Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 15
V. Fahrlässige Tätigkeitsübernahme
139
Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten gilt allgemein, dass auch eine zeitlich deutlich vor Eintritt der rechtsgutskritischen Situation – in der dem Täter dann sorgfaltsgemäßes Verhalten nicht (mehr) möglich ist – liegende Pflichtverletzung Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu begründen vermag.[867] Da es sich bei den Fahrlässigkeitsdelikten um in die Vergangenheit hinein offene Delikte handelt, kann bei fahrlässiger Tätigkeitsübernahme bzw.[868] Übernahmefahrlässigkeit[869]. angesichts persönlich nicht vorwerfbarer unmittelbarer Erfolgsverursachung auf ein objektiv und subjektiv pflichtwidriges Vorverhalten rekurriert werden.[870] Der Handlungsunwert fahrlässigen Verhaltens liegt in einer vorab erfolgten objektiven Sorgfaltswidrigkeit, dem der Erfolgsunwert nachfolgt. Dieses Nachfolgen kann relativ zeitnah ausfallen (etwa der Fehlschnitt bei einer Operation infolge Unaufmerksamkeit), aber eben auch einen zeitlichen Abstand aufweisen (bspw. bei einer zu einer Gesundheitsschädigung oder gar zum Tode des Patienten führenden Übernahme einer Krankenbehandlung durch einen hiermit überforderten Arzt[871]). Anders als beim Vorsatzdelikt mit seiner etwaigen Versuchsstrafbarkeit kann der Täter beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht für den an den Tag gelegten Handlungsunwert (Pflichtverletzung) isoliert sanktioniert werden. Er wird erst für das hierdurch bewirkte Herbeiführen des Erfolgsunwertes zur Verantwortung gezogen,[872] also etwa für die Tötung eines Patienten. Auf diesen Erfolg bezogen bildet dann die zeitlich hiervon getrennte Verletzung von Verpflichtungen, die den Schutz von Leib und Leben des Patienten bezwecken (also etwa die Pflicht zur Fortbildung[873] oder zur präoperativen Voruntersuchung), einen Teil des Tatbestandes, nämlich den Handlungsunwert. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Erfolgsherbeiführung setzt dann die Feststellung derartiger Vorab-Pflichten voraus.[874] Diese Annahme einer zeitlich mehr oder weniger deutlich vor der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung liegenden Pflichtverletzung stellt allerdings nur dann eine hinreichende Legitimation für strafrechtlich zu verstärkende Verhaltensanweisungen dar, wenn sie mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Täters vereinbar ist.
1. Unterscheidungen
140
Es ist in arztstrafrechtlichen Konstellationen insoweit wie folgt zu unterscheiden: Anknüpfungsfähige Tathandlung etwa einer fahrlässigen Tötung kann bspw. nicht der unmittelbar zum Tode führende Operationsfehler sein, sofern es bei diesem Behandlungsfehler an der für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erforderlichen persönlichen Vorwerfbarkeit des Arztes fehlt (ultra posse nemo obligatur). Vielmehr ist auf den Beginn der operativen Tätigkeit des Arztes ohne entsprechend aktualisierte Kenntnisse abzustellen. Ein sorgfaltswidriges Verhalten kann also nicht nur mehr oder weniger zeitgleich zur unmittelbaren Erfolgsherbeiführung (etwa Unaufmerksamkeit während der Operation), sondern hiervon mehr oder weniger deutlich abgesetzt vorab vorliegen (Übernahme einer Krankenbehandlung ohne entsprechende Fortbildung oder bei unzureichender Ausstattung[875]).[876]
141
Gegen eine strafrechtliche Verantwortung des Arztes unter dem Aspekt der Übernahmefahrlässigkeit kann nicht eingewandt werden, dass – seine Sorgfaltswidrigkeit (bspw. Übernahme der Krankenbehandlung ohne hinreichende Fortbildung oder Weiterbehandlung trotz Komplikationen, die die Kompetenz des ursprünglich zulässigerweise die Behandlung Übernehmenden übersteigen[877]) hinweggedacht – das unmittelbare Tatgeschehen möglicherweise entsprechend abgelaufen wäre, also etwa der Behandlungsfehler ihm unter Umständen auch als hinreichend fortgebildet gedachten Arzt unterlaufen wäre. Diese Überlegung ändert nichts an der Zurechnung des Erfolgs zur in der Behandlungsübernahme liegenden Pflichtwidrigkeit, ohne dass hierbei auf die abzulehnende Lehre von der Risiko-Erhöhung[878] zurückgegriffen werden müsste: Bezüglich des wertend zu ermittelnden hinreichenden Pflichtwidrigkeitszusammenhanges[879] steht ja fest, dass das in Beziehung auf die später angerichteten Folgen sorgfaltswidrige Schaffen einer menschlichen Gefahrenquelle (durch Behandlungsübernahme) sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Ein Hinzudenken von Ersatzursachen verbietet sich auch hier.[880]
2. Annahme strafbarer Übernahmefahrlässigkeit
142
Für ihre Annahme ist entscheidend die – notwendigerweise einzelfallabhängige – Feststellung, aber auch Eingrenzung einschlägiger Sorgfaltspflichten, so dass grundsätzlich auch die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung fahrlässigen Verhaltens durch sachgerechtes Konturieren entsprechender Vorab-Pflichten aufgeworfen ist.[881] So wird im Falle einer ohne hinreichende Vorkenntnisse durchgeführten ärztlichen Operation angesichts der tatstrafrechtlichen Konzeption des StGB das Versäumen einer entsprechenden Vorlesung als Student anders als ein Nicht-Besuch einer einschlägigen Weiterbildungsveranstaltung im Vormonat oder das Unterlassen einer voroperativen Diagnostik nicht zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen können.[882]
143
Für die Statuierung einschlägiger Sorgfaltspflichten kann auf den Ansatz zurückgegriffen werden, den überzeugend Stratenwerth[883] als Grundlage einer die verschiedenen Fallkonstellationen übergreifenden Lehre vom Vorverschulden allgemein dahingehend formuliert hat, dass strafrechtlich sanktionierte Pflichten rückläufig durchaus die Verpflichtung einschließen, einen Zustand zu bewahren oder herzustellen, in dem der Täter fähig ist, diese Pflichten zu erfüllen. Eine Herleitung dieser Sorgfaltspflichten aus den Verbotsvorschriften selbst (vorliegend also aus den §§ 222, 229 StGB) ist möglich, nämlich unter dem Aspekt einer Effektuierung dieser Vorschriften.[884] Der Annahme derartiger Verhaltenspflichten im Vorfeld einer Erfolgsbewirkung steht nicht entgegen, dass Strafvorschriften verhaltensleitend wirken sollen: So entfalten im Falle der Übernahmefahrlässigkeit (bspw. bei Durchführung einer Operation ohne hinreichende Voruntersuchung des Patienten oder Übernahme einer Behandlung, der der Täter mangels Sachkunde[885] oder sächlicher Ausstattung nicht gewachsen ist[886]) die §§ 222, 229 StGB in der Krise der „eigentlichen“ Tathandlung (also im Beispiel: bei Durchführung der Operation) für den Täter mangels persönlicher Fähigkeit zur Normbefolgung keine Güter des Patienten schützenden Verhaltensrichtlinien. Diese Vorgaben waren dem Täter im Vorfeld als Gebot zur Gefahrenminimierung[887] auferlegt („Du musst Deinen Patienten hinreichend untersuchen, wenn Du ihn morgen einer Operation unterziehen willst“). Der prospektive Täter steht also durch die pauschale Strafandrohung der §§ 222, 229 StGB bereits im Vorfeld der unmittelbaren Güterbedrohung in der (erst bei nachfolgendem Eintritt eines rechtlich missbilligten Erfolges relevanten) Pflicht, bei konkreten Anzeichen dafür, dass sein Verhalten Leib oder Leben des Patienten gefährden könnte, hinreichende Maßnahmen hiergegen zu treffen, also bspw. die Operation nicht oder nur nach hinreichender Diagnostik durchzuführen.[888] Eine derartige wie auch sonst beim Fahrlässigkeitsdelikt aus der Vorhersehbarkeit schadensträchtiger Kausalverläufe herzuleitende Verhaltensanleitung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsschutzes als zu unbestimmt eingestuft werden.[889]
3. Verantwortungsbereiche
144
Eine das Ziel der Schadensvermeidung verfehlende Organisation des eigenen Kompetenz- und Wirkungsbereiches vermag mithin auch im Bereich ärztlichen Handelns eine Zuschreibung strafrechtlicher Verantwortlichkeit nach sich zu ziehen.[890] Zu diesem Verantwortungsbereich zählt auch die Befähigung, sich die Möglichkeit zu normgerechtem Verhalten zu erhalten, soweit eine derartige Verpflichtung nicht unzumutbar in die allgemeine Handlungsfreiheit des Täters eingreift.[891] Hiervon kann bei erkennbar schadensträchtigem Verhalten (wie bspw. der Übernahme einer ärztlichen Behandlung ohne hinreichende Fortbildung[892] oder genügende sächliche Ausstattung) aber keine Rede sein. Bei der Übernahmefahrlässigkeit sind zur Ermittlung der unerlaubten Risikoschaffung die Güterschutzinteressen potentieller Opfer mit den Freiheitsinteressen potentieller Täter abzuwägen: Je weiter entfernt von der eigentlichen krisenhaften Zuspitzung das zu beurteilende Verhalten angesiedelt ist, je mehr an Ausweichmöglichkeiten dem Täter noch zur Verfügung stehen, desto weniger können für ihn entsprechende Vermeidungspflichten angenommen werden, und umgekehrt.[893] Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen unmittelbar ursächlicher Tathandlung und einem unsorgfältigen Verhalten vorab muss die Frage unerlaubter Risikoschaffung verstärkte Prüfung erfahren.[894] Um wenigstens eine gewisse Bestimmtheit des Handlungsunwerts beim Fahrlässigkeitsdelikt zu gewährleisten, wird man insoweit auf hinreichende Anhaltspunkte für eine Rechtsgutsgefährdung zu bestehen haben. Nur wenn im Sinne von Duttge[895] dem Täter hinreichend Warnsignale in Bezug auf eine dem Standard nicht entsprechende medizinische Behandlung ersichtlich waren, kann man davon sprechen, dass – in den Worten von Binding[896] – die schuldhafte Vergangenheit ihre Schatten in die schuldlose Gegenwart wirft.
4. Fortbildungsanforderungen
145
Zu den Fortbildungsanforderungen an Ärzte siehe Rn. 37.
5. Keine Parallelisierung zur Versuchsstrafbarkeit
146
Diese Fahrlässigkeitsstrafbarkeit unter dem Aspekt der Übernahmefahrlässigkeit kann nicht infolge eines Erst-recht-Schlusses dadurch in Zweifel gezogen werden, dass man Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erst dann eingreifen lässt, wenn im gedachten Parallelfall vorsätzlichen Handelns der Täter bereits den Bereich des Versuches erreicht hätte.[897] Hierbei spielt es keine Rolle, ob man das Fahrlässigkeitsdelikt als Minus[898] oder unter Betonung der fehlenden bewussten Entscheidung gegen das Rechtsgut als aliud[899] zum Vorsatzdelikt ansieht. Das diesem einschränkenden Ansatz zugrunde liegende argumentum a fortiori als Unterfall eines Analogieschlusses stellt ja keinen Akt logischen Schließens, sondern einen Akt der Wertung dar. Bei der hierbei an der ratio legis auszurichtenden Dezision[900] ist entscheidend darauf abzustellen, ob der Normzweck einer Vorschrift (hier also die zeitliche Eingrenzung des Vorsatzdeliktes durch das unmittelbare Ansetzen im Sinne von § 22 StGB) bei dem nicht geregelten Sachverhalt (hier also die fahrlässigen Erfolgsdelikte, also etwa „Tod verursachen“ im Sinne von § 222 StGB) noch stärker gegeben ist als bei dem geregelten Normtatbestand. Es dürfte insoweit aber bereits an einer verdeckt vorhandenen, also unausgesprochenen gesetzlichen Bewertung fehlen, die eine Gleichbehandlung von vorsätzlicher und fahrlässiger Tatbegehung geboten erscheinen lässt.[901] Entscheidend fällt jedenfalls ins Gewicht, dass beim Vorsatzdelikt als bewusster Auflehnung gegen die Rechtsordnung eine zeitliche Eingrenzung sinnvoll ist: Erst der Versuch erschüttert das Rechtsbewusstsein und gefährdet den Rechtsfrieden durch Betätigung des rechtsfeindlichen Willens.[902] Demgegenüber kann beim Fahrlässigkeitsdelikt die gütergefährdende Sorgfaltspflichtverletzung auch erhebliche Zeit vor der unmittelbaren Tathandlung liegen: Beim fahrlässigen Erfolgsdelikt können fahrlässiges Verhalten und Erfolg zeitlich auseinander fallen. Die Rechtsfriedensstörung, auf die strafrechtlich zu reagieren ist, tritt dann erst durch den bewirkten und sichtbaren äußeren Deliktserfolg ein. Der Aktunwert ist zwar nicht notwendigerweise, aber eben doch möglicherweise zeitlich vom Erfolg separiert aufzufinden und stellt damit mangels konkreter Gütergefährdung noch gar keine bedeutsame, sichtbare Friedensstörung dar. Die mit generalpräventiven Erwägungen zu begründende Strafwürdigkeit fahrlässiger Erfolgsdelikte kommt, will man nicht ihren Bezugspunkt einer Abwehr von unsorgfältigen, gütergefährdenden Verhaltensweisen aufgeben, nicht umhin, Güterverletzung und Vorab-Sorgfaltswidrigkeit als erst gemeinsam friedensstörende Momente zu einer Sinneinheit zusammenzuziehen und die Notwendigkeit einer Sanktionierung damit auch an eine Verhaltensweise anzuknüpfen, die – isoliert betrachtet – noch keine bzw. allenfalls eine latente Friedensstörung darstellt. Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zur vorsätzlichen Deliktsverwirklichung.[903]
6. Anfänger-Operation als Beispiel für Übernahmefahrlässigkeit[904]
147
Ist ein Berufsanfänger nicht in der Lage, bei Durchführung der Operation den gebotenen Standard eines Facharztes zu gewährleisten,[905] so kommt für den Berufsanfänger selbst eine Fahrlässigkeitsverantwortlichkeit wegen fahrlässiger Tätigkeitsübernahme in Betracht. Hat er erkannt oder hätte er erkennen können, dass er zu dem ihm übertragenen Eingriff nicht befähigt ist, so hat er ihn von vornherein zu unterlassen. Zwar ist an einen Arzt in der Ausbildung bzw. Berufsanfänger nicht der Sorgfaltsmaßstab anzulegen wie an einen fertig ausgebildeten oder erfahrenen Arzt; mit den Worten des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes:[906] „Maßstab für die an einen in der Ausbildung befindlichen Assistenzarzt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, d.h. … für die Überlegungen, die der … (Berufsanfänger) im Hinblick auf die Gefährdung der Patientin anzustellen und wie er sich danach zu verhalten hatte, kann nicht der medizinische Wissens- und Erfahrungsstand eines fertigen, in der Praxis geübten Facharztes sein. … (Ihm) kann nur dann ein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er sich weisungsgemäß auf die selbständige Operation eingelassen hat, wenn er nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen dagegen Bedenken hätte haben und eine Gefährdung der Patientin hätte voraussehen müssen.“ Zum Schutze des Patienten muss auch im strafrechtlichen Bereich von einem ärztlichen Berufsanfänger erwartet werden, dass er gegenüber seinen Fähigkeiten besonders selbstkritisch und sich den unter Umständen lebensbedrohenden Gefahren für einen Patienten bewusst ist, die er etwa durch gedankenloses Festhalten an einem Behandlungsplan, durch Mangel an Umsicht oder das vorschnelle Unterdrücken von Zweifeln heraufbeschwören kann.[907] Eine Sorgfaltspflichtverletzung durch Tätigkeitsübernahme kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Anfänger an der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme noch nie teilgenommen und deshalb insoweit keine Erfahrungen hat.[908] Es versteht sich von selbst, dass Anweisungen des übergeordneten Facharztes zur Behandlungsübernahme ohne Einfluss auf die dem Anfänger vorzuwerfende objektive Sorgfaltswidrigkeit bleiben: Hätte er erkennen müssen, dass der Patient bei der von ihm eigenverantwortlich durchgeführten Operation einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt ist, so darf der Anfänger nicht gegen sein ärztliches Wissen und gegen bessere Überzeugung handeln und die Anweisungen des übergeordneten Facharztes befolgen.[909] Er muss mithin die ihm angesonnene Behandlungsübernahme ablehnen.[910] Die vom 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ins Auge gefasste („wenn es nicht anders geht“) Information des Patienten über diese Sachlage, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Einwilligung zu dem Eingriff zu verweigern,[911] kommt als sog. Risiko-Aufklärung[912] nur dann in Betracht, wenn in einer Notsituation bei akuter Gefährdung von Leib oder Leben des Patienten keine andere Behandlungsmöglichkeit als die durch einen Berufsanfänger besteht.[913] Dann hat der Patient zu entscheiden, ob er dieses Risiko einzugehen bereit ist.
7. Fazit
148
Eine belegbare fahrlässige Deliktsverwirklichung (durch Übernahme der Krankenbehandlung) wird nicht dadurch irrelevant, dass eine subjektiv nicht zurechenbare weitere Sorgfaltswidrigkeit (Standardunterschreitung im Rahmen der Behandlung) nachfolgt. Es ist mithin bei der Übernahmefahrlässigkeit ein Rückgriff auf ein vor Eintritt der kritischen Situation liegendes Täterverhalten möglich. Der Arzt wird in Fällen der Übernahmefahrlässigkeit bspw. wegen der standardwidrigen Operation und nicht wegen seiner fehlenden Fortbildung bestraft. Hätte er die Krankenbehandlung unterlassen, so wäre sein Verstoß gegen die ärztliche Fortbildungspflicht strafrechtlich folgenlos geblieben. Seine Strafbarkeit setzt allerdings voraus, dass er den Mangel seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Behandlungsmöglichkeiten kennt oder zumindest hätte erkennen können.[914] Des Weiteren kann seine Strafbarkeit entfallen, wenn er in einer Notsituation eine Behandlung übernehmen musste, weil keine anderweitige Behandlungsmöglichkeit bestand.[915]
C. Weitere Voraussetzungen ärztlicher Fahrlässigkeitsstrafbarkeit
I. Aktives Tun oder Unterlassen[916] als Anknüpfungspunkt
1. Grundsätzliche Abgrenzungsproblematik
149
Die allgemeine Problematik einer Abgrenzung zwischen aktivem Tun und einem bei Erfolgsdelikten nur bei Vorliegen einer Garantenstellung strafbaren Unterlassen kann hier nicht näher abgehandelt werden.[917] Festzuhalten ist aber, dass die im Unterlassen von Sorgfaltsvorkehrungen bestehende „Unterlassenskomponente“ wesensnotwendig auch mit einem fahrlässigen aktiven Tun verbunden, also auch einem aktiven Begehungscharakter des in Rede stehenden Täterverhaltens immanent ist.[918] Da mithin in jedem aktiven sorgfaltspflichtwidrigen Verhalten auf Grund der Nichtvornahme der sorgfaltsgerechten Handlung zugleich ein Unterlassungsmoment enthalten ist, wäre es bei einem derart „doppelrelevanten Verhalten“ verfehlt, aus der bloßen Nichtvornahme einer gebotenen Verhaltensweise (etwa einer fehlenden hinreichenden Desinfektion vor Vornahme einer Operation)[919] auf ein nur bei Vorliegen einer Garantenstellung i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB strafbares und überdies eine fakultative Strafmilderung (§ 13 Abs. 2 StGB) eröffnendes Unterlassen zu schließen.[920]
2. Abgrenzung im arztstrafrechtlichen Bereich
150
Die Abgrenzung von aktivem Tun und Unterlassen ist im arztstrafrechtlichen Bereich häufig problemlos möglich: Verletzt bspw. ein Chirurg infolge Unachtsamkeit bei der Operation ein Blutgefäß und führt dies dann zum Tode seines Patienten, so ist für eine Strafbarkeit nach § 222 StGB an ein aktives Tun anzuschließen.[921] Führt hingegen das pflichtwidrige Unterbleiben einer Nachoperation zum Tode des Patienten, so kommt eine Strafbarkeit des Arztes aus §§ 222, 13 StGB in Betracht.[922] Bekanntlich ist es umstritten, ob in Zweifelsfällen (bspw. die Nichtvornahme einer notwendigen Befunderhebung entweder vor der Diagnosestellung oder zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose mit der Folge, dass der Arzt eine der tatsächlich vorhandenen Erkrankung nicht gerecht werdende Behandlung durchführt[923]) der strafrechtliche Vorwurf an ein aktives Tun oder an ein Unterlassen anzuknüpfen ist.[924] Die Entscheidung hierüber hängt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ab, bei welcher Verhaltensform der Schwerpunkt liegt;[925] in den Worten des 4. Strafsenats:[926] „Die Rechtsprechung fasst die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen als Wertungsfrage auf, die nicht nach rein äußeren oder formalen Kriterien zu entscheiden ist, sondern eine wertende (normative) Betrachtung unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns verlangt. Maßgeblich ist insofern, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt.“ Dies läuft aber angesichts des Mangels an nachprüfbaren Kriterien[927] in Problemfällen darauf hinaus, mittels dieser jeglicher Überprüfbarkeit entzogenen Zuordnung das gewünschte Ergebnis vorzuprogrammieren.[928]
151
Deshalb dürfte es vorzugswürdig sein, die Prüfung der Strafbarkeit vorab nicht auf ein Begehen oder Unterlassen zu beschränken:[929] Wirkt der Täter durch Energieeinsatz[930] auf einen Kausalprozess ein, so liegt ein aktives Tun vor,[931] das auf seine strafrechtliche Relevanz hin zu überprüfen ist und nicht durch den Kunstgriff einer Umwertung in ein Unterlassen umgedeutet werden darf. Hat der Täter hingegen gar nicht aktiv gehandelt oder vermag sein aktives Handeln strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen, kann anschließend sein Unterlassen in den Blick genommen werden.[932] Sollten sowohl die Handlungs- als auch die Unterlassungskomponente zur Strafbarkeit führen, so würde dann auf der Konkurrenzebene das Unterlassungsdelikt hinter das Begehungsdelikt als subsidiär zurücktreten.[933]