, erwiderte Lady Daisy, „wir alle aber wissen, wie großzügig du wärest, wenn du könntest.“
„Ich glaube, das ist so ungefähr das Netteste, was man mir je sagte“, meinte Sir Charles nach einer kleinen Pause.
„Du verdienst es, Charles“, sagte Lady Daisy. „Und jetzt möchte ich erfahren, was ihr drei Musketiere vor unserer Ankunft zu besprechen hattet.“
„Die Antwort sollte klar sein, ist es aber nicht“, entgegnete Sir Charles.
„Die Rede war nicht von uns?“ lautete Lady Daisys erstaunte Reaktion. „Das ist ja ungeheuerlich! Varien, bist du mir etwa untreu geworden? Das würde ich nicht ertragen können!“
„Im Gegenteil“, sagte der Herzog, „wir haben uns etwas ausgedacht, das euch weitaus größeres Vergnügen bereiten wird als die Jagdbälle, die Fasanenjagd und die zahlreichen Gesellschaften, die euren Terminkalender im Moment füllen.“
„Was für ein Vorschlag könnte das sein?“
„Wir werden an der Eröffnung des Suezkanals teilnehmen“, antwortete der Herzog.
Der entzückte Aufschrei, der seinen Worten folgte, kam für ihn nicht unerwartet.
2
Bettina, die sich bei der Einfahrt des Zuges in den Bahnhof aus dem Fenster beugte, erspähte ihren Vater sofort. Ihrer Meinung nach war es auch unmöglich, ihn zu übersehen - und war die Menschenmenge noch so groß. Kein anderer sah so hinreißend und elegant aus, ein prächtiges Mannsbild, wie seine Freunde ihn nannten.
Den Zylinder schräg auf dem Kopf, eine Nelke im Knopfloch, so stand er, auf sein Malakka-Stöckchen gestützt da und sah dem einfahrenden Zug nicht ohne Beklemmung entgegen.
Bettina stieß die Waggontür auf und sprang auf den Bahnsteig, um ihrem Vater entgegenzulaufen.
„Papa! Papa! Ich wußte ja, du würdest mich abholen!“
Sie schlang die Arme um seinen Nacken und gab ihm einen Kuß.
„Was, zum Teufel ist passiert?“ rief Sir Charles statt einer Begrüßung. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“
„Das habe ich befürchtet.“
„Als dein Gepäck ohne dich eintraf, malte ich mir schon die schrecklichsten Dinge aus“, sagte er vorwurfsvoll, ohne daß sein Lächeln sich verflüchtigt hätte. Augenzwinkernd sah er seine Tochter an, um sogleich auszurufen: „Allmächtiger, du bist ja eine richtige Schönheit geworden! Ich erwartete eigentlich das kleine Mädchen, das ich in Erinnerung hatte, und keine junge Dame, die aussieht wie ihre Mutter, als ich sie kennenlernte.“
„Danke, Papa.“ Bettina sagte es lachend. „Ich möchte, daß du dich bei dem Gentleman bedankst, der mir auf liebenswürdigste Weise half. Die Lehrerin, die mich nach England begleiten sollte, erlitt einen Herzanfall und starb in Dover.“
„Deswegen die Verspätung!“
„Du kannst dir sicher vorstellen, wie schrecklich das war“, sagte Bettina. „Hätte Lord Eustace mir nicht beigestanden, ich hätte weder ein noch aus gewußt.“
Sie wandte sich um und sah den jungen Mann, von dem sie eben gesprochen hatte, über den Bahnsteig auf sich zukommen.
„Das ist er, Papa“, fuhr sie fort, ehe Sir Charles etwas sagen konnte.
Sir Charles bedankte sich überschwenglich, worauf Lord Eustaces ernste Miene sich ein wenig aufheiterte. Lebhaft berichtete er, was er wegen der Toten unternommen hatte.
„Sir Charles, es war mir ein Vergnügen, Ihrer Tochter helfen zu können“, schloß er schließlich, „und ich darf sagen, daß sie unter diesen äußerst betrüblichen Umständen sehr besonnen und gefaßt blieb.“
„Das freut mich zu hören.“
Dann, als hätte er zu Lord Eustace nichts mehr zu sagen, wandte sich Sir Charles an seine Tochter: „Bettina, wir müssen uns um dein Gepäck kümmern. Ich bat einen Träger, es bis zur Ankunft des nächsten Zuges zu beaufsichtigen.“
„Wie klug von dir, Papa“, meinte Bettina lächelnd.
Sie reichte Lord Eustace die Hand.
„Nochmals vielen Dank“, sagte sie leise. „Ich wüßte nicht, was ich ohne Ihre Hilfe getan hätte.“
„Es freut mich, daß Sie Ihren Vater gefunden haben und somit in sicheren Händen sind“, gab Lord Eustace steif zurück.
Er ergriff ihre Hand, faßte grüßend nach dem Hut und ging davon.
Bettinas Blick drückte Bedauern aus, als sie ihm nachsah. Irgendwie hatte sie gehofft, er würde ein Wiedersehen vorschlagen. Doch die Freude und die Erleichterung, endlich wieder zu Hause zu sein, ließen sie alles vergessen. Sie hatte ihrem Vater so viel zu erzählen und ihm so viele Fragen zu stellen, daß ihr erst vor dem Haus am Eaton Place bewußt wurde, daß ihre Mutter nicht da sein würde, um sie zu begrüßen. Bettina spürte bei diesem Gedanken einen kleinen Stich.
Beim Betreten der kleinen Halle fiel ihr sofort auf, daß sich die Atmosphäre verändert hatte.
Es fehlten die Kleinigkeiten, mit denen Lady Charlwood ihr Heim behaglich gestaltet hatte, so daß es den idealen Hintergrund für sie und ihr häusliches Glück bildete. Es fehlten die Blumen in den Vasen, die Vorhänge waren grau vor Schmutz, die Möbelbezüge im Salon abgenutzt und schäbig, wie Bettina auf den ersten Blick sah.
Ihr Vater hingegen sah so blendend und erfolgsgewohnt aus wie eh und je. Sein Anzug paßte ihm wie angegossen und entsprach der neuesten, vom Prince of Wales kreierten Mode.
Sir Charles hatte sehr jung geheiratet und war erst Anfang vierzig, verfügte jedoch über Figur und Aussehen eines viel jüngeren Mannes.
„Papa, ich mag zwar erwachsen geworden sein“, sagte Bettina impulsiv, „aber du bist nicht einen Tag älter geworden, im Gegenteil, du kommst mir jünger vor!“
„Du schmeichelst mir“, protestierte Sir Charles, doch ihm war deutlich anzusehen, wie sehr er sich über dieses Kompliment freute.
„Papa, was hast du getrieben?“ fuhr Bettina fort. „Welche großartigen Feste hast du besucht? Ist der Prince of Wales noch immer dein guter Freund?“
Sir Charles lachte herzlich.
„So viele Fragen auf einmal! Ja, der Prinz zeichnet mich noch immer mit seiner Freundschaft aus, und ich verbringe viel Zeit im Marlborough House. Die Gesellschaft des Duke of Alveston schätze ich jedoch noch höher.“
Bettina runzelte die Stirn.
„Irgendwie ist mir der Name in Erinnerung geblieben. Ach ja, natürlich, Mama hat deine Freundschaft mit ihm nicht gern gesehen.“
„Deine Mutter hat viele meiner Freundschaften mißbilligt“, sagte Sir Charles, „aber Alveston ist in Ordnung, wenngleich sein Ruf es mit dem des Thronfolgers aufnehmen kann.“ Er sah Bettina an und fuhr nach einer Pause fort: „Der Duke of Alveston ist übrigens der Halbbruder deines jungen Mannes.“
„Meines jungen Mannes?“ wiederholte Bettina verblüfft.
„Ich meine Lord Eustace Veston.“
„Ach, das ist er also!“ rief Bettina. „Warum behauptete er dann, er sei dir nie begegnet?“
Sir Charles schenkte sich ein Glas Sherry ein, ohne seiner Tochter ein Glas anzubieten. „Der Herzog und sein Halbbruder kommen nicht eben gut miteinander aus“, antwortete er. „Trotzdem will er ihn zu der Reise einladen, auf die ich dich mitnehme. Daß du ihn bereits unter so romantischen Umständen kennengelernt hast, erleichtert die Sache sehr.“
„Was für eine Reise?“ fragte Bettina.
„Nun, du bist eingeladen, dich der Gesellschaft des Herzogs bei der Eröffnung des Suezkanals anzuschließen“, eröffnete er ihr in feierlichem und übertrieben dramatischem Ton.
Einen Moment lang starrte Bettina ihn fassungslos an, dann fragte sie erstickt: „Papa ... ist das dein Ernst?“
„Natürlich. Als ich dem Herzog sagte, du kämest aus Frankreich nach Hause, schlug er vor, ich solle dich mitnehmen.“
„Nicht zu fassen! Wie du dir sicher vorstellen kannst, ist der Suezkanal in Frankreich das Tagesgespräch. Das hört sich alles so aufregend und unglaublich an! Die Kaiserin persönlich wird anwesend sein!“
„Und viele andere Persönlichkeiten, einschließlich unserer Wenigkeit“, schloß Sir Charles.
Er ließ sich in einem Sessel nieder, schlug die Beine übereinander und musterte Bettina so eingehend, daß sie sich vorkam wie ein Zuchtpferd, das begutachtet wird.
„Du hast genau drei Tage Zeit“, sagte er schließlich, „um dir eine Garderobe zuzulegen, wie sie einer eleganten Dame entspricht.“
„Papa!“ Bettina rief es im Ton des Entsetzens. „Das ist ganz ausgeschlossen! Ich habe nichts... buchstäblich nichts anzuziehen! Ich war der Meinung, du würdest mich im April zur Saison heimkommen lassen, deswegen begnügte ich mich im Internat mit den Sachen, die ich hatte.“
Sie holte tief Luft.
„Als du schriebst, es sei unmöglich, weil meine Patin krank war, hielt ich es für Verschwendung, für die kurze Zeit in der Schule noch neue Kleider zu kaufen. Meine Sachen sind mir entweder zu klein oder total abgetragen!“
„Ich ahnte etwas in dieser Richtung“, sagte Sir Charles. „Da ich die Frauen kenne, schwante mir, du würdest eine komplette Ausstattung verlangen, kaum daß du die Schwelle überschritten hättest.“
„Nein, keine ganze Ausstattung“, berichtigte ihn Bettina. „Nur ein paar Abendkleider und natürlich einige Tageskleider.“
„Hm, es wird alles ganz rasch gehen müssen, aber du mußt dir kaufen, was du brauchst. Die Sachen deiner Mutter sind alle noch oben. Sie sind natürlich für dich viel zu erwachsen, aber vielleicht kann man sie in dem Salon, in dem deine Mutter Stammkundin war, ändern... Wenn wir dort gleichzeitig ein paar neue Stücke kaufen, wird man uns sicherlich entgegenkommen.“
Bettinas Augen leuchteten auf, ehe sie zögernd fragte: „Können wir uns das auch leisten, Papa?“
„Nein“, gab Sir Charles trocken zurück. „Leisten können wir es uns nicht. Um ganz ehrlich zu sein - ich besitze im Moment keinen Penny. Außer Schulden habe ich nichts, rein gar nichts.“
Bettina stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Papa, dann ist es vielleicht besser, ich verzichte auf die Reise. Ich könnte es nicht ertragen, daß du dich... daß du dich meiner schämen müßtest.“
Sir Charles erhob sich.
„Kind, sei doch nicht dumm. Das ist deine große Chance. In Gesellschaft des Duke of Alveston wirst du mehr geeigneten Ehekandidaten begegnen als in einem Ballsaal, umgeben von vielen anderen linkischen Debütantinnen.“ Er zögerte kurz, ehe er hinzusetzte: „Gibt es außerdem eine passendere Partie als Eustace Veston?“
Bettina sah ihn erschrocken an.
„Papa, du willst damit doch nicht etwa sagen... ?“
„Warum nicht? Lord Eustace ist zwar kein Herzog, und es ist meiner Ansicht nach sehr unwahrscheinlich, daß er Titel und Vermögen seines Halbbruders erben wird, aber er ist immerhin sehr wohlhabend. Du könntest in keine bessere und vornehmere Familie einheiraten.“
Bettina wandte den Blick ab. Wortlos ging sie durch den Raum und blieb beim Lieblingssessel ihrer Mutter stehen, an dessen Lehne sie sich festhielt.
„Ich hätte nicht gedacht, daß ich ... daß ich so rasch verheiratet werden soll“, gab sie ganz leise von sich.
„Du bist bereits achtzehn“, erwiderte Sir Charles, „und je eher du unter die Haube kommst, desto besser. Ganz ehrlich gesagt, Bettina - ich kann mir deinen Unterhalt gar nicht leisten.“
„Oh, Papa . . .!“
Ihm entging der schmerzliche Ton ihrer Stimme nicht,
„Es ist nicht so, daß ich dich nicht bei mir haben möchte“, beeilte er sich, ihr zu versichern. „Das weißt du. Ich habe dich sogar sehr gern bei mir. Du und ich, wir waren immer schon die besten Freunde. Aber ich habe selbst kaum genug zum Leben, seitdem ich am Kartentisch vom Pech verfolgt werde.“
„Du weißt, wie sehr Mama sich aufregte, wenn du um hohe Einsätze spieltest“, sagte darauf Bettina.
„In den Kreisen, in denen ich mich bewege, läßt es sich nicht vermeiden, und außerdem genieße ich es. Trotzdem...“
Er hielt inne, und Bettina wußte, daß er an die beklemmenden Tage kurz vor Monatsende dachte, wenn die Rechnungen der Lieferanten eintrafen und das Personal auf den Lohn wartete.
Wie oft hatte Bettina im Blick ihrer Mutter die Nöte und Ängste gelesen, weil nie genügend Geld zur Verfügung gestanden hatte.
Sir Charles begann, im Salon auf und ab zu gehen.
„Bettina, ich will ehrlich sein: Ich führe ein verdammt angenehmes Leben. Ich bekomme mehr Einladungen, als ich annehmen kann. Menschen wie der Prinz und Alveston beehren mich mit ihrer Freundschaft und behaupten, daß ohne mich keine Gesellschaft vollzählig sei.“
Das sagte er mit einem gewissen Stolz.
„Aber - das alles kostet Geld. Zwar habe ich ein Dach über dem Kopf, und ich esse und trinke nur vom Besten und habe sogar ein Pferd, wenn ich zur Jagd eingeladen bin. Aber ich muß selbst für meine Garderobe sorgen und kann keinen Kammerdiener bezahlen, der mich begleitet.“
Bettina hörte aufmerksam zu, als er eindringlich fortfuhr: „Wenn ich mich in London aufhalte, brauche ich dieses Haus! An eventuelle Sparmaßnahmen ist daher nicht zu denken.“
„Das kann ich gut verstehen, Papa.“
„Dir ist also klar, daß es keine Lieblosigkeit ist, wenn ich sage daß ich mir, so sehr ich es bedauere, eine Tochter nicht leisten kann.“
Bettina stieß einen Seufzer aus.
„Ich hatte die Absicht, überaus sparsam zu sein und dir keine Unkosten zu verursachen.“
„Ja, glaubst du denn, ich möchte, daß du als Aschenputtel zu Hause sitzt und nicht den dir zustehenden Platz in der Gesellschaft einnimmst?“ fragte Sir Charles ärgerlich. „Bettina, ich bin stolz auf dich, besonders jetzt, da ich sehe, wie hübsch du geworden bist. Passend gekleidet, könntest du eine Sensation sein! Ja, verdammt, und das sollst du auch sein!“
„Aber wie, Papa?“
Bettina hatte das Gefühl, ihr Vater suche nach Worten, ehe er nach kurzer Überlegung sagte: „Nach dem Tod deiner Mutter mußte ich ihren Schmuck verkaufen, damit ich die Beerdigung, die Arztrechnungen und anderes bezahlen konnte.“
Bettina erstarrte unwillkürlich.
Sie hatte stets damit gerechnet, daß die Perlen, die ihre Mutter immer getragen hatte, die türkis- und diamantbesetzten Ohrringe, an die sie sich aus frühester Kindheit erinnern konnte, und der dazu passende Ring eines Tages ihr gehören würden.
„Ich hatte keine andere Wahl“, erklärte Sir Charles. „Ein einziges Stück allerdings konnte ich behalten - einen Diamantstern, von dem sie sich besonders wünschte, er möge einmal dir gehören.“
„Ein wundervoller Stern!“ rief Bettina. „Immer wenn Mama ihn im Haar trug, sah sie für mich aus wie eine Märchenfee.“
„Heute morgen habe ich ihn verkauft“, gestand Sir Charles abrupt.
„Du ... hast ihn verkauft?“
„Damit du als Gast des Herzogs ein paar neue Kleider tragen kannst.“
Im ersten Moment hätte Bettina ihm am liebsten vorgeworfen, daß er kein Recht habe, das Schmuckstück zu verkaufen, das ihre Mutter ihr zugedacht hatte, doch aus Liebe zu ihrem Vater hielt sie sich zurück.
„Sicher wäre Mama damit einverstanden“, sagte sie stattdessen. „Ich weiß, sie würde sich wünschen, daß du stolz auf mich sein kannst.“
Sie fühlte, wie erleichtert ihr Vater war, als hätte er in der Tat erwartet, sie würde ihm zürnen. In seinem Blick lag ein Leuchten, als er sagte: „Du kannst sicher sein, daß ich auf dich stolz bin, aber denk daran, daß eigentlich Lord Eustace derjenige sein sollte, der dir Bewunderung entgegenbringt.“
Im Sonderzug des Herzogs, der sie nach Southampton brachte, wurde Bettina klar, daß sie sich für ein ganz anderes Kleid hätte entscheiden müssen, wäre ihr ernsthaft daran gelegen gewesen, Lord Eustaces Gefallen zu erregen.
Während der in Frankreich verbrachten Jahre hatte sie von den Zöglingen im eleganten Institut Madame de Vesaries sehr viel über Mode gelernt, und sie besaß großes Geschick, sich ihrem Typ gemäß zu kleiden.
Ihr prachtvolles blondes, bei einem gewissen Lichteinfall platinblond wirkendes Haar wurde jedoch von den auffallenden Farben, wie sie die Damen in der Gesellschaft des Herzogs bevorzugten, grell übertönt. Scharlachrote, pfauenblaue und smaragdgrüne Roben mit farblich darauf abgestimmten Hutkreationen, die mit Straußenfedern garniert waren, üppige Rüschen und große Satinschleifen und das Blitzen kostbaren Schmuckes ließen den Salonwagen wie einen Papageienkäfig wirken.
Bettina trug ein Reisekleid in einem matten Blauton, der den idealen Rahmen für ihr helles Haar abgab.
Die Hutbänder umschmeichelten ihr zartes Kinn und ließen ihre Haut noch durchscheinender wirken.
Aus Zeitmangel hatte Bettina nur einige wenige Kleider für die Reise aussuchen können. Zum Glück hatten ihr ein paar zu Ausstellungszwecken gefertigte Roben gepaßt. Doch die Sommerkleider, von denen ihr Vater behauptete, sie würde sie in Ägypten brauchen, hatte sie nicht mehr kaufen können. Sie hatte aber bei den Sachen ihrer Mutter einige Kleider gefunden, die ihrem Geschmack hinsichtlich Farbe und Material entsprachen, und sie entsprechend ändern lassen.
Daß sie sich nach den vielen Jahren, die sie in schmuckloser Schulkleidung zugebracht hatte, nun als strahlender Schmetterling entpuppte, versetzte sie in eine Erregung, die sich nicht unterdrücken ließ.
Die Miene ihres Vaters hatte ihr verraten, wie sehr ihr Äußeres seinen Erwartungen entsprach, und sie selbst mußte sich eingestehen, daß sie von ihrem Spiegelbild sehr angetan war.
Dies alles konnte nicht verhindern, daß sie auf der Fahrt zum Bahnhof nervös nach der Hand ihres Vaters faßte.
„Bist du sicher, daß ich gut aussehe, Papa?“ fragte sie beklommen. „Wirst du mir auch helfen, mich in der Gesellschaft zurechtzufinden? Der Herzog ist sicher sehr einschüchternd, und alle deine Freunde, die dich so ungemein schätzen, werden mich langweilig finden.“
„Das wird gewiß nicht der Fall sein“, beruhigte Sir Charles sie, „du solltest dich aber vor allem auf Lord Eustace konzentrieren. Er wird sich in unserer Gesellschaft wie ein Fisch ohne Wasser fühlen, ganz und gar fehl am Platz.“
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.