Kitabı oku: «Reise im Glück», sayfa 2

Yazı tipi:

2.

Während die Etruria das Meer durchpflügte, dachte Lord Harleston dankbar an das Eigenlob der Cunard-Schifffahrtslinie, die von sich behaupten konnte, in dreiundvierzig Jahren weder das Leben eines einzigen Passagiers eingebüßt zu haben, noch einen einzigen Brief in dieser Zeit.

Das konnte keine andere Linie von sich behaupten, so daß Lord Harleston sich einigermaßen sicher fühlte, obwohl ihm die Etruria sehr klein und der Atlantik sehr groß vorkam.

Tatsächlich gehörte die Etruria zu den größten Schiffen, die den Atlantik befuhren, und die Cunard-Linie war Inhaberin des Blauen Bandes, einer Auszeichnung, deren Besitz durch den geplanten Bau großer Schiffe anderer Gesellschaften gefährdet wurde.

Den Passagieren präsentierte sich das Schiff als absoluter Höhepunkt schwimmenden Luxus. Mit den beiden Schornsteinen und drei Masten war es so groß, daß für alle, die es sich leisten konnten, Einzelkabinen mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung zur Verfügung standen.

Lord Harlestons Stimmung litt sehr darunter, daß er England unfreiwillig den Rücken kehren mußte. Daher schätzte er sich glücklich, daß es Mr. Watson, seinem Sekretär, in letzter Minute gelungen war, nicht nur eine Kabine, sondern zwei reservieren zu lassen. Die zweite Kabine war in aller Eile als Salon eingerichtet worden. Somit war er nicht mehr gezwungen, sich unter seine Mitpassagiere zu mischen, wozu er nach einem einzigen prüfenden Blick nicht die geringste Neigung verspürte. Und in diesen Dingen war er eigen.

Daß er London schon um die Mittagszeit verlassen und um Mitternacht, kurz vor Auslaufen der Etruria, in Liverpool an Bord gehen konnte, verdankte Lord Harleston, der immer die prompte Erledigung aller Anordnungen erwartete, ebenfalls seinem Sekretär. Mr. Watson hatte es im Laufe der Zeit in dieser Hinsicht zu wahrer Perfektion gebracht.

Die Atlantiküberquerung würde mindestens zehn Tage in Anspruch nehmen, ein Umstand, der Lord Harlestons schlechte Laune nicht gerade hob, doch hatte sein Freund Robert ihm zum Abschied die tröstlichen Worte mitgegeben: »Selby, du mußt dir vor Augen halten, daß sämtliche Unannehmlichkeiten, die dir begegnen mögen, in vier bis fünf Monaten ausgestanden sein werden, während eine Ehe meist ein Leben lang dauert.«

Lord Harleston hatte es mit Schaudern vernommen. Daneben beschäftigte ihn die Frage, was der Prince of Wales von ihm halten würde, wenn er erfuhr, daß er die Flucht ergriffen hatte.

Mit Roberts Hilfe hatte er es jedoch so eingerichtet, daß seine Abreise wie ein Zufall aussah und keineswegs als Versuch, dem königlichen Befehl zu entgehen.

Zu diesem Zweck hatte er der Countess of Derwent einen, wie er hoffte, klugen Brief geschrieben. Dies hatte sich geradezu angeboten, da der Butler ihm eine Nachricht der Countess übergeben hatte, als er noch mit Robert beim Frühstück saß. Ein Blick auf das lilafarbene Papier und die Handschrift, die bereits Dutzende von Briefbögen in seiner Schreibtischlade bedeckte, und Lord Harleston wollte abwinken, als ein Blick seines Freundes ihn nach dem Brief greifen ließ.

Kaum war der Butler gegangen, sagte Robert: »Ich würde ihn öffnen.«

»Warum?«

»Es wäre interessant zu erfahren, ob sie schon weiß, daß der Prinz mit dir gesprochen hat.«

»Ja, natürlich.«

Lord Harleston öffnete den Umschlag, las den Brief und sagte: »Das Schreiben enthält nichts Sensationelleres als eine Dinner Einladung für heute abend.«

Daß der Brief auch Beteuerungen ihrer Liebe enthielt, erwähnte er nicht, denn das ging Robert schließlich nichts an.

»Sehr gut!« rief Robert aus. »Damit liefert sie uns den Anlaß, den wir brauchen.«

»Wie meinst du das?«

»Du mußt ihr mitteilen, daß du England verläßt. Einfach so zu verschwinden wäre ein Fehler.«

Lord Harleston gab ihm nach kurzer Überlegung recht.

»Stimmt«, sagte er. »Komm mit in mein Arbeitszimmer und sag mir, was ich schreiben soll.«

Als schließlich der Brief fertig vorlag, hielten ihn beide für ein wahres Meisterwerk.

Meine liebe Dolly,

zu meinem tiefsten Bedauern kann ich Deine liebenswürdige Einladung nicht annehmen, da ich überraschend davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß ein in Amerika lebendes Mitglied meiner Familie in große Schwierigkeiten geraten ist.

Dies bedeutet, daß ich heute nach New York abreise, um nach dem Rechten zu sehen und zu helfen.

Ich bedaure sehr, daß keine Zeit mehr für einen Besuch bleibt, um von Dir Abschied zu nehmen und mir Gute Reise wünschen zu lassen. Eine weitere Enttäuschung bedeutet es für mich, daß ich meine Partys in Derby und Ascot absagen muß.

Mit besten Wünschen

Selby.

»Ausgezeichnet!« lautete Roberts Kommentar. »Besonders raffiniert erscheint es mir, daß du unausgesprochen läßt, ob das Mitglied deiner Familie männlichen oder weiblichen Geschlechts ist.«

»Was Dolly vermuten wird, weiß ich«, erwiderte Lord Harleston, »aber sie wird es nicht beweisen können.«

Er klingelte und ließ Mr. Watson kommen, worauf sich die Rädchen der Harleston-Maschinerie, wie Robert es nannte, zu drehen begannen.

In den nächsten Stunden packte der Kammerdiener Seiner Lordschaft mit Hilfe einiger anderer Bediensteten die Koffer, Mr. Watson legte ihm einen Stapel Briefe und Papiere vor, die zu unterzeichnen waren, und Robert bekam genaue Anweisungen, was er während der Abwesenheit des Freundes zu tun hatte.

»Meine Loge im Derby steht dir selbstverständlich zur Verfügung«, sagte Lord Harleston. »Ebenso die Loge in Ascot. Du mußt aller Welt zeigen, daß du keineswegs als mein Stellvertreter agierst, sondern zu deinem eigenen Vergnügen da bist.«

»Manche werden sich wundern, daß ich mir dieses Vergnügen leisten kann«, meinte Robert mit einem Anflug von Spott.

»Du mußt ihnen, und besonders dem Prinzen, zu verstehen geben, daß meine überstürzte Abreise mich sehr verärgert hat. Über den Termin meiner Rückkehr sollst du alle im Unklaren lassen.«

»Und wann gedenkst du tatsächlich zurückzukommen?«

»Sobald du mir mitteilst, daß Dolly ihre Gunst einem anderen geschenkt hat«, antwortete Lord Harleston, »und auch der Prinz vergessen hat, daß ich mich ihm widersetzte.«

»Ich glaube, du wirst ihm fehlen.«

»Das hoffe ich. Das bedeutet nämlich, daß er meine Rückkehr mit Ungeduld erwartet. Und ich versichere dir, Robert, daß ich ebenso ungeduldig sein werde.«

»Vielleicht gefällt es dir drüben!«

»Ich habe nie auch nur den leisesten Wunsch verspürt, Amerika zu besuchen. Obwohl einige Amerikaner aus unserem Bekanntenkreis nette Leute sind und die Frauen überaus attraktiv, hatte ich immer das Gefühl, Europa und nicht der Wilde Westen sei meine geistige Heimat.«

»Na, man kann nie wissen. Vergiß nicht, in New York die Vanderbilts zu besuchen. Als sie vergangenes Jahr hier gewesen sind, haben sie dich sehr herzlich eingeladen - meiner Meinung nach fast aufdringlich - doch deine Antwort war ausweichend.«

»Besuchen werde ich sie«, erklärte Lord Harleston, »aber bevor ich ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehme, möchte ich mich bei ihnen erst umsehen.«

Robert lächelte. Er wußte, Lord Harleston war nicht nur überaus wählerisch, was seine engsten Freunde betraf, er legte auch großen Wert darauf, mit Bekannten, die ihm nicht so nahestanden, keinen zu freundschaftlichen Umgang zu pflegen. William Henry Vanderbilt, Sohn des drei Jahre zuvor verstorbenen Cornelius, war ihm persönlich sehr sympathisch gewesen.

Dieser William Henry Vanderbilt, dessen Äußerung: »Verdammt sei die Öffentlichkeit!« immer wieder zitiert wurde, war nun Präsident der New York Central und der reichste Mann der Welt.

Anläßlich Vanderbilts letzter Europareise hatte Robert dessen Gesellschaft sehr genossen, obschon er sich die zynische Bemerkung nicht verkneifen konnte: »Leider färbt die goldene Aura der Reichen nur selten auf jene ab, mit denen sie Umgang haben.«

»Du wirst entdecken, daß du in New York ziemlich viele Leute kennst«, fuhr Robert fort. »Aber vergiß nicht, daß du eigentlich nach Colorado wolltest. Ich möchte später deine Meinung über das Land hören . . . schade, daß ich nicht mitkommen kann.«

»Wenn ich die Einsamkeit nicht ertrage, lasse ich dich nachkommen.«

»Nichts wäre mir lieber«, gestand Robert, »aber du weißt, daß ich meinen Vater nicht allein lassen kann. Die Ärzte sagen, er könne jeden Augenblick sterben.«

»Das tut mir leid«, sagte Lord Harleston voller Mitgefühl.

»Es wäre das Beste, was geschehen könnte«, seufzte Robert. »Die meiste Zeit hat er keine Ahnung, was um ihn herum geschieht, oder er hat unerträgliche Schmerzen.«

»Ich kann nur hoffen, daß mir dies nie passiert!« rief Lord Harleston aus. »Da ziehe ich einen raschen und unkomplizierten Tod durch eine Kugel vor.«

»Ich denke ähnlich darüber«, gab Robert ihm recht.

Da alles perfekt organisiert ablief, mußte Lord Harleston nur seine Kleidung wechseln und in den vor der Tür wartenden Wagen einsteigen. Mr. Watson begleitete ihn zum Bahnhof und legte ihn dem Stationsvorsteher ausdrücklich aus Herz.

In dem Expreßzug nach Liverpool, der nahezu astronomische Geschwindigkeiten zu erreichen imstande war, hatte man für ihn ein Abteil reserviert.

Nachdem er sich von seinem Sekretär verabschiedet hatte, machte Lord Harleston es sich so bequem wie nur möglich.

In seinem Abteil lagen zahlreiche Zeitungen und Magazine für ihn bereit, dazu ein Proviantkorb, bei dessen Zusammenstellung sich der Koch selbst übertroffen hatte, und einige Flaschen Wein.

Hätte mehr Vorbereitungszeit zur Verfügung gestanden, Lord Harleston wäre natürlich in seinem eigenen Salonwagen gereist, der an den Zug angehängt werden konnte. So aber mußte er sich mit dem Abteil begnügen, während Kammerdiener und Gepäck im Nachbarabteil reisten.

Da ihn die vorangegangene sorgenvolle Nacht sehr erschöpft hatte, verbrachte Lord Harleston einen Teil der Fahrt schlafend. Bei der Ankunft in Liverpool wurde er vom Stationsvorsteher empfangen. Der Mann führte ihn zu zwei bereitstehenden Wagen, die ihn zu den Docks brachten, wo er an Bord der Etruria gehen sollte. Dort wurde ihm ein Empfang zuteil wie einem Mitglied der königlichen Familie.

Die Cunard-Gesellschaft verstand es, den Passagieren das Gefühl zu vermitteln, höchst willkommene Gäste zu sein, besonders denjenigen, die einen Adelstitel vorzuweisen hatten.

Ebenso war man entschlossen, Vergleiche mit den höchst unbequemen Atlantiküberquerungen der ersten Cunard-Schiffe gar nicht erst aufkommen zu lassen. Damals, als diese Schiffe noch die Größe von Ausflugsdampfern hatten und Schaufelrad und Maschinen mittschiffs den größten Raum einnahmen, blieb für Passagiere nur vorne und achtern Raum, genau dort, wo man das Schlingern am meisten spürte.

Lord Harleston mußte unwillkürlich an Charles Dickens’ Beschreibung der winzigen Kabine denken, die er und seine Frau bei der ersten Amerikatournee benutzt hatten.

Beim Betreten der Kabine fand Dickens zwei Etagenbetten vor, von denen das obere sich als nahezu unzugänglich präsentierte und ihn zu der Äußerung bewog: »Nur ein Sarg wurde als noch kleinere Schlafgelegenheit ersonnen.«

Eines allerdings hatte die Etruria nicht aufzuweisen, nämlich einen speziellen Deck-Aufbau mit gepolsterten Wänden für die Schiffskuh, die auf Dickens’ Schiff Milch für Frauen, Kinder und Kranke lieferte.

Higgins, Lord Harlestons Kammerdiener, der ihn oft auf Reisen begleitete, hatte in kürzester Zeit alles ausgepackt, was auf der Überfahrt gebraucht wurde, während das übrige Gepäck unter Deck verschwand. In der Salonkabine standen, wie von Zauberhand für Seine Lordschaft bereitgestellt, zwei Karaffen, eine mit Sherry und eine mit Brandy, in einem Eiskübel daneben eine Flasche seines Lieblingschampagners.

Mr. Watson hatte Lord Harleston auch mit Lektüre versorgt. Unter den Büchern befand sich unter anderem ein Reiseführer für Amerika, wie Seine Lordschaft belustigt zur Kenntnis nahm. Schließlich standen in einer Vase sogar Malmaison-Nelken, die Lord Harleston jedoch leider sehr stark an Dolly erinnerten. Die Blumen stammten aus den Gewächshäusern seines Landgutes.

»Werden Sie unten speisen, Mylord?« fragte Higgins.

Lord Harleston überlegte kurz.

»Ich glaube, heute werde ich allein dinieren«, sagte er. »Den Speisesaal werde ich mir morgen ansehen.«

Von seinen bisherigen Seereisen, die ihn in den Orient geführt hatten, wußte Lord Harleston, daß der erste Abend an Bord immer kritisch war.

Traditionsgemäß erschienen die Damen am ersten Abend nach dem Auslaufen nicht in Abendkleidung, und außerdem war es ratsam, seinen Platz an einem der Tische im Salon in aller Ruhe auszuwählen.

Er konnte zu Recht erwarten, am Kapitänstisch einen Platz zu finden. Sollte sich dies aber als langweilig erweisen, würde er einen Tisch für sich allein verlangen.

Auf jeden Fall war es besser, abzuwarten und zu sehen, was sich ergeben würde.

Die Mahlzeit, die ihm in der Kabine serviert wurde, war ausgezeichnet, ebenso der Service, der von Higgins überwacht wurde.

Kaum aber war er allein, da sein Kammerdiener sich für die Nacht zurückgezogen hatte, überfielen ihn Einsamkeit und Heimweh. Hatte er sich zwar am Abend zuvor in Marlborough House gelangweilt, so war ihm doch ein glanzvoller Eindruck zurückgeblieben . . . schöne Frauen, die unter Kristalllüstern tanzten, Herren, die über eine witzige Bemerkung des Marquis de Soveral lachten.

Dies alles war einem unfreiwilligen Aufbruch vorzuziehen, an dem allein Dolly schuld war. Daß sie sich an Prinzessin Alexandra gewandt und ihm Schwierigkeiten gemacht hatte, würde er ihr nie verzeihen.

»Verdammte Frauenzimmer!« stieß er hervor. »Aus mir wird noch ein richtiger Frauenhasser!«

Insgeheim wußte er aber, wie unwahrscheinlich dies war. Gleichzeitig hoffte er, es würde längere Zeit verstreichen, ehe er sich wieder für ein weibliches Wesen interessierte.

Er zwang sich, seine Gedanken auf seine Pferde zu lenken. Doch immer wieder kehrte die Erinnerung an die Frauen zurück, die während der vergangenen fünf Jahre Teil seines Lebens gewesen waren.

Und es waren sehr viele, wie er voller Unbehagen feststellte. Noch beunruhigender war der Umstand, daß es keiner gelungen war, sich tiefer in sein Gedächtnis einzugraben.

Natürlich waren sie schön und amüsant gewesen, und er hatte seinen und ihren Ruf bei diesen Affären aufs Spiel gesetzt.

Warum wohl wollte ihm der Ausspruch jenes zynischen Franzosen nicht aus dem Sinn gehen, der gesagt hatte: »In der Nacht sind alle Katzen grau«, und je länger er darüber nachdachte, desto treffender erschien ihm diese Feststellung.

Ich werde nie heiraten, schwor er sich, während ihm gleichzeitig bewußt war, daß er diesen Entschluß wahrscheinlich nicht würde halten können.

Natürlich würde er eines schönen Tages heiraten müssen, da er einen Sohn und Erben brauchte, der nicht nur seinen Titel fortführte, der ihm verhältnismäßig wenig bedeutete, sondern die lange Tradition der Harles fortsetzte, die seit den Tagen Charles’ II das Herrenhaus in Buckinghamshire bewohnten.

Viele seiner Vorfahren hatten dem Land gedient und dem Namen der Familie einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert.

Verdammt nochmal, ich bin stolz auf das Blut, das in meinen Adern fließt! dachte Lord Harleston mit einem Anflug von Trotz.

Dies bedeutete aber, daß er früher oder später wie so viele Männer vor ihm sich dem Zwang beugen und heiraten mußte, und sei es auch nur, um Söhne und Enkel in die Welt zu setzen, ehe seine Zeit ablief.

Nun, dafür hatte er noch lange Zeit, entschied er. Da er müde war und sich langweilte, begab er sich nach nebenan in die Schlafkabine und ging zu Bett.

Er schlief erstaunlich gut. Als er erwachte, war die See aufgewühlt. Folglich würden die meisten Passagiere unter Deck bleiben, und er konnte ungestört seine Sportübungen machen, wie er zufrieden feststellte.

Er hatte immer Seetüchtigkeit bewiesen, obwohl er Stürme in der Biskaya, den Mistral im Mittelmeer und einen unangenehmen Taifun im Chinesischen Meer miterlebt hatte. Lord Harleston dachte nicht daran, seinen Frühsport, den er absolvierte, wo immer er sich aufhielt, ausfallen zu lassen.

In London wie auch auf dem Land pflegte er allmorgendlich auszureiten. Im Winter ging er eifrig auf die Jagd, während er sich im Sommer in Hurlingham als ausgezeichneter Polospieler hervortat. Daneben hielt er sich einen Tennistrainer und boxte hin und wieder ein paar Runden mit den Armee-Champions, da er während seiner Zeit beim Militär entdeckt hatte, daß er kein schlechter Boxer war.

Nach dem Frühstück, das ihm Higgins sehr zeitig servierte, unternahm er einen Spaziergang auf Deck und ließ sich von den Brechern nicht stören, die den Bug überspülten.

Wie erwartet, hatten nur wenige Passagiere den Mut, diesem Wetter zu trotzen.

Nach einer Stunde eisernen Trainings zog Lord Harleston sich in seine Kabine zurück und widmete sich der Lektüre, die Mr. Watson ihm fürsorglich mitgegeben hatte. Davon wurde seine Aufmerksamkeit bis Mittag in Anspruch genommen. Als er dann hinunter zum Mittagessen in den Salon ging, sah er sich hoffnungsvoll nach einer verwandten Seele um, mit der eine Bekanntschaft sich gelohnt hätte.

Er sollte enttäuscht werden.

Viele der Herren sahen aus wie Vertreter oder Geschäftsleute, und die Frauen waren besonders unscheinbar - kurzum, er entdeckte niemanden, mit dem er sich eine Unterhaltung gewünscht hätte.

Lord Harleston war nicht der Typ, der gern mit Fremden an der Bar trank, und eine Kartenpartie oder ein anderes Gesellschaftsspiel kam für ihn an Bord eines Schiffes nicht in Frage.

Als wolle die Cunard-Linie wettmachen, daß sie anregende Gesellschaft nicht garantieren konnte, bot sie den Passagieren der Ersten Klasse einen Service, der zehn Mahlzeiten am Tag umfaßte.

Der Tag begann mit Trauben und Melonen. Dann kam das Frühstück, das alles nur Erdenkliche bot, wie es allgemein hieß. Um elf folgte eine Tasse Bouillon, und zu Mittag wurden auf den Decks Sandwiches serviert.

Am Nachmittag zwischen Tee und Dinner gab es Eis, Kaffee und Gebäck. Dieser kulinarische Marathon endete um neun Uhr mit dem Abendessen.

Da Lord Harleston sein Gewicht halten wollte, um seine Pferde in den Rennen selbst reiten zu können, war er ein maßvoller Esser und hielt nichts davon, sich den Gaumenfreuden im Übermaß hinzugeben.

An Bord gab es nichts, was ihn aus seiner Langeweile hätte reißen können. So war er sehr erleichtert, als das Schiff nach zehn Tagen in den Hafen von New York einlief und er einen ersten Blick auf die vor kurzem aufgestellte Freiheitsstatue werfen konnte.

Trotz seiner lauen Reaktion auf Roberts Vorschlag, die Vanderbilts zu besuchen, hatte er Mr. Watson angewiesen, ihnen seine Ankunft telegrafisch anzukündigen. Daher war er nicht weiter erstaunt, als ihn sofort nach dem Anlegen des Schiffes ein Sekretär Mr. Vanderbilts begrüßte und ihm mitteilte, daß ein Wagen bereitstünde, um ihn in die 52nd Street West zu bringen.

Er nahm die Einladung dankbar an, da er das Alleinsein gründlich satt hatte. Der äußerst komfortable Wagen war mit einem offenen Verdeck ausgestattet. So konnte Lord Harleston die Aussicht genießen, während der Sekretär ihm berichtete, was sich in jüngster Zeit in New York zugetragen hatte, einer Stadt, die in nur wenigen Jahren eine geradezu phänomenale Entwicklung erlebt hatte. Seinem Begleiter lag offenbar viel daran, ihn davon zu überzeugen, wie zivilisiert die Amerikaner geworden waren. So erfuhr der Neuankömmling, daß Henry Irving und Ellen Terry ihr Debüt in New York gefeiert hatten und daß das erste New Yorker Telefonbuch dreihundert Teilnehmer aufweisen konnte.

»Im Moment sind Fotografien bei uns der letzte Schrei, Mylord«, fuhr der Sekretär fort. »Die Stars der neuen Metropolitan Opera lassen sich alle fotografieren.«

Lord Harleston bemühte sich, gebührend beeindruckt zu wirken.

Er staunte nicht schlecht, als der Mann ihn dann, ein Greenhorn aus dem Hinterland, vor den verschiedenen Gefahren zu warnen versuchte, die einem Fremden, noch dazu einem Ausländer, in der Metropole drohten. Lord Harleston, der ausgedehnte Reisen in andere Teile der Welt unternommen hatte, hörte sich amüsiert die Geschichten über Glücksspieler an, die regelmäßig die Züge bearbeiteten, und über Hotelgäste, die auf dreiste Art bestohlen worden waren. Es konnte geschehen, daß einem auf offener Straße die Uhr gestohlen wurde, und in den Bahnen wimmelte es von Taschendieben, von denen viele weiblichen Geschlechts waren.

Der Sekretär beendete seine Schilderung mit dem Rat, sich auf keinen Fall zum Kauf eines Gürtels, der angeblich die Gabe hatte, seinen Träger unsichtbar zu machen, und fünf Dollar kostete, überreden zu lassen.

Lord Harleston lachte.

»Sie können versichert sein, daß mir nichts daran liegt, unsichtbar zu werden.«

»Eure Lordschaft haben keine Ahnung von dem Verbrecherunwesen, das in dieser Stadt so schnell wächst wie die Gebäude«, erklärte der Sekretär daraufhin ernsthaft.

»Ich bin Ihnen für die Warnung sehr verbunden.«

Lord Harleston war erleichtert, als sie die Residenz der Vanderbilts erreicht hatten.

Nach dem Tod seines Vaters, des Commodore, hatte William Henry Vanderbilt den Entschluß zum Bau eines wahrhaft königlichen Herrensitzes gefaßt. Die Bauunternehmer drängten ihn, als Baumaterial Marmor zu nehmen, augenfälligstes Symbol der Macht, doch Mr. Vanderbilt empfand eine gewisse Angst vor Marmor, da er das Gefühl hatte, der kalte Glanz strahle etwas Böses aus. Diese Furcht war nicht unbegründet, denn sowohl William Backhouse Astor als auch ein anderer Millionär waren nach der Fertigstellung ihrer Marmorpaläste gestorben.

Daher hatte Mr. Vanderbilt sich für den Bau dreier Häuser aus braunem Sandstein entschlossen, eines für sich und zwei für seine Töchter. Zu diesem Zweck beschäftigte er einige hundert einheimische Arbeiter und fünfzig Handwerker aus dem Ausland.

»Das Haus ist noch nicht ganz fertig«, informierte der Sekretär Lord Harleston. »Doch ich bin sicher, Eure Lordschaft werden auf den gewohnten Komfort nicht verzichten müssen und vor allem an Mr. Vanderbilts Gemäldesammlung Gefallen finden, die allgemein als sensationell gilt.«

Als Lord Harleston das Haus sah, fand er es nicht nur insgesamt sensationell, es erschien ihm fast schon unwirklich. Überwältigende Toreinfahrten empfingen, Triumphbögen gleich, die Gäste, vergoldete Decken wölbten sich wie Teile ägyptischer Sarkophage über dem Besucher, und die Vielfalt von Vasen, Lampen, Figurinen und kostbaren Büchern riefen in ihm das Gefühl hervor, nach dem reichlichen Alkoholkonsum vom Vorabend seinen Augen nicht trauen zu können.

An der Gastfreundschaft jedoch, mit der er empfangen wurde von Mr. Vanderbilt, gab es keinen Zweifel. Da das Zimmer, das man ihm zugedacht hatte, über die Ausmaße eines Ballsaals verfügte, konnte er sich über Raummangel nicht beklagen.

Mr. Vanderbilts Schwiegertochter, Mrs. William Kessain Vanderbilt, empfing Lord Harleston noch herzlicher als der alte Vanderbilt. Da sie über ausgeprägten gesellschaftlichen Ehrgeiz verfügte, ließ die Tatsache, daß sie einen adeligen und wohlhabenden Briten unter ihrem Dach beherbergte, sie wie eine Bienenkönigin umherschwirren.

Lord Harleston war sehr bald klar, daß er auf der Hut sein mußte, wollte er nicht statt mit Dolly mit irgendeiner jungen Amerikanerin verkuppelt werden, die von ihrer Mutter wie eine Marionette manipuliert wurde. Mrs. Vanderbilt nämlich - als Alva Smith in Mobile geboren - stellte ihm, gleich einem Zauberer, der Kaninchen aus einem Zylinder hervorholt, eine nicht enden wollende Reihe von Kandidatinnen vor.

Wie sollte er ihr erklären, daß er sich noch nie für junge Mädchen interessiert hatte, daß er nicht wußte, worüber man mit ihnen sprach, und daß er, wenn es sich vermeiden ließ, auch nicht mit einem dieser Wesen tanzen wollte? Da ihm zu Ehren Abend für Abend eine Dinnerparty mit anschließendem Tanz gegeben wurde, beschloß er, schnellstens weiterzureisen. Sein Vorhaben, die Flucht zu ergreifen, wurde noch beflügelt, als er erfuhr, daß Alva Vanderbilt ein Kostümfest plante. Es gab nichts, was Lord Harleston mehr haßte als Kostümfeste, und er hatte nicht die Absicht, jemals eines zu besuchen. Er hatte solche Veranstaltungen auch in England stets gemieden, ungeachtet der Tatsache, daß der Prince of Wales ihn einmal fast auf Knien angefleht hatte, an einem Kostümfest teilzunehmen, das es an Extravaganz mit den prächtigen fêtes aufnehmen konnte, die der Prinzregent seinerzeit in Carlton House zu veranstalten pflegte.

Sir Frederic Leighton, Präsident der Royal Academy, war beauftragt worden, die Dekorationen in Marlborough House zu überwachen, nachdem über 1400 Personen eingeladen worden waren. Der Prinz, der als Charles I mit großem Federhut einen sensationellen Eindruck hinterließ, eröffnete den Ball mit einer venezianischen Quadrille.

Die Musik spielte bis in die Morgendämmerung, das Souper wurde in zwei riesigen, mit Tapisserien behangenen roten Zelten serviert, so daß sogar Disraeli, der verspätet und nicht kostümiert erschien, das Fest als prachtvoll, brillant, phantastisch bezeichnete.

Der einzige Außenseiter, ja der einzige, der eine Einladung erhielt, dieser aber aus freien Stücken nicht Folge leistete, war Lord Harleston.

»Ich werde niemals einen Narren aus mir machen, nur um dem Prinzen oder sonst jemandem einen Gefallen zu tun«, hatte er zu Robert gesagt. »Gibt es denn etwas Lächerlicheres als einen Haufen erwachsener Männer, die sich wie die Kinder kostümieren und mit Perücken auf dem Kopf herumparadieren?«

»Wo bleibt deine Vergnügungslust?« hatte Robert spöttisch gefragt.

»Vergnügen? Das nennst du Vergnügen?« Lord Harleston sagte es voller Verachtung. »Da vergnüge ich mich lieber mit einem hübschen Mädchen auf der Wiese in Hampstead Heath.«

»Das würde jeder gern«, hatte Robert geantwortet.

Jetzt sagte Alva Vanderbilt zu Lord Harlestons Entsetzen: »Ich stelle Sie mir als Sir Galahad vor, aber vielleicht würden Sie lieber Hamlet sein. Einerlei, in beiden Kostümen würden Sie eine wunderbare Figur machen.«

Lord Harleston ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß er zu seinem Bedauern keine dieser Rollen spielen konnte.

»Mrs. Vanderbilt, es ist wirklich bedauerlich, doch ich bin mit einem Freund in Denver verabredet. Es ist sehr wichtig, deshalb muß ich morgen früh abreisen.«

Mrs. Vanderbilt stieß einen schrillen Protestschrei aus.

»Das dürfen Sie nicht! Ganz ausgeschlossen! Diesen Ball gebe ich eigens für Sie!«

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut, aber mein Besuch bei Ihrem Schwiegervater neigt sich dem Ende zu.«

Alva Vanderbilt war eine intelligente, entschlossene, aber unglücklich verheiratete Frau, deren einziger Lebensinhalt ihre gesellschaftlichen Aktivitäten waren. Innerhalb der Familie pflegte sie sich stets durchzusetzen, weil sie ihre Umwelt zermürbte, doch in Lord Harleston hatte sie einen ebenbürtigen Gegner gefunden.

Er reiste in dem Moment ab, als ganze Wagenladungen von Topfpflanzen in den Ballsaal geschleppt wurden, um einen festlichen Hintergrund für das köstliche und kostspielige Souper zu schaffen, das von einer hervorragend eingespielten Dienerschaft in braunen Livreen serviert werden würde.

Das Durcheinander von Schäferinnen und Schäfern, Portias und venezianischen Prinzessinnen, Pierrots und Räubern vor Augen, die sich zu den Klängen von hundert Violinen im Ballsaal drehen würden, ließ Lord Harleston sich mit einem Seufzer der Erleichterung im Salon des Schlafwagens in einen Sessel fallen.

»Higgins, das war ein Entkommen in letzter Minute«, sagte er zu seinem Kammerdiener, als der Zug aus der Bahnhofshalle fuhr.

»Ein wahres Wort, Mylord«, stimmte Higgins zu. »Ich kann mir Eure Lordschaft nicht kostümiert vorstellen, und wenn mir die Äußerung gestattet ist, ich halte Kostüme für rausgeworfenes Geld.«

»Geld scheint in diesem Land niemandem Kopfzerbrechen zu machen«, gab Lord Harleston trocken zurück.

Seiner Ansicht nach hatten die Amerikaner hoch viel dazuzulernen, um ihren enormen und ständig wachsenden Reichtum vernünftig zu nutzen.

Da er mehr als die Hälfte des Kontinents durchfahren mußte, um Denver zu erreichen, dauerte die Fahrt sehr lange, und seine Neugier auf das Land, das sich durch die Goldfunde sehr verändert hatte, wuchs mit jeder Stunde. Colorado hatte seinen ursprünglichen Charakter als reines Viehherdenland mit den ersten Goldfunden verloren, als aus allen Teilen der Welt die Menschen kamen, um hier ihr Glück zu machen. Zwischen 1859 und 1870 wurde aus Gewässern und Bergen Gold im Wert von über 27 Millionen Dollar gewonnen. Doch die ersten Goldsucher hatten nur die Oberfläche angekratzt, so daß man später dazu überging, Gold auch unter Tage abzubauen.

Doch das Gold, das alle Probleme lösen sollte, war nicht so leicht zu finden, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte, so daß der Staat verarmte.

Diesen Augenblick hatten sich die Indianer für eine Revolte gegen die weißen Eindringlinge ausgesucht, und die Lage verschlimmerte sich immer mehr trotz der Friedensbemühungen der Weißen.

Aus der Literatur, die Lord Harleston zu diesem Thema gefunden hatte, ging hervor, daß um 1864 die Angriffe der Indianer auf die großen Verbindungswege immer häufiger wurden und viele Rancher bei Überfällen getötet oder skalpiert wurden.

Die Lage beruhigte sich, als die Eisenbahnstrecke fertiggestellt war. Und während man dieses Ereignis noch gebührend bejubelte, wurde Silber gefunden, und es begann ein neuer Aufschwung in Colorado.

Die Bevölkerung wuchs, entlang der Eisenbahnstrecke entstanden neue Ansiedlungen, und viele neue Siedler strömten in dieses Gebiet.

Da Lord Harleston gern Bescheid wußte, in was er investierte, informierte er sich anhand seiner Unterlagen gründlich über die finanzielle Lage Colorados. Überrascht stellte er fest, wie unerwartet stark ihn der Bergbau interessierte. Wenn ich schon da bin, könnte ich mir auch alles ansehen, dachte er bei sich.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
18+
Hacim:
170 s.
ISBN:
9781788670869
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre