Kitabı oku: «Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz», sayfa 5
2. Strategiekrise
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Infolge der Stakeholderkrise tritt häufig eine Strategiekrise ein. Die Folgen sind unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen.59
148
Der Verlust von Marktanteilen, der wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert, ist häufig infolge der Strategiekrise zu erkennen. Mögliche Ursachen liegen in einer unklaren oder fehlenden strategischen Ausrichtung oder in nachhaltigen Fehleinschätzungen der Wettbewerbssituation oder Marktentwicklung.60
149
Die Strategiekrise ist aufgrund ihres Charakters langfristig angelegt. Sie berührt regelmäßig die Grundlagen des Unternehmens und ist nur schwer zu korrigieren.61
3. Produkt- und Absatzkrise
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Eine Produkt- und Absatzkrise kann sich infolge einer Strategiekrise entwickeln. Wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und Erfolgsträgern nicht nur vorübergehend zurückgeht, liegt eine Produkt- und Absatzkrise vor, in deren Folge die Vorratsbestände ansteigen und die Kapitalbindung zunimmt.62
151
Die Gründe einer Produkt- und Absatzkrise liegen qualitativ in nicht ausreichenden Marketing- oder Vertriebskonzepten, Sortimentsschwächen, Schwächen in der Produkt- und Servicequalität, mangelnder Liefertreue, Fehlern in der Preispolitik sowie einer mangelhaften oder fehlenden Vertriebssteuerung.63
4. Ertrags- oder Erfolgskrise
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Eine Erfolgskrise resultiert aus einer Stakeholder- oder Strategiekrise bzw. einer Produkt- und Absatzkrise, sofern kein wirksames Gegensteuern erfolgt. Zunächst werden die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient, sodann kommt es zu starken Gewinnrückgängen und schließlich zum Verlust bis zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals.64
153
Infolge der sinkenden Eigenkapitalquote tritt eine Kreditunwürdigkeit des Unternehmens ein, die dazu führt, dass die zur nachhaltigen Sanierung erforderlichen Mittel sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr beschaffen lassen und eine Sanierung ohne Kapitalzuführung, ggf. auch unter Änderung der bisherigen Gesellschafterstruktur, nicht mehr erreicht werden kann.65
5. Liquiditätskrise
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Eine Liquiditätskrise liegt vor, wenn der finanzielle Handlungsspielraum des Unternehmens zunehmend verengt wird und keine hinreichende Liquidität zur Verfügung steht. Die Liquiditätskrise ist im Regelfall der Übergang der Krise zur Insolvenz in Form der Zahlungsunfähigkeit.66
155
Ein Insolvenzrisiko wird durch die eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten indiziert, sofern keine oder nur unzureichende Maßnahmen ergriffen werden.67
156
Komplexe Finanzierungsstrukturen aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage oder unausgewogener Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen verschärfen häufig die Liquiditätskrise.68
157
Die Liquiditätskrise wird selten durch externe Begebenheiten ausgelöst, z.B. einen größeren Zahlungsausfall durch die Insolvenz eines Kunden, sondern aufgrund der Erwirtschaftung einer liquiden Unterdeckung.69
158
Die Liquiditätskrise führt zur Insolvenzreife, wenn einer der nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzeröffnungsgründe vorliegt.70
54 So Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 18. 55 IDW Life 2020, 45ff.; vgl. Harig/Harder, ZRI 2021, 67ff. 56 IDW Life 2018, 813ff. 57 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 20. 58 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 21. 59 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 22. 60 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 23. 61 Vgl. Trutnau, Krisenfrüherkennung, Kap. 1 Rn. 22; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 33; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 24. 62 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 25. 63 Vgl. Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 16; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 26. 64 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 70; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 27. 65 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 28. 66 Vgl. Trutnau, Krisenfrüherkennung, Kap. 1, Rn. 29; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 70; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 32; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 29. 67 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 30. 68 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 31. 69 Vgl. Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 18; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 32. 70 Vgl. IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff., Rn. 2; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 33.
IV. Insolvenz
1. Einordnung
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Unter Insolvenz kann zum einen das Vorliegen eines nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzgrundes, zum anderen aber auch das formal eröffnete Insolvenzverfahren verstanden werden. Die „Insolvenz“ umfasst daher sowohl den wirtschaftlichen Zustand, der sich als Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung darstellt und ein gerichtliches Insolvenzverfahren auslösen kann, als auch das eröffnete Insolvenzverfahren.71
160
Das Insolvenzrecht ist dem Wirtschaftsprivatrecht zuzuordnen.72
161
Das Insolvenzrecht ist weiterhin auch dem Zwangsvollstreckungsrecht zuzuordnen, da es sich nicht um ein Verfahren nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, sondern um ein Gesamtvollstreckungsverfahren, in dem der Staat das Präventionsprinzip durch das Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger („par condicio creditorum“) ersetzt. Der im Einzelzwangsvollstreckungsrecht („Singularexekution“) geltende Grundsatz des „bellum omnium contra omnes“ steht hinter dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zurück, zumal das Insolvenzverfahren gemäß § 1 Satz 1 InsO dazu dient, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen.
2. Insolvenzgründe
162
Materiell bedeutet Insolvenz, dass einer der nach der Rechtsform des Schuldners maßgebenden Eröffnungsgründe vorliegt, also Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO).
a) Zahlungsunfähigkeit
163
Der Schuldner ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Eine bloße Zahlungsstockung ist nach der Rechtsprechung des BGH anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.73
164
Nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Fortführung des Betriebs grundsätzlich als Reflex des § 64 GmbHG a.F. ausgeschlossen. Ein sog. „Sanierungsprivileg“ greift daher nur in ganz engen Fällen zur Vermeidung noch größerer Nachteile bei Bestehen einer konkreten Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren.74
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Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners beruht, kann der Geschäftsführer nicht mit der pauschalen Behauptung bestreiten, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Er hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen.75
166
Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz sind auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) einzubeziehen.76
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Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer daraufhin deutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden.77
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Als Beweisanzeichen für Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung kommen nach der sog. „wirtschaftskriminalistischen Methode“
– Schließung des Geschäftslokals,
– Verlegung des Geschäftssitzes zur Begründung einer anderen Gerichtszuständigkeit,
– Kreditkündigungen durch Banken,
– Wechsel des Hauptlieferanten zur Inanspruchnahme anderweitigen Lieferantenkredits,
– Zahlungen mit vordatierten Schecks,
– Abgabe der eidesstattlichen Versicherung,
– Häufung von Pfändungen,
– Nichtbezahlung von existenzbedingten Betriebskosten, fruchtlose Vollstreckung,
– Nichtzahlung oder schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern,
– Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen,
– Nichtzahlung von Umsatzsteuerrückständen,
– Flucht des Schuldners,
– Wechselproteste sowie
– Einräumung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner
in Betracht.78
b) Drohende Zahlungsunfähigkeit
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Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Durch das SanInsFoG wurde der Prognosezeitraum gesetzlich auf 24 Monate festgelegt (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InsO).
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Zahlungsunfähigkeit droht nach Auffassung des Instituts Deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW), wenn zum Beurteilungsstichtag keine Liquiditätslücke vorhanden ist, nach dem Finanzplan aber absehbar ist, dass die Zahlungsmittel zur Erfüllung der fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ausreichen und dies durch finanzielle Dispositionen und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen nicht mehr ausgeglichen werden kann.79
c) Überschuldung
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Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO bei den Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen. Durch das SanInsFoG wurde der Prognosezeitraum gesetzlich definiert, in dem § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO folgende Fassung erhalten hat: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
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Die Überschuldungsprüfung erfordert nach Auffassung des IDW in aller Regel ein zweistufiges Verfahren, wobei zunächst auf der ersten Stufe die Überlebenschancen des Unternehmens und auf der zweiten Stufe – im Falle einer negativen Fortbestehensprognose – Vermögen und Schulden des Unternehmens in einem stichtagsbezogenen Status zu Liquidationswerten gegenüberzustellen sind.80
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Bei einer positiven Fortbestehensprognose liegt keine Überschuldung i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO vor. Im Falle einer negativen Fortführungsprognose sind Vermögen und Schulden des Unternehmens gegenüberzustellen. Ist das sich aus dem Überschuldungsstatus ergebende Reinvermögen negativ, liegt eine Überschuldung vor.81
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Zur Feststellung der Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens ist für den Prognosezeitraum eine Fortbestehensprognose darzustellen. Das IDW versteht unter der Fortbestehensprognose das wertende Gesamturteil über die Lebensfähigkeit des Unternehmens in der vorhersehbaren Zukunft. Die Fortbestehensprognose wird auf Grundlage des Unternehmenskonzepts und des auf der integrierten Planung abgeleiteten Finanzplans getroffen.82
71 So Uhlenbruck/Pape, InsO, § 1 Rn. 2. 72 So Uhlenbruck/Pape, InsO, § 1 Rn. 2. 73 So BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228ff. = ZVI 2013, 65ff. = NZI 2013, 140ff., dazu EWiR 2013, 175f. (Bremen); BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222ff. = ZVI 2006, 577ff., dazu EWiR 2007, 113f. (Wagner); BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134ff. = ZIP 2005, 1426 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2006, 101) = ZVI 2005, 408 = WM 2005, 1468ff., dazu EWiR 2005, 767f. (Bruns). 74 So BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – II ZR 337/17, ZIP 2019, 1719ff.; dazu EWiR 2019, 551f. (Baumert). 75 So BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283ff. = EWiR 2018, 179f. (Karsten Schmidt) = NZI 2018, 204ff. mit Anm. Haneke; vgl. Mylich, ZIP 2018, 514ff. 76 BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283ff. = EWiR 2018, 179f. (Karsten Schmidt) = NZI 2018, 204ff. mit Anm. Haneke; vgl. Mylich, ZIP 2018, 514ff. 77 So BGH, Urt. v. 12.12.2006 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228ff. = ZVI 2013, 65ff. = NZI 2013, 140ff. Rn. 20, dazu EWiR 2013, 175f. (Bremen); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998f. = NZI 2012, 663f. Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416ff. = ZVI 2011, 452ff. Rn. 13, dazu EWiR 2011, 571f. (Henkel). Hilfreich in diesem Zusammenhang ist auch der IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) v. 22.8.2016, IDW Life 3/2017, 332ff.; vgl. zu der Vorgängerversion Frystatzki, NZI 2014, 840ff.; Schmittmann, StuB 2014, 607ff. 78 Vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2013 – 1 StR 665/12, NZI 2013, 970ff. = ZIP 2013, 2469, dazu EWiR 2014, 121f. (Floeth); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998f. = NZI 2012, 663f.; BGH, Urt. v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706ff. = NZI 2008, 299ff., dazu EWiR 2008, 533f. (Dörnscheidt); BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457ff. = NZI 2006, 591f. = NJW-RR 2006, 1422f.; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 2 Rn. 48. 79 So IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff. Rn. 93. 80 So IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff. Rn. 54. 81 So IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff. Rn. 543. 82 So IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff. Rn. 59.
Kapitel B Perspektive des (vorläufigen) Insolvenzverwalters
I. Stellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters
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Nach Eingang des Antrags prüft das Insolvenzgericht vorab, ob der Insolvenzantrag zulässig ist, § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO. Mit der Feststellung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags beginnt für den Schuldner die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht. Das Insolvenzgericht hat gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.
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Das Gericht kann gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1.Alt. InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 2.Alt. InsO anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Diese unterschiedlichen Formen des vorläufigen Insolvenzverwalters werden als sog. „starker“ und „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet.
1. Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zwischen dem sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter und dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu unterscheiden.
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Der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter ist Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 1 und Abs. 3 InsO (vgl. im Einzelnen Rn. 100).
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Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 1 und Abs. 3 InsO (vgl. im Einzelnen Rn. 102).
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Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter begründet für alle Steuerarten Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 InsO, der gemäß Art. 103e EGInsO für alle Insolvenzverfahren gilt, die ab dem 1.1.2011 beantragt worden sind.
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In Insolvenzverfahren, die nach dem 31.12.2020 beantragt worden sind, gilt gemäß Art. 103m EGInsO § 55 Abs. 4 InsO in folgender Fassung:
182
„Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
1. sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2. bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuer,
3. die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4. die Lohnsteuer.“
2. Stellung des Insolvenzverwalters
183
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.1
184
Vom Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts ist das gesamte insolvenzbefangene Vermögen des Schuldners einschließlich des im Ausland belegenen Schuldnervermögens sowie der Neuerwerb erfasst; nicht hingegen das insolvenzfreie Vermögen sowie die nicht vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Rechte des Schuldners.2
185
Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung bleiben gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO unberührt. In Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO diese Pflichten zu erfüllen.
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Die steuerrechtliche Pflicht zur Buchführung durch den Insolvenzverwalter besteht nicht nur gegenüber der Finanzverwaltung, sondern auch grundsätzlich gegenüber dem Verfahrensschuldner.3
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Die Pflicht erwächst aus der Amtsstellung des Insolvenzverwalters, die schutzwürdige Interessen des Schuldners unmittelbar berührt.4
188
Das Insolvenzverfahren lässt die handelsrechtlichen Buchführungspflichten und damit auch die steuerlichen Buchführungspflichten gemäß § 140 AO unberührt. Den Insolvenzverwalter treffen gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO sämtliche Buchführungs- und Bilanzierungspflichten.5
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Die Regelung des § 155 InsO bezieht sich nur auf die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegungspflicht. Neben diese Pflicht tritt die Pflicht, die der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO i.V.m. §§ 140 bis 148 AO hat.6
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Der Insolvenzverwalter ist verfahrensrechtlich Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO und hat daher gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren zu erfüllen.7
191
Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters berechtigen und verpflichten den Insolvenzschuldner persönlich, da dieser steuerrechtsfähig bleibt.8
192
Der Insolvenzschuldner bleibt auch verfahrensrechtlich Beteiligter i.S.v. § 78 AO. Der Schuldner verliert allerdings mit Insolvenzeröffnung die nach § 79 AO erforderliche Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Insolvenzmasse.9
193
Der Insolvenzverwalter hat insbesondere die sich aus den §§ 90, 93ff., 137ff., 140ff. und 149ff. AO ergebenden Pflichten zu erfüllen.10
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Daher ist der Insolvenzverwalter dafür verantwortlich, die laufenden und die noch ausstehenden Steuererklärungen auch für Zeiträume vor Insolvenzeröffnung zu erstellen und abzugeben. Diese Pflichten ergeben sich aus den § 34 Abs. 3 AO, § 155 InsO i.V.m. §§ 140, 141 AO, §§ 25 EStG i.V.m. § 56 EStDV, 31 KStG, § 18 UStG, § 14a GewStG.11
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Die steuerlichen Erklärungspflichten des Insolvenzverwalters umfassen nicht die insolvenzunabhängigen Aufwendungen, wie beispielsweise die Sonderausgaben gemäß § 10 EStG und die außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG, und nicht das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners.12
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Die Steuererklärungspflicht obliegt dem Insolvenzschuldner in den Fällen der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit – § 35 Abs. 2 InsO – und in den Fällen der Eigenverwaltung – §§ 270ff. InsO.13
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Sofern der Insolvenzschuldner deshalb neben der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit keine weitere vom Insolvenzbeschlag betroffene Tätigkeit ausübt, und somit keine weiteren Einkünfte i.S.d. §§ 13–22 EStG erzielt, gehört es zum Pflichtenkreis des Insolvenzschuldners, die Einkommensteuererklärung und die Gewinnermittlung – § 60 Abs. 4 EStDV, § 5b EStG – bei der Finanzbehörde einzureichen.14
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Die Steuererklärungspflicht besteht für den Insolvenzverwalter, sofern der Insolvenzschuldner neben der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit noch weitere steuerrelevante Tätigkeiten ausübt. Der Insolvenzschuldner muss bei Vorliegen dieser Konstellation die im insolvenzfreien Bereich verwirklichten Steuertatbestände mitteilen und an der Erstellung der Steuererklärung mitwirken. So muss er beispielsweise für die Zwecke der Einkommensteuer die Gewinnermittlung fertigen und elektronisch einreichen.15
199
In der Situation, dass der Insolvenzschuldner Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt, ist zu differenzieren, ob aus der Einkommensteuerveranlagung eine Einkommensteuerschuld entsteht oder ein Erstattungsanspruch. Die Einkommensteuerschuld ist keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, sodass die Erklärungspflicht dem Insolvenzschuldner obliegt. Der Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung ist hingegen nicht dem insolvenzfreien Vermögen, sondern der Insolvenzmasse zuzurechnen, sodass die Pflicht zur Abgabe der Erklärung den Insolvenzverwalter trifft.16
200
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft wird diese zivilrechtlich grundsätzlich aufgelöst, steuerrechtlich besteht sie zunächst fort. Die Pflicht zur Abgabe der Feststellungserklärung obliegt gemäß § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO weiterhin den Feststellungsbeteiligten. Die Begründung ist darin zu sehen, dass die Erklärungspflicht zu den insolvenzfreien Angelegenheiten der Gesellschaft gehört. Sie berührt die persönliche Sphäre der Gesellschafter und nicht die der Gesellschaft.17
201
Der Insolvenzverwalter ist zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet, wenn er der Insolvenzverwalter eines Beteiligten ist, über dessen Vermögen gleichzeitig das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, beispielsweise Komplementär-GmbH bei einer GmbH & Co. KG, und die Beteiligung an der Personengesellschaft zur Insolvenzmasse gehört. Sofern ein Erklärungspflichtiger eine vollständige Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung beim Finanzamt einreicht, führt dies dazu, dass die weiteren Beteiligten von ihrer Erklärungspflicht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO befreit sind.18
202
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft obliegt die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen für die betrieblichen Steuern dem Insolvenzverwalter. Die Abgabepflicht umfasst die Zeiträume vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch die Zeiträume nach der Eröffnung.19
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Sofern über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, besteht regelmäßig lediglich die Pflicht zur Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gesellschafters ist der Insolvenzverwalter gemäß §§ 34 Abs. 3, 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Der Insolvenzverwalter wird gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO von der Erklärungspflicht befreit, wenn einer der übrigen Gesellschafter der Erklärungspflicht nachkommt.20
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Die Einbindung des Insolvenzverwalters in das Steuerschuldverhältnis ist von einer eventuellen Masseunzulänglichkeit unabhängig.21
205
Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen aufgehoben, so erlangt dieser als Insolvenzschuldner kraft Gesetzes seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen wieder zurück. Ab diesem Zeitpunkt kann vom Insolvenzverwalter nicht mehr die Erfüllung steuerlicher Pflichten verlangt werden.22 Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann das FA den Steuerbescheid nicht mehr dem Insolvenzverwalter bekannt geben. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters, und die Verfügungsbefugnis über die (verbleibende) Masse fällt an den Schuldner zurück (§ 259 Abs. 1 InsO). Es gibt keine vermögensrechtlich verselbstständigte Masse i.S. des § 35 InsO) mehr.23
206
Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten besteht allerdings fort, wenn das Gericht eine Nachtragsverteilung angeordnet hat. Daraus ergibt sich auch die Prozessführungsbefugnis des früheren Insolvenzverwalters.24
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Mit der Anordnung einer Nachtragsverteilung tritt ein erneuter Insolvenzbeschlag ein.25
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Im Übrigen entfällt mit Beendigung des Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugleich die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters.26