Kitabı oku: «Angst? Frag doch einfach!», sayfa 2

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Welche Arten von Angststörungen gibt es?

Generell unterscheidet man zwischen spezifischen und unspezifischen Angststörungen. Die spezifischen AngststörungenAngststörungspezifische nennt man auch → PhobienPhobie. Bekannte Beispiele hierfür sind die Angst vor Höhe, die Angst vor engen Räumen und die Angst vor Spinnen. Dabei hat jede Störung einen Namen, der sich von der griechischen Bezeichnung Phobos für Angst und der griechischen oder lateinischen Bezeichnung des Objektes oder der Situation ableitet, vor der die betroffenen Personen Angst haben. Bei Höhenangst ist das Akrophobie (Akros = Gipfel, Spitze, Höhe), bei Angst vor engen Räumen die Klaustrophobie (Klaustrum = Verschluss, Riegel, Schloss). Die Angst vor öffentlichen Plätzen ist die Agoraphobie (Agora = Marktplatz). Die Agoraphobie wird aber nicht zu den spezifischen Phobien gerechnet, weil hier noch andere Angstprozesse eine Rolle spielen. Es gibt eine lange Liste von möglichen Ängsten, in der folgenden Tabelle gebe ich einige Beispiele von spezifischen Phobien.


Phobie griechischer/lateinischer Objektname Bedeutung
Akrophobie akros: Gipfel, Spitze, Höhe Angst vor Höhe
Arachnophobie arachne: Spinne Angst vor Spinnen
Aviophobie avis: Vogel Flugangst
Brontophobie bronte: Donner Angst vor Donner
Canophobie canis: Hund Angst vor Hunden
Dentophobie dens: Zahn Angst vor Zahnbehandlung
Emetophobie emeein: erbrechen Angst vor Erbrechen
Hemaphobie haima: Blut Angst vor Blut
Klaustrophobie claustrum: Verschluss, Riegel, Schloss Angst vor engen Räumen
Musophobie mus: Maus Angst vor Mäusen
Xenophobie xenos: Fremder Angst vor Fremden/Unbekannten
Zoophobie zoon: Lebewesen Angst vor Tieren

Tabelle 1 |

Verschiedene Phobien und ihre sprachliche Herkunft

Spezifische Phobien kann man recht gut behandeln. In der Regel werden die Betroffenen den angstauslösenden Reizen unter Begleitung einer Therapeutin ausgesetzt. Diese Therapieform nennt sich ExpositionstherapieExposition-therapie. Ich beschreibe die Expositionstherapie später noch genauer. Nach einer bis fünf solcher Expositionssitzungen ist die Behandlung der Störung in der Regel abgeschlossen laut S3-Leitlinie für Angststörungen. Manchmal reicht sogar eine einzige Sitzung.

Unspezifische AngststörungenAngststörungunspezifische sind dagegen schwerer zu behandeln. Meist wird hier mit Medikamenten und Psychotherapie gearbeitet. Oft werden auch AntidepressivaAntidepressiva gegeben, also Medikamente, die auch bei → Depression eingesetzt werden. Welche Medikamente genau bei welcher Angststörung gegeben werden, können Sie auch in der S3-Leitlinie nachlesen, die ich unten verlinkt habe. Diese Medikamente wurden auf ihre Wirksamkeit getestet, unter anderem in Tierstudien mit Nagetieren. Da in diesen Studien vor allem männliche Nagetiere untersucht wurden, kann es sein, dass sich in Zukunft die Medikamente für Männer und Frauen mit Angststörungen unterscheiden werden.

Linktipp | Eine Liste mit allen Phobien findet sich hier: https://phobie-wissen.de/phobienliste/. Die S3-Leitlinie für Angststörungen kann man hier einsehen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-028.html.

Wovor haben wir Angst?

Hier ist spannend, dass es Objekte oder Situationen gibt, die wahrscheinlicher Angst auslösen als andere. Es gibt zum Beispiel keine bisher bekannte → Phobie vor kleinen Schafen, dafür aber Angst vor Tieren, die potenziell gefährlich sind wie Spinnen oder Schlangen. Hier geht man davon aus, dass wir genetisch dazu veranlagt sind, vor gefährlichen Dingen schneller Angst zu entwickeln als vor ungefährlichen, was an sich ja sehr sinnvoll ist. Das nennt man PreparednessPreparedness, also „Vorbereitet-​Sein“. Arne Öhman, ein schwedischer Psychologe, hat sich mit der Forschung zu Preparedness einen Namen gemacht und saß sogar im Nobelpreiskomitee. In seinem meistzitierten Paper von 2001 fasst er vier Charakteristiken von Furchtlernen zusammen. Das erste Kriterium ist, dass → Furcht vor allem von Reizen ausgelöst wird, die in einem evolutionären Sinn gefährlich sind. Das zweite ist, dass die Furchtreaktion auf solche Reize automatisch abläuft. Das dritte, dass man mit bewusster Kontrolle wenig ausrichten kann gegen Furchtreaktionen, und das vierte, dass die → AmygdalaAmygdala und mit ihr verbundene Gehirnbereiche hauptverantwortlich sind für die ausgelösten Furchtreaktionen (Öhman & Mineka, 2001).

Diese Preparedness wird von Beutetieren auch als Schutz vor dem Gefressen-​Werden genutzt. Die Fähigkeit bestimmter Tiere, sich zu schützen, indem sie sich der Gestalt oder Farbe solcher Tiere anpassen, die von ihren Feinden gefürchtet werden, nennt sich MimikryMimikry. Beispiele hierfür sind harmlose Schwebfliegen, die sich durch gelb-​schwarze Wespenfarben als giftig ausgeben, und wehrlose Schmetterlinge, zum Beispiel das Pfauenauge, deren Flügelmuster den Augen eines gefährlichen Raubvogels ähneln.

Für viele Phobien spielen soziale Situationen eine große Rolle, vor allem Situationen, in denen die Betroffenen von anderen Personen kritisch bewertet werden könnten.

Bei den unspezifischen AngststörungenAngststörungunspezifische treten die Symptome der AngstAngstSymptome, auf die wir später nochmal genauer eingehen, nicht nur bei ganz bestimmten Objekten oder Situationen auf, sondern scheinbar zufällig. Es gibt auch Zusammenhänge zwischen Phobien und der sogenannten generalisierten Angststörung. Wenn Personen beispielsweise erleben, dass sie unvorhersehbaren Angstattacken ausgeliefert sind, also eine generalisierte Angststörung haben, dann werden sie auch öffentliche Plätze meiden, an denen Hilfe nicht so einfach zur Verfügung steht. Sie entwickeln also möglicherweise eine Agoraphobie aufgrund der generalisierten Angststörung.

Linktipp | In diesem eindrucksvollen Video „verwandelt“ sich eine Raupe in eine Schlange und schlägt den Affen, der die Raupe ansonsten gerne gefressen hätte, in die Flucht. Damit nutzt die Raupe die Angst des Affen vor Schlangen aus, um sich selbst zu schützen. Sehr clever! https://www.reddit.com/r/NatureIsFuckingLit/comments/m6vkrn/this_caterpillar_impersonating_a_snake/.

Wie hängen die Störungen untereinander zusammen?

Die beiden häufigsten psychischen Störungen, → Angst und → DepressionDepression, treten oft gemeinsam auf. Das nennt man → KomorbiditätKomorbidität. Bei 60 % der Betroffenen von Angststörungen wird auch eine Depression festgestellt (Kaufman & Charney, 2000). Oft sind Angststörungen auch verbunden mit psychosomatischen Störungen wie Schmerzen. Es kann passieren, dass Betroffene wegen körperlicher Beschwerden zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Hier muss der Arzt oder die Ärztin dann genau nachfragen und hinhören, damit er oder sie die den körperlichen Beschwerden zugrunde liegende Angststörung entdeckt. Oft versuchen sich die Betroffenen auch selbst zu helfen, indem sie verschiedene Substanzen konsumieren, zum Beispiel Beruhigungsmittel oder Alkohol. Daher ist auch das gemeinsame Auftreten einer Angststörung und einer SubstanzabhängigkeitSubstanzabhängigkeit sehr häufig.

Angst kann auch zu ZwangshandlungenZwangshandlungen führen. So können zum Beispiel Personen, die Angst haben, schmutzig zu sein oder mit verschmutzten Gegenständen Kontakt zu haben, eine Zwangshandlung entwickeln, indem sie sich sehr oft die Hände waschen oder ihre Wohnung putzen.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass ein gewisses Maß an Zwangshandlungen noch nicht als krankhaft gilt. Wenn Sie also ein zweites Mal überprüfen, ob Sie Ihre Türe abgeschlossen haben, ist das noch keine → Zwangsstörung.

Ab wann ist etwas eine Störung?

Diese Frage würde allein schon Bücher füllen, deshalb hier nur eine kurze Erläuterung. Psycholog:innen sprechen von LeidensdruckLeidensdruck, der dazu führt, dass sich Patient:innen Hilfe suchen. Dann wird auch eine Diagnose vergeben. Wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu verlassen, weil er oder sie ständig alles kontrollieren muss, dann wird der Leidensdruck irgendwann so groß sein, dass er oder sie sich Hilfe sucht.

Linktipp | Die Stiftung Gesundheitswissen hat unter https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/angststoerung/hintergrund anschaulich zusammengetragen, wie sich normal auftretende Angst von einer Angststörung unterscheidet. In dem animierten Video auf der Seite wird die Angst als schwarze Figur dargestellt, die bei Angststörungen stark anwächst und durch Therapie auf ihr normales Maß reduziert werden kann.

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörungposttraumatische Belastungsstörung?

Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung ist der AuslöserAuslöser der Störung ein traumatisches Ereignis. Das sind häufig Missbrauchserfahrungen oder Erfahrungen im Krieg, die dazu führen, dass die Erinnerungen an diese Erlebnisse einfach so wieder auftauchen und das tägliche Leben stark stören. Frauen sind auch hier stärker betroffen als Männer. Man geht davon aus, dass traumatische Erinnerungen anders abgespeichert werden als normale Erinnerungen. Die traumatischen Erinnerungen sind somit nicht an einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit gebunden wie andere Erinnerungen. Sie können, oft ausgelöst durch einen bestimmten Reiz oder eine bestimmte Situation, wieder erlebt werden, als würde das ursprüngliche Erlebnis gerade noch einmal stattfinden. Dies ist sehr belastend für die Betroffenen und kann auch zu sogenannten dissoziativen Phänomenendissoziatives Phänomen führen. Das bedeutet beispielsweise, dass man vor allem in akuten Stresssituationen auf einmal gefühllos wird oder sich auf einmal von außen sieht, als wäre man nicht mehr in seinem eigenen Körper.

Linktipp | In dieser Dokumentation von reporter wird sehr anschaulich beschrieben, wie sich eine posttraumatische Belastungsstörung für eine betroffene Person anfühlt. Die Betroffene hat einen Hund, der darauf trainiert ist, sie im Falle von akuten Dissoziationen und Flashbacks zurückzuholen, indem er sie anstupst. Das funktioniert sehr gut und hilft der Betroffenen, ihren Alltag besser zu meistern: https://www.youtube.com/watch?v=WayryKjGRKg.

Wie werden Angststörungen klassifiziert?

Die genauen Definitionen der einzelnen → Angststörungen sind weltweit im → ICD-11 erfasst. Das ICDICD (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegeben. Die Zahl 11 gibt an, dass es sich um die 11. Revision handelt. Diese ist seit Anfang 2022 in Kraft. Die Umstellung von ICD-10 auf ICD-11 erfolgt nach und nach. Nach diesem System werden weltweit Diagnosen vergeben. Daneben gibt es noch ein weiteres Klassifikationssystem, das DSM, das für „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ steht. Das DSM wurde von der American Psychiatric Association (APA) entwickelt und wird weltweit für Forschungszwecke verwendet. Die aktuelle Version ist das DSM-5, das 2013 veröffentlicht wurde. Im DSM sind nur psychische Diagnosen enthalten, im ICD sind dagegen alle Diagnosen enthalten. Um mit den Krankenkassen abzurechnen, wird das ICD verwendet. Der Code einer Diagnose setzte sich im ICD-10, der aktuell noch verwendet wird, zusammen aus einem Buchstaben von A bis Z an erster Stelle und einer zweistelligen Ziffer an zweiter und dritter Stelle. Darüber hinaus können noch weitere Zahlen nach einem Punkt als Unterklassifikation dienen. Die Diagnosen für psychische Störungen finden sich im ICD-10 bei F0 bis F9, wobei Angststörungen unter F4 gelistet sind. Die Agoraphobie hat beispielsweise den Code F40.0, eine Agoraphobie mit Panikstörung den Code F40.01. Spezifische → Phobien sind unter F40.2 gelistet. F41 sind die anderen Angststörungen, F42 die → Zwangsstörung und F43.1 ist die Posttraumatische Belastungsstörung. Im Alltag begegnet man dem ICD bei einer Krankschreibung oder Überweisung, auf der die gestellte Diagnose in Form eines ICD-10-Codes steht.

Linktipp | Die weltweit gültige ICD-10-Klassifikation findet sich z. B. unter https://www.icd-code.de/, den ICD-11 kann man hier finden: https://icd.who.int/en.

Wie Angst entsteht und wie sie sich messen lässt


Angst ist ein hilfreicher Mechanismus. Dieses Kapitel zeigt, wie wir Angst „lernen“, welche Voraussetzungen für eine Konditionierung vorhanden sein müssen und auch, wie sich die Angst im Körper messen lässt.

Hat der Mensch schon immer Angst?

In diesem Kapitel geht es um die faszinierenden Mechanismen, mit denen unser Körper ausgestattet ist, um uns vor Gefahr zu bewahren. Unser Gehirn und unser Körper sind darauf eingestellt, Gefahren zu antizipieren und sie zu bewältigen. So wird das Überleben gesichert. Genau dieses Antizipieren von Gefahren ist aber auch mit Angst verbunden.

Angst ist also ein lebenswichtiges Alarmgefühl. Es ist zunächst unangenehm und beklemmend, hat aber zum Ziel, akute Gefahren abzuwehren. Wichtig ist, dass das Gefühl der Angst wieder aufhört, wenn die Gefahr überwunden ist. Leider haben wir oft Angst, obwohl gar keine akute Gefahr droht. Dies beruht auf der Fähigkeit des Menschen, sich Dinge vorzustellen, die passieren könnten. Der Vorteil daran ist, dass sich der Mensch so auf Gefahren vorbereiten kann, die noch gar nicht eingetreten sind. Nachteilig ist es, wenn die negativen Gedanken bezüglich der Zukunft überhandnehmen. Dann wird das Gefühl der Angst zur Belastung. Um zu verstehen, wie Angst entsteht und was dabei im Körper passiert, habe ich im folgenden Kapitel aktuell diskutierte Theorien zur Entstehung von Angst zusammengetragen.

Linktipp | Dieses kurze Video zeigt, wie sich unser Gehirn entwickelt hat, um uns vor Gefahren zu schützen. Es zeigt auch, wie dadurch Angst entstehen kann: https://www.youtube.com/watch?v=kv6HkipQcfA.

Welche Rolle spielt Lernen bei der Entstehung von Angst?

Bei der Entstehung von Angst kommt das bekannte Experiment mit dem kleinen AlbertAlbert ins Spiel, ein ExperimentLittle-​Albert-​Experiment, das unter heutigen ethischen Standards nicht mehr denkbar wäre. Der kleine Albert war nicht mal ein Jahr alt, als ihm John B. WatsonWatson, John B. und Rosalie RaynerRayner, Rosalie an der Johns-​Hopkins-​Universität um 1920 verschiedene Tiere präsentierten. Aufgrund seines geringen Lebensalters konnte man davon ausgehen, dass Albert noch keine Vorerfahrungen mit den Tieren hatte, die ihm in diesem Experiment präsentiert wurden. Der kleine Albert war zunächst angetan von dem kleinen Affen, dem Kaninchen, dem Hund und vor allem der weißen Ratte. Dann erschreckten die beiden Versuchsleiter den kleinen AlbertAlbert mit einem lauten Schlag auf ein Stahlrohr immer dann, wenn er gerade mit der weißen Ratte spielen wollte. Mit der Zeit hatte der kleine Albert auch dann Angst vor der Ratte, wenn der laute Schlag fehlte. John B. Watson und Rosalie Rayner hatten also experimentell eine → PhobiePhobie bei dem kleinen Albert erzeugt: Er hatte Angst vor der weißen Ratte. Sie testeten daraufhin auch, ob sich die Angst nur auf den spezifischen Reiz, also zum Beispiel die weiße Ratte, oder auch auf andere flauschige Objekte wie einen Nikolausbart übertrug. Das Ergebnis war, dass Albert nicht nur Angst vor der weißen Ratte hatte, die er vorher gerne gestreichelt hat, sondern auch vor anderen flauschigen Dingen. Die Angst hatte sich also generalisiert; sie wurde von der weißen Ratte auf andere flauschige Gegenstände übertragen (Watson & Rayner, 1920).

Abbildung 1 |

Der Versuchsaufbau des berühmten Experiments mit dem kleinen Albert. John B. Watson schlägt mit einem Hammer auf ein Metallrohr. Vor diesem Geräusch hat der kleine AlbertAlbert Angst. Nun wird dieses Geräusch mit dem Anblick einer weißen Ratte gepaart, so dass der kleine Albert lernt, Angst vor der weißen Ratte zu haben.

Dieses Experiment ist ethisch zwar äußerst bedenklich, aus psychologischer Sicht aber sehr spannend. Es zeigt, dass es möglich ist, einen vorher neutralen, ja sogar eher positiven Reiz wie eine weiße Ratte mit einem negativen Reiz, in diesem Fall einem lauten Geräusch, zu paaren und damit die Angst vor dem lauten Geräusch auf die weiße Ratte zu übertragen. In der Fachsprache wird dies → „klassische KonditionierungKonditionierungklassische“ genannt. Die klassische Konditionierung wurde vor allem durch Iwan PawlowPawlow, Iwan bekannt, der in seinen berühmten Experimenten um 1900 mit seinen Hunden zeigte, dass die Hunde bereits anfingen zu speicheln, wenn nur eine Glocke läutete, die Futter ankündigte. Hier wurde also ein neutraler Reiz (Glockenläuten) mit einem positiven Reiz (Futter) gepaart, so dass am Ende nur der Ton der Glocke genügte und bereits zur Speichelproduktion anregte.

Der kleine AlbertAlbert symbolisiert also zum einen die Übertragung des Prinzips der klassischen Konditionierung auf den Menschen, zum anderen bietet das historische Experiment eine Erklärung, wie Angst entstehen kann.

Wie lässt sich erlerntes Angstverhalten wieder „verlernen“?

Der kleine Albert kam leider nicht in den Genuss einer experimentellen Löschung, genannt ExtinktionExtinktion, seines gelernten Angstverhaltens. Im Artikel von WatsonWatson, John B. und RaynerRayner, Rosalie steht, dass er plötzlich nicht mehr verfügbar war, sonst hätten sie verschiedene Methoden ausprobiert, wie die gelernte Angst wieder verlernt werden kann. Heute wird im Rahmen der VerhaltenstherapieVerhaltenstherapie Patient:innen ein solches Verlernen von Angst beigebracht. Sie lernen dabei, dass der neutrale Reiz, also die Ratte im Beispiel vom kleinen Albert, doch nicht zwingend mit dem lauten Geräusch verbunden ist, das ursprünglich die Angst erzeugt hat. In der Therapie gehen die Patient:innen dann zum Beispiel auf öffentliche Plätze und lernen, dass sie das aushalten können, oder steigen auf einen hohen Turm und lernen, dass das gar nicht so schlimm ist wie erwartet. Dieses Verfahren heißt → ExpositionExposition und wirkt gut bei spezifischen Angststörungen.

Was passiert bei der Extinktion von Angstverhalten?

Durch die Therapie wird die Angst-​Gedächstnisspur mit einer neuen Gedächtnisspur überschrieben. Die ursprüngliche, angstauslösende Gedächstnisspur wird also nicht „gelöscht“, sondern lediglich überdeckt. Daher ist ein erneutes Aktivieren der Angst-​Gedächtnisspur leicht möglich.

Im Fall vom kleinen Albert konnten WatsonWatson, John B. und RaynerRayner, Rosalie beobachten, dass der kleine Albert spontan seinen Daumen in den Mund nahm, wenn der angstmachende Reiz auftrat, also entweder der laute Schlag auf das Stahlrohr oder die bereits negativ konditionierte weiße Ratte. Das Nuckeln an seinem Daumen beruhigte den kleinen AlbertAlbert offensichtlich. Watson und Rayner berichten, dass sie dem kleinen Albert für die Filmaufnahmen immer wieder den Daumen aus dem Mund nehmen mussten, damit er auch die erwünschte Angstreaktion zeigte.

Es gibt also offensichtlich Verhaltensweisen, die in beängstigenden Situationen helfen können. Diese Erkenntnis hilft bei der Therapie von Angst. So ist es den Patient:innen während der → ExpositionExposition, also der bewussten Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz, verboten, auf sogenanntes SicherheitsverhaltenSicherheitsverhalten auszuweichen. Die Patient:innen dürfen also keine Strategien anwenden, die die Angstreaktion abschwächen. Der Grund hierfür ist, dass die Patient:innen nur lernen können, mit der gefürchteten Situation oder dem gefürchteten Objekt zurechtzukommen, wenn sie sich der Situation oder dem Objekt ganz ausliefern. Wenn sie hierbei Sicherheitsverhalten zeigen würden, würden sie lernen, dass dieses Sicherheitsverhalten wichtig ist, um die Situation oder das Objekt zu ertragen. Was sie aber lernen sollen, ist, dass sie ohne jedes Sicherheitsverhalten in der Lage sind, die Situation oder das Objekt zu ertragen.

Außerdem geht man davon aus, dass der Körper einen sehr starken Erregungszustand, wie er bei starker Angst auftritt, nicht sehr lange aufrechterhalten kann und dieser Erregungszustand dann bald abnimmt. Wenn die Patient:innen merken, dass ihr Erregungszustand in der gefürchteten Situation merklich nachlässt, kann das zu einer neuen Gedächtnisspur führen, die mit Angst inkompatibel ist.

Linktipps | Der etwa dreiminütige Film zu dem Experiment mit dem kleinen Albert ist auf der Wikipedia-​Seite zum Experiment zu finden: https://en.wikipedia.org/wiki/Little_Albert_experiment.

In einem zweiten Video stellt psychologeek das Experiment mit dem kleinen Albert zusammen mit zwei weiteren sehr bekannten und ethisch bedenklichen Experimenten aus der Psychologie vor. In diesen Experimenten geht es zum einen um das bereitwillige Ausführen von Befehlen, bei denen eine andere Person vermeintlich durch Elektroschocks geschädigt wird (Milgram-​ExperimentMilgram-​Experiment), und zum anderen um die sehr schnelle Übernahme von zugewiesenen Gefängniswärter- und Gefängnisinsassenrollen, verbunden mit der Ausübung von Gewalt (Stanford-​Prison-​ExperimentStanford-​Prison-​Experiment): https://www.youtube.com/watch?v=hYXWJBRr0pA.

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