Kitabı oku: «Clash», sayfa 2

Yazı tipi:

„Kein Problem.“ Die Stimme des tollen Kerls war dunkel und rau, sodass ich sofort überall eine Gänsehaut bekam. Gott sei Dank trug ich eine Jacke. „Bitte, setzen Sie sich.“

Ja. Sitzen war gut. Es gab nicht allzu viele peinliche Dinge, die ich im Sitzen tun konnte. Im Stehen waren die Möglichkeiten unendlich.

Wir nahmen alle Platz und es ging sofort zur Sache. Micah sah den tätowierten Mann an und fragte: „Wo willst du anfangen?“

He-Man sah auf seinen vollgeschriebenen Block und legte los. „Okay, nun, ich habe Ihre Bewerbungsunterlagen gelesen, Miss Aldrich, und …“

„Oh, bitte sagen Sie doch Emily“, unterbrach ich ihn und der Mann lächelte höflich.

„Emily. Und …“

Und jetzt kommt es. Ich hatte diese komische Angewohnheit, wenn ich nervös war. Ich unterbrach die Leute. Heute war offensichtlich, und tragischerweise, keine Ausnahme.

„Tut mir leid“, sagte ich. „Ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen.“

Der Mann grinste noch breiter. Doch dann, sehr langsam, versiegte sein Lächeln. Er sah stirnrunzelnd zu Micah und ich fragte mich, was ich gesagt hatte, dass er so reagierte. Wow. Ich bekam Magenschmerzen. Und was war das? Ganz genau. Ich schwitzte. Großartig. Micah verengte den Blick, als er mich wieder ansah und mir wurde klar, dass ich das Ganze hier komplett verhunzte. Jeden Augenblick würde mein eigenes, eifriges Lächeln versiegen. Meine Hände lagen auf meinem Schoß und ich begann am Daumennagel zu zupfen und das Knie wippte auf und ab.

Was hatte ich nur getan? Die Stille brachte mich um.

Alle Augen lagen auf mir und das gefiel mir gar nicht. Ich war lieber unsichtbar. Mein ganzes Leben über war mir das leicht gefallen. Doch heute hatte ich nicht viel Glück dabei. Die Männer suchten etwas in meinem Gesicht. Der tätowierte Mann räusperte sich und sah mich weiterhin seltsam an.

„Ich muss mich entschuldigen, mein Name ist Noah.“

Das war ein hübscher Name und aus welchen Gründen auch immer lächelte ich ihn aufrichtig an und sagte ihm genau das. „Das ist ein hübscher Name.“

„Danke, Emily.“ Noah lächelte ebenfalls, das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen und bevor ich mich versah, lachte er. „Das ist nett von dir.“ Sein Gelächter hielt eine Weile an und ich wollte einfach nur, dass sich vor mir ein dunkles Loch auftat, in das ich mich verkriechen könnte. Noch nie war ein Bewerbungsgespräch so unangenehm gewesen, und das Schlimme daran war, dass es komplett meine eigene Schuld war. Ich verschwendete hier diese gesegnete Möglichkeit und obwohl ich äußerlich halbwegs entspannt aussah, starb ich innerlich tausend Tode. Ich musste das besser machen. Okay.

Noah lächelte auf seinen Block hinab. „Nun, Emily, ich sehe, du hast einen doppelten Abschluss.“

„Das stimmt“, sagte ich und rutschte auf dem Stuhl umher. „Ich habe einen Bachelor in Betriebswirtschaft und einen in Kreativem Schreiben.“

Noahs Zug um den Mund wurde weicher, bei dem Stolz in meinem Tonfall, und das veränderte sein gesamtes Gesicht. „Und was war dein berufliches Ziel?“

Verdammt. Das war der Moment, in dem die meisten Leute anfingen, mich auszulachen. Ach, es würde schon schiefgehen. Ich hob den Kopf. „Ursprünglich wollte ich Autorin werden.“ Da lag es nun auf dem Tisch, für alle sichtbar. Ich hielt inne, damit sie mit dem Gelächter beginnen konnten. Nur lachten sie nicht. Stattdessen schien Noah sich dafür genauer zu interessieren. Er hob die Augenbrauen.

„Wie schön. Liest du gern?“

Okay, das war gut. Damit konnte ich arbeiten. Ich durfte ihn nur nicht mit meiner Merkwürdigkeit in den Wahnsinn treiben. Meine Antwort war enthusiastisch, gelinde gesagt. „Ich liebe es, zu lesen.“ Darüber zu reden fiel mir leicht. Ich lehnte mich neugierig vor. „Du auch?“

Noah sah mich an und zog ganz kurz die Augenbrauen zusammen. „Absolut. Leider habe ich nicht mehr viel Zeit dafür.“

Ich stützte mein Kinn auf der Hand ab und strahlte. „Was liest du denn gern?“

Moment. Wer befragte hier denn wen?

Noah lehnte sich zurück und grinste dann. Sein Lächeln war so hübsch wie sein Name. „Hauptsächlich Autobiografien. Und du?“

Oh wie nett. Eine weitere Möglichkeit, ausgelacht zu werden. Aber ich musste einfach nur ich selbst sein. Noah machte nicht den Eindruck, als würde er über mich urteilen, obwohl er ein schöner Mensch war. Und ich wusste, wie falsch schöne Menschen sein konnten. Mein Lächeln versiegte etwas. „Science-Fiction, Fantasy und …“ Ich senkte den Blick. „Liebesromane“, gab ich zögerlich zu.

Aus einem mir nicht verständlichen Grund notierte sich Noah etwas auf dem Block und nickte. „Sehr schön.“ Er schrieb noch etwas und strich das eben Geschriebene wieder durch. „Okay, Emily. Ich stelle dir jetzt ein paar Fragen, schnell hintereinander.“ Er legte seinen netten Blick auf mich. „Nicht denken, einfach antworten, so schnell du kannst, okay? Wir fangen mit etwas Leichtem an.“ Ich nickte und er legte los. „Das Letzte, was du im Fernsehen gesehen hast?“

Das war leicht. „Alle lieben Lucy.“

Noah stieß ein Lachen durch die Nase aus und je mehr er das tat, desto weniger furchterregend wurde es. „Okay. Wie würdest du dein Erinnerungsvermögen einschätzen?“

Oh, oh. Auf welcher Skala? Eins bis zehn? Ich brauchte zu lange. Wie sollte man so was aber auch einschätzen? Mir fiel nur eins ein: „Elefantös.“

Micah verengte den Blick und sah mich absonderlich an. „Was soll das genau bedeuten?“

Noah antwortete für mich. „Ein Elefant vergisst nie etwas.“

Genau. Mein Mund öffnete sich leicht. Ich konnte es kaum glauben. Aber er verstand mich. Wie seltsam. Ich atmete aus. „Ganz genau.“

Dieser Noah-Typ wurde mit jeder Minute weniger gruselig. Und irgendwie mochte ich ihn dafür, dass er so verständnisvoll war. Es war nicht immer leicht, mir gegenüber verständnisvoll zu sein. Ich war ein seltsamer Mensch und das wusste ich auch. Ich versuchte wirklich, nicht so zu sein, aber wie kann man aufhören man selbst zu sein?

„Eine letzte Frage, okay?“

Ich biss mir auf die Lippe und nickte leicht. Ich begann, ihn echt zu mögen.

„Wie würdest du die Farbe Gelb einer blinden Person beschreiben?“

„Hm“, murmelte ich und runzelte die Stirn. Eine gute Frage. Ich brauchte ein klein wenig länger, sie zu beantworten. „Gelb ist so warm wie das Licht, dass an einem kalten Tag ins Zimmer scheint.“ Meine Schreibkurse kamen mir in den Sinn und ich holte tief Luft. „Gelb ist weich und froh und aufregend, ohne neugierig oder unausstehlich zu sein.“ Ich lächelte in mich hinein und sah auf meinen Schoß hinab. „Spaß fühlt sich gelb an.“

Als ich wieder hochsah, entglitt mir das Lächeln und mir blieb fast das Herz stehen. Beide sahen mich auf die gleiche Art an. Ich war nicht besonders gut darin, Körpersprache zu deuten, aber als sie sich ansahen, schrieb Noah etwas auf seinen Block und zeigte es Micah. Was immer Noah aufgeschrieben hatte, Micah schien damit einverstanden zu sein.

„Wie alt sind Sie, Emily?“, fragte er.

Verdammt. Er klang verwirrt. Warum klang er so verwirrt? Meine Antwort war vorsichtig und klang mehr wie eine Frage. „Im Juni werde ich vierundzwanzig …?“ Das Lächeln, das folgte, sah sicher schmerzhaft aus.

Micah sah auf meine Bewerbungsunterlagen. „Sie sind sich darüber im Klaren, dass Sie in diesem Job nicht oft zu Hause bei Ihrer Familie sein werden?“ Er suchte meinen Blick. „Ich muss wissen, ob das für Sie ein Problem darstellen würde.“

Das wusste ich nicht. Mein Magen zog sich zusammen. Ich musste die Ruhe bewahren, alles war gut, ich musste einfach nur weiteratmen. Also beinhaltete der Job viele Reisen. Hatte ich damit ein Problem? Ich meine, wirklich, was hielt mich hier noch? Ich beschloss, die Dinge anzunehmen, wie sie kamen. Ich würde das hinbekommen.

„Ja, das ist mir klar. Ich glaube, dass man sich erst daran gewöhnen müsste, aber ich habe nur meine Großmutter. Sie ist alt und kommt sehr bald in ein Pflegeheim.“

„Du wärst immer in unmittelbarer Nähe von vier erwachsenen Männern“, sagte Noah und wartete auf meine Reaktion.

Mein Herz schrumpelte zusammen. Auch das wusste ich natürlich nicht. Meine Reaktion war schwach und unsicher. „Okay.“

Er sprach weiter. „Sie sind laut und vulgär.“ Mein Magen machte Purzelbäume während er weitersprach. „Es wird Zeiten geben, da werden sie Frauen mitbringen. Privatsphäre gibt es so gut wie keine.“ Er sah mich genau an. „Es ist eine sehr stressige Arbeitsatmosphäre. Glaubst du, dass du das meistern kannst?“

Ich meisterte schon mein ganzes Leben. Mittlerweile ging es schon gar nicht mehr nur ums Meistern. Es ging darum, dass ich etwas tun musste. Aus meiner Komfortzone ausbrechen, weil es das Richtige war.

„Ganz ehrlich …“ Ich wusste nicht, warum ich das laut aussprach. „Etwas Gesellschaft zu haben wäre schön.“ Das Ganze rundete ich mit einem matten leisen Lachen ab. Ja. Ich war lächerlich. Noahs Gesichtsausdruck wurde weich. Oh nein, ich konnte Mitleid nicht ausstehen. Warum hatte ich das nur gesagt? Dumm, dumm, dumm.

Gott sei Dank räusperte sich Noah und wechselte das Thema. „Welche Art von Musik hörst du gern?“

Ich dachte an die Abende mit Nanna, ans Essen kochen, während der Schallplattenspieler lief. Einige meiner liebsten Erinnerungen beinhalteten den alten Plattenspieler und ich antwortete fröhlich: „Doris Day, Paul Anka, Nancy Sinatra.“ Ich gab einen zufriedenen Laut von mir. „ABBA.“ Micah sah mich an, als könnte das nicht mein Ernst sein. Ich wich seinem bohrenden Blick aus und schob mir die Brille hoch. Dann fing ich an zu erklären. „Wissen Sie, ich bin bei meiner Nanna aufgewachsen. Sie kommt aus einer anderen Generation und hat mich entsprechend erzogen.“

Noah lächelte, zog aber die Augenbrauen zusammen. „Was weißt du über Rockmusik.“

„Gar nichts“, gab ich offen zu und zuckte mit den Schultern. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Rockmusik.

Micah sah mich skeptisch an. „Wenn ich Ihnen also sagen würde, dass Sie die persönliche Assistentin von Left Turn …“

Oh wie cool, eine Position als Assistentin. Das war gar nicht schlimm. Mein Magen entspannte sich bei dieser Information. Das konnte ich. Meiner Nanna zu helfen, hatte mich zu einer Expertin im Assistieren gemacht. Das war perfekt. Ich blinzelte erst Micah und dann Noah an. Sie schienen von mir eine Aussage zu erwarten. „Das ist schön.“ Mehr konnte ich gar nicht sagen. „Ist die Band … neu?“, erkundigte ich mich zaghaft.

Mit dieser Frage erntete ich gleich zweimal einen ungläubigen Gesichtsausdruck.

Noah erstickte fast an einem Lachen. „Äh, nicht wirklich. Sie sind …“ Er dachte einen Augenblick nach. „Etabliert.“

„Cool“, war alles, was mir dazu einfiel. Ich nickte bestärkend.

Der hübsche, tätowierte Noah sah aus, als wollte er schon wieder loslachen, als er sagte: „Ich habe noch ein paar Fragen, dann sind wir fertig.“ Er setzte sich aufrecht hin. „Deine letzte Anstellung ist schon ein paar Jahre her. Was hast du neben dem Studieren in der Zwischenzeit noch gemacht?“

Die Frage traf einen Nerv, aber das war nicht seine Schuld. Ich brauchte einen Moment, bis ich antworten konnte. „Meine Nanna hat Demenz. Ich habe mich die ganze Zeit um sie gekümmert.“ Mehr konnte ich dazu nicht sagen.

Noah schien zu verstehen, denn sein Gesichtsausdruck wurde sanft. „Du würdest also sagen, dass du eine verantwortungsvolle und fürsorgliche Person bist?“

Ich neigte den Kopf etwas und verzog die Lippen, während ich darüber nachdachte. Das traf es perfekt. „Ja, das würde ich.“

„Und wenn es mit dieser Bewerbung nicht klappt, hast du dann einen Plan B?“, bohrte Noah nach.

Es fühlte sich an, als hätte ich einige Probleme in meinem Charakter. Ich war ein Routinemensch. Ich liebte nichts mehr, als ruhige Sonntagnachmittage, genau wie alle anderen introvertierten Menschen. Ich liebte es, zu lesen und zu schreiben. Gesellschaft zu haben war mir nicht besonders wichtig. Und letztlich war ich manchmal zu ehrlich. Genau wie jetzt gerade. „Ich habe keinen.“ Ich biss mir auf die Lippe, um nicht noch mehr von mir preiszugeben, was die Leute eindeutig nichts anging. Noah machte noch ein paar Notizen, während Micah mich neugierig betrachtete. Ich lächelte ihn an und er lächelte beinahe unsicher zurück. Dann blickte Noah kurz zu ihm.

„Ich glaube, wir haben alles, Emily“, sagte er.

Micah nickte. „Ja. Ich glaube auch, das ist alles, was wir wissen müssen.“

Oh nein. Hatte ich es versaut? Ich seufzte innerlich. Na dann.

„Vielen Dank noch mal“, sagte ich, warf mir den Rucksack über die Schulter und verließ den Raum. Im Warteraum sah ich mir die anderen Bewerber an und es versetzte mir einen Stich. Überall nur schöne Menschen. Nein. Ich würde diesen Job nicht kriegen. Und das war schon in Ordnung. Ich musste einfach versuchen, etwas anderes zu finden.

Ich rührte gerade meine kochenden Nudeln um, als das Handy klingelte. Unbekannter Anrufer. Ich zögerte. Normalerweise ging ich nicht dran, wenn ich die Nummer nicht kannte. Verflucht, ich ging normalerweise gar nicht ans Handy, aber es könnte das Krankenhaus sein, also nahm ich ab.

„Hallo?“

„Hallo, spreche ich mit Emily?“

Ich wischte mir die Hände an einem Küchenhandtuch trocken und legte mir das Handy richtig ans Ohr. „Ja? Wer ist da bitte?“

„Ich bin es, Noah, von dem Bewerbungsgespräch gestern.“

He-Man Noah!

„Oh, Hallo.“ Ich lächelte. Das war aber nett von ihm, mich persönlich über die Absage zu informieren, statt nie mehr etwas von sich hören zu lassen. „Wie geht es dir?“

„Gut, danke der Nachfrage.“ Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. „Ich rufe nur an, um dich etwas zu fragen.“

„Oh?“ Ich runzelte die Stirn. Ich dachte, wir hätten gestern alles Nötige besprochen. „Und das wäre?“

Noah machte eine kleine dramatische Pause. „Bist du bereit?“

Mein Herz machte keinen Satz, sondern stellte das Schlagen komplett ein. Ich ließ das Handtuch fallen.

„Wie bitte?“

Er klang leicht amüsiert. „Du hast den Job, Emily. Wenn du ihn willst, gehört er dir.“

Ich konnte es nicht glauben, lehnte mich an die Arbeitsplatte hinter mir und schluckte hart. Dann fragte ich langsam und ungläubig: „Sind die anderen Bewerber alle gestorben oder so was?“

Noah lachte. Laut und lange. „Äh, nein, sie leben noch.“ Sein Gelächter kam endlich zum Versiegen. „Wie ist deine Antwort, Emily?“

Was würde ich wohl sagen? War er verrückt geworden? „Ja“, wisperte ich. Ich legte die Hand vor den Mund und fing an zu lachen. Ich hob den Kopf und sah zur Decke, dann ließ ich die Hand sinken und stellte mich aufrecht hin. „Ja. Ich will den Job.“

Als Noah mir eröffnete, was ich verdienen würde, fiel ich fast in Ohnmacht. Ich erstickte beinahe an meiner eigenen Zunge und lachte leicht hysterisch auf. Oh Gott. Ich konnte endlich wieder frei atmen. Meine Geldsorgen waren vorüber. Ich würde Nanna fürchterlich vermissen, aber dieser Job war ein Segen.

Als Erstes rief ich im St. Judes an.

Kapitel 2
Suspicious Minds

Emily

Ich musste dreimal umsteigen und brauchte den ganzen Vormittag, um zu der Adresse gelangen, die Noah mir gegeben hatte. Mir taten die Füße weh, aber das war mir egal. Dennoch erinnerte mich das leichte Stechen beim Laufen daran, dass ich mir ein paar neue Turnschuhe kaufen müsste. Die hier waren alt und die Sohlen abgelaufen. Ehrlich gesagt, hätte ich mir längst neue gekauft, wenn ich das Geld gehabt hätte. Ich schätzte aber, dass das Leben eben so war.

Egal, wie sehr mir die Füße schmerzten, innerlich strahlte ich. Okay, vielleicht auch äußerlich. Ich konnte nicht anders. Irgendwie fing alles an, sich zu fügen und ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Es war aufregend, in Los Angeles zu sein. Ich hatte noch nie etwas in West Hollywood zu tun gehabt, aber hier war ich nun. Lief über den Strip. Es war wie im Film. Mit den Daumen unter den Rucksackgurten eingehakt bestaunte ich alles um mich herum. Leider hatte ich nur ein altes Handy. Ich wollte schon gern ein Smartphone haben, aber die waren so teuer, deswegen sah ich den Nutzen nie ein. Und wirklich, die kosteten ein Vermögen. Also standen mir keine digitalen Karten zur Verfügung. Aber ich hatte einen Stadtplan, den ich mir am Busbahnhof gekauft hatte, und der tat es auch.

Nach fünfzehn Minuten Fußmarsch war ich endlich am Ziel. Das Gebäude war sehr groß, hatte drei Stockwerke und als ich auf das hohe Tor zuging und den Knopf der Gegensprechanlage drückte, atmete ich tief durch, um mich zu sammeln.

„Ja?“

„Ähm …“ Aus irgendeinem Grund lehnte ich mich näher an das kleine schwarze Gerät. „Ich habe einen Termin bei Micah.“

„Emily?“

„Ja“, rief ich viel zu laut in die Gegensprechanlage.

Ich hätte schwören können, dass der Mensch am anderen Ende lachte.

„Ich lass dich rein. Drück richtig fest gegen das Tor, okay?“

Das Tor sah schwer aus. „Okay.“

Ich hörte die Entriegelung und drückte, so fest ich konnte. Das Tor bewegte sich kaum, aber nach einem kleinen Kampf damit schaffte ich es, mich durch die schmale Lücke zu quetschen, die ich aufgedrückt hatte. Als ich das Tor losließ, knallte es laut zu und ich machte einen erschrockenen Satz. Mit der Hand auf der Brust und dem Blick auf das Tor hatte ich die Person hinter mir nicht kommen hören.

„Hallo.“

Erneut machte ich einen Satz und mir entglitt ein überraschtes Quietschen, als ich mich umdrehte und Noah dort stehen sah. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und grinste mich an. Ich wurde knallrot und lächelte.

„Hallo.“

Er trug schwarze Jeans, weiße Turnschuhe und ein anthrazitfarbenes T-Shirt. Sein Grinsen wurde breiter und in seinen Wangen kamen Grübchen zum Vorschein. Er legte die Hand vor den Mund und hüstelte lachend.

„Ich wollte dich nicht erschrecken.“

Ich mochte Noah. Mit einem Biss auf die Lippe gab ich zögerlich zu: „Dazu braucht es nicht viel, befürchte ich.“

Sein kehliges Lachen zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht und als er eine Weile nichts sagte, blickte ich in seine braunen Augen und sah, dass er auch lächelte. Er atmete aus und fuhr mit der Hand über sein kurz geschorenes Haar.

„Bereit, dein Leben zu verkaufen?“

Klang er absichtlich so Unheil verkündend?

„Klar.“ Mein Magen verkrampfte sich und mein Lächeln erstarb ein wenig. „Wo muss ich hin?“

Als wir das Gebäude betraten, war ich verblüfft. Ich sah mich um. Die Einrichtung entsprach nicht dem, was ich erwartet hatte. Das war nicht einfach nur ein Gebäude. Es war ein Haus. Ein Zuhause. An den Wänden hingen gerahmte Fotos, doch bevor ich sie mir ansehen konnte, kam eine hübsche, hochschwangere Frau barfuß die Treppen herunter. Sie trug ein langes, weites Kleid und umfasste ihren Bauch.

„Oh. Mein. Gott.“ Sie sah zu Noah hinüber. „Ist das Emily?“

Noahs Blick lag weiterhin auf mir. „Das ist Emily.“

„Du lieber Gott.“ Die langen, glatten, blonden Haare gingen ihr bis zum Gesäß. Sie sah mich von oben bis unten an und lächelte breit. „Du bist ja absolut bezaubernd.“ Sie erreichte die unteren Stufen und Noah ging zu ihr, um ihr an der Hand herunterzuhelfen. Ihre blauen Augen strahlten. „Ist sie nicht hinreißend?“

Noah versuchte, nicht zu lachen. „Absolut.“

Warte, war das Noahs Ehefrau? Sie kam auf mich zu, hielt mir die Hände entgegen und ohne darüber nachzudenken, legte ich meine in ihre. Sie umschloss meine Hände und zog mich näher, wobei sie mich genau betrachtete. Ihre Stimme war leise, aber liebenswürdig.

„Du bist so winzig. Wie groß bist du?“

„Eins … sechzig“, stotterte ich. Es klang wie eine Frage.

„Diese Klamotten. Diese Brille. Oh, dieser Rucksack!“ Sie keuchte auf, bevor sie mich an ihre Seite zog. „Ich liebe sie. Darf ich sie behalten?“

„Amber.“ Noah sah die nette Dame tadelnd an. „Sie ist kein Haustier.“

Amber hielt mich noch fester. „Ich werde sie gut behandeln, Noah. Ich schwöre.“

Noah drückte sich mit Daumen und Zeigefinger gegen die Nasenwurzel, aber er grinste. „Herr im Himmel.“

In dem Augenblick kam Micah die Treppen herab. „Liebling“, sagte er vorsichtig. „Warum erwürgst du die arme Miss Emily?“

Oh. Amber war Micahs Frau. Alles klar.

Amber lockerte ihren Griff, aber nur geringfügig. „Ich behalte sie. Ihr müsst jemand anderes für die Jungs finden. Tut mir leid.“

Micah lächelte seine Frau an, als er näher kam. „Okay, Liebling. Ich glaube, das Baby muss sich jetzt ausruhen.“

Sie funkelte ihn an. „Dem Baby geht’s prima.“

„Und du musst Emily loslassen.“

„Ich will Emily aber nicht loslassen.“

Micah versuchte, mich von ihr loszueisen. „Lass Emily los, Liebling.“

Nach etwas Gezerre ließ sie mit einem Seufzen von mir ab. „Na gut.“ Sie sah mich an. „Wir sehen uns nachher, um den Job genauer zu besprechen, okay?“

„Okay“, sagte ich leise. Bei all meiner Unbeholfenheit gelang es mir, zurückzulächeln. Obwohl sie ein wenig eigenartig war, war Amber super herzlich und das berührte mich. Ich sehnte mich nach Zuneigung und mochte sie auf Anhieb. Ich hatte den Eindruck, man könnte viel Spaß mit ihr haben. Micah warf mir einen entschuldigenden Blick zu, als er seine Frau fort führte. Ich zeigte ihm mit meinem Blick, dass alles gut war. Dann sagte Noah die gruseligsten Worte, die ich jemals gehört hatte.

„Möchtest du die Jungs kennenlernen?“

„Die Jungs?“ Ich schluckte. „Die Band?“ Mein Mund war trocken und ich hatte Atemschwierigkeiten. „Sie sind hier?“ Oh nein. Mein Magen verknotete sich.

„Moment mal.“ Noah verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich fassungslos an. „Willst du mir etwa sagen, dass du keine Recherche betrieben hast, wer Left Turn ist?“

Mein Schulterzucken war schwach. „Ich wollte schon, aber …“ Ich gab zu viel preis. „Ich habe kein Internet.“

Noahs Augenbrauen hoben sich. „Du hast kein Internet?“ Er klang entrüstet.

Ich wusste, dass das eigenartig war in unserer Zeit. „Nein.“

Ich konnte mir kein Internet leisten. Das war der Grund, warum ich alle paar Tage in die Bibliothek ging, um meine E-Mails abzurufen. Manchmal, wenn ich wirklich verzweifelt war, was in letzter Zeit öfter vorkam, benutzte ich Jims Computer.

„Okay.“ Noah zog das Wort in die Länge. „Warum nicht jetzt. Ich denke, es ist wichtig, zu sehen, ob ihr harmoniert. Schließlich ist diese Tour ein großes Ding für die Jungs.“

Tour.

Hatte er gerade Tour gesagt? Mein Körper wurde ganz steif. Das Blut gefror mir in den Adern. Herrje, worauf hatte ich mich bloß eingelassen? Mein Herz pochte so sehr, dass ich mich fragte, ob Noah es aus meiner Brust springen sah. Oh nein. Oh nein. Oh nein. „Klar“, krächzte ich. „Ich würde mich sehr freuen, sie kennenzulernen.“

„Na, dann komm.“

Noah führte mich den langen Flur entlang und sowie ich die männlichen Stimmen hörte, verkrampfte ich mich innerlich.

„Was?“ Einer der Männer lachte. „Du willst mich wohl verarschen, Lee. Nie im Leben.“

„Wenn ich’s doch sage“, sagte ein anderer.

Ein Dritter schaltete sich ein. „Und dann? Sie hat ihren Verlobten einfach mit eingeladen?“

„Ich schwöre, ehrlich, Mann. Der Typ war total durchtrainiert. So sehr, dass ich fast schon schiss hatte abzulehnen. Was aber noch schlimmer ist …“ Er machte eine kleine Pause. „Mein Schwanz war irgendwie total begeistert davon.“

Oh mein Gott. Ich weitete die Augen. Das hätte ich wahrscheinlich nicht mit anhören sollen.

Noah trat in den Türrahmen und rief: „Yo. Benehmt euch. Eine Dame ist anwesend.“

Ich versteckte mich hinter Noah, beruhigte meinen Herzschlag und beleckte mir die Lippen. Noah ging hinein und ließ mich hier allein stehen. Mein Mund öffnete sich, aber nichts kam heraus. Stattdessen formte ich dümmlich mit den Lippen ein stummes Hallo. Noah betrachtete mich genau und um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. Als ob er genau sah, wie gern ich mich mit einem Fingerschnippen weggezaubert hätte.

„Das ist Emily. Ich hab euch von ihr erzählt.“ In seinen Worten lag Humor. „Sie ist schüchtern.“

Ich konnte den Puls an meinem Hals spüren und das Blut rauschte in meinen Ohren. Der Druck wurde immer stärker. Ich versuchte es noch mal, räusperte mich und betrat den Raum.

„Hallo“, sagte ich leise, dicht gefolgt von einem ungelenken, robotermäßigen Winken.

Der Mann, der am nächsten war, stand auf. Er war groß, schlank und hatte die Figur eines Schwimmers. Sein hellbraunes Haar war durcheinander. Ich sah, dass er sich nicht rasiert hatte. Seine sanften braunen Augen waren gütig und als er mir die Hand entgegenstreckte, wusste ich seine Bemühung zu schätzen.

„Hi, ich bin Lee.“

„Lee“, wiederholte ich mit einem dankbaren Lächeln. Wir schüttelten uns die Hände. Ich betete im Stillen, dass er nicht bemerkte, wie feucht meine Handfläche war. Ich war mir sicher, dass er es bemerkte. Er war nur zu höflich, um etwas zu sagen.

Ein anderer Mann stand auf und dieser war ziemlich muskulös. Das lange, aschblonde Haar trug er zu einem Man-Bun geknotet auf dem Kopf und mit dem langen Bart sah er aus wie ein Wikinger. Und weil ich so seltsam war, entschloss ich mich, ihm genau das zu sagen.

„Du siehst aus, wie ein Wikinger.“

Er grinste und seine grünen Augen strahlten. „Nett. Ich bin Helmer, aber du kannst mich Hell nennen. Das macht jeder.“

Mein Mund klappte auf und ich keuchte ein wenig. „Das passt aber gut, ich bin mir fast sicher, Helmer bedeutet tatsächlich Zorn des Kriegers.“

Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Ohne Scheiß?“

„Ohne …“ Meine Stimme wurde zu einem Wispern. „Scheiß.“ Fluchen war nicht damenhaft, das hatte mir meine Nanna jedenfalls so beigebracht.

Der Letzte in der Runde stand nicht auf, sondern nickte mir mit dem Kinn zu. „Was geht?“

Das war unhöflich. Die Art, wie er auf dem Sessel saß, sein Desinteresse und seine knappe Begrüßung sprachen Bände. Ihm war egal, wer ich war. Und das war für mich völlig in Ordnung. Unsichtbar zu sein fiel mir leicht. Aber er sah unheimlich gut aus und das machte seltsame Dinge mit meinem Magen. Er flatterte. Was sollte das denn? Der Mann trug schwarze, enge Jeans, ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt und man sah eine Fülle von Tattoos unter dem Halsausschnitt hervorschauen. Seine Turnschuhe gingen bis zu Knöcheln und waren ebenfalls schwarz. An der Seite der Jeans hing eine Stahlkette und am Mittelfinger der rechten Hand trug er einen silbernen Ring. Mit einem Totenschädel.

Was meine Aufmerksamkeit aber am meisten erregte, war der kleine Dolch, der auf dem rechten Wangenknochen tätowiert war. Schnell wurde mir bewusst, dass ich ihn anstarrte, und ich sank in mich zusammen. Ich wiederholte dümmlich sein „Was geht“, nur, dass es bei ihm vollkommen selbstbewusst klang, während meine Stimme bebte.

Noah trat dem Mann gegen das Schienbein und der Typ gab einen verdrießlichen Laut von sich. „Was sollte das denn?“

Noah sah ihn finster an. Der Mann schnalzte mit der Zunge und blickte dann zu mir. So richtig. Oh Gott, bitte nicht. Ich spürte einen Kloß im Magen. Als er sprach, klang es gezwungen.

„Ich bin Connor. Schön, dich kennenzulernen, Emily.“

So wie er meinen Namen aussprach, klang es, als wäre ich die Plage seiner Existenz.

„Gleichfalls“, murmelte ich so leise, wie es ging.

Es fühlte sich an, als würde jeden Moment eine unangenehme Stille entstehen, als Lee mich direkt ansprach. „Wie alt bist du, Emily?“

„Dreiundzwanzig.“

„Siehst aber aus wie zwölf“, sagte Connor und starrte mich demonstrativ von oben bis unten an.

Der Blick aus seinen hellbraunen Augen war übergriffig. Es war ehrlich gesagt nervenaufreibend. Ich mochte nicht, wie sich seine Lippen hoben, bis seine Zähne sichtbar waren. Ich hatte nichts gegen Zähne und seine waren gerade, weiß und perfekt.

„Tut mir leid“, sagte ich aus irgendeinem Grund.

Hell sah ihn vom Sofa aus finster an. „Nein, das tut es ihr nicht.“ Der liebe Wikinger drehte sich zu mir und sagte: „Das tut es dir nicht.“

Na prima. Ich merkte, wie meine Nerven zusammenschrumpften.

Lee lächelte sanft. „Bist du schon aufgeregt?“ Seine Frage verwirrte mich und sein Gesichtsausdruck verlor jegliche Emotionen. „Wegen der Tour?“

Oh, das. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ich sagte, was ich sagte. „Das wird sicher gut.“

Noah grinste.

Hell sah mich eine Sekunde an, bevor er den Kopf in den Nacken legte und herzhaft loslachte. Er lachte eine ganze Weile und es sah nicht so aus, als würde er irgendwann damit aufhören. Als sein Gelächter etwas sanfter wurde, sagte er: „Das wird sicher gut.“ Und dann legte er wieder los. „Ich glaube, ich mag dich, Emily.“

Noah, der Verräter, entschied sich, sie alle über meine Torheit aufzuklären. „Emily hat noch nie von Left Turn gehört.“

Die Ruhe, die im Raum entstand, war zäh und erstickend. Meine Brust tat mir weh und als sie mich weiterhin alle so ansahen, formte sich in meinem Hals ein Kloß. Ich sah sie der Reihe nach an. „Tut mir leid.“

Der Gemeine, Connor, starrte mich skeptisch an. Lee sprach zuerst und sagte leise: „Und es ergibt alles einen Sinn.“

„Das sagt nichts über euch aus, ehrlich. Ich … ich habe nur kein Radio und lese keine Klatschblätter, ich sehe noch nicht einmal viel fern“, beeilte ich mich zu sagen und kam ins Schwitzen. Und begann zu hyperventilieren. „Ich bin mir sicher, ihr seid großartig.“ Ich bekam eine Panikattacke. „Einfach großartig.“

„Das sind wir“, sagte Connor.

„Ach, mach dir keinen Kopf, kleines Vögelchen“, sagte Hell. „Alles gut.“

„Das ist irgendwie erfrischend, finde ich“, sagte Lee.

Okay? Sie waren also nicht wütend? Ich betrachtete mir jeden einzelnen. Okay. Sie waren nicht sauer. Mein Herzschlag beruhigte sich wieder. Was für eine Erleichterung. Ich versuchte, meine Atmung in den Griff zu bekommen, und als ich die silberne Schallplatte an der Wand sah, schob ich mir den Rucksack von den Schultern.

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