Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 18

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c) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens

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Die Unzumutbarkeit bildet keinen allgemeinen übergesetzlichen Entschuldigungsgrund.[1114] Ein derartiger allgemein anwendbarer Entschuldigungsgrund lässt sich auch nicht aus dem Verfassungsrecht ableiten.[1115] Die gilt gerade für den Bereich der vorsätzlichen Begehungsdelikte.[1116] Dort ist über die gesetzlich anerkannten Fälle hinaus[1117] nur die Entstehung einzelner, inhaltlich begrenzter Entschuldigungsgründe im Wege vorsichtiger Analogie möglich, sofern Unrecht und Schuld in gleichem Maß gemildert sind wie in den geregelten Fällen. I.Ü. kann der (Un-)Zumutbarkeit nur die Funktion eines „regulativen Prinzips“ (Henkel[1118]) bei der Auslegung einzelner Vorschriften zukommen.[1119]

aa) Allgemeines Regulativ

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Auch bei Fahrlässigkeitsdelikten hat die Unzumutbarkeit die Funktion eines allgemeinen Regulativs. Abgesehen davon, dass Zumutbarkeitserwägungen schon die objektive Sorgfaltspflicht begrenzen können,[1120] gilt hier der Grundsatz, dass den Täter ein Fahrlässigkeitsschuldvorwurf nicht trifft, wenn ihm die Erfüllung der objektiven Sorgfaltspflicht unzumutbar war.[1121] Zwar ist umstritten, ob dies daraus folgt, dass hier das Maß der vom Täter persönlich zu verlangenden Sorgfalt entsprechend begrenzt ist[1122] oder ob die Unzumutbarkeit bei Fahrlässigkeitsdelikten einen allgemeinen übergesetzlichen Entschuldigungsgrund darstellt.[1123] Dem Zumutbarkeitsgedanken dürfte in diesem Zusammenhang eine doppelte Funktion zukommen:[1124] Geht es darum, was gerade dieser Täter hätte erkennen bzw. voraussehen können, so können auch, wenn kein Fall des individuellen Unvermögens vorliegt, Zumutbarkeitserwägungen schon die den Täter persönlich treffende Sorgfaltspflicht begrenzen und insoweit dem Fahrlässigkeitsschuldvorwurf bereits die Grundlage entziehen, so etwa dann, wenn er sich zwar durch Ausschöpfung aller ihm zugänglichen Erkenntnismittel das erforderliche Wissen hätte verschaffen können, von ihm aber billigerweise nicht mehr, als er tatsächlich getan hat, verlangt werden konnte.[1125] Dies kann für die ärztliche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit dann belangvoll sein, wenn ihm – objektiv zu Recht – vorgehalten wird, er habe sich nicht hinreichend weitergebildet[1126] oder hochentwickelte technische Geräte nicht hinreichend kontrolliert.[1127] Insoweit kann insbesondere Arbeitsüberlastung im Einzelfall den Vorwurf individueller Sorgfaltswidrigkeit entfallen lassen. In seiner zweiten Bedeutung tritt der Zumutbarkeitsgedanke bei fahrlässigen Erfolgsdelikten dann in Erscheinung, wenn der Täter zwar wusste oder (in für ihn zumutbarer Weise) hätte erkennen können, dass er die objektiv gebotene Sorgfalt verletzt, ihm die Unterlassung des unsorgfältigen Tuns aber mit Rücksicht auf sonst eintretende Nachteile nicht zumutbar war.[1128] In dieser Funktion stellt die Unzumutbarkeit einen übergesetzlichen Entschuldigungsgrund dar, der wegen des geringeren Unwertgehalts der Fahrlässigkeit nicht auf den engen Bereich des § 35 StGB beschränkt ist. Hier ist der Täter grundsätzlich umso eher entschuldigt, je erheblicher bei objektiver Wertung[1129] der ihm drohende Nachteil und je geringer die Gefahr nach Art, Umfang und Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts (mithin auch der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Rettungserfolges)[1130] ist.[1131] Angesichts der hochrangigen Rechtsgüter, die bei fahrlässigem ärztlichem Verhalten verletzt werden können (Leben oder Gesundheit), dürfte Unzumutbarkeit in Form dieses übergesetzlichen Entschuldigungsgrundes allerdings regelmäßig entfallen. So kann sich bspw. ein in der Ausbildung befindlicher Arzt nicht durchschlagend darauf berufen, der ihm gegenüber weisungsberechtigte Facharzt habe ihn für eine selbständig durchzuführende Operation eingeteilt, der er fachlich möglicherweise nicht gewachsen war. Ihm ist vielmehr „zuzumuten, dagegen seine Bedenken zu äußern und notfalls eine Operation ohne Aufsicht abzulehnen. Das muss auch dann gelten, wenn er, was sicher nicht fern liegt, sich dadurch möglicherweise Schwierigkeiten für sein Fortkommen aussetzen sollte. Gegenüber einem solchen Konflikt des Assistenzarztes wiegt die Sorge um die Gesundheit und das Leben des Patienten, der mit Recht die bestmögliche ärztliche Betreuung erwartet, stets schwerer.“[1132] Die Unzumutbarkeit richtet sich also nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen. Sie ist vielmehr nach einem objektivierten, an den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen orientierten Maßstab zu bestimmen.[1133]

bb) Unzumutbarkeit bei Unterlassungsdelikten

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Hingegen ist der Gedanke der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei Unterlassungsdelikten in weiterem Umfang anzuerkennen als bei Begehungsdelikten und über § 35 StGB hinaus auch in anderen Fällen zu berücksichtigen, in denen die Vornahme der Handlung eigene billigenswerte Interessen gefährden würde.[1134] Dies ist damit zu rechtfertigen, dass das Unterlassen vielfach weniger schwer wiegt als die Vornahme einer verbotenen Handlung, was auch für unechte Unterlassungsdelikte gilt (vgl. § 13 Abs. 2 StGB).[1135] Allerdings hat ein Arzt seinen Patienten auch bei Ansteckungsgefahr weiter zu behandeln: Zwar ist grundsätzlich auch das Eingehen konkreter Leibesgefahren unzumutbar. Dies gilt aber nicht für Personen mit besonderen Gefahrtragungspflichten. Diese haben im Rahmen ihres besonderen Pflichtenkreises hieraus erwachsende Gefahren hinzunehmen.[1136] Freilich bildet die Unzumutbarkeit hier nicht erst einen Entschuldigungsgrund. Vielmehr begrenzt sie bei Unterlassungsdelikten bereits den Umfang der Handlungspflicht und damit – ggf. für Teilnahme und Irrtum relevant – die Tatbestandsmäßigkeit des Unterlassens.[1137] Insoweit sei an die Ausführungen zur fehlenden Strafbarkeit eines Arztes erinnert, der die Übernahme eines Kranken straffrei ablehnen kann, sofern die für diese Behandlung notwendigen Behandlungsmaßnahmen rechtswirksam aus dem sozialgesetzlichen Leistungskatalog ausgegrenzt worden sind (Rn. 57, aber auch Rn. 68). Liegt ein Unglücksfall i.S.v. § 323c StGB vor, dann stellt sich ebenfalls die Frage nach der Unzumutbarkeit budgetüberschreitender Krankheitsbehandlungspflichten. Dies dürfte lediglich im Falle einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung anzunehmen sein.[1138]

D. Nachbemerkung
I. Behandlungsfehler und Vorsatzdelikt

1. Fehlen des Vorsatzes

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Unterläuft einem Arzt ein Behandlungsfehler, so wird in der Regel seine Strafbarkeit nur unter dem Blickwinkel eines fahrlässigen Erfolgsdelikts (§§ 222, 229 StGB) in Betracht kommen: Regelmäßig wird er – angesichts der ihn leitenden, auf die Verbesserung des gesundheitlichen Zustands seines Patienten gerichteten Intention – in Bezug auf eine unerwünschte Folge seiner Heilbehandlung ohne Körperverletzungs- oder Tötungs-Vorsatz handeln.[1139] Grundsätzlich ist davon auszugehen,[1140] dass ein Arzt die Heilung oder zumindest Verbesserung des Gesundheitszustandes seiner Patienten (bzw. im Rahmen einer „Schönheitsoperation“ die fachgerechte Umsetzung der Patientenwünsche) beabsichtigt, mithin das genaue Gegenteil einer Schädigung im Sinne hat.[1141] Er will normalerweise seine Patienten nicht an ihrer Gesundheit schädigen, sondern ihnen helfen. Dennoch von ihm bewirkte vermeidbare Patienten-Schädigungen werden zumeist auf mangelnder Erfahrung und mangelndem Wissen, vielleicht auch auf mangelnder Prüfung der Sachlage, nicht aber auf einer wissentlichen und willentlichen Zufügung gesundheitlicher Nachteile beruhen.[1142]

2. Eventualvorsatz

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Nach der – hier nicht weiter zu diskutierenden[1143] – Rechtsprechung handelt derjenige mit Eventualvorsatz, der „den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Ziels willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.“[1144]

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Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass dieses „Billigen im Rechtssinne“ keine positive Gefühlseinstellung des Täters zum Erfolg verlangt, sondern auch dann vorliegen kann, wenn dem Täter der eingetretene Erfolg an sich unerwünscht ist.[1145] Da mithin kein als Zustimmung begreifbarer psychischer Sachverhalt zum Ausdruck gebracht wird,[1146] ergibt das von der Rechtsprechung nach wie vor formelhaft herangezogene „Billigen“ keinen rechten Sinn. Sachentsprechend wird deshalb in der Literatur (sog. Ernstnahmetheorie)[1147] für den dolus eventualis gefordert, dass der Täter sich um des erstrebten Ziels willen mit der – ernsthaft für möglich gehaltenen – Tatbestandsverwirklichung abfindet; bewusst fahrlässig handelt hingegen, wer ernsthaft darauf vertraut, eine für möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung werde nicht eintreten. Hiermit wird terminologisch klargestellt, dass – so ja im Ergebnis auch die Rechtsprechung – eine positive emotionale Beziehung des Täters zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist.

3. Rechtspraktische Problematik[1148]

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Diese liegt auch im arztstrafrechtlichen Bereich in der nicht zu leugnenden Schwierigkeit, die als solche nicht feststellbaren inneren Tatsachen sowohl hinsichtlich des voluntativen als auch des kognitiven Vorsatzelements im Strafverfahren anhand von Indizien beweiskräftig festzustellen.[1149] In die hierfür notwendige Gesamtschau aller Umstände, die für oder gegen die Annahme des Eventualvorsatzes sprechen,[1150] ist im Fall von Tötungsdelikten nach der Rechtsprechung auch die im Verhältnis zur bloßen Verletzung höhere Hemmschwelle gegenüber einer Tötung einzubeziehen:[1151] Ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit einer Handlung auf bedingten Tötungsvorsatz ist zwar grundsätzlich möglich, aber durch Einzelfallumstände eben auch widerlegbar.

a) Arztstrafrechtliche Verfahren

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Hier steht einem Tötungsvorsatz die auf Heilung (bzw. „Verbesserung“ i.Z.m. wunscherfüllender Medizin) gerichtete Motivation zunächst einmal diametral entgegen.[1152] Auch bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes wird die Annahme, dass die Art und Weise der Behandlung eines Patienten durch einen Arzt nicht am Wohl des Patienten orientiert war, häufig fern liegen, so dass die ausdrückliche Erörterung der Frage, ob der Arzt den Patienten vorsätzlich an Leben oder Gesundheit geschädigt hat, nur unter besonderen Umständen geboten ist.[1153] Derartige Konstellationen sind insbesondere dann denkbar, wenn ein Arzt die zur Rettung seines Patienten gebotene Einschaltung anderer Personen deshalb unterlässt, weil er vorangegangene schwere Behandlungsfehler zu verbergen trachtet.[1154] Liegen entsprechende Fehlleistungen vor, legt der Arzt bei erkannter Lebensgefahr für seinen Patienten gar ein Verhalten an den Tag, mit dem er zum Ausdruck bringt, notfalls „auch über Leichen voranzuschreiten“,[1155] dann ist die richterliche Feststellung bedingten Tötungsvorsatzes, die ja weniger ein psychologischer Erkenntnis- als vielmehr ein normativer Zuschreibungsakt ist,[1156] auch im Arztstrafrecht möglich. Bei bewusstem Eingehen eines hohen Risikos durch einen Arzt, dem hierbei erhebliche Sorgfaltspflichtverletzungen unterlaufen, kann ein richterlicher Schluss, dass beim Arzt dolus eventualis vorlag, durchaus naheliegend sein.[1157]

b) Indizien

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Auf ein gegenläufiges Indiz weisen Lindemann/Wostry[1158] zurecht hin, nämlich die Etablierung organisatorischer Strukturen zur Schadensvermeidung und deren jedenfalls grundsätzliche Einhaltung durch den Arzt. Dies gibt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung Anlass, dieser gegen die Annahme von dolus eventualis sprechenden Gegenanzeige nachzuspüren: Hält sich der Arzt nämlich weitgehend an diese auf Vermeidung haftungsrechtlicher Folgen abzielenden (Compliance-)Vorgaben, so liegt es nahe anzunehmen, dass sein Verhalten darauf abzielte, einen patientenschädlichen Erfolg zu vermeiden. Entsprechendes gilt bei Befolgen des „Behandlungsprogramms“, das in einer aktuellen Leitlinie dokumentiert ist. Entsprechen diese Vorgaben dem anerkannten ärztlichen Standard, so kann ein diese Vorgaben grundsätzlich befolgender Arzt auch bei riskantem Verhalten, das die Grenzen des vom Facharztstandards umrissenen erlaubten und in den genannten Vorgaben korrekt umschriebenen, Risikos – von ihm auch erkannt – partiell überschreitet, durchaus berechtigt auf das Ausbleiben der Patientenschädigung vertraut und damit unvorsätzlich gehandelt haben.

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Umgekehrt liegt die Annahme einer für die Annahme des dolus eventualis von der Rechtsprechung geforderten „Billigung des Erfolges“ beweisrechtlich nahe,[1159] wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, oder er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.[1160] Bei derart tatsachenfundierter Gefahreneinschätzung[1161] vermag auch die vage Hoffnung, jene Gefahr würde sich wider Erwarten nicht verwirklichen, alles würde schon „gut gehen“, den dolus eventualis nicht auszuschließen; mit anderen Worten: Was einem die Vernunft sagt, kann nicht durch bloßes Gottvertrauen verdrängt werden.[1162] Es ist aber insoweit stets eine tatrichterliche Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Handlungsziele des Täters erforderlich.[1163] Kann im Einzelfall dann ausnahmsweise einmal bedingter Tötungsvorsatz festgestellt werden, so liegt im Übrigen auch eine Prüfung von Mordmerkmalen nahe.[1164]

4. Vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen

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Im Gegensatz zu den sicherlich selten Ärzten zur Last zu legenden vorsätzlichen Tötungsdelikten[1165] (durch Unterlassen) dürften in der Praxis hingegen Fallgestaltungen durchaus anzutreffen sein, die zu einer zumindest billigend in Kauf genommenen Körperverletzung des Patienten führen. Zu denken ist insoweit namentlich an den Bereich einer möglichen und auch rechtlich gebotenen Schmerzbekämpfung:[1166] Unterlässt der behandelnde Arzt die gebotenen Maßnahmen zur Schmerzlinderung, so verwirklicht er durch sein Untätigbleiben den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223, 13 StGB).[1167] Paradigmatisch ist insoweit ein von Ulsenheimer/Gaede mitgeteilter (hier abgekürzter) Sachverhalt anzuführen,[1168] bei dem ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Köperverletzung durch Unterlassen letztendlich[1169] mit einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO beendet wurde: Ein Gynäkologe hatte bei einer Saugkürettage trotz entsprechender Hinweise der Patientin eine zu geringe Anästhesie-Dosis eingesetzt, so dass sie nicht unerhebliche Schmerzen zu ertragen hatte. Eher selten dürften hingegen Fallgestaltungen sein, in denen ein Arzt die von ihm begonnene Operation unterbricht, um einen Fernreise-Flug zu erreichen, woraufhin seine Patientin ungefähr eine Stunde stark blutend und anästhesiert im Operationssaal lag, bis ein anderer Arzt den Eingriff zu Ende führen konnte.[1170] Für die Annahme des ärztlichen Erfolgsvorsatzes genügt es sowohl bei einem vollendeten als auch bei einem versuchten Unterlassungsdelikt,[1171] dass der Täter den Erfolgseintritt für möglich hält; ein Täterbewusstsein, dass bei seinem fiktiven Handeln eine Erfolgsvermeidung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einträte, ist hingegen nicht erforderlich.[1172]

5. Körperverletzungsvorsatz bei unwirksamer Einwilligung

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Ist hingegen eine Einwilligung des Patienten in den Heileingriff infolge fehlender oder mangelhafter Aufklärung unwirksam, so liegt nach ständiger Rechtsprechung und einem Teil der Lehre eine tatbestandsmäßige vorsätzliche Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB vor.[1173] Ist hiermit dann eine schwere Folge (also eine gravierende Gesundheitsbeschädigung oder gar der Tod des Patienten) verbunden, so kommt ärztliche Strafbarkeit nach §§ 226, 227 StGB in Betracht. Bei diesen erfolgsqualifizierten Delikten würde dann gemäß § 18 StGB bereits einfache Fahrlässigkeit[1174] hinsichtlich einer dem Arzt unerwünschten Folge der Heilbehandlung zur erhöhten Strafbarkeit führen.[1175]

II. Strafverfahrensrechtliche Konsequenzen des § 630c Abs. 2 S. 3 BGB

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Gemäß der Neuregelung[1176] von § 630c Abs. 2 S. 2 BGB[1177] hat der Behandelnde seinen Patienten auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren über erkennbare Umstände zu informieren, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen könnten.[1178] Das Patientenrechtegesetz[1179] brachte zusätzlich mit § 630c Abs. 2 S. 3 BGB eine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Verwendbarkeit dieser durch § 630c Abs. 2 S. 2 BGB vom Behandelnden geforderten Patienteninformation im Rahmen eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mitsich.[1180] Diese Normierung ist allerdings nicht sonderlich geglückt.[1181] Insoweit ist weniger zu beklagen, dass eine strafprozessuale Frage im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wird.[1182] In unserer Rechtsordnung lassen sich einige Regelungen außerhalb der Strafprozessordnung finden, in denen Informationspflichten statuiert werden, die sogleich in diesem Gesetz von einem Beweisverwendungs- oder Beweisverwertungsverbot flankiert werden.[1183]

1. Reichweite der Vorschrift

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Problematisch ist allerdings, dass die Reichweite dieser Vorschrift in mehrerlei Hinsicht unklar bleibt. Als gesichert kann nur gelten, dass die durch den Behandelnden gegebenen Informationen als solche jedenfalls nicht direkt als Urteilsgrundlage in einem Straf- oder Bußgeldverfahren herangezogen werden dürfen.[1184] Auch ist es unzulässig, sie durch die Vernehmung des Patienten (oder des Krankenhauspersonals) als Zeugen in die Verhandlung einzuführen.[1185] Fraglich ist jedoch, ob § 630c Abs. 2 S. 3 BGB darüber hinaus zunächst eine „Vorwirkung“ dahin entfaltet, dass die vom Behandelnden erteilten Informationen auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen verwendet werden dürfen.[1186] Ferner ist problematisch, ob der Vorschrift eine „Fernwirkung“ zukommt,[1187] ob also Umstände, die aufgrund der ärztlichen Mitteilung erst ermittelt werden konnten, zur Urteilsgrundlage werden dürfen. Klärungsbedürftig ist schließlich auch, ob und ggf. inwieweit das Verwertungsverbot über den Bereich des Straf- und Bußgeldrechts hinaus Wirkungen entfaltet.

2. Gesetzeswortlaut und Gesetzesmaterialien

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Nimmt man diese in den Blick, so fällt ins Auge, dass § 630c Abs. 2 S. 3 BGB davon spricht, dass „die Information nach Satz 2“ nicht „verwendet“ werden darf. Diese weite – über ein bloßes Beweisverwertungsverbot hinausgehende – Formulierung wird freilich durch die Einschränkung „zu Beweiszwecken“ begrenzt. Nach der Gesetzesbegründung[1188] soll durch diese Regelung erreicht werden, dass „dem Behandelnden aus der Offenbarung eigener Fehler […] keine unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Nachteile erwachsen“. Ferner wurde im Gesetzgebungsverfahren[1189] auch darauf hingewiesen, dass bei § 97 Abs. 1 S. 3 InsO „eine vergleichbare Interessenlage zugrunde liegt“. Hieraus wird geschlossen, dass sich der Gesetzgeber bei der Fassung des Wortlautes maßgeblich an dem Beweisverwendungsverbot in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO orientiert habe.[1190] Daher ist für die Interpretation von § 630c Abs. 2 S. 3 BGB die Entstehungsgeschichte und Interpretation dieser insolvenzrechtlichen Regelung in den Blick zu nehmen.

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Anlass für die Schaffung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO war der sogenannte „Gemeinschuldnerbeschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes, in dem aus dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ ein verfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot für jene Informationen abgeleitet wurde, die im Insolvenzverfahren vom Schuldner erzwungen werden können.[1191] Auch in nachfolgenden Entscheidungen[1192] hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass sich ein verfassungsunmittelbares Beweisverwertungsverbot ergibt, wenn in strafrechtlicher Hinsicht selbstbelastende Auskünfte zwangsweise durchgesetzt werden können. § 97 Abs. 1 S. 3 InsO geht mit der Statuierung eines „Beweisverwendungsverbotes“ über diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sogar noch hinaus. In der Gesetzesbegründung hieß es dazu: „Entsprechend einem Anliegen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz wird damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Auskunft des Schuldners ohne dessen Zustimmung auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen dienen darf.“. Daraus hat die Literatur zum großen Teil gefolgert, dass jedwede Nutzung der Informationen, die der Schuldner nach § 97 Abs. 1 S. 1, S. 2 InsO erteilt hat, außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen sein soll.[1193] Sie sollen nicht zur Begründung eines Anfangsverdachtes[1194] herangezogen werden können; darüber hinaus soll auch eine (mittelbare) Fernwirkung[1195] eingreifen. Einige Autoren verneinen auch die Möglichkeit, hypothetische Ermittlungsverläufe insoweit zu berücksichtigen.[1196] Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Rechtspraxis eine solch weitgehende Wirkung dieses Beweisverwendungsverbotes nicht anerkannt hat. Dort wird einhellig davon ausgegangen, dass jedenfalls die erzwungene Vorlage von Geschäftsunterlagen wie Handelsbüchern und Bilanzen, die der Schuldner ohnehin kraft gesetzlicher Verpflichtung führen muss, nicht von dem Beweisverwendungsverbot erfasst wird.[1197]

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Würde man diese letztgenannte Rechtsprechung auf § 630c Abs. 2 S. 3 BGB übertragen,[1198] dann dürften jedenfalls die nach § 630f BGB anzufertigenden Behandlungsdokumentationen als Urteilsgrundlage verwendet werden.[1199] Die oben angesprochene Wortlauteinschränkung „zu Beweiszwecken“ müsste dann sogar noch dazu führen, dass die Informationen nach § 630c Abs. 2 S. 2 BGB zumindest als Ermittlungsansatz genutzt werden dürften, da diese Wendung allgemein[1200] und bspw. für § 477 StPO ausdrücklich auch vom Gesetzgeber[1201] so verstanden wird.[1202] Das würde auch dazu führen, dass keine Fernwirkung einträte, da es inkonsequent wäre, den Ermittlungsansatz erst zu legalisieren, um die darauf beruhenden Ermittlungsergebnisse dann für unverwertbar zu halten.[1203]

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