Kitabı oku: «Angst? Frag doch einfach!», sayfa 3
Was ist klassisches Konditionieren?
Klassisches KonditionierenKonditionierungklassische beschreibt den Lernprozess, durch den eine von einem unkonditionierten Reiz ausgelöste Reaktion auf einen ehemals neutralen Reiz übertragen werden kann. So wird aus einem neutralen Reiz ein konditionierter Reiz oder, wie es Pawlow eigentlich ausdrücken wollte, ein konditionaler Reiz. Beim kleinen AlbertAlbert war der neutrale Reiz die weiße Ratte. Der unkonditionierte Reiz war der laute Schlag auf das Stahlrohr, dass bei kleinen Kindern generell eine Schreckreaktion hervorruft. Über die Paarung des neutralen Reizes mit dem unkonditionierten Reiz wird nun diese Schreckreaktion auf den ehemals neutralen Reiz übertragen. Beim kleinen Albert war das die gleichzeitige Präsentation der weißen Ratte und des lauten Geräusches. Die Phase, in der die beiden Reize gepaart werden, nennt man LernphaseLernphase. Das Ergebnis der Konditionierung wird dann in der nächsten Phase sichtbar, wenn der zuvor neutrale Reiz nun allein präsentiert wird und die konditionierte Reaktion auslöst. Beim kleinen Albert bedeutet das: Die weiße Ratte allein löst schon eine Schreckreaktion aus. In der Extinktionsphase, die der kleine Albert leider nicht mehr mitbekam, wäre die weiße Ratte so oft ohne das erschreckende Geräusch präsentiert worden, dass sich die Schreckreaktion auf die weiße Ratte langsam abgeschwächt hätte. Jedoch zeigt die Forschung, dass in der Extinktionsphase eigentlich keine Löschung der Gedächtnisspur stattfindet. Durch eine wiederholte Konditionierung oder sogar spontan kann sehr schnell wieder die Kopplung zwischen dem neutralen Reiz und der konditionierten Reaktion hergestellt werden. Man geht davon aus, dass sich eine stabile Gedächtnisspur gebildet hat, die leicht wieder reaktiviert werden kann.
Literaturtipp | Eine gute Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf Furchtkonditionierung bietet ein Artikel von Christian Merz und Tina Lonsdorf in der Psychologischen Rundschau: Merz, C. J. & Lonsdorf, T. B. (2020). Methodische Anmerkungen und Anwendungsbereiche der Furchtkonditionierung in verschiedenen psychologischen Disziplinen. Psychologische Rundschau, 71, 273–287.
Woher stammt der unkonditionierte Reiz bei gelernten Ängsten?
Die Frage, die bei der Recherche zur → klassischen Konditionierung als Grundlage für → Angststörungen auftaucht, ist: Woher stammt der unkonditionierte Reiz? Der unkonditionierte Reiz ist derjenige Reiz, der von sich aus eine Angstreaktion auslöst, sprich, ohne erlernt zu sein. Beim Fall des kleinen AlbertAlbert ist es das laute Geräusch, vor dem Albert von Natur aus Angst hat. Dieser unkonditionierte Reiz wird gepaart mit dem konditionierten Reiz, also beispielsweise der weißen Ratte. Nun fehlt aber ganz häufig eine solche Konditionierung, wie sie der kleine Albert erlebte. Im Normalfall hat eine Person mit Spinnenphobie noch keinen schmerzhaften Spinnenbiss erlitten, wodurch sie lernte, die Spinne mit Gefahr zu assoziieren. Auch Personen mit Höhenangst sind im Normalfall noch nie aus großer Höhe gestürzt, so dass sie Höhe mit Gefahr assoziieren. Die Paarung des konditionierten Reizes mit einer Angstreaktion findet also möglicherweise nur in der Vorstellung statt. Diese ist eine aktuelle Fragestellung, zu der gerade viel geforscht wird.
Literaturtipp | Hier ein aktuelles Review, in dem der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst wird: Mertens, G., Krypotos, A.-M. & Engelhard, I. M. (2020). A review on mental imagery in fear conditioning research 100 years since the ‘Little Albert’ study. Behaviour Research and Therapy, 126, 103556.
Was ist operantes Konditionieren?
Eine zweite Form des Lernens ist die operante KonditionierungKonditionierungoperante. Hier geht es darum, dass Verhalten häufiger auftritt, wenn es positive Konsequenzen hat und seltener, wenn es negative Konsequenzen hat. Wenn das Daumenlutschen für den kleinen AlbertAlbert eine beruhigende Wirkung hat, ist das eine positive Konsequenz und er wird es deshalb häufiger machen. Operantes Konditionieren wird auch „Lernen am Erfolg“ genannt. Im Gegensatz zum klassischen Konditionieren, wo es um die Kopplung zweier Reize geht, steht hier das Verhalten in bestimmten Situationen im Vordergrund. Dabei wird die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten maßgeblich von den Konsequenzen dieses Verhaltens beeinflusst. Durch Belohnung wird eine bestimmte Verhaltensweise häufiger, durch Bestrafung seltener. Um diese Theorie zu belegen, wurden viele Tierexperimente gemacht. Beispielsweise mussten sich Katzen aus Käfigen befreien, indem sie herausfanden, was sie dafür tun mussten. Die Belohnung war in dem Fall Freiheit und Futter außerhalb des Käfigs. Die Katzen brauchten zuerst lange, bis sie den Käfig öffnen konnten, lernten aber schnell und führten bei erneuten Versuchen gleich die richtige Verhaltensweise aus, die den Käfig öffnete. Diese Experimente machte Edvard Lee ThorndikeThorndike, Edvard Lee an der Columbia University und verfasste 1898 das „Gesetz der Wirkung“ (englisch: law of effect). Dieses Gesetz beschreibt, dass eine bestimmte Situation, also beispielsweise die Katze im Käfig, stärker mit einem Verhalten gekoppelt ist, das mit einer positiven Konsequenz verbunden ist, also mit dem Öffnen des Käfigs. Dieses Verhalten wird dann häufiger. Eine positive Konsequenz kann dabei sowohl eine Belohnung sein, zum Beispiel in Form von Futter, aber auch das Ausbleiben einer Bestrafung, zum Beispiel in Form eines erschreckenden Reizes. Die Belohnung heißt → positive VerstärkungVerstärkungpositive, das Ausbleiben der Bestrafung heißt → negative VerstärkungVerstärkungnegative. Beides erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit des damit assoziierten Verhaltens. Die hier vorgestellten Arbeiten zum klassischen und operanten Konditionieren begründeten eine Strömung der Psychologie, die man BehaviorismusBehaviorismus nennt. Wie der Name schon andeutet, geht es darum, das Verhalten der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht also weniger darum, was in der Psyche der Menschen passiert als darum, was das Resultat daraus ist. Angsttheorien des Behaviorismus gehen davon aus, dass Angst durch eine Kombination von klassischem und operantem Konditionieren entsteht. Dabei erklärt die operante Konditionierung vor allem das typische Vermeidungsverhalten bei → Angststörungen. Durch das Vermeiden der angstauslösenden Situation oder des angstauslösenden Reizes wird die negative Konsequenz der akuten Angstgefühle vermieden und verstärkt dadurch das Vermeidungsverhalten.
Kann Angst auch durch Vorstellungen entstehen?
Wer etwas lernt, muss etwas bereits erlebt haben. Oder reicht bereits die Vorstellung des Erlebens aus? Der kleine AlbertAlbert erlebte gleichzeitig die weiße Ratte und das ohrenbetäubende Geräusch. Was aber, wenn sich der kleine Albert das Geräusch nur vorgestellt hätte? Das von Watson und Rayner propagierte Erklärungsmodell ist einleuchtend. Die Angst wird gelernt durch Paarung eines zuvor neutralen Gegenstands oder einer zuvor neutralen Situation mit einem angsteinflößenden Reiz wie einem lauten Geräusch. Nur: viele Ängste haben keine erlebte Erfahrung als Grundlage, die ja der Ausgangspunkt des Lernens nach diesem Erklärungsmodell ist. Menschen mit Spinnenphobie wurden weder von einer Spinne gebissen noch muss die Begegnung mit einer Spinne mit einem lauten Geräusch oder sonst einem angsteinflößenden Reiz gepaart worden sein. Dennoch haben sie Angst vor der Spinne entwickelt. Wie kann das sein? Dazu haben Forscher an der Universität Marburg ein spannendes Experiment durchgeführt (Müller, Sperl & Panitz, 2019). Dabei wurden nicht wie sonst üblich echte Schmerzreize verwendet, um Furchtreaktionen auf einen neutralen Reiz zu erzeugen, sondern nur vorgestellte Schmerzreize. Die Proband:innen wurden aufgefordert, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, mit der Ferse mit voller Wucht auf einen Reißnagel zu treten. Autsch! An diesen Schmerz sollten sie immer denken, wenn ein bestimmtes geometrisches Symbol auf dem Bildschirm gezeigt wurde. Dieses Symbol erschien dann zusammen mit einem neutral blickenden Gesicht, das auf diese Weise mit dem angsteinflößenden Reiz gepaart wurde. Danach reagierten die Proband:innen allein auf das neutrale Gesicht schon mit einer körperlich messbaren Angstreaktion. Die Proband:innen lernten also nur aufgrund des vorgestellten Schmerzes eines Reißnagels in der Ferse, vor bestimmten neutralen Gesichtern Angst zu haben!
Der etwas größere Albert könnte also auch Angst vor der weißen Ratte lernen, indem er sie sich als sehr gefährlich vorstellt, wie in der Illustration veranschaulicht. Dazu ist dann keine klassische Konditionierung notwendig, die den Anblick der weißen Ratte mit einem lauten Geräusch paart.
Abbildung 2 |
Der etwas ältere Albert stellt sich vor, dass die weiße Ratte sehr gefährlich ist. Allein die Vorstellung kann schon zu Angst führen.
Geht das auch in die andere Richtung? Kann man Angst durch positive Vorstellungen wieder verlernen? Genau das wird in sogenannten vorstellungsbasierten TherapieverfahrenTherapieverfahren, vorstellungsbasiertes gemacht und es funktioniert erstaunlich gut! Beispielsweise bei der sozialen → Phobie, bei der die Betroffenen Angst vor sozialer Zurückweisung haben. Dort spielt die Interpretation von sozialen Situationen eine zentrale Rolle. Geht eine Person mit sozialer Phobie in ein Café, in dem sich zwei Leute unterhalten und plötzlich in dem Moment anfangen zu lachen, wenn die Person an ihrem Tisch vorbeigeht, wird sie möglicherweise denken: „Die lachen bestimmt über mich! Ich habe mich bestimmt ungeschickt verhalten oder sehe seltsam aus!“ Die sozial ängstliche Person kann dann in ihrer Vorstellung oder mit Hilfe von virtueller Realität die zuvor beängstigende Situation noch einmal erleben. Diesmal aber mit der Vorstellung, dass sich die beiden Lachenden am Tisch einfach sehr gut verstehen und sich über etwas amüsieren, das die eine Person gerade erzählt hat. So lernt dann die betroffene Person, dass die Situation gar nicht bedrohlich ist und im besten Fall überträgt sie diese Erfahrung dann auf zukünftige Erlebnisse. Ziel ist, die spontane Interpretation der Situation zu verändern. Das erfordert viel Übung und oft große Überwindung, da die Betroffenen die beängstigenden Situationen normalerweise vermeiden. Dabei ist es eine sehr effektive Methode, sich Ängsten auszusetzen, um sie zu überwinden.
Linktipp | Betroffene können angstbesetzte Situationen oder angstbesetzte Objekte auch über virtuelle Realitäten erleben. Hier gibt es einen anschaulichen Überblick darüber, wie virtuelle Realität bei der Behandlung spezifischer Phobien helfen kann. Beispielsweise wird das Achterbahnfahren mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden trainiert: https://www.youtube.com/watch?v=mi6GxuGVEd0.
Welche Prozesse laufen in Gehirn und Körper ab?
Angst ist ein komplexes Phänomen und der Körper zeigt auf vielen Ebenen Reaktionen, die darauf ausgelegt sind, auf eine akute Gefahr reagieren zu können. In Horrorfilmen wird Angst beispielsweise folgendermaßen dargestellt: Man hört den Herzschlag, der sich beschleunigt, dazu kommt schnelles Atmenatmen. Die Anspannung des Körpers und die Fokussierung auf den angstauslösenden Reiz kann man sich vorstellen wie einen Bildausschnitt, der immer enger wird. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht das Objekt der Angst. Alles andere wird ausgeblendet. Der angstauslösende Reiz kann sich durch noch so kleine Indizien ankündigen. Das kann ein leises Rascheln oder ein Knacken sein – die ängstliche Person wird diese Indizien entdecken und die Aufmerksamkeit so auf sie richten, dass sie in der Wahrnehmung verstärkt werden. Diese Mechanismen werden durch verschiedene Schaltstellen im Körper gesteuert und sind hilfreich, wenn eine Situation oder ein Objekt wirklich gefährlich ist. Wenn eine Person jedoch eine → Angststörung hat, so kann diese Angstreaktion zur Belastung werden. Im Folgenden gehen wir nacheinander die körperlichen Ebenen der Angstreaktion durch. Da die Prozesse nicht zwangsläufig in einer bestimmten Reihenfolge ablaufen, ist die Anordnung nicht zeitlich geordnet.
Wie zeigt sich Angst im Gehirn?
Unser Gehirn ist in verschiedene Teile gegliedert. Es gibt Teile, die sind „älter“, das heißt, sie waren auch bei unseren evolutionären Vorfahren bereits angelegt. Daneben gibt es Teile, die „jünger“ sind. Diese sind entwicklungsgeschichtlich später entstanden. Die Region, die gemeinhin als Angstzentrum des Gehirns bekannt ist, die → AmygdalaAmygdala, gehört zum älteren Teil des Gehirns. Sie schlägt Alarm, wenn ein Reiz gefährlich ist. Die Amygdala gibt es in beiden Gehirnhälften und sie liegt relativ weit innen im sogenannten limbischen Systemlimbisches System, das eine große Rolle für Gefühle im Allgemeinen spielt. Die Amygdala hat aber auch eine Art Gegenspieler, den präfrontalen Kortexpräfrontaler Kortex. Der gehört zum jüngeren Teil des Gehirns und liegt hinter unserer Stirn. Der präfrontale Kortex ist sehr groß und für die Steuerung von Verhalten zuständig. Er ist eine Art Dirigent und legt fest, welcher Akteur wann wie stark zum Einsatz kommt. Der präfrontale Kortex kann der Amygdala Einhalt gebieten, wenn sie zu stark oder unnötigerweise Alarm schlägt. Das ist eine sehr nützliche Funktion und schützt uns vor übermäßiger Angst in Situationen, in denen Angst nicht angesagt ist. Es wurde gezeigt, dass eine besonders ausgeprägte Verbindung zwischen der Amygdala und dem präfrontalen Kortex mit weniger Angst in Zusammenhang steht (Kim & Whalen, 2009).
Abbildung 3 |
Querschnitt des Gehirns mit der Amygdala, dem Angstzentrum des Gehirns
Natürlich steht die Amygdala noch mit vielen weiteren Gehirnarealen in Verbindung, denn wenn eine akute Bedrohung erkannt wird, ist der gesamte Organismus in Gefahr und alle Bereiche werden alarmiert. Es ist auch anzunehmen, dass es außer der Amygdala noch andere Mechanismen gibt, die im Bedarfsfall Alarm schlagen und Angstgefühle verursachen.
In einer Studie wurden drei Patientinnen untersucht, denen aufgrund einer bestimmten Erkrankung die Amygdala in beiden Gehirnhälften fehlte. Diese Patientinnen empfanden keine Angst, mit einer Ausnahme: Wenn man ihnen Ersticken suggerierte, indem man sie Luft mit 35 % Kohlenstoffdioxid einatmenatmen ließ, empfanden sie Angst und hatten sogar Panikattacken. Die Patientinnen waren von diesem Angstgefühl überrascht, da sie es bisher noch nie so erlebt hatten (Feinstein et al., 2013).
Beispiel | In dem Film Free Solo wird das Gehirn von Alex Honnold in einem fMRT Experiment untersucht. Er liegt dabei in dem Magnetresonanztomographen, der die Aktivierung seines Gehirns während einer bestimmten Aufgabe zeigt. Die Aufgabe war, Bilder anzusehen, die bei Kontrollproband:innen eine starke Aktivierung der Amygdala erzeugen. Er sieht beispielsweise das Bild eines untergehenden Schiffes oder einer Hand mit einem großen Messer. Alex Honnolds Aufgabe ist es, eine Taste zu drücken, wenn er ein neues Bild sieht. Danach werden seine Gehirndaten ausgewertet. Die Wissenschaftlerin erklärt Alex Honnold, dass seine Amygdala während der Betrachtung der angstauslösenden Bilder fast keine Reaktion zeigte im Vergleich zu Kontrollproband:innen. Sie erklärt ihm, dass seine Amygdala funktioniert, aber eben eine sehr hohe Schwelle hat, bis sie reagiert.
Linktipp | Der Filmausschnitt aus dem Film Free Solo, in dem die Amygdala von Alex Honnold untersucht wird, findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=tDR9lMDPA30.
Emotionsauslösende Bilder werden unter anderem in der International Affective Picture System (IAPS), gesammelt: https://csea.phhp.ufl.edu/media.html.
Wie zeigt sich Angst im Blut?
Im Nebennierenmark wird → AdrenalinAdrenalin ausgeschüttet und stellt sofort die nötige Energie bereit, um auf eine Gefahr zu reagieren. Über das Blut erreicht es die verschiedenen Organe, die dann wieder reagieren. Das vegetative Nervensystem trägt zur Erregung bei, indem der SympathikusSympathikus aktiv wird, während der ParasympathikusParasympathikus dagegen gehemmt wird. Das heißt, der Körper wird auf höchste Leistungsbereitschaft hochgefahren. Das Herz steigert seine Tätigkeit, der PulsPuls und der Blutdruck steigen. Glukose wird freigesetzt zur Bereitstellung von Energie, mit der der Körper auf die Bedrohung reagieren kann. Die Tätigkeiten des Verdauungssystems werden gehemmt. Der Körper macht sich also insgesamt bereit für Angriff oder Flucht.
Spannend ist an dieser Stelle, dass allein → Adrenalin im Blut noch nicht bestimmt, dass man Angst empfindet. In einer berühmten Studie von Schachter und Singer (1962) wurde einer Gruppe von Proband:innen eine Substanz injiziert, die Adrenalin im Blut ansteigen ließ, während eine andere Gruppe Salzlösung als Placebo injiziert bekam. Allen Proband:innen wurde erzählt, dass sie ein Vitaminpräparat bekämen. Die Proband:innen der Adrenalin-Gruppe zeigten wenige Minuten nach der Injektion bereits Anzeichen einer Sympathikus-Aktivierung, gemessen über einen erhöhten PulsPuls. Einem Teil der Adrenalin-Gruppe wurde erzählt, dass ein Nebeneffekt der Vitaminspritze Erregungssymptome wie erhöhter Herzschlag sein können. Einem anderen Teil der Adrenalin-Gruppe wurde nichts erzählt. Nun kommt der spannende Teil des Experiments: Die Proband:innen wurden in einen angeblichen Warteraum mit einer anderen Person gebracht, die sich entweder fröhlich oder wütend verhielt. In der fröhlichen Bedingung fing die andere Person an, mit Papierkugeln zu werfen und Papierflieger zu basteln. Dabei ermunterte sie den Probanden mitzumachen. Schließlich tanzten sie sogar mit einem Hula-Hoop-Reifen. In der wütenden Bedingung dagegen beschwerte sich die andere Person darüber, dass sie sich eine Spritze geben lassen musste und fing widerwillig an, Fragebögen auszufüllen. Diese Fragebögen enthielten sehr persönliche und demütigende Fragen. Die Person regte sich zunehmend über die Fragen auf und wurde richtig wütend. Schließlich zerriss die Person sogar den Fragbogen und verließ wütend den Raum.
Nun zu der Reaktion der eigentlichen Proband:innen. Diese wurden durch einen Einwegspiegel beobachtet und später zu ihren Emotionen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Proband:innen der Adrenalin-Gruppe, die keine Erklärung hatten für ihre körperliche Erregung, sich von der Stimmung der anderen Person im Warteraum anstecken ließen. Waren sie mit einer fröhlichen Person zusammen, waren sie fröhlicher. Waren sie dagegen mit einer wütenden Person zusammen, waren sie wütender. Daraus entstand die Zwei-Faktoren-Theorie der EmotionZwei-Faktoren-Theorie der Emotion, wobei der erste Faktor das physiologische Erregungsniveau ist und der zweite Faktor die Interpretation dieser Erregung. Beide sind notwendig, damit eine Emotion entsteht. In der Studie kommt zwar keine Angstbedingung vor, aber man kann sich leicht vorstellen, dass eine sehr ängstliche Person im Warteraum die Proband:innen möglicherweise dazu veranlasst hätte, sich auch ängstlicher zu fühlen. Entscheidend ist, dass die Proband:innen keine Erklärung für ihr erhöhtes körperliches Erregungsniveau haben und nach einer Erklärung suchen. In der Studie finden sie eine Erklärung über das Verhalten der anderen Person im Warteraum (Schachter & Singer, 1962).
Die Studie steht jedoch stark in der Kritik, da sie zum einen nicht repliziert werden konnte, das heißt, es gab bisher keine weiteren Studien, die ähnliche Ergebnisse zeigten. Zum anderen sind die Ergebnisse aufgrund der geringen Stichprobengröße und weiterer methodischer Mängel nicht so belastbar, dass sie eine ganze Theorie der Emotion begründen können.
Was man jedoch aus der Studie mitnehmen kann, ist, dass ein erhöhtes physiologisches Erregungsniveau allein nicht ausreicht, um das Gefühl von Angst zu erzeugen. Die Studie zeigt ebenfalls, dass es Einflussmöglichkeiten auf die Interpretation des körperlichen Erregungsniveaus gibt. So ist eine Technik zur Bewältigung von Angst die, dass ein erhöhter Herzschlag oder schweißnasse Hände uminterpretiert werden als Zeichen, dass der eigene Körper optimal gewappnet ist für bevorstehende Herausforderungen. Dann kann man die Erregungsgefühle als hilfreiche Signale deuten statt als Signale von Angst.
Linktipp | Mehr zur Replizierbarkeit von Studien und speziell zur Studie von Schachter und Singer kann man im Replicability-Index-Blog nachlesen: https://replicationindex.com/2019/02/24/schachter-and-singer-1962-the-experiment-that-never-happened/.
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