Kitabı oku: «Was ist Glaube?», sayfa 2

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|17| Exegese

Abgesehen von der punktuellen Belebung des Glaubensdiskurses in der ökumenischen Auseinandersetzung fällt auf, dass der Glaube trotz seiner Bedeutung v. a. bei Paulus auch in der neutestamentlichen Exegese ein Schattendasein führt. Neuere Veröffentlichungen zum Thema sind Mangelware – sieht man von einigen breit diskutierten Spezialfragen ab35; auch in Gesamtdarstellungen der paulinischen Theologie wird der Glaube meist als Nebenthema unter der Rubrik »Rechtfertigung« verhandelt.

Dabei gäbe es zu Rhetorik, Theologie und Sinngeschichte der pistis bei Paulus einiges zu sagen. Er war sich der inneren Beweglichkeit und des Schillerns des Begriffs bewusst und machte sie seiner Absicht zunutze. Wie im gegenwärtigen ist auch im antiken Sprachgebrauch der Ausdruck keineswegs so eindeutig, wie man es oft annimmt. Das Spektrum der pistis reicht von der Bedeutung »Treue« (Röm 3,3: »Treue Gottes«36; Gal 5,22) bis hin zur Verwendung im Sinne eines umfassenden Äquivalents für die christliche Bewegung (Gal 1,23). An weiteren Stellen liegt kein unmittelbar religiöser Sinn vor, wie in Röm 14,2.22 (»überzeugt sein«/»Überzeugung«) oder 1Kor 13,7 (die Liebe »glaubt alles«). Nennenswert sind auch die zahlreichen paulinischen Wendungen, in denen pistis (zumeist als Genitiv) begegnet und die seinen Leserinnen und Lesern schon viel Kopfzerbrechen bereitet haben: »Glaubensgehorsam« (Röm 1,5; 16,26), »Glaubensgesetz« (Röm 3,27), »Glaubensgerechtigkeit« (Röm 4,11), »Glaubensanalogie« (Röm 12,3), »Glaubenswort« (Röm 10,8), »Glaubensverkündigung« (Gal 3,2.5), »Geist des Glaubens« (2Kor 4,13), »Christusglaube« (Röm 3,22.26; Gal 2,16.20; 3,22; Phil 3,9) und »aus Glauben zu Glauben« (Röm 1,17). Von beträchtlicher kirchengeschichtlicher und systematisch-theologischer Relevanz sind, wie bereits angedeutet, die paulinischen Perspektiven auf den Ort des Glaubens im Menschen, auf Wesen und Weisen des Glaubens, auf sein Gegenüber, auf seine Konstitutionsbedingungen, auf seine Verhältnisbestimmungen zu Christus, zum Wort bzw. zur Verkündigung, zu Gesetz und Werken, zur Rechtfertigung.

Rudolf Bultmann spricht zu Recht von zwei verschiedenen Perspektiven, die man bei der Analyse des Glaubens beachten muss: »Es ist zu unterscheiden, ob man vom menschlichen Gesichtspunkt oder vom Gesichtspunkt des Glaubens über die pistis Aussagen macht. Vom Menschen her gesehen ist der |18| Glaube ein Akt des Willens, eine Entscheidung, die Annahme der Einladung Gottes. Vom Gesichtspunkt des Glaubens aus ist der Glaube ein Geschenk Gottes.«37 Wenngleich man sich mit seiner ausschließlichen Verortung des Glaubens im Bereich des Willens nicht zufriedengeben kann, so lenkt er die Aufmerksamkeit doch auf eine notwendige Unterscheidung. Je nach Perspektive kommt man zu voneinander abweichenden Aussagen.

Stellt man sich auf den anthropologischen Standpunkt, dann erscheint der Glaube als eine Erkenntnisweise oder Bewusstseinsprägung mit unterschiedlicher inhaltlicher Füllung. Adolf Schlatter formuliert in der Einleitung seiner Monographie: »Glaube ist ein inneres Geschehn« und kann als solches »vom übrigen seelischen Geschehen abgegrenzt und fixiert werden.«38 Die Frage, ob bzw. wie sich das Glaubensgeschehen von den (anderen) seelischen Vorgängen abhebt oder ob es in (einem von) ihnen aufgeht, wird verschieden beantwortet.

Wie schon ihr Aufbau nahelegt, überprüft die vorliegende Studie anhand der Paulustexte folgende Aussage: »Der anthropologische Ort des Glaubens kann also nicht in einem der Seelenvermögen, sondern nur in deren Gesamtzusammenhang gesucht werden. D. h., als anthropologischer Ort des Glaubens kommt nur die Dreiheit von Gefühl, Vernunft und Wille in ihrer gegenseitigen Durchdringung und in der damit gegebenen (zirkulären) Einheit in Frage.«39 Die Gefahr dieses Zugangs liegt freilich in einer psychologisierenden, intellektualisierenden oder voluntativen Engführung des Glaubensbegriffes – also darin, dass es zu einem anthropologischen »Missverständnis« kommt.40 Davor warnt auch Gerhard Ebeling, wenn er feststellt: »Der Glaube betrifft viel radikaler den Menschen, als dass er, wie man es bei jener schlechten Psychologisierung des Glaubens meint, seinen Ort hätte in irgendwelchen partiellen und sekundären Schichten seines Wesens, in irgendwelchen Fähigkeiten des Menschen wie Erkenntnisvermögen oder Wille oder Gefühl.«41

Diesem Missverständnis kann man begegnen, indem man den Glauben vom »Standpunkt des Glaubens« und damit vom Christusgeschehen her denkt. Aus einer solchen Betrachtungsweise sind dezidiert theologische Aussagen zu erwarten wie: »Der Glaube hat keine Geschichte, wohl aber bestimmt er Geschichte.«42 |19| Oder in den drastischen Worten Johann Georg Hamanns: »Glaube ist nicht jedermanns Ding, und auch nicht communicable wie eine Ware, sondern das Himmelreich und die Hölle in uns.«43 Dieser Ansatz birgt die Gefahr, den Glauben der Wirklichkeit und der Welt zu entheben und ihn abzukoppeln von erkenntnistheoretischen, hermeneutischen oder humanwissenschaftlichen Annäherungen. Das Gespräch über den Glauben wird so zum Binnendiskurs aus der Theologie für die Theologie und geht Gesprächspartnern aus anderen Diskursen verlustig.

Es kann nicht sinnvoll sein, die Betrachtung des Glaubens auf einen der beiden Standpunkte zu reduzieren. Der Glaube ist eine anthropologische Kategorie, geht in dieser Bestimmung aber keineswegs auf. Er ist nicht jenseits von allgemein-menschlichen Konstanten zu beschreiben, aber zugleich markiert er einen qualitativen Sprung, der wie im Fall des Paulus zu einer »rigorosen Umwertung aller bisherigen Werte und Ideale (Phil 3,7–11)« führen kann.44 Es wird sich zeigen, dass auch Paulus in seiner Rede vom Glauben immer zugleich vom Menschen und von Gott her denkt.

Bultmanns existentiale Interpretation richtet sich ganz auf das gläubige Subjekt und räumt der Welt- und Heilsgeschichte lediglich eine Randstellung ein: »Die entscheidende Geschichte ist nicht die Weltgeschichte, die Geschichte Israels und der anderen Völker, sondern die Geschichte, die jeder Einzelne selbst erfährt.«45 Damit ist aber, was die pistis angeht, »eine radikale Individualisierung gesetzt: Die Botschaft trifft den Einzelnen und isoliert ihn.« »Der Glaube führt in die Vereinzelung.«46 Diese Linie kann bis in die autobiographischen »Bekenntnisse« Augustins zurückverfolgt werden, welcher Gott preist für »meinen Glauben, den du mir gegeben hast«.47 Im Gegensatz dazu stehen beispielsweise die Erwägungen Karl Barths zum Individualismus eines solchen »Ich-Glaubens.« Er kritisiert, »dass der Christ in den letzten Jahrhunderten (auf dem weiten Weg vom alten Pietismus bis hin zu dem an Kierkegaard sich inspirierenden theologischen Existentialismus der Gegenwart) begonnen hat, sich selbst in einer Weise ernst zu nehmen, die dem Ernst des Christentums durchaus nicht angemessen ist«.48 Schon früh zeichnete sich der Dissens zwischen Bultmann und Barth in dieser Frage ab. In seinem Römerbriefkommentar schreibt Barth: »Nirgends ist er [sc. der |20| Glaube] identisch mit der historischen und psychologischen Anschaulichkeit des religiösen Erlebnisses. Nirgends reiht er sich ein in die kontinuierliche Entwicklung menschlichen Seins, Habens und Tuns.«49 Bultmann entgegnet, dass Barth die Paradoxie des Glaubens überspanne: »Ist der Glaube, wenn er von jedem seelischen Vorgang geschieden, wenn er jenseits des Bewusstseins ist, überhaupt noch etwas Wirkliches? Ist nicht das ganze Reden von diesem Glauben eine Spekulation, und zwar eine absurde? Was soll das Reden von meinem ›Ich‹, das nie mein Ich ist? Was soll dieser Glaube, von dem ich höchstens glauben kann, dass ich ihn habe?«50

Ein erster exegetischer Ansatz, diesen scheinbar unvereinbaren Positionen zu begegnen, liegt darin, den Blick auf einige sprachliche Besonderheiten in Paulus’ Rede vom Glauben zu lenken. Ernst Lohmeyer stellt zu Recht fest, dass »ein merkwürdiger Sprachgebrauch […] die paulinischen Gedanken über den Glauben« kennzeichnet.51 Zunächst sticht die Dominanz des Substantivs »Glaube« gegenüber dem Verb »glauben« heraus. Sodann fällt auf, dass das Nomen »Glaube« meist absolut bzw. in Verbindung mit »Christus« steht und recht selten mit Possessivpronomen erscheint: »sein Glaube« findet sich nur in Bezug auf Abraham (Röm 4,5.12.16), einmal äußert Paulus den Wunsch, »in eurer Mitte gemeinsam mit euch ermutigt zu werden durch unseren gemeinsamen Glauben, den euren wie den meinen« (Röm 1,12), und an einer weiteren Stelle erwähnt er den Glauben, den Philemon hat (»dein Glaube«, Phlm 5–6); häufiger verweist Paulus auf »unseren Glauben«. Was das Verb angeht, sagt Paulus an keiner Stelle »ich glaube«.52 In all dem drückt sich eine Tendenz aus, den Glauben nicht zu beschränken auf eine individuelle »Tat und Gesinnung des Herzens«53. Gleichwohl ist das »Ich« des Glaubens deutlich im Blick, und zwar vor allem dort, wo Paulus den Einzelnen in die Gemeinschaft der »Glaubenden«54 stellt und sich selbst in diese Gemeinschaft einreiht (»unser Glaube«55, »wir glauben« bzw. »wir kamen zum Glauben«56). |21| Ferner ist zu denken an die Wendungen »jeder, der glaubt«57 bzw. »alle, die glauben«58 und »der, der aus Glauben ist«59 bzw. »die, die aus Glauben sind«60.

Schon allein der Sprachgebrauch macht deutlich, dass keine Rede sein kann von einer »isolierenden« Auffassung des Glaubens bei Paulus. Ebenso wenig bleibt der Glaube auf ein paradoxes »Ich glaube, dass ich glaube« reduziert. Vielmehr vereint der paulinische Glaubensbegriff drei grundlegende Perspektiven: Er ist vom Einzelnen zu vollziehender Lebensakt (subjektiv), Identität stiftendes Kennzeichen einer Gemeinschaft (intersubjektiv bzw. ekklesiologisch) und in seiner Verbindung zum Christusereignis heilsgeschichtliches Phänomen (transsubjektiv). Diese drei Dimensionen teilt sich sein Glaubensbegriff mit seinem Versöhnungsgedanken (vgl. nur Röm 8,18–25; 11,15; 2Kor 5,19)61 und seiner Rechtfertigungslehre (vgl. nur Röm 1,17; 3,21).62

Verstehenshorizont

Die Rubrik »Verstehenshorizont« trägt wichtigen Einsichten der kognitiven Semantik Rechnung, derzufolge nicht nur der unmittelbare literarische Kontext für die Bedeutung von Worten ausschlaggebend ist, sondern auch das sogenannte enzyklopädische Wissen, das durch Erfahrung und Lernen angeeignet wird und das Autor und Rezipienten (vermeintlich) teilen. Die Rede vom »Glauben« evoziert ein Geflecht von Vorstellungen, Bildern und Eindrücken, die eingebettet sind in ein spezifisches kulturelles Milieu und die dem Wort »Glaube« Bedeutung verleihen. Einem Text ist immer eine intertextuelle Qualität eigen, die der Autor eingeschränkt steuern kann, und er setzt umgekehrt eine intertextuelle Kompetenz seitens der Rezipienten voraus: »Kein einziger Text wird unabhängig von den Erfahrungen gelesen, die aus anderen Texten gewonnen wurden.«63 Dadurch wird die »Aktivität der Mitarbeit« gefordert, »durch die der Empfänger dazu veranlasst wird, einem Text das zu entnehmen, was dieser nicht sagt (aber voraussetzt, anspricht, beinhaltet und miteinbezieht), und dabei Leerräume aufzufüllen und das, was sich im Text befindet, mit dem intertextuellen Gewebe zu verknüpfen, aus |22| dem der Text entstanden ist und mit dem er sich wieder verbinden wird«.64 Solche Mitarbeit ist abhängig von einer überkulturellen Kernbedeutung eines Begriffs, vom sozialen und kulturellen Kontext sowie vom Bildungs- und Wissensstand und den Erfahrungen und Erwartungen der Rezipienten.

Paulus’ Rede vom Glauben ist eingebunden in ein »intertextuelles Gewebe«, und zunächst gilt für seinen Glaubensbegriff, was für alle zentralen Begriffe des paulinischen Denkens zutrifft: Sie haben »eine jüdische und eine griechische Geschichte, die es gleichermaßen zu erheben und zu berücksichtigen gilt«.65 Neben der Betrachtung der pagan-griechischen und alttestamentlich-jüdischen Geschichte des Glaubens bei Paulus ist auch eine Unterscheidung zu treffen zwischen seinen eigenen Sprachvoraussetzungen einerseits und dem Verstehenshorizont des Glaubensbegriffs bei seinen Adressaten andererseits. In welcher Vorstellungs- und Denkwelt gründet sein eigenes Denken und Reden vom Glauben und welche Assoziationen ergaben sich bei den Rezipienten seiner Briefe? Kommunikation wird dann als gelungen erlebt, wenn beide Akteure, Autor und Rezipient, einen gemeinsamen »geistigen Raum« finden, in dem sich Verständigung und Einverständnis ereignen; dabei ist neben individuellen Bewusstseinsstrukturen und kulturellen Prägungen auch die Sozialität der Akteure relevant, wenn Kommunikation nicht auf einen einzelnen Akt beschränkt bleibt, sondern Interaktion stattfindet. Paulus tauchte auf seinen Missionsreisen in verschiedene Sprach- und Kulturmilieus ein, trat intensiv in persönliche und schriftliche Kommunikationssituationen, ging schöpferisch mit dem kulturellen Repertoire seiner Adressaten um und verstand es, seine eigene kulturelle und geistige Prägung zu kontextualisieren. Nur durch eine auf solche Art praktizierte Inkulturation des Evangeliums bei zugleich reflektierter Adaption anderer Traditionen erreichte seine »Glaubensbotschaft« eine derart hohe Anschlussfähigkeit.

Paulus selbst gehörte zu einer jüdischen Gemeinschaft der Diaspora und besaß wohl römisches Bürgerrecht. Seine Griechischkenntnisse lassen darauf schließen, dass er seine jüdische Elementarausbildung in Tarsus erhalten hatte.66 Die theologische Ausbildung und weitere prägende Einflüsse empfing er in Jerusalem, im religiösen, nationalen und kulturellen Zentrum des Judentums.67 Der für seine Theologie und damit für sein Glaubensverständnis entscheidende Traditionshintergrund ist das Judentum. Auch und gerade in Paulus’ Rede vom Glauben macht sich das alttestamentlich-jüdische Erbe |23| geltend: Er schließt sich primär an den Sprachgebrauch der Septuaginta an, der griechischen Übersetzung des »Alten Testaments«, das in weiten Teilen des Urchristentums verwendet wurde. Zwischen dem hebräisch abgefassten Alten Testament und dessen griechischen Übersetzung besteht eine bemerkenswerte Kongruenz: »Die griechischen Wörter pistis und pisteuein sowie der ganze Stamm pist- entsprechen hier [sc. in der Septuaginta] mit ungewöhnlicher Konstanz Wörtern vom hebräischen und aramäischen Stamm ’mn, zu dem auch das bis in unsere liturgische Sprache reichende Amen gehört.«68 Die Grundbedeutung des Stammes ’mn wirkte über die griechische Übersetzung und durch sie hindurch auf den Sprachgebrauch des Neuen Testaments ein: »Glauben heißt im Hebräischen ›sich fest machen in Jahwe‹«69 und meint die »Betätigung der innerlichen Festigkeit durch Zuversicht und Vertrauen«70; wer glaubt, gewinnt eine »feste Beständigkeit«71.

Doch eine exklusive Herleitung aus dem Alten Testament im Sinne eines bruchlosen und kontinuierlichen Sich-Entfaltens wäre nicht zutreffend: Während das Gottesverhältnis dort mit einer Reihe weiterer Wörter bezeichnet wird, entwickelt sich der Glaube im frühen Christentum zur wesentlichen und umfassenden Bezeichnung für das Gottesverhältnis. Dieses analogielose Phänomen ist nicht zuletzt auf Paulus zurückzuführen, der an zentralen Argumentationsgängen im Römer- und Galaterbrief eine prominente alttestamentliche Belegstelle zum Glauben herausgreift – Gen 15,6 – und so mittels einer »Wesensbeschreibung des Glaubens Abrahams«72 zu einer fassbaren und äußerst wirkungsvollen Beschreibung seines Glaubensverständnisses gelangt. Doch spiegelt sich selbst im Rekurs auf die Gestalt des Abraham ein zweites charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zum alttestamentlich-jüdischen Umfeld wider: Glaube steht für Paulus nicht nur für die umfassende Bezeichnung der Gottesbeziehung, sondern ist zugleich unlösbar auf Jesus Christus bezogen: »Der Glaube ist, was er ist, weil es Christus gibt.«73 Von dieser Neubestimmung des Glaubens aus erklärt sich die eigenständige Weiterentwicklung des Glaubensbegriffs im frühen Christentum. Sie wird schon formal greifbar in der erstaunlichen Häufigkeit der Belege wie auch in neuartigen präpositionalen Konstruktionen wie »glauben an/in« oder in der Genitivverbindung »Christusglaube«, die durchweg in Bezug auf Christus Verwendung |24| finden.74 Daneben fällt die Selbstverständlichkeit auf, mit der Paulus vom Glauben spricht, scheinbar ohne sich zu einer näheren Definition oder Begriffsklärung genötigt zu fühlen. Man hat vermutet, dass die Wurzeln seines Sprachgebrauchs nach Antiochien weisen; in der dortigen hellenistisch-jüdisch geprägten Gemeinde seien die Grundlagen für das Verständnis und den kreativen Umgang mit dieser Terminologie vorhanden gewesen.75 Trifft diese Vermutung zu, ist zu erwarten, dass das kulturelle Milieu dieses »melting pot« sich ebenfalls auf das semantische Repertoire der Glaubensterminologie auswirkte, zusätzliche Nuancen eintrug und zur Beweglichkeit und Polyphonie der Rede vom Glauben bei Paulus beisteuerte.

Damit eröffnet sich ein weiterer Problemkreis, der zu einer beachtenswerten wissenschaftlichen Debatte führte: Wie wurde der Stamm pist- in der pagan-griechischen Sprachwelt außerhalb des Judentums verwendet? Gibt es Texte aus vorchristlicher Zeit, die unbeeinflusst von jüdischem Denken das Gottesverhältnis mit diesem Wortfeld umschreiben? Falls ja: Findet dieser Sprachgebrauch einen Widerhall in den neutestamentlichen Schriften, in den Briefen des Paulus? Lange Zeit war Richard Reitzensteins Urteil unangefochten, dass pistis ein »Schlagwort der Propaganda treibenden Religionen« war und das Christentum darum sowohl an jüdische wie pagane Missionstätigkeit und Propaganda anknüpfen konnte.76 Gestützt hat Reitzenstein seine Behauptung durch »ein paar rasch zusammengeraffte Beispiele«77. Dieser zunächst spärlich belegten, aber fast schon kanonisch gewordenen These der Religionsgeschichtlichen Schule hat seit den 1970er Jahren Dieter Lührmann in einer Reihe von Veröffentlichungen vehement widersprochen. »Glaube« sei nicht im allgemeinen religiösen Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu finden und keinesfalls eine verbreitete Kategorie der Religionsphänomenologie im Umfeld der frühen Christenheit. In der nichtjüdischen hellenistischen Literatur gebe es keinen religiösen Gebrauch des Stammes pist-, und die zum Beleg der genannten religionsgeschichtlichen These angeführten Verweisstellen seien – sofern sie überhaupt vom »Glauben« redeten – allesamt beeinflusst von der jüdisch-christlichen Sprachtradition. Pistis und pisteuein sind für Lührmann also Worthüllen, die ihre inhaltliche Füllung ausschließlich |25| dem Hebräischen zu verdanken haben, sprachgeschichtlich vermittelt v. a. durch Jesus Sirach und Philo. Sie seien also schlicht »Bedeutungslehnwörter«78 und zudem »Begriffe des internen Sprachgebrauchs«79, die »in der Sprache der Mission […], im Judentum wie im Christentum« nicht angesiedelt seien.80

Nachdem Lührmanns Gegenentwurf zunächst zustimmend aufgenommen worden war,81 konnte er sich in der Folgezeit aufgrund von neu beigebrachten Belegen aus dem hellenistischen Schrifttum nicht mehr in der vorgetragenen Zuspitzung halten.82 Religiöser Gebrauch von pistis war auch im nichtjüdischen Hellenismus verbreitet und geläufig83 und nicht auf eine interne jüdisch-christliche Verwendung beschränkt. Insbesondere Plutarch (ca. 45–125 n. Chr.), Zeitgenosse des Paulus, Philosoph und zeitweilig Priester am Apollotempel in Delphi kann als Zeuge dafür gelten, wie facetten- und beziehungsreich damals vom Glauben in einem religiösen Sinn gesprochen wurde und welche Bedeutung er für das Verständnis religiösen Lebens annehmen konnte. »Das Frühchristentum gebrauchte auch hier eine Sprache, die der heidnische Hörer verstehen konnte.«84

Als Ertrag dieser Debatte kann festgehalten werden, dass einseitige Zuschreibungen und Kontextualisierungen nicht angemessen sind; die primäre und inhaltlich prägende sprachliche Verwurzelung der Glaubensterminologie ist im Judentum zu suchen, eine sekundäre in der pagan-hellenistischen Sprachwelt. Neuerdings wird noch ein dritter Kontext zur Erhellung der paulinischen Rede vom Glauben herangezogen, »einer, der, über den Aspekt rein sprach- und traditionsgeschichtlicher Einflüsse hinausgehend, die Dimension soziokultureller Konventionen sowie politischer Machtstrukturen und Interessen mit ins Kalkül zieht« – nämlich der Kontext der imperialen römischen Kultur.85 »Angesichts der enormen Bedeutung der fides in der römischen Politik, Kultur und Gesellschaft« votiert beispielsweise Christian Strecker dafür, »sie als wichtigen Kontext bzw. Verstehenshorizont der pistis-Aussagen |26| des im Imperium Romanum wirkenden Paulus mit zu berücksichtigen«.86 Er geht davon aus, dass Bedeutungsmomente der römischen fides umfassend auf die griechische pistis übertragen wurden und dass die häufig behauptete Unvereinbarkeit zwischen beiden Konzepten nicht aufrechterhalten werden kann.

Welche inhaltlichen und sprachlich-formalen Linien nun sowohl aus den jüdischen wie auch aus nichtjüdischen griechischen, hellenistischen und römischen Texten und Vorstellungen zur Glaubensterminologie des Paulus zu ziehen sind, soll in den einzelnen Kapiteln unter der Überschrift »Verstehenshorizont« exemplarisch erörtert werden. Die Art und Weise, wie Paulus vom Glauben spricht, scheint dabei eine gewisse Einseitigkeit der These zu relativieren, derzufolge alles, was »an bleibenden ›paganen Einflüssen‹ im frühen Urchristentum vermutet wurde, […] durchweg auf jüdische Vermittlung zurückgehen« kann.87 Vielmehr haben die ersten Christen sprachliche und kulturelle Gräben auch dadurch überbrückt, dass sie in ihrem missionarischen und didaktischen Wirken direkt auf das zeitgenössische kulturelle und semantische Repertoire zurückgegriffen, es kreativ weiterentwickelt und adressatenspezifisch angewandt haben – auch und gerade im Blick auf den Glauben. Bei allem Verbindenden bleibt jedoch ein »eklatantes ›Mehr‹« des frühchristlichen Redens vom Glauben, das weder aus dem Judentum noch aus dem Hellenismus noch aus der römischen Herrschaftsideologie abgeleitet werden kann.88

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