Kitabı oku: «Lady Bartons Rache», sayfa 2

Yazı tipi:

Er lachte, als er sich daran erinnerte, dann fuhr er fort:»Er konnte jede Stimme täuschend echt nachahmen und erteilte mit der Stimme des Internatsleiters den Jungs Befehle, um sie dazu zu bringen, die verrücktesten Dinge zu tun, bevor ihnen dämmerte, daß Cyril dahintersteckte.«

»Imitiere den Marquis noch einmal«, bat ihn Lady Barton.

Cyril richtete sich steif auf.

»Was ich euch Knaben zu verstehen geben möchte«, sagte er, »ist folgendes: Ich gebe mich nur mit gewöhnlichen Burschen wie euch ab, weil wir alle an Pferden interessiert sind. Ansonsten finde ich euch unter Niveau und kann natürlich nicht darüber hinwegsehen, daß euer Blut die falsche Farbe hat.«

Erneut brachen alle in dröhnendes Gelächter aus, und auch Valessa mußte unwillkürlich über die gelungene Darbietung lächeln.

Sie hatte Lady Bartons Wunde gesäubert und wandte sich, als das Lachen allmählich verebbte, an Cyril: »Würden Sie mir bitte noch ein Stück Leinen abschneiden, damit ich es auf die Wunde legen kann?«

»Selbstverständlich. Sie scheinen eine sehr gute Krankenschwester zu sein.«

»Ich mußte meinen Vater gelegentlich verbinden, wenn er beim Reiten gestürzt war.«

»Ihr Vater besitzt Pferde?«

»Er hatte nur wenige«, gab Valessa in abweisendem Ton zu, weil sie kein Verlangen hatte, mit diesen unbekümmerten jungen Männern über ihren Vater zu reden. Außerdem hatte sie das dumpfe Gefühl, daß sie von ihm gehört haben könnten.

»Wißt ihr, was ich jetzt brauchen könnte«, sagte Lady Barton, während Valessa ihr den Arm verband, »eine kleine Stärkung, etwas zu essen.«

Erwartungsvolle Stille trat ein, und Valessa hatte das Gefühl, daß alle sie ansahen.

»Tut mir . . . sehr leid«, sagte sie stockend, »aber . . . aber es ist nichts im Haus.«

»Wieso nicht?«

Lady Barton starrte sie ungläubig an.

»Weil. . . weil ich gerade fortgehen wollte und alles, was noch da war, aufgegessen habe.«

Sicher war es ein Fehler, die Wahrheit zu sagen, aber sie sah keinen anderen Ausweg.

Sie spürte, daß alle sie ansahen, als hätten sie sie jetzt erst richtig wahrgenommen.

»Sie sind sehr dünn«, sagte Lady Barton gedehnt, »soll das etwa heißen . . .«

»Ich habe für Ihren Arm getan, was ich konnte, Mylady«, sagte Valessa steif. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, dann bringe ich das schmutzige Wasser weg.«

Sie erhob sich, nahm die Schüssel mit dem rotgefärbten Wasser und den Wasserkessel auf und verließ den Raum.

In dem Augenblick, als sie die Tür von außen schloß, hörte sie Lady Barton sagen: »Ich habe eine Idee! Jetzt hört mir mal alle genau zu . . .«

2

Valessa schüttete das schmutzige Wasser in den Ausguß und stellte die Schüssel auf den Küchenboden.

Sie fühlte sich plötzlich erschöpft und ausgelaugt.

Langsam ließ sie sich auf den einzigen Küchenstuhl sinken, der ihr noch geblieben war.

Daneben stand ein kleiner Arbeitstisch mit einem abgebrochenen Bein, der auf Ziegelsteinen stand.

Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und schlug die Hände vors Gesicht.

Da sie hastig die Treppen hochgelaufen war, um das Leinentuch für den Verband zu holen, hatte sie sich offenbar übernommen.

Ihr war schwindlig, und alles um sie drehte sich. Sie wußte, daß es eine ernst zu nehmende Schwäche war; womöglich würde sie jetzt vielleicht nicht mehr genügend Kraft haben, um sich bis zum Fluß zu schleppen.

Sie saß eine Weile still da und versuchte, tief durchzuatmen. Sicher würden Lady Barton und ihr Gefolge bald das Haus verlassen. Sie würden lachen und in angeregter Unterhaltung die Diele durchqueren, und es hätte sich vielleicht gehört, daß sie ihre Gäste zur Tür begleitete.

Dann hielt sie es doch nicht für der Mühe wert, weil sie diesen Leuten ohnehin niemals wiederbegegnen würde.

Schritte näherten sich der Küchentür. Kurz danach betrat der Mann namens Harry die Küche.

»Ich habe mich gefragt, wo Sie bleiben.«

»Werde ich . . . gebraucht?« fragte Valessa müde.

Sie wußte, daß es sie unendliche Kraft kosten würde, sich vom Stuhl zu erheben und in den Salon zurückzugehen. Harry sah sie an. Sie bemerkte nicht, wie er aufmerksam ihr blasses, schmales Gesicht betrachtete und daß ihm der Ausdruck der Verzweiflung in ihren großen Augen nicht entging. In diesem Augenblick schien er zu erkennen, was mit ihr los war.

»Warten Sie einen Augenblick«, bat er sie leise.

Mit langen, energischen Schritten verließ er die Küche, durchquerte die Diele und öffnete die Haustür.

Valessa verspürte den Wunsch, hinauszugehen und sich die Pferde anzuschauen, aber sie fühlte sich zu schwach, um auch nur ans Fenster treten zu können.

Sie hatte vorgehabt, Lady Barton und ihren Begleitern nachzuschauen, wenn sie davonritten.

Zu ihrem Erstaunen kam Lady Bartons Begleiter kurz darauf zurück. Er trug einen Gegenstand in der Hand, den er auf dem Küchentisch abstellte. Es war eine silberne Sandwichdose, wie ihr Vater sie immer in der Satteltasche hatte, wenn er auf die Jagd ging.

Auch eine flache Flasche mit Silberbecher hatte er mitgebracht, die vermutlich Brandy enthielt.

»Ich glaube, Sie können etwas zu essen brauchen«, sagte Harry.

Valessa erwiderte nichts. Er mußte entweder Hellseher sein oder ein besonders scharfer Beobachter, wenn ihm das aufgefallen war.

Er öffnete die Dose. Die Sandwiches, die er sich wohl für den Lunch mitgenommen hatte, waren noch unberührt. Ohne ein Wort zu sagen, begab er sich zum Wandschrank, der eingebaut war und deshalb nicht verkauft werden konnte, entnahm ihm einen der angeschlagenen Teller und das einzige Glas, das Valessa noch besaß. Das übrige Geschirr hatte sie einer Bauersfrau verkauft. Harry legte die Sandwiches aus der Dose auf den Teller und reichte ihn Valessa.

»Essen Sie«, forderte er sie auf, »während ich etwas mit Ihnen bespreche.«

»Was . . . denn?« fragte sie benommen.

»Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen«, erwiderte er. »Sie sollten lieber einen Schluck trinken.«

Er goß etwas Brandy ins Glas und verdünnte ihn mit Wasser aus einem Krug, der auf dem Herd stand.

Es war heute morgen äußerst mühsam für Valessa gewesen, die Pumpe im Hof zu betätigen. Das Gerät war völlig verrostet und steif vom Nachtfrost.

Trotzdem war es Valessa gelungen, den Kessel und den Krug zu füllen, damit sie genügend Trinkwasser hatte.

Er stellte das Glas auf den Tisch.

»Trinken Sie vor dem Essen einen Schluck«, drängte er.

»Nein . . . nein, lieber nicht.«

»Tun Sie, was ich Ihnen sage!« befahl er ihr herrisch.

Da es leichter war, dem Befehl zu folgen, als zu widersprechen, kam Valessa der Aufforderung nach.

Der scharfe Alkohol schien ihre Lebensgeister wiederzuerwecken.

Ihr Gesicht bekam etwas Farbe, und sie hörte Harry sagen: »Und nun essen Sie etwas, während wir uns unterhalten.«

Da es für ihn keine Sitzgelegenheit gab, setzte er sich vorsichtig auf die Tischkante, denn ihm war nicht entgangen, daß eines der Tischbeine durch Ziegelsteine ersetzt worden war.

Er schien die Initiative übernommen zu haben, während Valessa an einem der Sandwiches knabberte, die ihr wie ein Geschenk Gottes erschienen.

Es war mit Leberpastete belegt, und sie gestand sich ein, daß sie lange nicht mehr etwas so Köstliches gegessen hatte.

Ohne sich lange zu zieren, streckte sie die Hand aus und nahm sich noch ein Sandwich.

Dann schämte sie sich, daß sie sich so ungezwungen selbst bedient hatte, und blickte unsicher zu Harry auf.

»Beginnen wir ganz von vorn«, sagte er und sah sie an. »Mein Name ist Sir Harold Grantham, aber alle Welt nennt mich Harry.«

»Ich bin Valessa Chester.«

»Ein hübscher Name«, bemerkte Harry. »Also, Miss Chester, wir brauchen Ihre Hilfe.«

»Meine . . . Hilfe?« stammelte Valessa überrascht.

Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie diesen Herren oder Lady Barton in irgendeiner Weise behilflich sein könnte.

»Es ist eigentlich ganz einfach«, sagte er. »Lady Barton will eine ganz besondere Scharade aufführen, um ihre Gäste zu unterhalten, und bittet Sie, dabei eine Rolle zu übernehmen.«

Valessa blickte ihn verwirrt und verständnislos an.

»Ich ... ich kann Ihnen nicht folgen.«

»Essen Sie weiter, während ich es Ihnen erkläre.«

Valessa blickte auf den Teller und stellte erstaunt fest, daß sie bereits zwei Sandwiches aufgegessen hatte, ohne sich dessen bewußt zu sein.

Sie zögerte kurz, dann nahm sie sich noch eines.

»Da Sie in der Nachbarschaft wohnen«, begann Sir Harold, »haben Sie sicher schon von Lady Bartons prächtigen Festen gehört.«

»Aber natürlich.«

»Sie denkt sich immer etwas Neues, besonders Originelles aus, um ihre Gäste zu amüsieren.«

Harry machte eine wegwerfende Handbewegung, bevor er fortfuhr: »Das ist nicht immer leicht, zumal die Gäste einander alle sehr gut kennen und meist erraten können, was sie erwartet.«

Valessa unterbrach ihn mit keinem Wort.

»Mylady kam deshalb der Gedanke, daß Sie, eine Unbekannte, für alle eine Überraschung sein könnten, die sie neugierig macht und ihr Interesse erregt«, erklärte Harry.

Er sah sie forschend an, um herauszufinden, ob sie seinen Ausführungen so weit hatte folgen können.

Valessa nahm einen kleinen Schluck Brandy.

»Ich verstehe . . . aber . . . aber ich kann mir nicht denken, daß ich irgendetwas tun oder sagen könnte, was andere amüsant finden.«

»Ich werde Ihnen schon sagen, was Sie zu tun haben.«

»Was . . . was soll das denn sein?«

Er lächelte.

»Ich finde, es macht mehr Spaß, wenn es auch für Sie eine Überraschung ist, genauso wie für die anderen. Alles, was Sie zunächst zu tun haben, ist, mit uns nach Towers zu kommen.«

Valessa legte den Rest des Sandwichs, das sie gerade angebissen hatte, auf den Teller zurück.

»Das . . . kann ich nicht, auf gar keinen Fall!«

»Warum denn nicht?«

Sie blickte auf ihr abgetragenes Kleid.

»Natürlich.«

Sir Harold hatte sie auch ohne Worte verstanden.

»Da sie von hier fort wollten, haben Sie Ihr Gepäck vermutlich vorausgeschickt. Aber keine Angst, Lady Barton wird Sie mit allem Notwendigen ausstatten.«

»Sie . . . meinen Kleider?« fragte Valessa benommen.

»Ich meine sehr schöne, zauberhafte und elegante Roben«, erklärte Harry mit Nachdruck.

Er erwartete, daß Valessas Augen aufleuchten würden, wie es bei jeder anderen Frau der Fall gewesen wäre, aber sie starrte ihn nur ungläubig an.

Dann fragte sie tonlos: »Ist das ... ein Scherz?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte er unwillig. »Wie können Sie so von uns denken, nachdem Sie so hilfsbereit waren und sich so fachmännisch um Lady Bartons Arm gekümmert haben? Sie ist Ihnen außerordentlich dankbar dafür.«

Er hatte wohl das Gefühl, Valessa noch nicht so recht von der Ernsthaftigkeit seines Vorschlags überzeugt zu haben.

»Verstehen Sie, sie möchte Ihnen danken, indem Sie als Gast in Ihr Haus kommen. Außerdem soll ich Ihnen noch etwas ausrichten.«

»Was denn?« fragte Valessa.

»Wenn Sie sich bereit erklären, in dieser Scharade zum Amüsement ihrer Gäste mitzuspielen, erhalten Sie zweihundert Pfund.«

»Zweihundert Pfund?« wiederholte Valessa verblüfft.

Sie hatte das untrügliche Gefühl, daß etwas nicht stimmte.

Entweder würde Lady Barton etwas Ungehöriges oder etwas ganz Gemeines von ihr verlangen, sonst würde sie ihr nicht eine solche Summe anbieten.

Vielleicht wollten sich Lady Barton und ihre Freunde einfach nur über sie lustig machen.

Dann wurde ihr plötzlich bewußt, daß die zweihundert Pfund sie davor bewahren könnten, ins Wasser gehen zu müssen.

Sie könnte dank dieser Summe nach London fahren und sich dort nach einer Stellung umsehen. Vielleicht konnte sie sich als Gesellschafterin oder als Gouvernante bewerben und damit ihren Unterhalt verdienen.

Zumindest gäbe es keinen Grund mehr zu einer voreiligen Handlung, und ihr bliebe genügend Zeit, sich alles genau zu überlegen und . . . weiterzuleben.

Diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

Dann spürte sie, daß Harry sie intensiv beobachtete und ihre Bedenken zu erraten schien.

»Der Vorschlag mag Ihnen seltsam erscheinen«, sagte er ruhig, »aber finden Sie nicht, daß das Ganze ein herrliches Abenteuer werden könnte? Und wie trist wäre das Leben ohne Abenteuer!«

»Aber . . . angenommen, ich . . . ich kann das, was Sie von mir erwarten, nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausführen«, stammelte Valessa, »und . . . und bin eine völlige Fehlbesetzung.«

Harry lächelte.

»Selbst dann würden Sie die zweihundert Pfund bekommen und elegante Kleidung, die, das versichere ich Ihnen, von den teuersten Modeateliers in der Bond Street stammt.«

»Ich . . . kann es einfach nicht glauben!«

»Das sollten Sie aber!« unterbrach Harry sie mit Nachdruck. »Sie sind doch ein kluges Mädchen: Es ist doch weit angenehmer, Gast bei Lady Barton zu sein, als allein in diesem leeren Haus zu bleiben, dessen Dach bestimmt auch noch undicht ist!«

Valessa mußte lachen über seine trockene Art.

»Dann wäre das also geklärt«, stellte Harry fest. »Überlassen Sie alles andere mir. Ich bringe Sie auf der Bühne so groß heraus, daß Sie der Star der Darbietung sein werden und alle Sie bewundern.«

»Aber wenn ich Sie nun enttäusche«, wandte Valessa zaghaft ein. »Dann sind Sie wütend auf mich -«

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich immer freundlich zu Ihnen sein werde. Sie brauchen nur das zu tun, worum ich Sie bitte.«

Er erhob sich.

»Machen Sie sich jetzt reisefertig«, sagte er. »Ich teile inzwischen den anderen mit, daß Sie mit unserem Vorschlag einverstanden sind. Lady Barton wird Ihnen sehr dankbar sein.«

Er ging zur Tür.

»Wann . . . soll ich aufbrechen?« fragte Valessa benommen.

»Sobald die Kutsche hier eintrifft, nach der ich sofort nach Lady Bartons Unfall geschickt habe. Sie dürfte jeden Augenblick vorfahren.«

Valessa erhob sich.

»Ich hole nur noch meinen Mantel.«

»Nehmen Sie die Sandwiches mit und trinken Sie den Rest Brandy aus!«

Das war ein Befehl. Valessa ahnte, daß er sie auf die Probe stellen wollte.

»Ja«, sagte sie gehorsam.

Lady Bartons Begleiter verließ die Küche und zog wenig später die Salontür hinter sich zu.

Valessa nahm die Sandwiches und das Glas Brandy, das noch ziemlich voll war, in die Hand und ging die Treppe hinauf.

Ihr war, als hätte sie das alles nur geträumt. Alles war so unwirklich, so verwirrend und aufregend zugleich.

Im Schlafzimmer sah sie ihren Mantel auf dem Bett liegen und erinnerte sich, daß sie ihn hatte tragen wollen, damit sie im Fluß schneller unterging.

»Das kann doch alles nicht wahr sein!« murmelte sie vor sich hin.

Sie stellte den Teller ab, aß noch rasch ein Sandwich, als fürchte sie, es wäre auch Einbildung und könne jeden Augenblick verschwinden.

Aus Angst, der Schwächeanfall, den sie vorhin in der Küche erlitten hatte, könnte sich wiederholen, aß sie alles bis auf den letzten Krümel auf und trank den Rest Brandy, bevor sie in den Mantel schlüpfte.

Wohlige Wärme breitete sich in ihrem Innern aus, wie sie sie lange nicht mehr gespürt hatte, und ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, daß ihre Wangen gerötet waren.

Hastig griff sie nach dem einzigen Hut - er hatte ihrer Mutter gehört -, der ihr geblieben war.

Eines Tages hatten Valessa, ihr Vater und ihre Mutter in dem nahe gelegenen Marktflecken einen Pferdemarkt besucht.

Ihr Vater hatte dort zwei Pferde ersteigert, die er sich eigentlich gar nicht leisten konnte, und hatte Valessas Mutter danach einen Hut gekauft,

Elizabeth Chester hatte sich gegen die unnötige Ausgabe gewehrt, aber er hatte darauf bestanden.

»Ich will, daß du hübsch aussiehst, Liebling, und alle anderen Frauen grün werden vor Neid, wenn sie dich sehen.«

»Neidisch sind sie höchstens, weil ich dich habe.«

»Für immer und ewig«, hatte ihr ihr Gatte versichert.

Valessa erinnerte sich, wie bezaubernd ihre Mutter ausgesehen hatte, wenn er ihr so nette Dinge sagte, wie ihre Augen geleuchtet und ein Lächeln ihre Lippen umspielt hatte.

Während sie vor dem Spiegel stand und den Hut aufsetzte, dachte sie versonnen:

Wenn ich sterbe, bevor jemand so etwas zu mir gesagt hat, war mein Leben sinnlos, denn ich würde nie erfahren, wie wunderschön Komplimente sein können.

Ihr Blick glitt über den altmodisch geschnittenen Mantel und das schäbige Kleid darunter, und sie erkannte, daß sie zu viel erwartete.

Durch ein Wunder war sie vor dem Tod durch Ertrinken gerettet worden. Mehr zu verlangen wäre vermessen gewesen.

»Zweihundert Pfund!« flüsterte sie vor sich hin. »Aber wenn ich nun versage . . . dann wird man mir das Geld bestimmt nicht geben.«

Zumindest würde sie Ridgeley Towers kennenlernen, tröstete sie sich. Und wenn sie freundlich und höflich zu Lady Barton war, würde sie ihr vielleicht eine Stellung besorgen.

Selbst der Posten eines Dienstmädchens war besser als gar nichts. Unten hörte sie, daß die Salontür geöffnet wurde, dann hörte sie Gemurmel und schließlich Harrys Stimme, der nach ihr rief:»Sind Sie fertig, Valessa? Die Kutsche ist vorgefahren!«

»Ja, ich bin bereit«, erwiderte Valessa.

Sie sah sich noch einmal in ihrem Schlafzimmer um und konnte es selbst kaum glauben, daß es nichts gab, was sie mitnehmen mußte.

Doch was machte das schon aus?

Sie hatte alles verkauft, was nicht zu abgetragen oder beschädigt war, um sich über Wasser zu halten.

Hastig, um von diesen trüben Gedanken loszukommen, verließ sie den Raum und lief die Treppe hinunter.

Lady Barton trat gerade, von einem der anderen Begleiter gestützt, aus dem Salon.

Sie lachte und sah dabei sehr hübsch aus. Ihr goldblondes Haar erfüllte die düstere Halle mit Glanz. Valessa war zu unwissend, um zu erkennen, daß diese Schönheit in erster Linie einer Farbkur zu verdanken war.

Cyril, der neben der Lady Barton stand, rief bei Valessas Anblick: »Da ist ja unsere Hauptdarstellerin!«

»Du solltest sie nicht noch mehr verwirren«, mahnte Harry. »Sie fürchtet, sich als Fehlbesetzung zu erweisen. Wir müssen alle sehr nett zu ihr sein.«

»Aber gewiß doch«, sagte Lady Barton. »Es wird mir eine Freude sein, Ihnen mein Haus zu zeigen.«

Valessa hatte die unterste Stufe erreicht und wandte sich an Lady Barton.

»Sind Sie ganz sicher, daß ... Sie mich brauchen?« fragte sie beklommen.

»Aber natürlich«, versicherte ihr Lady Barton lachend.

Harry trat einen Schritt näher.

»Ihr beide werdet mit der Kutsche fahren«, entschied er. »Wir reiten quer durchs Gelände und sind dann schon da, wenn ihr ankommt.«

»Das ist eine hervorragende Idee!« rief Lady Barton.

Roland war ihr beim Einsteigen in die elegante Kutsche, die vor dem Haus auf sie wartete, behilflich.

Lady Barton nahm in der Mitte des Rücksitzes Platz, um genügend Platz für ihren verletzten Arm zu haben. Valessa drückte sich in die gegenüberliegende Ecke und hoffte nur, daß die Kutsche nicht zu sehr schwankte und die Bewegungen Lady Barton keine allzu großen Schmerzen verursachten.

»Bis später, Sarah!« rief Harry, als sich die Kutsche in Bewegung setzte. »Und vergiß nicht, was ich dir gesagt habe!«

Valessa warf einen Blick auf ihr Elternhaus und hatte wieder das Gefühl, daß alles nur ein Traum sei.

Wenn einer der Dorfbewohner sie neben Lady Barton in der prächtigen Kutsche sah, würde er gewiß seinen Augen nicht trauen.

»Jetzt müssen Sie mir aber alles über sich erzählen«, bat Lady Barton liebenswürdig. »Harry sagte mir, Ihr Name sei Valessa.«

»Valessa Chester, Mylady.«

»Da Sie sich bereit erklärt haben, mir zu helfen, sollten wir die förmliche Anrede weglassen«, entschied Lady Barton. »Ich heiße Sarah.«

Valessa sah sie entgeistert an, sagte aber nichts.

»Vermutlich hat Harry sich Ihnen bereits vorgestellt«, plauderte Lady Barton ungezwungen. »Die anderen beiden Herren sind Lord Roland Freeman, und Lord Cyril Fane.«

Die Namen und Titel klangen sehr beeindruckend, fand Valessa. Von den drei Herren war ihr Harry der liebste, sie fragte sich aber ängstlich, welche Befehle er wohl für sie haben mochte.

»Ich gebe gerade eine besonders große und glanzvolle Gesellschaft«, hörte sie Lady Barton sagen, »anläßlich eines Steeplechase. Der Zeitpunkt dafür ist zwar ziemlich ungewöhnlich, aber es sollte eine Herausforderung an Marquis von Wyndonbury sein.«

Ihre Stimme klang plötzlich hart.

»Er hält sich selbst für den besten Springreiter des Landes und seine Pferde für die besten weit und breit. Doch ich bin sicher, daß ich ihn schlagen kann.«

Valessa merkte sich den Namen. Offensichtlich handelte es sich um denselben Marquis, über den sich die Runde im Salon unterhalten hatte.

Er schien Lady Barton in irgendeiner Form verärgert zu haben und war vermutlich ein hochnäsiger, dünkelhafter Mensch.

Doch ihr Interesse galt mehr den Pferden.

»Man hat mir oft davon erzählt, wie hervorragend Ihre Pferde sind, und mein Vater war stets voller Bewunderung, wenn er eines davon auf der Jagd zu sehen bekam.«

»Mein Vater war es, der unser Gestüt berühmt gemacht hat«, erzählte Lady Barton selbstgefällig. »Ihm habe ich es zu verdanken, daß meine Rennpferde eine Vielzahl klassischer Turniere gewonnen haben.«

Sie erwähnte nicht, daß ihr Vater in Liverpool geboren worden war und sein Vermögen dort gemacht hatte.

Frederick Wicket hatte sehr früh erkannt, daß er nur dann gesellschaftliche Achtung erlangen würde, wenn er die englischen Herrenreiter auf ihrem Spezialgebiet ausstach.

Sein Vater war ein unbedeutender Anwalt gewesen, der ihm jedoch eine gute Ausbildung ermöglicht hatte.

Er hatte an der Universität ein Stipendium erhalten und mit eiserner Disziplin einen akademischen Titel erworben, fest entschlossen, es eines Tages zum Millionär zu bringen.

Er hatte sich in der Schiffahrtsindustrie hochgearbeitet und sich mit einem Reeder zusammengetan, der kinderlos geblieben war.

Nach dem Tod seines Gönners hatte er zwei Schiffe und genügend Geld geerbt, um seine ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen.

Nur eine Naturkatastrophe hätte Fred Wicket danach noch davon abhalten können, sein Ziel zu erreichen.

Mit eiserner Willenskraft und ausgeprägtem Geschäftssinn gelang es ihm, seine Konkurrenten aufzukaufen oder ihren Bankrott zu lancieren, bis ihm die größte Handelsflotte in Nordengland gehörte.

Ihm war völlig gleichgültig, was er auf seinen Frachtern beförderte, ob Sklaven, Kohle oder Baumwolle. Hauptsache er kam auf seine Kosten.

Er war bereits Anfang Vierzig, als er sich entschloß, eine Familie zu gründen. Seine Wahl fiel auf die Tochter eines verarmten Landedelmannes, der sein Glück, einen so vermögenden Schwiegersohn zu bekommen, nicht fassen konnte.

Fred Wicket erwarb ein Haus in Lancashire und bemühte sich, ein echter Landjunker zu werden.

Seine Frau, die ihn liebte, förderte seinen gesellschaftlichen Ehrgeiz und sorgte dafür, daß seine Manieren und sein Auftreten nichts zu wünschen übrigließen.

Ihr verdankte er den Zutritt zu jenen Kreisen, die ihn bisher als Emporkömmling behandelt und mit Verachtung gestraft hatten. Mit einem ausgeprägten Gespür für das, was die Situation erforderte, überredete sie ihn dazu, Rennstallbesitzer zu werden. So entschlossen er früher gewesen war, mehr Schiffe zu besitzen als jeder andere Reeder, stand für Fred Wicket nunmehr fest, daß er die besten und schnellsten Pferde haben mußte.

Bald war es für jeden Veranstalter von Pferderennen unmöglich, ihn zu übergehen.

Danach war es nur noch eine Frage der Zeit, bis diejenigen, die ihn früher hochnäsig ignoriert hatten, ihn als gesellschaftsfähig anerkannten.

Er war entschlossen, seine Tochter gut zu vermählen. Da sie sein einziges Kind war, galt sie als glänzende Partie.

Lionel Barton war der älteste Sohn eines Baronets, dessen Stammbaum bis in die Zeit von Jakob I. zurückreichte.

Er war nicht so bedeutend, wie Fred Wicket es sich wünschte, aber Sarah, die erst siebzehn war, verliebte sich unsterblich in Lionel, und ihr Vater mochte ihrem Glück nicht im Wege stehen.

Ihr Gemahl erbte den Titel genau eine Woche vor seinem tödlichen Unfall. Für Sarah war sein Tod eine Tragödie.

Fred Wicket sah es von der praktischen Seite. Ihre Ehe hatte sie in den Besitz des begehrten Adelstitels gebracht, und der Herr Papa hielt bereits nach dem nächsten standesgemäßen Gemahl für sie Ausschau.

Doch dann erlitt er, ganz plötzlich und unerwartet, ein Jahr nach dem Tod seiner Gattin einen tödlichen Herzanfall.

Sein Leben lang hatte er hart gearbeitet und sich nur wenig gegönnt. Mit geradezu fanatischem Willen hatte er sich darauf konzentriert, ein Finanzimperium aufzubauen und sich gleichzeitig zum König des Pferderennsports zu machen.

Sarah hatte die Zielstrebigkeit und den eisernen Willen ihres Vaters geerbt.

Sobald das Trauerjahr vorüber war, verkaufte sie das Haus in Lancashire, das sie niemals als angemessen für ihre Freunde aus der Beau Monde betrachtet hatte.

Als erstes erwarb sie ein Haus am Berkeley Square, um in London glanzvolle Gesellschaften geben zu können.

Dann machte sie sich auf die Suche nach einem ausgefallenen Landsitz und wählte Ridgeley Towers, das nicht nur die Größe eines Palastes hatte, sondern sich zudem noch in Leicestershire befand.

Innerhalb der letzten fünf Jahre war sie zum bewunderten Mittelpunkt der Gesellschaft geworden, für die Steeplechases und Jagdspringen die einzigen Sportarten waren, die zählten.

Die Pferde ihres Vaters genossen bereits einen beachtlichen Ruf, und sie verbesserte die Zuchtergebnisse noch, so daß sie bald über die edelsten Tiere weit und breit verfügte.

Die besten Parforcejagden fanden in Leicestershire statt.

Sie veranstaltete Steeplechases in der nächsten Umgebung der Towers und war auch an der Ausrichtung anderer Rennen finanziell beteiligt.

Eine so reiche junge Dame, die zudem über den größten Ballsaal, einen privaten Turnierplatz und hundert Gästezimmer verfügte, konnte man einfach nicht ignorieren.

Fred Wicket geriet allmählich in Vergessenheit.

Wenn Sarah ihre Familie erwähnte, dann sprach sie immer von ihrer Verwandtschaft mütterlicherseits.

Natürlich hatte sie auch eine ganze Reihe Liebhaber. Sie war nicht nur eine sehr schöne junge Frau, die sich die eleganteste Garderobe und den teuersten Schmuck leisten konnte, sondern sie besaß auch genügend Mittel, um die Attribute weiblicher Schönheit zu unterstreichen.

Ihr Haus war mit exotischen Blüten geschmückt, die sonst nur in den Botanischen Gärten von Kew bewundert werden konnten.

Sie pflegte ihre Gäste vor einem Meer von Orchideen zu empfangen.

In ihrem Boudoir waren Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Rosen in Vasen arrangiert, die einen betörenden Duft verströmten.

Die Männer, die sie zu ihren Liebhabern erwählte, versicherten, der Duft habe ihre Sinne betört und sie in die Welt von Tausendundeiner Nacht versetzt, zumal Sarah nicht mit kostbaren Geschenken geizte.

Nicht wenige ihrer Liebhaber hätten sie vom Fleck weg geheiratet, doch Sarah hatte nicht nur das Genie, sondern auch den Geschäftssinn ihres Vaters geerbt und wußte genau, was sie wollte.

Ihr war natürlich bewußt, daß ihre Verehrer nicht nur an ihr, sondern vor allem an ihrem Geld interessiert waren, und sie war entschlossen, sich dafür den besten Gemahl zu leisten, den sie sich vorstellen konnte.

Für sie bedeutete das eine hohe gesellschaftliche Stellung und einen eindrucksvollen Adelstitel.

Die meisten Männer, die ihr dies hätten bieten können, waren bereits verheiratet, und die meisten der noch verbliebenen Junggesellen waren so reizlos, daß sie kein Verlangen hatte, ihr Bett mit ihnen zu teilen.

Es war kein Zufall, der sie mit dem Marquis von Wyndonbury zusammenführte.

Sie war ihm natürlich schon häufiger bei Rennen begegnet, doch er besuchte selten die Gesellschaften, zu denen Sarah eingeladen wurde.

Die Pforten der wirklich bedeutenden und auserwählten Häuser der Oberschicht blieben ihr nach wie vor verschlossen.

Sie war auch noch nie im Buckingham Palace gewesen.

Diese Tatsache hatte sie bisher nicht gestört. Erst als sie beschloß, den Marquis von Wyndonbury zu heiraten, wurde es für sie wichtig.

In seine Nähe zu gelangen war weit schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatte.

Er lüftete bei jedem Rennen höflich seinen Zylinder, doch wenn sie ihn in ein Gespräch verwickeln wollte, entglitt er ihr, bevor sie überhaupt den Mund aufmachen konnte.

Sie bat mehrere ihrer hochgestellten Freunde, ihn zu einem Dinner einzuladen, an dem sie selbst auch teilnahm.

Doch man kam ihr immer mit allen möglichen Ausreden.

»Auf Wyndonbury ist kein Verlaß«, behaupteten sie. »Er tut nur, wonach ihm der Sinn steht.«

Oder man wich ihrer Bitte aus.

»Nun, er zieht es vor, selbst Gesellschaften zu geben und nur einige ausgewählte Freunde aufzusuchen.«

Gerade weil es so schwierig war, an ihn heranzukommen, wuchs Sarahs Entschlossenheit, ihr Ziel zu erreichen.

Wie ihr Vater war sie gewohnt, alles zu bekommen, was sie wollte, auch wenn es Zeit und Geduld erforderte.

Schließlich wandte sie sich direkt an den Marquis, indem sie ihn auf einige ihrer Zuchtstuten ansprach, die ihn gewiß interessieren würden.

Zufällig hielt der Marquis zu diesem Zeitpunkt gerade Ausschau nach neuen Zuchttieren, um sein Gestüt zu erweitern.

Er sah daher in Sarah weniger das weibliche Wesen als vielmehr die Züchterin und lud sie zum Lunch ein, um mit ihr über Pferdezucht zu sprechen.

Er fand sie charmant, intelligent und sehr gut informiert über das Gebiet, das ihn am meisten am Herzen lag.

Eine Woche später begegnete er - für ihn völlig überraschend - Sarah auf einer Gesellschaft beim Grafen von Stepple,

Er erfuhr nie, daß Sarah sich die Einladung erkauft hatte, indem sie die Schuldscheine des jungen Grafen, die sich auf dreißigtausend Pfund beliefen, aufkaufte.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺223,61

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
150 s.
ISBN:
9781788670852
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
18+
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre