Kitabı oku: «Chronik von Eden», sayfa 7
Dann entdeckte er ein Straßenschild.
Perfekt!
Er wusste wieder, wo er war.
*
Das Gebiet rund um die Kirche schien tatsächlich eine zombiefreie Zone zu sein. Sandra fand den Lastwagen. Vorsichtig öffnete sie die hintere Plane. Keine Zombies, aber dafür jede Menge Kisten mit Aufschriften, die sie im Halbdunkel der Ladefläche nicht entziffern konnte. Und genug Platz für die Kinder. Sie lief um den Laster herum, riss mit vorgehaltener Waffe die Fahrertür auf.
Die Kabine war leer. Hoffentlich traf das nicht auch auf den Tank zu! Sie warf ihren Rucksack auf den Beifahrersitz, stieg ein, zog die Tür hinter sich zu und durchsuchte den Schlüsselbund.
Verdammt! Der Fahrer des Wagens musste in seiner Freizeit Schließer im Kölner Klingelpütz gewesen sein, so viele Schlüssel, wie der mit sich herumgetragen hatte. Dann fand sie den Richtigen. Schlüssel ins Schloss, umdrehen, warten … der Tank war noch zu drei Viertel voll. Mit einem Stoßgebet an den lieben Gott drehte sie den Schlüssel im Zündschloß ganz herum ...
Und nichts geschah!
*
Frank rannte eine schmale Gasse entlang. Wenn er an Einmündungen vorbeikam, sah er aus dem Augenwinkeln, dass sich die Zombies aufgeteilt hatten und die Straßen und Wege parallel zu seinem Weg benutzten.
Sie wurden schneller.
Und cleverer.
Und Frank verließen allmählich seine Kräfte. Er bog rechts in eine der Seitenstraßen ein, schlug an der nächsten Möglichkeit einen Haken nach links. Dann sah er sein Ziel.
Eine Tiefgarage mit Tankstelle.
Er mobilisierte seine letzten Reserven und sprintete auf das Gebäude zu.
*
Sandra suchte hektisch das Armaturenbrett ab. Hatte sie etwas übersehen? Tankanzeige voll, Dieselmotor vorgeglüht … Der Startknopf! Dieser LKW wurde per Startknopf gestartet! Sie presste ihren Finger auf den Knopf, der Motor röhrte stotternd auf und lief dann laut nagelnd rund. Sie beobachtete den Druckanzeiger für die Luftbremsen. Quälend langsam wanderte die Nadel in den grünen Bereich. Wo war hier das Schaltschema des Fahrzeugs? Mehr als fünf Gänge kannte sie nicht.
Keines zu sehen.
Egal, es würde auch so gehen. Auch ein LKW mit mehr Gängen als ein normaler Wagen würde dem typischen H-Schema für die Schaltung folgen. Sie trat die Kupplung, rammte den Schalthebel in die am weitesten links oben mögliche Stellung und ließ die Kupplung kommen.
Ruckelnd wie ein bockiges Kamel fuhr der LKW an.
*
Frank erreichte die Abfahrt der Tiefgarage. Schwer atmend blieb er vor den Zapfsäulen stehen. Super war wieder enorm teuer geworden. Typisch für einen Freitag. Zum Wochenende hin zogen die Spritpreise immer an.
Er schüttelte über seinen albernen Gedanken den Kopf. Er musste konzentriert bleiben, wenn er überleben wollte. Mit hektischen Fingern angelte er zwei der Handgranaten aus dem provisorischen Beutel an seiner Hüfte. Wie ging das doch gleich? Bügel an die Granate pressen, Splint abziehen und beten. Die erste Granate war relativ leicht scharf zu machen. Bei der Zweiten gestaltete sich das schon schwieriger. Den Bügel der einen fest umklammert, versuchte er mit dem Zeigefinger den Sicherungssplint der Zweiten abzuziehen. In Filmen sah das immer so leicht aus, wenn der Held die Splinte mit den Zähnen abzog. Im wahren Leben ein Ding der Unmöglichkeit, selbst wenn man noch im Besitz seiner eigenen, unverkronten Zähne war. Aus Sicherheitsgründen saßen die Stifte auch bei gedrücktem Sicherungshebel ziemlich fest, damit sie sich nicht unbeabsichtigt lösen konnten. Der zweite Splint fiel nach einiger Mühe mit einem leisen Klirren auf den Betonboden.
Stöhnen und Schritte hinter ihm.
Frank drehte sich um.
Sie kamen.
Wie er erwartet hatte, strömten sie aus beinahe allen Ecken auf ihn zu. Die Zombies liefen inzwischen so gut sie es mit ihren verrottenden Körpern noch vermochten, statt zu gehen. Seinen Freund Hausmeister Krause konnte er nirgends entdecken. Also hatte sich die Armee aufgelöst. Hoffentlich waren sie auch alle schön brav hinter ihm her.
Frank atmete tief durch, legte die Granaten auf zwei Zapfsäulen, griff sich die Dritte aus seinem Beutel, zog den Splint, warf sie den Zombies entgegen und rannte auf die einzige Straße zu, aus der keine Zombies kamen.
Mit einer Bremsung, die sie fast aus dem Sitz hob, brachte Sandra den Laster am Hauptportal der Kirche zum Stehen. Der Motor ruckelte protestierend. Sandra trat die Kupplung und gab ordentlich Gas. Stark stand schon am Portal mit den Kindern bereit. Er trug ein kleines Mädchen auf den Armen. Kaum stand der Laster, als er mit den Kindern im Schlepptau zur Ladefläche lief. Sandra kurbelte die Scheibe herunter.
»Sagen sie Bescheid, wenn alle drin sind«, rief sie über das Orgeln des Lasters und das Heulen der Sirenen hinweg. Im Seitenspiegel sah sie Stark, der zum Zeichen des Verstehens eine Hand hob.
Ein Düsenjäger schoss heulend über den Himmel.
Und irgendwo in der Nähe ballte sich die feurige Faust einer Explosion in den Himmel.
*
Frank lief.
Er lief, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war.
Die dritte Granate explodierte mitten in einer Gruppe Zombies, die versucht hatten, den Schlenker ihres vermeintlich sicheren Opfers mitzumachen. Gliedmaßen, halb geronnenes Blut, Knochen und Betonsplitter zischten wie bösartige Wespen auf einer gehörigen Portion Speed hinter ihm her. Ein Hut, wie er so klischeehaft typisch für deutsche Hausmeister war, segelte durch die Luft, aber das sah Frank nicht. Er duckte sich, holte noch mehr aus seinem erschöpften Körper heraus, als hinter ihm die beiden Granaten auf den Zapfsäulen explodierten.
Auf ihr ohrenbetäubendes Doppelknallen folgte ein nahezu lässig wirkendes FAWUUUP. Frank fühlte sich von einer glühenden Hand angeschoben, seine Füße verloren den Kontakt zum Boden und für einen verrückten Moment glaubte er, er könne fliegen. Glas klirrte, als die Druckwelle der ersten Explosion die Fensterscheiben der Häuser zerbersten ließ. Nur Sekundenbruchteile später folgte das nächste, beinahe sanfte Schnaufen, als auch die Tanks unter den Zapfsäulen explodierten. Frank geriet auf seinem Flug ins Trudeln. Er prallte gegen die Ecke einer Hauswand, änderte seine Flugrichtung wie eine Flipperkugel und landete auf hartem Kopfsteinpflaster. Der Schwung ließ ihn noch einige Meter weit rutschen, bevor ein Laternenpfahl ihn unsanft bremste.
Frank sah verschwommen eine Feuerwalze durch die Straße rollen. Ein Teil dieser feurigen Schlange zweigte sich vom Hauptkörper ab und raste auf ihn zu.
Alles versengende Hitze.
Dann Dunkelheit.
*
Sandra starrte durch die Windschutzscheibe auf den Rauchpilz. Tränen rannen ihr über die Wangen.
Frank.
Er hatte die Granaten benutzt, mit denen sie die Gänge in der zur Notstation umfunktionierten Schule gesichert hatte.
Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, dass sie ihn dort getroffen und so unwirsch behandelt hatte. Sie schämte sich für ihre Worte und ihr Verhalten ihm gegenüber, als sie noch drüben auf der anderen Rheinseite gewesen waren und den Schuhladen nach Rucksäcken durchsucht hatten. Ein Klopfen an die Rückwand der Fahrerkabine holte sie zurück.
»Alles klar da hinten?«, rief sie so laut sie konnte.
»Ja, alles klar. Kann losgehen«, hallte es dumpf zurück. Sandra wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Machs gut Frank, du unspontaner Dippel-Inch«, murmelte sie leise. Sie legte den ersten Gang ein und ließ die Kupplung kommen.
»Festhalten da hinten«, rief sie. »Könnte ein holpriger Ritt werden. Ich habe meinen Lappen nämlich erst vor Kurzem abgeben müssen.«
Sandra grinste über ihren eigenen Spruch.
Frank hätte ihn zu schätzen gewusst.
Kapitel X - Desinfizierung
Gabriel schritt durch die verwüsteten Straßen. Die Sirenen hatten ihr Heulen eingestellt. Stille hing über dem Ort des Infernos. Er war unzufrieden, obwohl er das Chaos und die Zerstörung genoss, die sich ihm darbot. Zwischen verkohlten und zerfetzten Leichenteilen, von denen manche noch zuckten und sich wanden wie Würmer, schritt er dahin. Welch eine Kraft, was für eine Zähigkeit der kleine Mensch doch an den Tag gelegt hatte! Gabriel entdeckte Tomasz, der mit dem Rücken an eine Hauswand gelehnt auf dem Boden saß. Seine Beine lagen seltsam verdreht auf dem Boden, sein Gesicht war eine rohe Masse aus versengtem Fleisch.
Sein General.
Die Kreatur, in die er so viel Hoffnung gesteckt hatte.
Eine einzige und allumfassende Enttäuschung.
Tomasz zuckte und wand sich, versuchte aufzustehen, aber selbst einem wie ihm war es unmöglich, mit einem derart beschädigten Körper weiterzumachen.
Gabriels Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Grimasse. Er schloss die Augen, griff mit seinem Geist nach dem Bewusstsein des Zombies, schenkte ihm die Gabe der Empfindung. Tomasz heulte auf, als das unbekannte Gefühl starker Schmerzen durch seinen wiederbelebten Körper raste. Gabriel öffnete die Augen. Er wandte sich von dem gefallenen Anführer seiner Armee ab und ging an ihm vorbei in eine schmale Gasse. Auf einen Fingerzeig hin fing der zerbrochene Körper von Tomasz Feuer. Die gellenden Schreie des brennenden Zombies waren Musik in seinen Ohren.
Dann entdeckte er den kleinen Menschen, der all das hier angerichtet, seine Armee besiegt, und die Reste in alle Winde zerstreut hatte. Gabriel ging auf den leblosen Körper zu. Der bunte Rennanzug hatte den Menschen vor dem Schlimmsten bewahrt, als das Inferno, das er selbst ausgelöst hatte, über ihn hinweggerollt war. Nur sein Gesicht wies schwerste Brandverletzungen auf, seine Haare waren bis auf die blasenübersäte Kopfhaut versengt.
Noch war Leben in ihm. Gabriel hörte das Raunen des wachen Bewusstseins, roch den Schmerz des Körpers.
Sollte er einen weiteren Versuch wagen?
Der hier war immerhin noch nicht tot, sein Gehirn noch funktionsfähig, sein Wille ungebrochen.
Nachdenklich betrachtete er den immer noch qualmenden Körper.
Dann traf er eine Entscheidung.
*
Je weiter sie kamen, umso sicherer wurde Sandra in der Handhabung des Lasters. Kleinere Hindernisse, zu denen auch vereinzelte Reanimierte gehörten, überfuhr oder rammte sie einfach, größeren wich sie mit teilweise haarsträubenden Manövern aus. Am Himmel flog schon wieder einer dieser Jäger vorbei.
Sahen die denn nicht, dass hier unten jemand um sein Leben kämpfte? Wollten sie diese Rheinseite jetzt etwa auch desinfizieren, wie Frank das genannt hatte?
Sandra riss den Laster in eine enge Kurve. Am Ende der Straße sah sie die Aachener Straße. Mühsam fing sie den Laster ab, der sich plötzlich unkontrolliert in seiner Federung aufschaukelte.
»Alles klar da hinten?«, rief sie so laut sie konnte.
»Bis jetzt ja«, drang Starks Bass dumpf durch die Rückwand. »Wenn du bitte nur das hektische Schaukeln ein wenig einschränken, und die Kurven ein wenig langsamer nehmen könntest?«
Sandra bremste ab und riss das Lenkrad herum. Der Laster neigte sich zur Seite, die Reifen auf der rechten Seite verloren für ein paar bange Sekundenbruchteile den Kontakt zum Asphalt, als sie auf die Aachener Straße Richtung stadtauswärts einbogen. Mit einem Krachen fiel er wieder in die Waagerechte, als Sandra erneut einlenkte, um das schwere Fahrzeug abzufangen.
»´tschuldigung«, rief sie nach hinten. »Kotztüten sind unter den Sitzbänken.«
Sie hatten Glück.
Soweit Sandra sehen konnte, war die Straße relativ frei von Autowracks und Hindernissen.
Mit einem breiten Grinsen gab sie Gas.
*
General Pascal Dupont stand mit dem Rücken zur Tür und blickte aus einem Zimmer, das einmal einem Musikprofessor gehört hatte. Draußen wurde es langsam dunkel und das schwache Licht einer Schreibtischlampe spiegelte sich in der Scheibe. Das Ticken eines Metronoms schnitt die Zeit in leicht verdauliche Häppchen. Es klopfte an der Tür. Dupont wandte sich um. Er stoppte mit einem Zeigefinger die Pendelbewegung des Metronoms.
»Herein.«
Die Tür öffnete sich. Ein junger Captain des letzten amerikanischen Kontingents der Einsatzstreitkräfte betrat den Raum und salutierte.
»Bericht.«
»Mon Général. Die Bomber befinden sich kurz vor dem Zielgebiet.«
Dupont nahm mit einem zufriedenen Nicken die französische Aussprache seines Ranges zur Kenntnis.
»Einheit sieben?«
»Wir haben noch keinen Kontakt herstellen können, mon Général.«
Dupont setzte sich an den Schreibtisch. Er faltete die Hände wie zum Gebet, stützte die Ellenbogen auf und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände. Sein Blick streifte eine Bibel. Er hatte sie aus Paris mitgebracht. Paris, wo Marie ... Er schloss die Augen und verdrängte ihr Bild aus seinen Gedanken.
»Mon Général?«
Dupont sah auf.
»Oui?«
»Darf ich offen sprechen?«
Dupont nickte.
»Unsere Aufklärer haben Bewegung im Zielgebiet ausgemacht. Es sind große Fahrzeuge, vermutlich ein Schulbus und einer unserer Laster auf den Straßen unterwegs, mon Général. Und sie haben eine größere Explosion ausgemacht.«
»Überlebende?«
»Sehr wahrscheinlich. Sie bewegen sich in Richtung stadtauswärts.«
Dupont lehnte sich zurück. Mit Daumen und Zeigefinger massierte er sich müde den Nasenrücken.
»Und der fünfte Engel stieß in die Posaune«, murmelte er. »Und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war, und es wurde ihm der Schlüssel zum Schlund des Abgrunds gegeben. Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden, und werden zu sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen.«
»Mon Général?«
Dupont blickte auf und starrte dem jungen Captain ins Gesicht. Der versuchte, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.
»Die Bibel, Soldat. Die Offenbarung des Johannes. Buch neun, die Verse eins und sechs. Sie sollten das Buch der Bücher aufmerksam studieren. Es erscheint mir in diesen Zeiten mehr als angebracht.«
Der Captain nickte. Unsicher darüber, was der General jetzt von ihm erwartete. Dupont senkte den Blick und starrte die Bibel an. Schließlich beugte er sich vor, nahm sie in beide Hände und murmelte nur ein Wort.
»Zündung.«
*
Hauptmann der Luftwaffe Jörg Weimer saß in seinem Eurofighter Typhoon und wartete auf Anweisungen des Oberkommandos. Er kreiste als Leader seiner Staffel über Köln. Vier weitere Staffeln zogen weiter nördlich und südlich über dem rechtsrheinischen Raum ihre Schleifen. Weimer verdrängte den Gedanken an das, was man ihm möglicherweise befehlen würde. Unter den Flügeln seines Mehrzweckkampfflugzeugs hing sogenannte Freifallmunition. Nach dem Abwurf fielen diese thermobaren Bomben relativ kontrolliert an Fallschirmen zu Boden. Dabei versprühten sie über dem Ground Zero einen Nebel aus einem hoch entzündlichen Aerosol. Sobald sie eine gewisse Höhe erreicht hatten, zündeten die Bomben. Der Rest war eine Hölle aus Flammen, Hitze und den durch das Vakuum der plötzlichen Verbrennung entstehenden Unterdruck.
Jörg Weimer war ein gebürtiger Kölner. Es brach ihm das Herz, dass er jetzt über seiner geliebten Heimatstadt kreisen und sie vielleicht sogar in Schutt und Asche legen musste. Er hoffte, der Einsatzbefehl würde nie kommen.
Eine törichte Hoffnung, denn anders konnten sie diese Kreaturen da unten nicht bekämpfen. Général Dupont wollte Köln als Brückenkopf sichern, um anschließend einen halbwegs sicheren Korridor zu ihrem Standort in Bonn zu schlagen. In diesem Korridor wollte er die militärische Hoheit erhalten, bis Nachschub oder neue Befehle eintreffen würden. Eigentlich eine gute Taktik, aber der Feind ging nicht militärisch vor, ja er war noch nicht einmal militärisch organisiert. Er schlug schlimmer zu als ein Guerilla, war hinterhältiger als ein schleichendes Gift, galt als beinahe unverletzbar … und seine Soldaten waren Legion.
Soweit Jörg wusste, waren sie zudem die letzten aktiven Einsatzkräfte in Deutschland. Ihre Kontakte zu den anderen Standorten waren nach und nach abgebrochen. Wie es im restlichen Europa oder sogar im Rest der Welt aussah, wollte er sich lieber nicht vorstellen. In der Truppe machte das Gerücht die Runde, dass die Zombies alle Standorte in Europa nach und nach überrannt hätten und sie wie eine endlose Armada auf der Suche nach den letzten Lebenden waren.
»Leader Phoenix, Leader Phoenix«, knisterte es aus dem Funk. Jörg zuckte zusammen. »Eagles Nest is calling … over.«
»On air«, meldete er sich zurück.
»Leader Phoenix … the order is the great gig in the sky … I repeat … the great gig in the sky … over«
Jörg biss die Zähne zusammen. Ein heißes Brennen stieg in seine Augen.
The great gig in the sky.
Das war der Einsatzbefehl.
Irgend so ein Witzbold von den Amis hatte wohl einen Clown gefrühstückt, als er den Einsatzcode nach einem Song von Pink Floyd benannt hatte. Jörg zögerte, ließ seine Maschine weiter kreisen. Sein Flügelmann Leutnant Peter Immenhoff sah aus seinem Cockpit zu ihm rüber, wahrte aber Funkstille. Er konnte sich denken, was in seinem Staffelführer vorging. Jörg schüttelte den Kopf, versuchte die Tränen in seinen Augen wegzublinzeln. Jetzt sollten sie Köln also endgültig in einen Vorort der Hölle verwandeln.
»Leader Phoenix … confirm the order …«
Confirm du doch den Befehl, du Arschloch, schoss es Jörg durch den Kopf. Ich möchte dich gerne erleben, wenn du den Befehl erhältst, dein kleines Nest in Asshole City Alabama auszuräuchern!
Jörgs Hände zitterten.
Peter wackelte fragend mit den Flügeln.
»Leader Phoenix … confirm the order … the great gig in the sky … over …«
Durch den Regen sah Jörg die Domspitzen, den Colonius, sah vor seinem geistigen Auge den Kölner Zoo, seine Schule, das Haus seiner Eltern …
»Leader Phoenix … last call … confirm the order … over …«
Jörg holte tief Luft und sammelte sich. Wenn er jetzt aus der Reihe tanzte, würden seine Staffelkollegen den Befehl erhalten, ihn sofort vom Himmel zu pusten.
»Eagles Nest«, meldete er sich mit belegter Stimme. »Here is Leader Phoenix … I confirm the order … the great gig in the sky … over and out.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er bei, zog seine Maschine über die Kölner Innenstadt. Sein Zielpunkt war der Kölner Dom. Als er die erste Bombe abwarf, weinte er.
*
Das Rheinenergie-Stadion flog an ihnen vorbei. Sandra konnte ihr Glück kaum fassen, dass die Aachener Straße während des großen Exodus so frei geblieben war. Nicht mehr weit, und sie würden in Weiden ankommen, aber ... Hatte Frank es wider besseren Wissens geschafft? Würde er es überhaupt bis dorthin schaffen?
»Du bist verrückt, wenn du das glaubst«, sagte sie zu sich selber. Ihre Stimme kam ihr merkwürdig fremd und belegt vor. Ja, das war nur ein schöner Traum, eine haltlose Hoffnung. Frank hatte sich geopfert. Und wenn sie jetzt am vereinbarten Treffpunkt auf ihn warten würde, brächte sie nur die Kinder in Gefahr, wegen denen er sich von ihnen getrennt hatte.
Heiße Tränen schossen Sandra in die Augen, die sie mit einer trotzigen Geste umgehend wegwischte. Dabei fiel ihr Blick zufällig in den Seitenspiegel.
Am Himmel hinter ihnen flogen mehrere Flugzeuge. Aus ihren Rümpfen fielen kleine, längliche Gegenstände, die an Fallschirmen zu Boden segelten.
»Ach du Scheiße!« Sandra trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. »Die werfen die nächsten Brandbomben ab«, schrie sie nach hinten. »Festhalten!«
Sie raste mit irrwitzigem Tempo die Straße am großen Einkaufscenter vorbei, rammte kleinere Hindernisse aus dem Weg und wich größeren so gut sie konnte aus. Immer wieder musste sie die Tränen in ihren Augen wegblinzeln und versuchte, nicht an Frank zu denken.
Dann zündeten die ersten Bomben.
Hinter ihnen verging Köln endgültig in einem biblischen Flammenmeer.
Kapitel XI - Die Pilger
Zeit spielte für Sandra keine Rolle mehr. Sie fuhr wie in Trance immer weiter und weiter, folgte der Straße und sah nicht nach hinten. Sehen und reagieren waren wie atmen. Instinktive Verhaltensweisen, über die sie nicht nachdenken musste. Der Regen hatte aufgehört, aber die Scheibenwischer des Lasters quietschten immer noch über die inzwischen trockene Windschutzscheibe. Kurz vor dem Ortseingangsschild Königsdorf ruckelte der Laster einmal heftig. Sandras Blick klärte sich, als sie ins Hier und Jetzt zurückkehrte.
Eine rote Warnleuchte blinkte auf dem Armaturenbrett. Das Kühlwasser. Erst jetzt spürte sie den Schweiß auf ihrem Körper, die Hitze in der Fahrerkabine. Erst jetzt roch sie den intensiven Brandgeruch, den der Wind über das Land trug. Sie fuhr den Laster nach links, runter von der Aachener Straße. Sie fuhr so weit wie möglich die Straße hinein und hielt mitten zwischen Äckern an.
Freie Sicht in alle Richtungen.
Das war gut.
Sie stellte den Motor ab. Dann starrte sie wie blind durch die Windschutzscheibe.
Wie lange sie da gesessen hatte, konnte sie nicht sagen. Sie tauchte erst aus ihrer Erstarrung auf, als die Fahrertür geöffnet wurde. Es war eine ungewohnte Kraftanstrengung, den Kopf zu drehen.
»Wir haben es geschafft, mein Kind.«
Stark sah ihr in die Augen. Seine Stimme klang fürsorglich.
»Die Kinder?«
Der Pfarrer trat ein Stück zur Seite. Da standen sie. Ein kleines Häufchen ausgezehrter Überlebender. Sie wirkten verloren, auf Hilfe angewiesen.
Ihre Hilfe.
Mit Beinen, die nicht ihr zu gehören schienen, stieg Sandra aus. Stark deutete in Richtung Autobahn.
»Ich habe da hinten etwas aufblitzen sehen, das wie das Blaulicht eines Polizeiwagens aussah«, sagte er. »Vielleicht finden wir da Hilfe.«
Sandra sah hin. Ja, da blitzte tatsächlich regelmäßig etwas auf. Aber es wurde allmählich dunkel. Nicht nur weil die Sonne unterging, sondern auch wegen der Rauchentwicklung über Köln.
»Das sollten wir uns erst morgen ansehen«, sagte sie. »Es wird dunkel und die Kinder sind bestimmt hungrig und durstig.«
Stark nickte.
»Richtig. Hier im Laster oder dort vorne? Da scheint ein Gehöft zu sein.«
Sandra sah die Kinder abschätzend an.
»Schafft ihr es bis dahin zu Fuß?«
Die Kinder nickten. Sandra wandte sich wieder an Stark.
»Was ist eigentlich in den Kisten da hinten drin?«
»Soweit ich sehen konnte, nur Munition.«
Sandra ging an das hintere Ende des Wagens und stieg auf die Ladefläche. Ja, es waren Munitionskisten. Aber der Aufschrift nach nur für automatische Waffen. Sie wollte gerade wieder aussteigen, als sie eine kleinere Kiste entdeckte. Sie öffnete sie und seufzte erleichtert auf. Es war eine Kiste mit eintausendfünfhundert Schuss 9 mm Parabellum. Passend für ihre P6. Neben den Schachteln mit den Patronen lagen noch zehn leere Ersatzmagazine und zwei Waffenpflegesets in der Kiste. Ein Schatz, den sie in ihrer derzeitigen Lage nicht erwartet hätte.
»Und?«, fragte Stark von der Laderampe aus. »Hast du was gefunden?«
»Ja. Helfen Sie mir bitte, Vater. Diese kleine Kiste ist sauschwer, aber ungeheuer wertvoll.«
Stark stieg auf die Ladefläche und runzelte die Stirn, als er den Inhalt der Kiste sah.
»Bist du sicher, dass du diese Munition verwenden kannst?«
Ein bitteres Lächeln tanzte um Sandras Mundwinkel.
»Sie kannten meinen Vater. Statt Mickey Mouse oder Donald Duck habe ich Waffen- und Militärmagazine lesen dürfen. Glauben Sie mir, wenn ich ihnen sage, das hier ist Gold wert.«
Stark schluckte, sagte aber nichts. Gemeinsam hoben sie die Kiste aus dem Wagen. Dann stieg Sandra wieder auf die Ladefläche. Sie suchte im Halbdunkel und fand schließlich ein sogenanntes Tactical Medi-Pack. Es war eines von denen, die sowohl beim Militär, als auch bei Outdoorfreaks Verwendung fanden. Sandra trug die schwarze Tasche nach draußen und durchsuchte sie. Reichlich Antibiotika in Autoinjektoren, Morphin, Verbandszeug.
»Wir müssen die Munition auf uns beide verteilen, Vater. Die Kids sehen nicht so aus, als könnten sie viel tragen. Ich werde die Reservemagazine aufmunitionieren und einstecken.«
»Du rechnest mit allem, richtig?«
Sandra sah auf. Stark zuckte unter ihrem Blick zusammen. Sie sah ihrem Vater plötzlich so ähnlich. Da war die gleiche Wut, die gleiche berechnende Kälte in ihren Augen.
»Vater, ich habe vor weniger als einer Stunde einen Menschen in den sicheren Tod gehen lassen, damit ich diese Kinder vor all dem Wahnsinn hier beschützen kann, den Ihr Boss da oben auf uns losgelassen hat.«
Sie öffnete eine Schachtel mit Patronen, und lud ohne hinzusehen das Erste der Reservemagazine. »Und ich werde sie beschützen. Koste es, was es wolle. Wenn das also bedeutet, dass ich töten muss, dann ist es eben so.«
»Ich meinte ja nur …«
»Was?«, fuhr ihm Sandra ins Wort. »Dass es für eine junge Frau unangemessen ist, die Führung über eine Gruppe Pilger zu übernehmen, die nach einem sicheren Ort suchen? Unangemessen für eine Frau, die ihren Körper für Erwachsenenfilme hergegeben hat? Eine Frau, die nicht einfach nur in Sünde lebte, sondern sie tagtäglich ausgelebt hat? Sind wir denn überhaupt Pilger, oh mein heiliger Vater, oder sind wir einfach nur Menschen, die versuchen zu überleben?«
Stark seufzte.
»Und wohin sollen wir gehen?«
»Nach Südwesten, Vater.«
»Warum das?«
»Weil da ein Fliegerhorst der Bundeswehr ist. Von irgendwoher müssen die Jagdbomber ja wohl gekommen sein, oder?«
Stark sah sie schweigend an. Dann nickte er. Sandras Argumente waren gut. Ja, sie waren Pilger in einer von Gott verlassenen Welt. Und sie waren Überlebende einer Katastrophe von unvorstellbaren Ausmaßen.
Er traf einen Entschluss.
»Die Kinder sollten erst etwas essen und trinken, bevor wir uns auf den Weg machen.«
Er wandte sich ab.
Sandra hatte sich soeben zur Anführerin einer Gruppe Überlebender in dieser Welt des Grauens gemacht.
Gut.
Wenn sie die weltliche Führung über die Überlebenden übernahm, dann würde er die geistliche übernehmen müssen.
Und ihr Weg würde zu seinem ganz persönlichen Jakobsweg werden, von dem er hoffte, auf ihm seinen Glauben an Gott wiederzufinden.