Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 17
III. Objektive Vorhersehbarkeit des Verletzungserfolgs
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Der objektiven Vorhersehbarkeit des Verletzungs- oder Todes-Erfolgs kommt nach dem hier mit der herrschenden Lehre vertretenen Ansatz einer Restriktion der Erfolgszurechnung mittels der Lehre von der objektiven Zurechnung keine Bedeutung zu.[1027] Nach ständiger Rechtsprechung soll es beim fahrlässigen Erfolgsdelikt genügen, dass der Erfolg nur im Endergebnis, nicht auch im Kausalverlauf voraussehbar war.[1028] Etwas anderes soll dann gelten, wenn ein äußerst ungewöhnlicher Verlauf so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung lag, dass niemand mit diesem Erfolg zu rechnen brauchte.[1029] Tritt ein Erfolg mithin auf Grund einer fernliegenden, von einem Dritten herbeigeführten Zwischenursache ein, so soll die objektive Vorhersehbarkeit entfallen.[1030] In derartigen Konstellationen (bspw. bei einem zum Tode des Patienten führenden groben Behandlungsfehler desjenigen Arztes, der zur Behebung einer vom erstbehandelnden Arzt sorgfaltswidrig herbeigeführten Gesundheitsbeeinträchtigung tätig wurde) ist aber nach dem sog. Verantwortungsprinzip, wonach jeder sein Verhalten grundsätzlich nur darauf einzurichten hat, nicht selbst fremde Güter zu gefährden, nicht aber darauf, dass andere dies nicht tun,[1031] bereits die objektive Zurechnung ausgeschlossen,[1032] so dass es auf eine objektive Vorhersehbarkeit ohnehin nicht ankommt.[1033] Aber auch dann, wenn der Geschehensablauf als solcher so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung lag, dass niemand mit diesem Erfolg zu rechnen brauchte, entfällt bei einer derart inadäquaten Erfolgsherbeiführung mangels rechtlich relevanter Risiko-Schaffung bereits die objektive Zurechnung.[1034] War nicht der Tod eines Patienten, sondern nur dessen Körperverletzung voraussehbar, so ist nur § 229 StGB anzuwenden, auch wenn der Todeserfolg eingetreten ist.[1035]
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Schließlich ist daran zu erinnern, dass Fragen objektiver Vorhersehbarkeit der Erfolgsherbeiführung bereits bei der Beantwortung der Frage von Bedeutung sind, ob der Täter überhaupt sorgfaltswidrig gehandelt hat: Ein Erfolg, der nicht voraussehbar ist, kann bei der Überlegung, wie ein Verhalten einzurichten ist, um schädliche Auswirkungen zu vermeiden, nicht einkalkuliert werden. So konnten z.B. vor der Erkenntnis,[1036] dass bestimmte medikamentöse Behandlungen einer Schwangeren zu embryonalen Schädigungen führen können,[1037] derartige Erfolge nicht vorausgesehen und folglich auch nicht vermieden werden.[1038] Die Voraussehbarkeit eines Erfolges und damit dessen Kalkulierbarkeit[1039] ist – jeweils bezogen auf das zum Handlungszeitpunkt objektiv vorhandene Wissen von Ursache und Wirkung – Voraussetzung für die Vermeidbarkeit der Tatbestandsverwirklichung und damit Bestandteil des Handlungsunrechts.[1040]
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
1. Rechtfertigungsgründe (insbesondere Pflichtenkollision)
a) Risiko-Einwilligung
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Insoweit kommt in Fällen bewusster Unterschreitung des Facharztstandards sowie in Fällen fehlender Indikation für die Heilmaßnahme ein Strafbarkeitsausschluss infolge Konsenses des Patienten in Betracht. Zur Behandlung derartiger Fälle einer sog. Risiko-Einwilligung siehe Rn. 135 ff.
b) Rechtfertigende Pflichtenkollision beim Unterlassungsdelikt
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Sieht sich der Arzt in der (Garanten-)Pflicht, mehreren Patienten helfen zu müssen, ist es ihm aber nur möglich, lediglich einen Patienten – mit dem Risiko einer (weiteren) Schädigung eines anderen Patienten – zu versorgen, so ist nach den Grundsätzen der rechtfertigenden Pflichtenkollision zu unterscheiden. Eine derartige Fallgestaltung wird bei fahrlässigen Erfolgsdelikten dann eintreten, wenn der einen Patienten nicht behandelnde Arzt hinsichtlich der hierdurch bewirkten Gesundheitsverschlechterung oder gar des Todes des Patienten nicht vorsätzlich (zum Vorsatz siehe Rn. 187 ff.) handelt, er vielmehr nicht völlig grundlos darauf vertraut, dass eine gesundheitliche Verschlechterung unterbleibt oder der Patient noch rechtzeitig anderweitig wird behandeln werden können.[1041]
aa) Erfüllung der höherwertigen Pflicht
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Erfüllt der Arzt die höherwertige auf Kosten der geringwertigen Behandlungspflicht (versorgt er bspw. einen Schwerverletzten auf Kosten eines nur Leichtverletzten), so handelt er gerechtfertigt.
bb) Kollision gleichwertiger Pflichten
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Dasselbe gilt aber auch dann, wenn er bei einer Kollision[1042] gleichwertiger Pflichten – der Arzt kann von zwei ihm zur Behandlung anvertrauten Patienten nur das Leben des einen retten – wenigstens einer dieser Pflichten nachkommt.[1043] Die Rechtfertigungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass das Recht als Verhaltensordnung mit seinen Geboten nichts Unmögliches verlangen kann („impossibilium nulla obligatio est“). Anderenfalls würde die Rechtsordnung mit ihrer fehlenden Handlungsvorgabe den Handlungspflichtigen belasten und ihn dem Risiko einer Notwehrhandlung aussetzen.[1044] Der Verpflichtete muss deshalb eine Wahlmöglichkeit haben mit der Folge, dass seine Entscheidung, wie immer sie auch ausfällt, vom Recht akzeptiert wird.[1045] Anderenfalls würde jegliche Rettung blockiert sein, da der Erfüllung der einen Pflicht immer zugleich die Anweisung im Wege stünde, auch der anderen nachzukommen und umgekehrt.[1046] Verbrechenssystematisch (nicht allerdings für das Ergebnis) dürfte es allerdings folgerichtiger sein, die Rechtfertigungslösung überhaupt aufzugeben und die Kollision mehrerer Handlungspflichten als ein bereits dem Tatbestand zuzuordnendes Problem der Pflichtbegrenzung anzusehen.[1047]
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Kollidieren Handlungspflichten, die vom betroffenen Rechtsgutsobjekt her als gleichwertig anzusehen sind[1048] (also Garantenpflichten gegenüber mehreren Patienten), so bestimmt sich deren ggf. im Einzelfall dann doch unterschiedliche Wertigkeit nach dem Grad der konkreten Schutzwürdigkeit der Rechtsgüter, auf deren Erhaltung sie sich richten. Hierbei kommt es – wie im Falle des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB)[1049] – nicht allein auf den abstrakten Stellenwert der Rechtsgüter an. Vielmehr können im Einzelfall noch weitere Umstände von Bedeutung sein, wie etwa die unterschiedliche Nähe der drohenden Gefahren (z.B. entfernte Lebensgefahr für einen Patienten, hingegen akute Gefahr eines schweren Gesundheitsschadens für einen anderen, der dann auch von Rechts wegen zuerst zu versorgen ist). Auch das Ausmaß der drohenden Verletzung bei gleichwertigen Rechtsgütern ist relevant mit der Konsequenz, dass die Pflicht, die auf die Beseitigung der größeren Gefahr gerichtet ist, Vorrang beansprucht.[1050] Keine Bedeutung hat dagegen das Verschulden eines der Betroffenen: Die nach den soeben genannten Kriterien legitimierte Behandlung eines von zwei zur Notfallversorgung eingelieferten Unfallbeteiligten ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Arzt dem zeitgleich eingelieferten Patienten hilft, der den Unfall verschuldet hat.[1051] Unerheblich[1052] sind auch (utilitaristische) Kriterien wie etwa die größere Erfolgsaussicht einer Maßnahme (sofern nicht wegen Aussichtslosigkeit die Behandlungspflicht ohnehin entfällt[1053]) und – angesichts der Gleichwertigkeit aller Lebenden, aus der ein Eigenschaftsbewertungsverbot resultiert[1054] – die Überlebensdauer, das Alter[1055] oder der soziale Status[1056] des Betroffenen, was auch bei Knappheit medizinischer Ressourcen gelten muss.[1057] Noch weitgehend ungeklärt ist allerdings, ob bei gleich schutzwürdigen Gütern die bereits begonnene Erfüllung der einen Pflicht deren Wert erhöht mit der Folge, dass sie den Vorrang hat. Hier spricht nicht zuletzt die Sicherung des Rechtsfriedens sowie die ohnehin nicht zu eskamotierende Schwierigkeit, den Grad der Schutzwürdigkeit der Rechtsgüter zu bestimmen, dafür, mit Rönnau[1058] darauf abzuheben, dass „wer (die Rettungschance) hat, der hat“: Wenn eine Auswahlentscheidung dringend zu treffen, hierbei aber keine materielle Verteilungsgerechtigkeit erreichbar ist, kommt dem Prioritätsprinzip als Instrument formaler Chancengleichheit zur Verwirklichung unparteiischer Verfahrensgerechtigkeit entscheidende Bedeutung zu.[1059] Somit wäre das – als bloßes Unterlassen der Fortsetzung einer Rettung zu bewertende – Beenden der Behandlung des einen Patienten, um einen zwischenzeitlich ebenfalls zur Versorgung anstehenden anderen Patienten mit höherer Lebensgefährdung zu behandeln, nicht gerechtfertigt,[1060] es sei denn, die Lebenserhaltung wäre bei dem in Behandlung befindlichen Patienten nur noch für einen sehr geringen Zeitraum möglich (sog. quantitative Sinnlosigkeit der Lebenserhaltung[1061]).[1062]
cc) Kollision ungleichartiger Pflichten
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In dieser Konstellation ist hingegen auch die Art der Pflicht zu berücksichtigen.[1063] Von Bedeutung ist dies, wenn eine Garantenpflicht des Arztes mit einer schlichten Handlungspflicht konkurriert: Da der Garant speziell für die Unversehrtheit des einen Rechtsguts in besonderem Maß verantwortlich ist, muss dieses auch das bessere Recht auf Schutz haben, es sei denn, bei der anderen (Jedermanns-)Pflicht stünden ungleich wichtigere Interessen auf dem Spiel.[1064] Soweit mithin eine Garantenpflicht mit einer Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB zusammentrifft (bspw. könnte der zu seinem Patienten gerufene Arzt unterwegs bei einem Unfall einem Unfallbeteiligten die erforderliche Hilfe leisten), so ist zu beachten, dass die Pflicht des § 323c StGB von vornherein nicht entsteht,[1065] wenn der Täter „andere wichtige (nicht: wichtigere!) Pflichten“ zu erfüllen hat, weshalb es in diesem Fall gar nicht erst zu einer Pflichtenkollision kommt.[1066] Es kann hier auch dann keine Wahlmöglichkeit geben,[1067] wenn es um mehrere Menschenleben geht: In dem genannten Fall muss der Arzt, dieselbe Dringlichkeit vorausgesetzt, mangels einer Hilfspflicht i.S.d. § 323c StGB seinem Patienten helfen. Tut er dies nicht und versorgt stattdessen ein oder mehrere Unfallopfer, so kommt bezüglich der Nichterfüllung des Garantengebots allenfalls[1068] ein übergesetzlicher entschuldigender Notstand[1069] in Betracht.
dd) Zusammentreffen von Handlungspflicht und Unterlassungspflicht
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Da das Institut der rechtfertigenden Pflichtenkollision auf ein Zusammentreffen zweier Handlungspflichten zu beschränken ist,[1070] fällt ein Zusammentreffen einer ärztlichen Handlungspflicht (bspw. zur Durchführung einer vital indizierten Operation) sowie einer Unterlassungspflicht (Unzulässigkeit[1071] einer Heilbehandlung infolge eines vom Patienten aktuell bzw. vorab in seiner Patientenverfügung erklärten Behandlungsvetos) von vornherein nicht in ihren Anwendungsbereich. Diese scheinbare Kollision miteinander unvereinbarer Gebote der Rechtsordnung unterliegt i.Ü. auch nicht den Regeln des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB),[1072] da es von vornherein an einer Kollisionslage (nicht anders abwendbare Gefahr) fehlt: Da eine gegen den Willen des Patienten vorgenommene Heilbehandlung gegen dessen grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte (zumindest[1073] Art. 2 Abs. 2 GG sowie Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG sind einschlägig[1074]) verstößt, entfällt angesichts dieses Behandlungsverbots die ärztliche Behandlungspflicht. Dass in dieser Situation ein Verbot mit einem Gebot kollidiert, führt zu keinen weitergehenden Eingriffsrechten.[1075]
2. Schuldvorwurf
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Ein Schuldvorwurf kann wie auch sonst bei Fahrlässigkeitsdelikten gegen den Arzt nur dann erhoben werden, wenn er nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der für den Schuldvorwurf maßgeblichen Situation in der Lage war, die ihm obliegende Sorgfaltspflicht zu erkennen und zu erfüllen, sowie einen zur Tatbestandserfüllung gehörenden Erfolg vorauszusehen.[1076] Des Weiteren muss ihm ein normgerechtes Verhalten zumutbar gewesen sein.
a) Subjektive Pflichtwidrigkeit[1077]
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Zur Wahrung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Schuldprinzips[1078] ist – anders als im Zivilrecht mit seinem auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteten rein objektivem Fahrlässigkeitsmaßstab[1079] – zur Beantwortung der Frage, ob der Täter die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in vorwerfbarer Weise nicht beachtet hat, ein subjektiver Maßstab anzulegen. Dies bedeutet, dass der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten, Kräften, Erfahrungen und Kenntnissen in der kritischen Situation die sorgfaltswidrige Handlung und den Erfolg hätte vermeiden können. Als Umstände, die den Täter entlasten können, sind etwa intellektuelle oder körperliche Mängel, Altersabbau sowie mangelndes Erfahrungswissen anzusehen. Diese Subjektivierung des Maßstabes darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei der Beurteilung der persönlichen Fähigkeiten von allgemeinen Erfahrungssätzen und damit im Regelfall vom Vorliegen einer Fahrlässigkeitsschuld ausgegangen wird, sofern gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.[1080] Würde man sich nämlich eine dem Beschuldigten an Lebensalter, Intelligenz und Kenntnissen vergleichbare Person vorstellen und sich fragen, ob dieser andere „nach unseren Erfahrungen fähig gewesen wäre, den Anforderungen an die … Sorgfalt zu genügen, die zur Vermeidung des tatbestandsmäßigen Erfolges zu stellen waren“,[1081] so würde diese Orientierung an „ominösen ‚Maßfiguren‘ und einer diffusen ‚allgemeinen Lebenserfahrung‘“[1082] mit der damit verbundenen partiellen Objektivierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs auch im Schuldbereich den allein schuldangemessenen individualisierenden Maßstab unzulässig überspielen.[1083]
aa) Einzelfälle
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Einzelfälle: Bei nachträglicher Verschärfung einer Verhaltensnorm (bspw. im Falle einer von der Rechtsprechung als unzulänglich erkannten Leitlinie) entfällt regelmäßig eine auch individuell vorwerfbare Sorgfaltspflichtverletzung.[1084] Es ist mithin zwischen der mit Zukunftswirkung zu verschärfenden Verhaltensnorm und dem für das Täterverhalten maßgeblichen, ex ante geltenden Verhaltensunrecht zu trennen.[1085] – Im Falle infolge überdurchschnittlicher Fähigkeiten objektiv erhöhter Anforderungen an die vom Arzt einzuhaltende Sorgfalt (oben unter Rn. 67) ist zu beachten, dass dieses Höchstmaß an Leistung, das der Täter zu erbringen imstande ist, zwar die Grundlage der für ihn geltenden Sorgfaltspflicht bildet, von ihm aber nicht von Rechts wegen erwartet werden darf, diesen Idealanforderungen stets zu genügen. So kann im Einzelfalle ein individueller Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen, wenn bei einer schwierigen Operation, die infolge nicht vorhersehbarer Komplikationen über mehrere Stunden dauert, dem dann übermüdeten Chirurgen ein Fehler unterläuft, der angesichts seiner im Regelfall erhöhten Leistungsfähigkeit als objektiv sorgfaltswidrig einzustufen ist. – Auch wird in einer Notfallsituation, in der einem Patienten keine andere Hilfe zuteilwerden kann, eine den objektiv gebotenen Standard unterschreitende Eilmaßnahme des hierfür nicht hinreichend qualifizierten Arztes zumindest schuldlos erfolgen.[1086] – Missversteht eine Krankenschwester eine mündliche ärztliche Anordnung und verabreicht dem Patienten infolgedessen eine erhöhte und deshalb für ihn tödliche Dosis (50 anstelle von 5 ccm Chloroform), so besteht für sie kein Anlass, hierzu bei anderen Krankenschwestern ausdrücklich nachzufragen.[1087] – Wäre eine besondere Narkoseanfälligkeit des Patienten auch bei Hinzuziehung eines Facharztes möglicherweise nicht entdeckt worden, so fehlt es bei dem für die tödliche Narkose verantwortlichen Arzt zumindest an der individuellen Sorgfaltswidrigkeit.[1088]
bb) Fahrlässige Tätigkeitsübernahme
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Kann gegen den Arzt (bspw. wegen mangelnder Fachkenntnisse oder Ermüdung) ein Schuldvorwurf in der konkreten Handlungssituation nicht erhoben werden, so kann aber möglicherweise ein – auch subjektiv zurechenbarer – Fahrlässigkeitsvorwurf nach den Grundsätzen der Übernahmefahrlässigkeit erhoben werden. Bei einer objektiv pflichtwidrigen Tätigkeitsübernahme kommt ein Schuldvorwurf jedoch nur dann in Betracht, wenn der Täter weiß oder zumindest hätte wissen können, welche Gefahren für den Patienten er zu meistern hat und welche Fähigkeiten hierfür erforderlich sind.[1089] So würde im Falle einer infolge Altersabbaus reduzierten individuellen Leistungsfähigkeit der Arzt nur dann schuldhaft handeln, wenn ihm dieser Abbau entweder bekannt oder zumindest erkennbar war.[1090] Kann ein Arzt infolge Übermüdung die objektiv gebotene Sorgfalt nicht (mehr) einhalten, so wird ihm im Regelfall ein Schuldvorwurf zu machen sein, da Ermüdungsanzeichen ihm ein hinreichendes „Veranlassungsmoment“[1091] hätten sein müssen, von seiner den Patienten schädigenden Verhaltensweise Abstand zu nehmen.[1092] Es kann von Ärzten aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung erwartet werden, dass sie besser als andere beurteilen können, wann allgemein mit einem im Schutzinteresse des Patienten nicht mehr zu tolerierenden Nachlassen der körperlichen und geistigen Fähigkeit des operierenden Arztes zu rechnen ist.[1093] Auch verlangt die – insoweit durchaus in das Strafrecht zu übertragende – Zivilrechtsprechung, dass der Arzt (auch ein Berufsanfänger) sich selbstkritisch prüft, ob er über die für die Behandlungsmaßnahme erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.[1094] Insoweit wird gerade von einem Berufsanfänger erwartet, dass „er gegenüber seinen Fähigkeiten besonders selbstkritisch und sich der u.U. lebensbedrohenden Gefahren für einen Patienten bewußt ist, die er durch gedankenloses Festhalten an einem Behandlungsplan, durch Mangel an Umsicht oder das vorschnelle Unterdrücken von Zweifeln heraufbeschwören kann.“[1095] In Bezug auf Pflichten einer ärztlichen Berufsanfängerin betonte der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass „berufliche Unerfahrenheit und eine Überforderung (einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit) … nicht entgegen(steht), weil es rechtlich auf die auch von der Anfängerin zu erwartende Einsicht in ihre nicht ausreichenden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen angesichts der für sie erkennbaren unklaren und für den Patienten gefährlichen Umstände ankommt.“[1096] Konnte der noch nicht hinreichend berufserfahrene Arzt aber im Einzelfall nicht erkennen, dass seine mindere Qualifikation den Patienten gefährden könnte, dann fehlt es am individuellen Fahrlässigkeitsvorwurf.[1097]
b) Subjektive Vorhersehbarkeit
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Das Merkmal individueller Vorhersehbarkeit entspricht dem des Wissenselements beim Vorsatz: Dem Täter muss es möglich gewesen sein, diejenigen Elemente des Geschehens zu erkennen, die ihm im Falle vorsätzlichen Handelns hätten bekannt sein müssen. Nach der Rechtsprechung[1098] muss der Erfolg nur im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahin führenden Kausalverlaufs voraussehbar gewesen sein. Die Verantwortlichkeit soll aber für solche Ereignisse entfallen, die „so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegen, dass sie der Täter auch bei der nach den Umständen dieses Falls gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden sorgfältigen Überlegungen nicht zu berücksichtigen brauchte“.[1099] Diese Maßstäbe der Vorhersehbarkeit sind rein subjektiv zu bestimmen, und zwar in ex-ante-Betrachtung, bezogen auf die Lage und Person des Arztes zum Zeitpunkt der Behandlung.[1100] Maßgeblich ist somit nur dasjenige, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten[1101] in der konkreten Situation als möglich hätte vorhersehen können. Ihm dürfen also in der Fahrlässigkeitsschuld keine Folgen nur deshalb zugerechnet werden, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, dass derartige Folgen durch Handlungen der in Frage stehenden Art herbeigeführt werden. Die Frage, womit „man“ rechnen könne und in welchem Umfang der eingetretene Ablauf und die eingetretenen Folgen im Rahmen des nach normaler menschlicher Erfahrung Möglichen liegen, ist bereits (und nur) i.Z.m. der objektiven Vorhersehbarkeit im Rahmen der objektiven Zurechnung zu berücksichtigen.[1102] Im Bereich der Vorwerfbarkeit ist dagegen der Nachweis erforderlich, dass der Täter in diesem konkreten Falle mit der Möglichkeit hätte rechnen können, dass derartige Erfolge durch seine Handlung herbeigeführt würden.[1103] Es kommt entscheidend darauf an, dass der Täter wenigstens Veranlassung hatte anzunehmen, dass sein Verhalten riskant sei und daher zu einem Erfolg führen könnte,[1104] wobei allerdings die bloße Erkennbarkeit dieser besonderen Veranlassung genügt.[1105] Allerdings haben ältere strafgerichtliche Entscheidungen mitunter Erfolge bereits dann zur Last gelegt, wenn nach allgemeiner Erfahrung mit ihnen zu rechnen war. Bei einem durch Sondernormen definierten Sorgfaltsmaßstab (im Bereich der Heilbehandlung konturiert durch Leitlinien, siehe Rn. 15 ff.) hat das OLG Düsseldorf[1106] aus dem objektiv vorauszusetzenden Kenntnisstand hinreichende Rückschlüsse auf die individuelle Vorhersehbarkeit zugelassen. Derartiges Schlussfolgern,[1107] das aus der Feststellungsnot der Praxis geboren ist,[1108] ist nicht unbedenklich.[1109] Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass dem Verursacher einer Verletzung alles zur Last fällt, was nach allgemeiner Erfahrung aus der Verletzung entstehen kann. Dann würden nämlich – wie bei der rein objektiv zu bestimmenden zivilrechtlichen Fahrlässigkeit – in unzulässiger Weise Adäquanzkriterien zur Beurteilung individueller Fahrlässigkeit herangezogen.[1110]
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Auch im Bereich der Heilbehandlung wirft die Feststellung der subjektiven Voraussehbarkeit im Falle bewusster Fahrlässigkeit keine besonderen Probleme auf: Der Täter hat dann ja über die Gefährlichkeit seines Verhaltens und die Möglichkeit des Erfolgseintritts reflektiert, aber pflichtwidrig darauf gehofft, dass diese sich nicht realisieren werde.[1111] Im Falle unbewusster Fahrlässigkeit hingegen fehlt dem Täter die Voraussicht im Hinblick auf den Erfolg; er hätte sich aber der Gefahr und damit der Möglichkeit eines Schadens bewusst werden können. Auch bei der unbewussten Fahrlässigkeit haben aber die individuellen Fähigkeiten des Täters (wie etwa Intelligenz, körperliche Leistungsfähigkeit, Vorbildung, Erfahrungswissen) den alleinigen Maßstab dafür abzugeben, ob er den Erfolg vorhersehen konnte. Dies setzt mindestens voraus, dass der Täter nach seiner bisherigen Erfahrung den Impuls zur Überprüfung der Gefährlichkeit seines Verhaltens spürt oder sich diese Gefahr ihm nach seinem bisherigen Erfahrungswissen aufdrängen musste. Dabei kommt es entscheidend darauf an, in welchen Lebensbereich die gefährliche Handlung fällt: Je komplizierter der Lebensvorgang ist, in dem sich ein möglicherweise gefährlicher Kausalzusammenhang abspielt, desto sorgfältiger ist zu prüfen, ob der Täter nach seinen Fähigkeiten eine Einsicht in die Gefährlichkeit des Vorgangs gewinnen konnte. Dies darf gerade im Bereich ärztlicher Heilbehandlung nicht außer Acht gelassen werden. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich Handlungsvollzüge, deren Gefährlichkeit für jedermann derart auf der Hand liegen (bspw. das Nichtbeachten elementarer Hygienevoraussetzungen), dass eine Patientenschädigung und der mögliche Kausalzusammenhang einfach genug sind, „um auch dem beschränktesten Gemüt einzuleuchten.“[1112] Da dann im Allgemeinen auch von jedermann die notwendige Voraussicht erwartet werden kann und muss, dürfte die Begründung des individuellen Schuldvorwurfs nicht schwerfallen. Allerdings finden sich in der Rechtspraxis durchaus (nicht veröffentlichte) Fälle von ärztlichen Patientenschädigungen, in denen die subjektive Vorhersehbarkeit verneint wurde.[1113]