Kitabı oku: «Im Moor und auf der Heide»

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Bruno P. Kremer, Bärbel OftringIm Moor und auf der Heide


Bruno P. Kremer, Bärbel Oftring

Im Moor und auf der Heide

Natur erleben – beobachten – verstehen


Bärbel Oftring ist Diplom-Biologin. Ihre Liebe zur Natur setzt sie heute als Autorin, Redakteurin und Herausgeberin von zahlreichen Sachbüchern für Kinder und Erwachsene sowie in verschiedenen Naturforscherprojekten in die Tat um. Ihre Bücher vermitteln auf anschauliche und interessante Weise, was es alles über Tiere und Pflanzen zu entdecken gibt. Sie wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt und mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Bruno P. Kremer studierte Biologie und Chemie. Nach jahrelanger Feld- und Laborforschung zu Problemen der biochemischen Grundlagen ökologischer Anpassung lehrt er am Institut für Biologie und ihre Didaktik der Universität zu Köln und befasst sich mit Themen der Umwelt- sowie Naturerlebnispädagogik. Er veröffentlichte zahlreiche erfolgreiche Natursachbücher, die in insgesamt 14 Sprachen übersetzt wurden.

1. Auflage 2013

Bibliografische Angaben der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-258-47777-0

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2013 by Haupt Berne

Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig.

Gestaltung und Satz: pooldesign.ch

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

www.naturerleben.net in Partnerschaft mit www.naturgucker.net

www.haupt.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorbereitung auf den Moor- und Heideausflug

Im Moor und auf der Heide

Eine Einleitung

Erlebnisräume Moor und Heide

Brücher, Moore, Sümpfe

Vielfältig und verschieden

Regenernährte Hochmoore

Landschaftsprägende Niedermoore

Eingetieft und abgeschlossen

Vom Moor zur Heide

Frühling

Einleitung Frühling

Geschichtete Geschichte

Winzige Landschaftsgestalter

Wenn Frösche blaumachen

Wie man in die Binsen gerät

Sternenpracht im Moortümpel

Ballett im Morgengrauen

Eine tagaktive Eule, gibt es das?

Limikolen in Moor und Heide

Kurzinformationen Frühling

Sommer

Einleitung Sommer

Wollgräser bestimmen das Bild

Paarungsrad und Tandemflug

Pflanzen auf Kleintierjagd

Schieberei im Untergrund

Bodenbrüter in Moor und Heide

Insekten in Moor und Heide

Kurzinformationen Sommer

Herbst

Einleitung Herbst

Wenn die Heide blüht

Versponnene Welt: Leben am seidenen Faden

Pollenanalyse: Ein Torfprofil als Zeitleiste

Atlantische Küstenheiden

Leckere Früchte aus Moor und Heide

Moorlichter und Irrgeister

Ein lebendes Moor besuchen

Kurzinformationen Herbst

Winter

Einleitung Winter

Palsen und Pingos

Kunstvolles aus klirrend kalten Kristallen

Verflechtungen von Moor und Heide

Leitgehölz der Heidelandschaft

Ein nasses Geschichtsbuch

Moorleichen: Haut ohne Knochen

Kurzinformationen Winter

Anhang

Fragen und Antworten

Zum Nachschlagen und Weiterlesen

Bildnachweis

Vorwort

Ob in Dichtung, Sage, Mythen, Liedern, Märchen oder Malerei – seit vorchristlicher Zeit war das Moor ein düsterer, abstoßender, menschenfeindlicher Ort. Schon der römische Schriftsteller Tacitus hob vor 2000 Jahren die Moore als kennzeichnende Landschaftsteile Germaniens neben den Wäldern hervor. Ganz anders die Heide, die niemals bedrohlich oder gar geheimnisvoll-bösartig, sondern insbesondere in Heimatfilmen sogar als ein heiter romantischer, gar lieblicher Ort empfunden wird. So unterschiedlich diese Wahrnehmungen auch sind, gelten die beiden Naturräume Moor und Heide heutzutage vor allem als Landschaften von hohem Reiz – für Wissenschaftler ebenso wie für interessierte Spaziergänger.

Diesen Reiz können Sie am besten spüren, wenn Sie ein Moor oder Heidegebiet besuchen und sich auf diese einzigartigen Lebensräume einlassen: So gegensätzlich das ständig feuchte Moor und die trocken-karge Heide auch sind, sie beide bieten Beobachtungs- und Erlebnismöglichkeiten der Spitzenklasse. Weil man Moor und Heide nicht täglich vor Augen hat, erscheint dort alles auf den ersten Blick hin einigermaßen gewöhnlich. Die Besonderheiten, die auffälligen wie die kleinen verborgenen Dinge, entdecken Sie durch aktive Wahrnehmung. Dabei möchte Ihnen dieses Buch helfen. Es spürt ungewöhnliche Sachverhalte auf, erklärt Ihnen Zusammenhänge, erzählt Geschichten und lädt zum Erkunden ein.

Und weil die Natur nichts Statisches ist, sondern das Resultat von Vernetzungen und gegenseitigen Abhängigkeiten, und weil das Erkunden ja auch Spaß machen soll, finden Sie überall Verweise auf andere, verwandte Themen im Buch sowie auf Geräusche, Filme und zusätzliche Bilder auf der Website www.naturerleben.net. Zahlreiche Heidevögel lassen sich leichter anhand ihrer Stimme als an ihrem Äußeren unterscheiden – prägen Sie sich die entsprechenden Tonspuren ein. Oder schauen Sie sich den Film über das Leben im Moorboden an. Wenn Sie eigene Beobachtungen oder Fotos mit anderen teilen möchten, können Sie dies dank unserer Partnerschaft mit www.naturgucker.net auch ganz einfach auf unserer Website tun.

Ab all dem Kreuz und Quer und Hin und Her zwischen Buchkapiteln und Website soll auch etwas hängen bleiben – mit den Quizfragen können Sie locker prüfen, wie viele Geheimnisse Sie schon gelüftet haben. Seit November 2011 gibt es noch eine weitere Dimension zu entdecken: Mit der iPhone-App zur Buchreihe können zum Beispiel die häufigsten Tier- und Pflanzenarten im Moor und auf der Heide bestimmt und das Auge und die Ohren durch die Beantwortung der Quizfragen für die Natur geschärft werden. Viel Spaß beim Beobachten, Entdecken und Erleben der Natur wünschen die Autorin, der Autor und Ihr Haupt Verlag!

Film

Tonspur

Fotos

Vorbereitung auf den Moor- und Heideausflug

Moor und Heide sind Lebensräume, die heutzutage bei uns fast verschwunden sind. Sie offenbaren ihre eher raue Schönheit und erstaunliche Vielfalt oft erst auf den zweiten Blick. Da gerade dort spezialisierte Arten vorkommen, die es sonst in keinem anderen Lebensraum gibt, versteht sich ein stets achtsamer und respektvoller Umgang mit den Pflanzen und Tieren von selbst. Schließlich sind Sie «nur» Gast in deren Lebensumfeld.

Tiere

Halten Sie sich von brütenden Vögeln fern. Scheuchen Sie keine Tiere auf. Lassen Sie Insekten, Spinnen und andere Bewohner von Moor und Heide, die Sie aus der Nähe betrachtet haben, dort wieder wohlbehalten frei, an der Sie sie aufgenommen haben.

Pflanzen

Um Pflanzen näher zu betrachten oder zu bestimmen, müssen Sie sie nicht ausreißen. Belassen Sie sie besser am Wuchsort, denn Pflanzen bieten Tieren Nahrung, Schutz, Unterschlupf, Brut- und Nistmöglichkeiten. Gerade in Moor und Heide kommen zahlreiche seltene Pflanzenarten vor, die unter Artenschutz stehen.

Abfälle

Bitte nehmen Sie Ihre Abfälle wieder mit und hinterlassen Sie diese nicht in der Natur. Flaschen, Dosen und anderer Müll wurden schon für viele Tiere zu tödlichen Fallen. Müll gehört in den Abfalleimer!

Hunde

Halten Sie sich unbedingt an die Leinenpflicht in Naturschutzgebieten: Ein einziger frei laufender Hund kann beispielsweise dazu führen, dass Kiebitze einen angestammten Brutplatz nicht mehr aufsuchen – fatal in unserer eh schon verarmten Natur, in der die Lebensräume für Pflanzen und Tiere immer kleiner werden. Auch darf Ihr Hund keine Tiere aufscheuchen oder Ruhe, Brut und Jungenaufzucht stören. Sind Jung- und Wildtiere in der Nähe, sollten Sie Ihren Hund stets an die Leine nehmen.

Ausrüstungsliste

Auch ohne besondere Ausrüstung können Sie im Moor und auf der Heide Pflanzen und Tieren erkunden und beobachten – aber mit ein paar Hilfsmitteln entdecken Sie einfach mehr. Dann kommt beim Erkunden der Natur erst richtig Freude auf!


das wichtigste Utensil: Fernglas
Kamera (evtl. wasserdicht)
evtl. MP3-Player zum Aufnehmen von Lauten
Hand- oder Becherlupe
Pflanzen- und Tierbestimmungsbücher
Notizbuch und Schreibzeug
Taschenmesser
wettertaugliche Kleidung, Schuhwerk und Sonnenschutz
Reiseapotheke mit Pflaster und Desinfektionsmittel (für kleine Malheurchen)
Zwischenmahlzeit und Getränk




Moor im Nebel

Erlebnisräume Moor und Heide

Selbst auf dem einigermaßen festen Weg gurgelt und schmatzt der Boden unter jedem Schritt und Tritt. Dichte Nebelschwaden umfassen die wie verkrüppelt aussehenden Moorbirken und -kiefern nur schemenhaft. Unwirsch fahren die weit ausladenden Äste der Kiefern dem einsamen Wanderer ins Gesicht, während ihre knorrigen Wurzeln heimtückisch nach seinen Füßen hangeln. Die kurzen, altersschwach geneigten Stämme der Weiden mit den vielen zurückfaulenden Astlöchern schneiden fürchterliche Grimassen. Was war das doch vorhin für ein seltsam knackendes Geräusch? Huschte nicht eben ein düsterer Schatten hinter ein Gebüsch? Woher kam gerade der lang gezogene Klagelaut?

«Birken be(ob)achten»

Wahrhaftig – das Moor liefert wirkungsvoll die perfekte Kulisse für ziemlich ungute Gefühle und Gänsehaut. Den meisten Menschen erscheint das Moor auch heute noch unheimlich, hierher geht man höchst unfreiwillig.

Stimmungsvolle Niederungsmoorlandschaft

Lebensraum mit Rufmord

Der schlechte Ruf von Mooren ist die späte Folge von Märchen und Mythen, die wir schon seit frühester Kindheit kennen. Auch viele literarische Darstellungen prägen unser Bild vom Moor – man denke da zum Beispiel an die unheimliche Szenerie, in der Sir Arthur Conan Doyles «Der Hund von Baskerville» durch die nächtliche Einsamkeit hechelt, oder an die gespenstischen Vorgänge in der finsteren Ballade «Der Knabe im Moor» von Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848): «O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehen», heißt es gleich in der ersten Zeile. Und in der letzten Zeile setzt sie sicherheitshalber gleich noch eins drauf: «O schaurig war’s in der Heide». – Von der Heide war zwar vorher nirgendwo in der Ballade die Rede, aber sicherheitshalber bekommt auch dieser Lebensraum einen Seitenhieb ab.

«Moorleichen: Haut ohne Knochen»

Die neue Wertschätzung

Allerdings gibt es – besonders in jüngerer Zeit – nicht nur negative literarische Einschätzungen von Moor und Heide. So schreibt beispielsweise Hermann Löns (1866–1914) über das Bissendorfer Moor – heute ein Naturschutzgebiet – : «Wer es [öde, traurig und verlassen] schimpft, der kennt es nicht. […] Im Frühherbst, wenn die Heide blüht, dann gewinnt dem Moor jeder Mensch Geschmack ab, und auch im Spätherbst, wenn das Birkenlaub goldgelb leuchtet, findet man es schön. […] Wen es aber gelüstet, aus dem Lärm der Stadt herauszukommen und einmal alleine zu sein, keine Menschen um sich zu sehen, die überall die Wälder füllen, der muss in das Moor hinauswallen.»

Lebensraum Moor

Zwischen tropfnass und staubtrocken

Moor und Heide nennt man oft (und auch in diesem Buch) in einem Atemzug, obwohl beide Lebensraumtypen, genauer betrachtet, nicht unbedingt ganz so eng zusammengehören und tatsächlich eher ein Gegensatzpaar bilden: Das Moor ist in seinem ökologischen Profil ein vom Wasser dominiertes Gelände, auf das zumeist auch die nicht allzu positiv besetzten Begriffe Morast und Sumpf passen. Eine Heide kann man dagegen durchaus zutreffend als Sonderfall eines Trockenbiotops auffassen.

«Vielfältig und verschieden»

Das legt eine saubere begriffliche Abgrenzung nahe, aber die gelingt nicht so ganz einfach. Sie wird unter anderem dadurch erschwert, dass beispielsweise sowohl auf der Heide als auch im Moor zahlreiche Vertreter der Heidekrautgewächse (Ericaceae) vorkommen. Mitunter liegen kleine Moore auch inmitten ausgedehnter Heidegebiete wie etwa im Fall der Dünentälchenmoore, die sich beispielsweise auf den Nordseeinseln in den Senken der verheideten Braundünenzüge verstecken. Umgekehrt können auch größere Moorflächen im Randbereich einen klaren Heidecharakter annehmen, und außerdem gibt es in der Vegetationskunde den – zugebenermaßen nicht besonders glücklich gewählten – Begriff der Heidemoore. Auf diesen Lebensraumtyp trifft man beispielsweise in der Wahner Heide, dem größten nordrhein-westfälischen Naturschutzgebiet, in das man unglücklicherweise den Großflughafen Köln-Bonn platziert hat.

Moore und Heiden sind, wie bereits gesagt, im Prinzip gänzlich gegensätzliche Lebensräume. Das zeigt sich klassischerweise in ihrer Entstehungsgeschichte: Moore sind natürlich gewachsene Lebensräume bzw. Lebensgemeinschaften. Sie sind gleichsam die letzten inselartig erhaltenen Reste eines in der Spät- und frühen Nacheiszeit weitflächig verbreiteten Pflanzenkleides unserer Landschaften. Heiden sind dagegen im typischen Fall erst unter der Hand des wirtschaftenden Menschen entstanden, der mit Beginn der Jungsteinzeit seine Existenzsicherung von der jagend-sammelnden Aneignungswirtschaft auf die ortsgebundene Pflanzen- und Tierproduktion umstellte und die ersten bäuerlichen Kulturen etablierte. Mit der vor ca. 7000 Jahren auch in Mitteleuropa einsetzenden neolithischen Revolution begannen die frühen Siedlerkulturen die Wälder zu roden und Freiflächen für den Nutzpflanzenanbau zu schaffen. In der Folge wurde in Gebieten mit Sandböden der Oberboden durch Auswaschung in kurzer Zeit immer nährstoffärmer und verhalf so nur wenigen anspruchslosen Spezialisten unter den Pflanzen zur Flächendominanz – es entstanden erste Heiden. Heidegebiete sind somit Dokumente der Wirtschaftslandschaft früherer Jahrhunderte. Dennoch sind sie nicht nur im Blühaspekt, sondern auch in biologisch-ökologischer Hinsicht ungemein faszinierend.

«Vom Moor zur Heide»


Hochmoorgelbling (Colias palaeno)

Heidelandschaft

«Wenn die Heide blüht»

Fragen


Was dokumentieren Heidelandschaften?
Welche Bedingungen führen zur Entstehung eines Moors?

Antworten

Blühende Sumpfwiese

Brücher, Moore, Sümpfe

Überall auf der Erde befinden sich Wasser und Festland in ständigem Konflikt miteinander. Die sichtbaren Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen sind die jeweiligen Landschaftsbilder. Schon das kleinste Rinnsal gräbt sich selbst eine Abflussrinne, der rauschende Bergbach legt mit der Zeit tiefe Täler an, und auch der breite behäbige Tieflandstrom modelliert immerfort an seinen Ufern herum. Noch eindrucksvoller zeigt sich das stetige Gerangel zwischen den bewegten und festen Elementen an den brandungsexponierten Meeresküsten. Gewöhnlich steht hier das Festland als eindeutiger Verlierer da.

Lebensraum Moor

Oftmals durchdringen sich Wasser und festländisches Lockermaterial gegenseitig und bilden dann Mischphasen, für die man im Alltag gerne die Bezeichnungen «Matsch», «Modder» oder «Morast» verwendet. Die fachwissenschaftliche Sicht der Bodenkundler, Geologen und Ökologen sieht es distanzierter: Sie weisen darauf hin, dass sich – zumal über wasserundurchlässigem Untergrund – Staunässe entwickelt. Zufließendes oder über die Niederschläge eintreffendes Wasser bleibt dadurch an Ort und Stelle. Es könnte allenfalls durch direkte Verdunstung seinen Weg zurück in die Atmosphäre antreten, aus der alles Oberflächen- und Grundwasser der Festländer letztlich stammt. Solche wassergesättigten Böden sind die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung der Feuchtgebiete vom Typ der Sümpfe und Moore, die weder richtige Gewässer noch eindeutige Festlandlebensräume darstellen, sondern irgendwo dazwischen einzuordnen sind.

Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica)

Moorauge

Sumpf und Moor – ein «grund»legender Unterschied

Was aber unterscheidet einen Sumpf von einem Moor? Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal betrifft das Schicksal der in einem solchen Lebensraum anfallenden abgestorbenen Pflanzensubstanz. In jedem Ökosystem fällt während und vor allem gegen Ende der Vegetationsperiode eine Menge organisches Material an. Besonders augenfällig ist dies im Laubwald: Kaum sind die Blätter im Frühjahr den schützenden Winterknospen entwachsen, rieseln kilogrammweise Knospenschuppen und wenig später die entbehrlichen Blüten(teile) auf den Waldboden. Geradezu dramatisch wächst das Abfalldepot am Waldboden im Herbst, wenn nach furiosem farblichem Finale der Laubfall einsetzt.

«Vielfältig und verschieden»

Im Unterschied zur menschlichen Wirtschaft kennt die Natur allerdings keinen dauerhaften Abfall. Normalerweise macht sich ein Heer von Zersetzern über die anfallende organische Totsubstanz her und führt die darin enthaltenen Bestandteile in den allgemeinen Stoffkreislauf zurück. Perfekter könnte ein vorbildliches Materialrecycling gar nicht beschaffen sein!

In einem Sumpf schwanken die Wasserstände im Jahresgang, und eventuell trocknet der Boden auch einmal ganz aus. Dann hat der Luftsauerstoff überall freien Zutritt zum abgelagerten organischen Material. In der Folge gelingt es den kleinen Bodenorganismen, die anfallende pflanzliche Totsubstanz in relativ kurzer Zeit – wie übrigens auch auf dem Laubwaldboden – vollständig abbauen. Sie häufen am oder im Sumpfboden daher nur eine dünne Humusschicht an, die aus (zunächst) nicht weiter abbaubaren Resten besteht.

In Sümpfen findet anders als in Mooren keine Torfbildung statt.

Anders verhält es sich im Moor: Hier ist die die Wassersättigung des Bodens im Gegesatz zum Sumpf lage- und/oder klimaabhängig ziemlich konstant. Wegen des dadurch bedingten mehr oder weniger dauerhaften Sauerstoffmangels kann kein vollständiger Abbau der anfallenden organischen Totsubstanz stattfinden – es kommt also allenfalls zur Vermoderung bzw. zur Vertorfung (vgl. S. 40 ff.). Torf und Torfanhäufung sind somit die wichtigsten Kennzeichen eines Moores und unterscheiden es grundlegend vom Sumpf.

«Das Moor im Garten begraben?»

Beobachtungstipp – Moorleichen en miniature

Im Torf bleiben die angehäuften Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss unter Umständen viele Jahrtausende lang erhalten. Ein kleines Torfpaket – gegebenenfalls sogar aus der Bodenfüllung eines Blumentopfes – kann daher ein überraschend ergiebiges Untersuchungsgut für die (Stereo-)Lupe oder das Mikroskop sein. Neben pflanzlichen Makroresten (Blattepidermen, Leitbündelbestandteile) lassen sich in den Proben häufig auch Pollen oder Sporen finden (vgl. S. 128 ff.).

Fragen


Was ist Torf?
Was passiert mit dem Pflanzenmaterial in einem Moor?

Antworten

Wasserhaushalt der Moore: 1 Niederschlag, 2 Verdunstung, 3 seitlicher Zufluss, 4 seitliche Durchströmung, 5 Durchströmung von unten, 6 etwaiger Abfluss, 7 Abfluss in den Randsumpf

Vielfältig und verschieden

Genauso wie man von Wald oder Wiese spricht und dabei klar vor Augen hat, dass es grundverschiedene Wald- bzw. Wiesentypen gibt, verbirgt sich auch hinter dem Begriff Moor eine erstaunliche Bandbreite verschiedener Erscheinungsformen. Diese Vielfalt zeigt sich bereits in den entsprechenden Fachbegriffen wie Hoch- und Niedermoor, Hangmoor, Heidemoor, Kesselmoor, Durchströmungsmoor und vielen anderen. Aber auch die Regionalsprache kennt mancherlei Unterschiede: Filz und Moos (Bayern) oder Moos und Ried (Baden-Württemberg) sind gewiss nicht dasselbe. In Schweden unterscheidet man säuberlich mosse und kärr, im angelsächsischen Raum bog und fen, in Frankreich marais und tourbière. In den Niederlanden existiert allerdings nur der eine Begriff veen. Im relativ moorarmen Italien spricht man ebenfalls einheitlich nur von palude. Eine solche Vielfalt der Bezeichnungen erfordert eine klare Ordnung.

«Eingetieft und abgeschlossen»

Die traditionelle Sicht

Eine einfache und für die Praxis überaus brauchbare Einteilung unterscheidet zwischen Nieder- und Hochmoor. Zugegebenermaßen wäre es verführerisch, die betreffenden Begriffsinhalte mit Niederungs- bzw. Höhenmoor zu umschreiben. Den entscheidenden Unterschied macht jedoch nicht die topografische Höhenlage im Tiefland bzw. im Gebirge aus, sondern die Art der Wasserzufuhr bzw. die Herkunft des Wasserüberschusses, weswegen man auch von einer hydrologischen Einteilung der Moortypen spricht.

Hochmoor

Ein Nieder- oder Flachmoor ist immer ein Grundwassermoor. Der jeweilige Moorstandort- bzw. -bildungsort erhält sein lebenserhaltendes Wasser aus dem Oberflächenabfluss und vor allem aus dem ganzjährig hoch anstehenden Grundwasser. Niedermoore sind somit generell grundwasserernährt – man nennt sie deswegen auch minerotroph. Sie entwickeln sich in feuchten Mulden und Senken, in Quellgebieten, in breiten Flussauen und vor allem in den Randbereichen von Seen. Der Begriff «Niedermoor» erklärt sich daraus, dass dieser Moortyp bevorzugt, aber nicht ausschließlich in der Niederungslandschaft (Tiefland) auftritt. Die Bezeichnung «Flachmoor» verweist dagegen auf die ebene Oberflächengestalt dieses Moortyps. Niedermoore können demnach auch durchaus im Gebirge vertreten sein. Gewöhnlich sind sie ziemlich nährstoffreich. Deswegen bezeichnet man sie im Unterschied zu den nährstoffarmen Hochmooren vielfach auch als Reichmoore.

«Landschaftsprägende Niedermoore»

«Regenernährte Hochmoore»

Nieder- oder Flachmoore sehen wegen ihrer unterschiedlichen landschaftlichen Einbindung und Entwicklung meist sehr verschieden aus. Man kann daher geradezu von einer Flachmoor-Typologie sprechen, wie sie auch in den Schemata der Abbildung unten auf dieser Seite zum Ausdruck kommt. Die ausgewählten Beispiele zeigen einige der wichtigsten Formen. Tatsächlich ist die Bandbreite an diesen besonderen Moortypen noch viel größer.


Schemata der verschiedenen Niedermoortypen

Beobachtungstipp – Unterschiede auf den ersten Blick


Niedermoor in Norddeutschland

Für den Naturfreund ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob er gerade vor einem topogenen Nieder- oder einem ombrogenen Hochmoor steht. Letzte Zweifel räumt der Blick auf die vorherrschende Pflanzenwelt aus. Ein Niedermoor zeichnet sich fast immer durch eine üppige, artenreiche Vegetation mit großblättrigen Gräsern und Kräutern aus. Auffallend sind hier beispielsweise die eindrucksvollen Horste der Steifen Segge (Carex elata). Häufig finden sich hier auch der Fieberklee (Menyanthes trifolata) oder sogar verschiedene Sträucher (Weiden der Gattung Salix).

Die Hochmoore zeigen dagegen eine eher spärliche und artenarme Vegetation, die hauptsächlich aus gelbgrünen, bräunlichen oder roten Torfmoosen (Gattung Sphagnum) besteht. Die wenigen hier wachsenden Zwergsträucher wie Rosmarinheide (Andromeda polifolia) oder Moosbeere (Oxycoccus palustris) sind ebenso klein- bzw. schmalblättrig wie die wenigen Vertreter der Riedgrasgewächse, darunter Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum) oder Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba).

«Winzige Landschaftsgestalter»

Wollgras

Die Moorlandschaften im deutschsprachigen Raum

Niedermoor in den Alpen

Regenernährte Hochmoore

In konstant niederschlagsreichen Gebieten konnte sich dagegen ein Moortyp entwickeln, der vom Grundwasserstand weitgehend oder sogar völlig unabhängig ist und nur vom Niederschlagswasser gespeist wird. Solche Moore bezeichnet man als ombrogen oder ombrotroph. Sie sind im Allgemeinen ziemlich nährstoffarm, weil Regenwasser von Natur aus kaum pflanzenverfügbare mineralische Nährstoffe wie Kalium-, Natrium-, Calcium-, Magnesium-Ionen enthält. Hoch- oder Regenmoore sind insofern überwiegend lagebedingt – sie konnten und können sich nur in zuverlässig regenreichen Gebieten entwickeln. Ihr Name erklärt sich aus ihrer eigenartigen Form: Die angesammelte, abgestorbene Pflanzensubstanz hebt die Mooroberkante deutlich über das ursprüngliche Geländeniveau hinaus. Die alsbald einsetzende Torfbildung riegelt den Moorkörper sogar vollends vom mineralischen Untergrund ab. Im Schnittbild erscheint ein solcher Moor- bzw. ein solcher Torfkörper daher deutlich gewölbt. Die Wölbung kann etliche Meter betragen. Je nach Grad der Oberflächenkrümmung unterscheiden Moorfachleute Planregenmoore (Küstenregionen Nordwestdeutschlands und der Niederlande) von den meist stärker aufgewölbten Plateauregenmooren (Mittelgebirge, Alpenvorland und Alpen) und den sehr betont kuppelförmigen Schildregenmooren (beispielsweise im südöstlichen Ostseeraum). Letztere nennt man in Skandinavien nach einem finnischen Wort auch Kermimoore. Hochmoore müssen auch nicht unbedingt über einem ebenen Untergrund wachsen. Als Kammmoor kann ein Hochmoor auch kappenförmig eine Bergkuppe überkleiden oder sich in einen Sattel einschmiegen. Ferner gibt es im Bergland kleinere ombrogene Hochmoore, die sich mit stark asymmetrischem Profil an einen Hang anlehnen. In solchen Fällen gibt es nicht selten fließende Übergänge zu den topo- bzw. soligenen Niedermooren, weswegen man sie auch als Übergangsmoore bezeichnet.

«Durch den Schornstein»

Beobachtungstipp – Moorgewässer

Auf unregelmäßig wachsenden Hochmooren oder an Stellen, wo bei etwas geringerer sommerlicher Wasserführung dennoch eine gewisse Torfzersetzung eintreten kann, entwickeln sich kleine, vielfach nahezu kreisrunde Moorseen, die man je nach Region Kolke, Mooraugen oder Blänken nennt. Hier liegt sozusagen der regenbedingte Grundwasserspiegel eines Moorkörpers frei. An den oft steilen Uferrändern eines solchen Moorgewässers findet meist keine Schwingrasenbildung statt. Kolke bzw. Mooraugen wachsen mit dem sich entwickelnden Moor- bzw. Torfkörper allmählich in die Höhe. Ihr Wasserspiegel liegt zuletzt etliche Meter über dem Randsumpf (Lagg), der ein gewölbtes Hochmoor im Idealfall ringförmig umgibt. Solche Moorgewässer sind – wenn man sie denn tatsächlich gut und biotopschonend erreichen kann – außerordentlich ergiebige Kleinlebensräume für die Untersuchung mit Lupe oder Mikroskop.

Moorauge

«Sternenpracht im Moortümpel»

Moore sind dynamisch

Die nach ihrem vorherrschenden Wasserregime unterschiedenen Moortypen Nieder- und Hochmoor stellen gleichsam nur die Eckpunkte einer breiten Palette von Möglichkeiten dar, wie und wo sich Moore entwickeln können. Allein in Mitteleuropa ist die Anzahl der regional unterscheidbaren Moortypen deutlich größer. Um diese Vielfalt in den Griff zu bekommen, verwendet man in der Vegetationskunde neben der Wasser- bzw. Nährstoffversorgung und anderen Einflussgrößen meist auch Merkmale der Entstehungs- bzw. Entwicklungsgeschichte oder die – für Nichtfachleute – in ihrer Begriffsvielfalt ziemlich unübersichtliche Gliederung nach pflanzensoziologischen Kriterien. Für die Zwecke dieses Buches ist sie völlig entbehrlich. Ein allgemein anerkanntes und verbindliches Einteilungsschema, das möglichst viele oder gar alle bisher beschriebenen Moortypen widerspruchsfrei darstellt, gibt es bislang ohnehin nicht. Die in der Grafik (S. 20) wiedergegebenen Möglichkeiten stellen insofern nur eine vereinfachende Übersicht dar.

Hochmoor


Aufbau eines Hochmoors (Schema)

Fragen


Wieso können Hochmoore im Hochgebirge nur unterhalb der aktuellen Waldgrenze existieren?
Was ist das Besondere eines Kondenswassermoors?

Antworten

Landschaftsprägende Niedermoore

In der Naturlandschaft Mitteleuropas stellen die verschiedenen Formen der grundwasserernährten Niedermoore die ausgedehntesten Moorkomplexe dar. Einst prägten sie das Bild ganzer Großlandschaften, vor allem im Alpenvorland und im breiten nordwesteuropäischen Tieflandgürtel. Derartige Moorlandschaften sind zum Glück immer noch bzw. zumindest in einigermaßen ansehnlichen Resten zu erleben. Je nach Entstehung und Wasserweg lassen sich bei den Niedermooren im Wesentlichen drei Haupttypen unterscheiden:


Verlandungsmoore gehen aus meist flachen Seen oder Weihern hervor.
Versumpfungsmoore entwickeln sich in oft abflusslosen Mulden oder Senken, in denen das Grundwasser über einem wassersperrenden Bodenhorizont oberflächennah ansteht. Ein Spezialfall dieses Niedermoortyps sind die Überflutungsmoore in den Flussauen.
Hangmoore entwickeln sich im Bereich von Quellaustritten und werden daher oft auch als Quellmoore geführt. Man kennt bei diesen Mooren solche, die das Grundwasser lediglich durchströmt (= Durchströmungsmoore), und andere, die zumindest zeitweilig auch überrieselt werden (= Überrieselungsmoore).


Verlandung eines nährstoffreichen (eutrophen) Sees