Kitabı oku: «Wo der Hund begraben liegt», sayfa 3
Sie waren auf Höhe von Carolas Zeile angekommen.
»Ich hoffe, ihr kriegt jetzt nettere Nachbarn, Carola. Muss weiter, Svenja kommt gleich noch rum.«
»Wenn sie das Haus überhaupt verkauft kriegen, vielleicht ist er ja sogar da drin umgebracht worden. Grüß Svenja von mir! Vielleicht können wir bald alle mal wieder tuppern, frag sie doch mal!«
Nicht so dringend, dachte Lea und winkte ihrer Nachbarin hinterher, als diese die Straße überquerte.
Leas Handy meldete sich mit Stand and Deliver von Adam and the Ants, als sie vor ihrer Haustür stand. Sie erkannte keine Nummer und war prompt genervt, denn auf Superneuigkeiten von ihrem Provider, exklusiv für sie, hatte sie rein gar keine Lust. Lea nahm das Gespräch entsprechend kurz angebunden an. »Storm.«
»Martin Glander. Hallo! Frau Storm, hätten Sie heute Abend Zeit für mich? Ich habe noch ein paar Fragen.«
»Herr Glander, hallo. Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie sind so ein Typ vom Callcenter, der mir auf die Nerven gehen will. Aber haben nicht Ihre Kollegen hier in Berlin den Fall übernommen?«
Scheiße, aufgeflogen!, dachte Glander, entgegnete jedoch mit fester Stimme: »Schon, aber die wollen ja trotzdem einen Bericht von mir. Und um den ordentlich abzuschließen, fehlen mir noch ein paar Details. Je eher ich die kläre, desto schneller habe ich den Papierkram vom Hals.« Glander verdrehte die Augen, das hatte sicherlich nicht sehr überzeugend geklungen. So dämlich hatte er sich wirklich noch nie angestellt.
Lea am anderen Ende der Leitung stand vor dem Spiegel in ihrem Flur und zog ebenfalls ein Gesicht. Der Balvenie würde wohl noch länger warten müssen.
»Klar, kann ich verstehen. Wann wollten Sie denn vorbeikommen?«
»Wäre Ihnen halb acht recht?«
»Ja, das ist okay. Essen Sie Steak?«
»Sie müssen sich keine Mühe machen, Frau Storm …«
»Herr Glander, ich esse heute Abend Steak und Salat, und zwar so gegen halb acht. Wenn Sie also um diese Zeit vorbeikommen, essen Sie ruhig mit, ich koche ohnehin immer noch zu viel, seitdem …« Lea ließ den Satz in der Luft hängen.
»Dann esse ich gerne mit Ihnen, Frau Storm. Bis um halb acht dann! Wiederhören.«
Das war erheblich besser ausgegangen, als er erwartet hatte. Glander schaute die beiden Malt-Flaschen vor sich auf dem Tisch an und grübelte über ein paar Fragen, die er Lea Storm stellen konnte, um seinen Besuch zu rechtfertigen.
Kurz nach fünf klingelte Svenja Ritter bei Lea. Die Disteln vor dem Küchenfenster leuchteten in einem kräftigen Blaulila. Lea hatte es wirklich schön hier am Ende der Straße mit dem Doppelhaus, dem großen Wintergarten, der sich an der Außenseite um das Haus zog, und der edlen Backsteinfassade. Ein wenig neidvoll schaute Leas Nachbarin auf das Pflaster vor dem Haus und hoffte, sie würden sich auf die Terrasse setzen. Dann würde Leas Standpauke wenigstens nicht so laut ausfallen, denn Svenja war sich sicher, dass sie dieses Mal eine zu hören bekommen würde. Aber mit irgendjemandem musste sie dringend reden, und Lea war eben in der Nähe. Sie sah die Silhouette ihrer Freundin auf die Haustür zukommen.
»Hi Svenja, komm rein!« Lea trug ein schlichtes schwarzes Etuikleid aus Leinen mit U-Boot-Ausschnitt, der einzige Schmuck war ihr silberner Ehering am linken Ringfinger.
Svenja musste einmal mehr Leas Stil anerkennen, er passte zu ihr. Sie selbst hatte dauernd etwas an sich auszusetzen. »Lea, du siehst toll aus! Hast du noch was vor heute?«
Lea schüttelte den Kopf. Es war so typisch für Svenja, dass sie das heutige Datum nicht im Kopf hatte. Der war immer randvoll mit ihren eigenen Problemen. Sei nicht so blöd!, schalt Lea sich dann, sie hat es ja auch nicht leicht. Der gehässigere Teil ihres Innenlebens warf jedoch ein, dass Svenja erwachsen war und ihre unglückliche Ehe jederzeit beenden konnte, sich aber wohl in ihrer Leidensrolle auch ganz gut gefiel. Lea ignorierte ihn. »Ja, ich bin für den Abend verabredet mit meinem Balvenie.«
Svenja schlug sich die Hand vor die Stirn. »Mensch, Lea, es tut mir leid! Heute ist der erste Todestag von Mark, und ich dumme Kuh hab das total verpeilt. Du, ich komm einfach morgen rum, okay?«
»Nee, lass mal, komm ruhig rein! Aber deine Gummibärchen musst du alleine essen, ich mach nachher noch Abendbrot.«
Svenja hatte immer Gummibärchen dabei, wenn sie über ein Problem sprechen wollte. Kein Fett.
Lea grinste ihre Freundin an, die an der Tüte herumnestelte. »Was hat dein Ritter denn jetzt wieder verbockt? Drinnen oder draußen?«
»Sind die Runen nebenan?«
Die Runen, Gudrun und Sigrun Lehmann, manchmal auch die Lehmann-Sisters genannt, da die eine Bankerin und die andere Maklerin war, konnten als angenehme Nachbarinnen bezeichnet werden, wenn man sich nicht an ihrer Nachlässigkeit störte. Sie arbeiteten beide viel und gerne und besaßen zwei Pferde, die in einem Brandenburger Stall untergebracht waren. Da sie die Tiere jeden Abend noch versorgten, waren sie selten vor zehn Uhr daheim. Dieses Hobby ließ ihnen offensichtlich wenig bis gar keine Zeit, sich um Haus und Garten zu kümmern. In der hinteren Gartenhälfte gab es eine alte Badewanne, die kaputte Töpfe und andere beschädigte Keramik beherbergte. Sie war umringt von verrottenden Holzbodenplanken, Kunststoffdeckenpaneelen und Stühlen, denen mindestens ein Bein oder die Rückenlehne fehlten. Der Blick aus den oberen Fenstern von Leas Haus auf diese Installation bot genug Kunstgenuss, und so hatte Lea bei der Neugestaltung ihres Garten eine dichte Hecke von Glanzmispeln gepflanzt, die jetzt stolze drei Meter Höhe maß und im Sommer von weißen Blüten durchzogen war.
»Nein, die sind sicher noch bei ihren Pferden, wir können ruhig auf die Terrasse.«
»Schön, das Wetter ist so toll.«
Auf der Terrasse stand eine Karaffe mit eisgekühltem Wasser, und obwohl Svenja lieber einen Sekt getrunken hätte, schenkte sie sich ein Glas ein. Früher hatte es bei Mark und Lea immer reichlich Wein und Crémant gegeben, aber Lea hatte für die Trauerfeier alle Flaschen aus dem Keller geholt, und die übriggebliebenen hatte sie den Gästen bei der Verabschiedung in die Hand gedrückt. Einige Freunde waren mit wirklich teuren Weinen heimgegangen, und Lea hatte seitdem keine neuen mehr gekauft. Bei ihr gab es nur noch Whisky, und den fand Svenja ganz scheußlich. Whisky war ja auch ein Männergetränk, aber was sollte man machen, das war eben Leas Macke.
Lea legte ihre gebräunten Beine auf den Hocker vor ihrem Stuhl und sah Svenja fragend an. »Also, was ist los?«
Svenja blickte auf ihre makellos gepflegten Hände, öffnete die Gummibärchentüte und nahm sich eine Handvoll heraus.
Es fällt ihr nicht leicht, dachte Lea, da muss der Vollpfosten sich ja unfassbar danebenbenommen haben.
Leise sagte Svenja: »René liest seit einem halben Jahr meine E-Mails.«
Lea nahm die Beine vom Hocker und setzte sich gerade hin.
Svenja sah ihre Freundin an und wandte dann den Blick ab.
Lea entgegnete leise: »Er macht was?«
»Er liest meine Mails. Scheiße! Seit einem halben Jahr. Gestern hat er sich verquatscht und was erwähnt, was er nur aus ’ner Mail wissen konnte. Und weißt du, was er gesagt hat, als ich ihn zur Rede gestellt habe?«
Svenjas Imitation ihres Mannes war normalerweise immer ein Anlass zu großer Heiterkeit, aber dieses Mal war Lea nicht zum Lachen zumute.
»Wenn du zu bescheuert bist, deinen Account zu sichern, lädst du mich ja förmlich dazu ein, deine Mails zu lesen. Dein Account ist jeden Abend geöffnet, dass ich dann auch mal reingucke, ist doch wohl klar.«
»Das hat er nicht gesagt!« Lea war sprachlos. Das schlug alles, was René sich bisher geleistet hatte. Sie war ehrlich empört.
»Doch, hat er. Dann hat er blöd gegrinst und wollte mich in den Arm nehmen und … na, du weißt schon. Eh, der spinnt doch wohl!«
»Svenja, mit ›spinnen‹ kann man das nicht abtun. Du weißt, ich hab mich mit Kommentaren über René immer zurückgehalten, aber damit geht er jetzt wirklich zu weit. Das kannst du ihm nicht durchgehen lassen! Das ist ekelhaft.« Sie zögerte und fragte ihre Freundin dann vorsichtig: »Hat er irgendwas gelesen, das er besser nicht hätte lesen sollen?«
Svenja hatte sich auf dem letzten Firmensommerfest ein bisschen betrunken und einen Flirt mit einem zehn Jahre jüngeren Kollegen aus der IT-Abteilung angefangen. Bis jetzt war nichts passiert, aber wie lange das noch so bleiben würde, wusste nur der Äther.
Svenja war sofort klar, was Lea meinte. »Nee, das läuft nur im Büro, ich bin ja nicht blöd! René ist doch so schon eifersüchtig genug, wenn der davon wüsste, würde er durchdrehen.«
»Svenja, du musst da echt was tun! Das ist so widerwärtig – wie der Typ in der vollen U-Bahn, der das Gedränge ausnutzt, um dich zu betatschen, und du kannst dich nicht wehren. Das geht gar nicht!«
»Ich weiß ja, aber was soll ich denn machen?«
Da war sie wieder, die ewig gleiche Frage nach jeder von Renés Missetaten. Lea fiel eine ganze Reihe möglicher Reaktionen ein, angefangen vom Kauf eines eigenen Laptops, der passwortgesichert war, endend mit einer ausgedehnten Psychotherapie für diesen selbstgefälligen Schwachmaten. Aber sie hatte keine Lust, dieses Thema weiter zu besprechen. Sie würde gute Ratschläge geben und sich Svenjas Gejammer noch eine weitere halbe Stunde anhören, während die Freundin die Gummibärchen aufaß. Dann würde Svenja gehen und rein gar nichts tun. Lea verstand sie nicht, und heute war sie es leid, so zu tun, als ob. Sie sah ihre Freundin an und sagte dann ruhig: »Svenja, es tut mir leid, aber ich kann das jetzt nicht länger mit dir bereden. Nicht heute. Wenn du meinen Rat willst: Verlass ihn! Der Typ ist einfach nicht gut für dich. Und nicht gut für irgendeine andere Frau. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Svenja schaute sie überrascht an und entgegnete dann mit einem recht beleidigten Unterton: »Du weißt, dass ich das nicht kann. Was soll ich denn machen? Wo soll ich hin? Wovon soll ich leben?«
Lea wurde ärgerlich. »Nee, Svenja, ich will das jetzt nicht länger diskutieren. Du kannst mehr arbeiten gehen und dein eigenes Geld verdienen, du musst dir so einen Dreck nicht bieten lassen. So einfach ist das. Und jetzt muss ich mich ums Abendessen kümmern.« Damit stand Lea auf und ging ins Haus.
Talisker lag in seiner Deckenecke. Er hob den Kopf und schaute ihr nach.
Svenja folgte ihr in die Küche und verabschiedete sich dann, konnte aber ihre Neugier nicht zügeln. »Es tut mir Leid, Lea, das war heute kein guter Tag, um dich mit so was vollzuquatschen. Was machst du denn heute noch?«
Bevor Lea ihr eine Antwort geben konnte, hatte Svenja die Uhrzeit auf der Küchenuhr gesehen und einen kleinen Schrei ausgestoßen. »Huch, schon so spät! Ich muss die blöden Happen noch machen und mich umziehen. Ich geh dann mal besser. Tschüs, Lea!« Die rupfte die Stiele des Rucola ab, den sie vorher gewaschen hatte, und drehte die Lautstärke ihrer Anlage höher.
5
Glander parkte seinen Audi A4 hinter einem BMW 3er Touring kurz vor Lea Storms Zeile. Er hatte sich für den BenRiach entschieden, einfach weil der Name für ihn außergewöhnlicher klang. Glander war nervös, und das war ein Gefühl, das er ganz und gar nicht mochte. Mann, er war über vierzig! Und obwohl er länger nichts mit einer Frau gehabt hatte, war er sich seiner Wirkung auf das weibliche Geschlecht sehr wohl bewusst.
Er hörte die Musik aus Lea Storms Küche schon am Anfang der kurzen Häuserzeile und schmunzelte beim Weitergehen. Für einen Moment blieb er stehen, um zu lauschen. Es war eine Live-Aufnahme, ein Mann sang sich die Seele aus dem Leib, begleitet von einer Gitarre: Glen Hansard. Glander erkannte den irischen Sänger und Songschreiber sofort. Dann hörte er die Stimme von Lea Storm. Sie sang das nächste Lied mit, das zu seinen Favoriten gehörte: White Trash Beautiful von Everlast. Die Frau sang gar nicht mal schlecht und war bemerkenswert textsicher.
Glander war nicht überrascht. Lea Storm, voller Name Penthesilea Storm, geborene Holtmann. Geburtsdatum: 9. Mai 1968. Eltern: Friederike Holtmann und Gordon Mackay, er gebürtiger Schotte mit einem Lehrstuhl für Geschichte an der FU, sie Psychologin mit eigener Praxis, beide 1981 bei einem Autounfall verstorben. Nach dem Tod der Eltern erhielt Leas Tante Patricia, die Schwester des Vaters, das Sorgerecht. Sie ging mit Lea ins schottische Stirling, wo sie an der Universität Englische Literatur lehrte und mit Lea die folgenden Jahre verbrachte. Lea Holtmann machte ihren Abschluss in den Sprachen Deutsch und Englisch im Jahr ’91 und schloss eine Ausbildung zur Simultandolmetscherin ab. Sie begann ihre Tätigkeit in London mit kleinen Aufträgen aus der Wirtschaft. Im Jahr ’92 hatte sie Mark Anthony Storm kennengelernt, einen Architekten aus Berlin, und war mit ihm in die deutsche Hauptstadt heimgekehrt, wo sie regelmäßig von verschiedenen Ministerien bei Besuchen ausländischer Delegationen eingesetzt wurde. Gelegentlich begleitete sie auch deutsche Gesandte nach Großbritannien. Geburt des Sohnes Duncan ein Jahr darauf, im September 1993, Heirat am 21. Dezember 1994, verwitwet am 18. Juli 2011. Seitdem nahm sie eine Auszeit. Ihre Eltern waren nicht verheiratet gewesen, was bei dieser Generation recht ungewöhnlich war. Vielleicht erklärte das, warum sie Glander nicht so wie die meisten anderen Frauen erschien, die er kennenlernte. Sie war das Kind freigeistiger Akademiker, zweisprachig und erfolgreich in ihrem Beruf, wie ihm die durchweg erstklassigen Referenzen verrieten. Glander war ein wenig unsicher geworden, als er ihre Vita heute Morgen auf dem Bildschirm gelesen hatte. Sie las Kafka, er den Kicker.
Er blickte durchs Küchenfenster und sah Lea Storm dabei zu, wie sie zu dem Lied durch die Küche tanzte und kurz ein Dressing abschmeckte. Wieder vor dem Fenster, hob sie den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Er hatte das Gefühl, als änderte sein Herz schlagartig den Takt, von Everlast auf Underworld, und dann lächelte sie ihn an. Purer Bob Marley!
Lea fragte sich, wie lange der Hauptkommissar wohl schon vor ihrem Küchenfenster stand. Ob er sie mitsingen gehört hatte? Sie wischte sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab und ging ihm die Tür öffnen. Talisker, der quer im Flur lag, spitzte die Ohren, ohne sich weiter zu rühren.
»Hallo, Herr Glander, kommen Sie rein! Ich bin noch in der Küche. Vorsicht, fallen Sie nicht über mein Mondkalb!«
»Guten Abend, Frau Storm! Ich … Hier, den hab ich Ihnen mitgebracht.« Grundgütiger, jeder fünfzehnjährige Pennäler war souveräner als er, dachte Glander, als er ihr den Whisky überreichte.
»Der BenRiach Horizons! Den wollte ich schon lange mal probieren. Was für eine großartige Idee! Ich danke Ihnen.«
Keine Höflichkeitsfloskeln wie »Das wäre doch nicht nötig gewesen!«. Das gefiel Glander. Er machte einen Schritt, einen sehr großen Schritt, über den Hund und folgte ihr in die Küche. Lea Storm schwenkte einen grünen Salat mit halbierten Kirschtomaten, es roch nach Gesottenem, und sein Magen knurrte hörbar.
»Verzeihung, ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen …«
»Na, dann passt das Timing ja prima, die Steaks müssten fertig sein.« Lea öffnete den Ofen und holte zwei Alufolienpakete heraus, die sie an der Seite einritzte und aus denen sie dann den austretenden Bratensaft in die Spüle tropfen ließ. »Es ist schade um den Saft, der geht sonst in eine Soße. Ich hab jetzt einfach angenommen, dass Sie Ihr Steak medium essen. Meins ist immer außen schwarz und innen komplett durch, ich kann kein Blut auf meinem Teller sehen.«
»Medium ist perfekt. Kann ich was helfen?«
»Sie könnten den Salat auf die Terrasse bringen – oder essen Sie lieber drinnen?« Sie blickte ihn fragend an.
»Nein, nein, draußen ist mir lieber, es ist ein viel zu schöner Abend, um drinnen zu bleiben.« Dabei fiel ihm durchaus etwas ein, das er gern mit ihr im Haus gemacht hätte, so, wie sie in ihrem kleinen Schwarzen vor ihm stand. Er spürte, wie er ein wenig rot wurde.
Lea Storm hatte sich glücklicherweise wieder den Steaks zugewandt. Ihm den Rücken zugekehrt, sagte sie: »Dann einfach durchs Wohnzimmer, die Tür ist offen, und der Tisch ist schon gedeckt.« Sie drehte sich wieder um. »Oje, ich habe gar kein Bier oder Wein im Haus, daran habe ich nicht gedacht!«
»Was trinken Sie denn? Da schließe ich mich einfach an.«
»Nur Wasser. Whisky ist mein einziges Laster.«
Glander nickte lächelnd. »Wasser zum Essen ist total in Ordnung, trinke ich oft.« Er nahm die Salatschüssel, stieg wieder über ihren Hund und ging hinaus auf die Terrasse.
Lea fluchte wie jedes Mal, wenn sie sich wieder an der heißen Alufolie die Finger verbrannte. Sie betrachtete das zweite, größere Stück Fleisch, das sie ganz automatisch gekauft hatte. Es war gut, heute nicht alleine zu essen. Sie freute sich über Glanders Gesellschaft, auch wenn er irgendwie komisch drauf war. Er hatte etwas sehr Angenehmes an sich, sie konnte es jedoch nicht so recht einordnen. Seine blauen Augen und die Fältchen in seinen Augenwinkeln gefielen ihr. Er war unrasiert, und auch das fand sie zu ihrer Verwunderung ungemein reizvoll. Es war lange her, dass sie solche Gedanken gehabt hatte.
»Up, Tally! Komm, mach mal Platz, Großer!« Sie nahm die beiden Teller und folgte Glander auf die Terrasse hinaus.
Er stand auf, als sie an den Tisch kam und die Teller abstellte, was sie mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm.
»Guten Appetit! Vorsicht, die Teller sind heiß!«
Das Fleisch war sehr gut, ganz leicht gewürzt und weich wie Butter. Den Salat verfeinerte ein Dressing aus süßem Senf und Himbeeressig.
»Das schmeckt hervorragend, Frau Storm!«
»Erlauben die Vorschriften, dass Sie Lea zu mir sagen?«
»Da ich eigentlich gar keinen Dienst habe, sehe ich kein Problem. Ich bin Martin.«
»Woher kommen Sie? Ich meine, ein bisschen Norddeutsch bei Ihnen rauszuhören.«
»Da hören Sie richtig. Meine Familie stammt aus Eckernförde. Mein Vater hat aber viel Zeit auf Montage in Berlin verbracht und die ganze Familie dann Anfang der Siebziger hierher verfrachtet. Die Sommer meiner Kindheit habe ich größtenteils bei meinen Großeltern an der Küste verbracht, dann bin ich irgendwann bei der Kripo in Berlin gelandet. Jetzt arbeite ich allerdings seit einem Jahr in Brandenburg.«
»Und? Wie finden Sie es dort?«
»Mir fehlt das Meer. Sonst finde ich nicht viel, ich arbeite.«
»Unternehmen Sie gar nichts?«
»Nicht sehr viel, ehrlich gesagt. Ich treibe ein bisschen Sport, und alle paar Wochen besuche ich meine Schwester und ihre Familie hier in Teltow, so wie jetzt gerade. Ich wohne eigentlich in Eberswalde. Da ist der Sitz des Brandenburger LKA.«
Glander wand sich innerlich. Was musste sie von ihm denken? Aber er hatte sein Privatleben nach der Sache mit Jessica tatsächlich ziemlich vernachlässigt und sich nach der Versetzung nur noch auf die Arbeit konzentriert.
»Von Berlin nach Eberswalde – das ist sicher eine Herausforderung. Wie sind Sie denn überhaupt dort gelandet?«
Sie grinste ihn an. Dabei kräuselte sich ihre Nasenwurzel, was Glander irgendwie rührend fand. Wie sich wohl ihre Haut anfühlte? Aber er sollte sich vielleicht lieber auf ihre Frage konzentrieren. Er hielt eine ehrliche Antwort für das Beste. »Mit Eberswalde wollte man mir einen Dämpfer verpassen. Ich hatte mich mit einem Kollegen geschlagen.«
Er machte eine kurze Pause, um vom Steak zu essen. Ihr fragender Blick war ihm nicht entgangen. »Es ist tatsächlich erheblich schöner dort, als ich dachte. Kloster Chorin, das Schiffshebewerk Niederfinow, im Norden die Schorfheide mit viel unberührter Natur, im Süden der Zoo … Ich habe aber viel zu wenig Zeit, die Stadt so richtig kennenzulernen. Immerhin habe ich den Kiosk meines Vertrauens gefunden, der mich morgens eine Querstraße weiter mit Kaffee und Brötchen versorgt.«
Sie schwiegen eine Weile, während sie aßen. Jede andere Frau hätte jetzt nachgebohrt, das wusste Glander, und er war beeindruckt von ihrer Zurückhaltung. Gleichzeitig hoffte er, dass das kein Zeichen von Desinteresse war. Talisker kam aus dem Wohnzimmer getrottet und ließ sich neben Glander fallen. Der guckte erst den Hund, dann Lea erstaunt an.
»Keine Sorge, der will nur dösen.« Lea lächelte.
»Hunde haben ein gutes Gespür für Menschen, wenn man es ihnen nicht abgewöhnt. Talisker ist eine Art Sympathie-Detektor. Sie müssen ein netter Mensch sein.«
»Der Todesstoß für jeden Mann: nett.«
»Nein, so meine ich das nicht, ich meine das ganz ehrlich. Dabei hab ich erst gedacht, Sie sind stoffelig. Wie ein Schläger kamen Sie mir allerdings nicht vor.«
Subtil nachgefasst, sie war also doch neugierig. Lea Storm gefiel ihm immer mehr. »Die Schlägerei war ein Aussetzer. Glauben Sie mir, mein Partner hatte es verdient! Meine Schwester sagt, ich sei ein Muffel, hält mir aber zugute, dass ich morgens nie schlecht gelaunt bin. Ich wache als Optimist auf, mit gespannter Vorfreude auf den Tag, und gehe dann achtzehn Stunden später als Muffel wieder ins Bett. Der Kripo-Zyklus.« Mit einem Seitenblick auf Talisker fügte er hinzu: »Aber ich fühle mich geehrt. Und bin sehr erleichtert, denn ich würde Ihrem Hund nicht gegenüberstehen wollen, wenn er mich nicht mag.«
Nachdem sie beide mit dem Essen fertig waren, half Glander Lea, das Geschirr in die Küche zu tragen. Wieder im Wohnzimmer, blieb er vor dem Sideboard stehen, das am Treppenvorsprung stand und auf dem rund zwanzig gerahmte Fotos aufgereiht waren. Alle zeigten Lea und ihren Mann, auf den meisten war noch ein Kind an ihrer Seite. Die Aufnahmen waren nicht in Berlin gemacht, sie zeigten verschiedene Sehenswürdigkeiten, einige erkannte er, andere nicht. Glander war fasziniert von den Bildern, sie waren nicht geordnet, und trotzdem wurde das Motiv des gemeinsamen Älterwerdens ganz deutlich. Wie das des Zusammen-Wachsens. Lea trat neben ihn.
»Das sind sehr schöne Fotos«, bemerkte Glander mit gedämpfter Stimme.
»Wir haben jedes Jahr im Sommerurlaub eines gemacht. Und wir sind ganz schön rumgekommen, wenn ich mir das so ansehe. Dieses Jahr bleibe ich zu Hause. Wie schon im letzten.«
»Es tut mir sehr leid, Lea.«
Glander kam sich vor wie ein Idiot. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich einfach so bei dieser Frau einzuladen? Ein Blinder mit Krückstock konnte erkennen, dass sie weit weg war von anderen Männern. Sie schien ihm sogar weit weg von anderen Menschen überhaupt. Wieder kam ihm der Gedanke, dass sie womöglich Valium oder ein ähnliches Mittel nahm.
Sie brach abrupt das Schweigen. »Kommen Sie, Herr Kommissar, begleiten Sie mich nach Speyside! Ich hatte eigentlich vor, die Flasche heute Abend alleine zu leeren, aber The Balvenie verdient Besseres.« Sie ging hinüber zu der Traube Flaschen, fischte eine mit der linken Hand heraus, nahm zwei Gläser in die rechte und winkte ihm zu, ihr wieder auf die Terrasse zu folgen.
In dem Reihenmittelhaus im Dürener Weg, nicht weit von Lea und Glander, strich der Mann einen weiteren Namen aus. Es lief wirklich gut, viel besser, als er es sich vorgestellt hatte. Der Mann lächelte zufrieden und legte die Liste zurück in den Schreibtisch. Er klappte seinen Laptop auf und schaute den dritten Teil von Berlin – Tag und Nacht vom Vorabend im Internet.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.