Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 30
II. Fehlende Erlaubnis als Unrechtsmerkmal, §§ 3, 4 BtMG
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Von den zahlreichen Strafvorschriften knüpft nur eine, aber auch die praktisch wichtigste, nämlich § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, an das in § 3 BtMG statuierte Umgangsverbot, was sich aus der Wendung „unerlaubt“ und der Auflistung derjenigen Handlungsweisen ergibt, die in § 3 BtMG aufgezählt werden. Soweit dieser Verbotstatbestand verwirklicht wird (bzw. werden soll), bedarf es grundsätzlich einer behördlichen Erlaubnis, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn zu beantragen ist.[112] Gesetzliche Ausnahmen von der Erlaubnispflicht ergeben sich aus §§ 3, 4 und 13 BtMG.
1. Legaler Betäubungsmittelverkehr, § 4 BtMG
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§ 4 BtMG benennt im Wesentlichen zwei Arten des gesetzlich erlaubten Verkehrs. Einerseits denjenigen im Rahmen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung (§ 4 Abs. 1 BtMG) und andererseits denjenigen im Rahmen des behördlich veranlassten Umgangs mit Betäubungsmitteln, § 4 Abs. 2 BtMG.
a) Verschreibung von Betäubungsmitteln, § 4 Abs. 1 BtMG
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Das umfassende Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wird im Kontext der medizinischen Versorgung des Einzelnen gelockert, indem die Kompetenz der Entscheidung über den legalen „Umgang“ auf Ärzte und Apotheker übertragen wird. „Arztspezifische“ Handlungen, mithin die Verschreibung, Verabreichung oder unmittelbare Verbrauchsüberlassung unterliegen keinem Erlaubnisvorbehalt, sondern werden eigenständig reglementiert, namentlich in § 13 Abs. 1 BtMG.[113] Diese Vorschrift legt die Pflichten des Arztes im Rahmen einer Verschreibung von Betäubungsmitteln fest, wobei diese im Einzelnen (insbesondere auch die formalen Vorgaben an ein Betäubungsmittelrezept) in der BtMVV konkretisiert werden. § 13 BtMG kann sich hierbei nur auf verschreibungsfähige Betäubungsmittel der Anlage III beziehen, sodass eine Verschreibung sonstiger Betäubungsmittel (der Anlage I und II) immer gegen § 13 BtMG verstößt und somit verboten ist.
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Liegt eine Verschreibung vor, darf der Apotheker das Betäubungsmittel auf die Vorlage des Rezepts durch den Patienten hin abgeben, § 4 Abs.1 Nr. 1c BtMG. Er hat hierbei nur formelle Prüfpflichten (vgl. auch § 17 ApoBetrO) und darf im Übrigen die Abgabe des Betäubungsmittels nur verweigern, wenn der Verdacht des Missbrauchs besteht. Spiegelbildlich hierzu hat der Patient das Recht, ihm verschriebene Betäubungsmittel zu erwerben (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) und damit auch zum Zwecke des Konsums zu besitzen. Erst wenn die Beteiligten an diesem Versorgungssystem diesen „Vertriebsweg“ verlassen und hierbei eine Handlung verwirklichen, die in § 3 BtMG genannt ist, handeln sie illegal.
b) Dienstlicher Umgang mit Betäubungsmitteln, § 4 Abs. 2 BtMG
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Für den Bereich der dienstlichen Tätigkeit, die sich bei allen Behörden aus den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben ergibt, besteht gemäß § 4 Abs. 2 BtMG ebenfalls keine Erlaubnispflicht. Für die Kontrolle des legalen Betäubungsmittel-Verkehrs geben insbesondere die §§ 16, 22, 23 und 26 BtMG den Tätigkeitsbereich vor. Die Hauptaufgaben im Bereich der Kontrolle des illegalen Betäubungsmittel-Verkehrs bestehen in der Verhütung und Verfolgung von Straftaten. Polizeibeamte, gleichgültig, ob sie offen oder verdeckt (also i.S.d § 110a Abs. 2 StPO) ermitteln, sind von der Erlaubnispflicht befreit.[114] Umstritten ist, welche Handlungen der Katalog des § 4 Abs. 2 BtMG aus dem Tatbestand herausnimmt. Wollte man § 4 Abs. 2 BtMG einschränken, müsste dies über den Begriff der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, weil bestimmte Handlungen gerade nicht als solche angesehen werden können.[115]
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Dies ist praktisch von hoher Relevanz, da gerade der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und V-Leuten im Einzelfall den Handel und den Umgang mit Drogen innerhalb des illegalen Verkehrs erfordert. Doch betrifft dieser Umstand nicht den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 BtMG, sondern die Reichweite bzw. Existenz der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage, welche darüber entscheidet, ob die einzelne Umgangsform (Handeltreiben, Veräußern, Inverkehrbringen) strafprozessual rechtens ist und damit kraft § 4 Abs. 2 BtMG wiederum im Anschluss keiner weiteren Erlaubnis bedarf.[116]
2. Behördliche Erlaubnis als begünstigender Verwaltungsakt und Tatbestandsmerkmal, § 3 BtMG
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Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 4 BtMG müssen Personen, die mit Betäubungsmitteln umgehen, sich aber nicht zugleich strafbar machen wollen, eine Erlaubnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anstreben. Das Erlaubnisverfahren selbst ist in den §§ 5 bis 9 BtMG geregelt. Die behördliche Erlaubnis bzw. deren Versagung ist als Entscheidung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG, wobei die zuständige Behörde für das jeweilige Erlaubnisverfahren dem einschlägigen Gesetz – hier also dem BtMG – zu entnehmen ist.[117] Die Versagungsgründe finden sich in § 5 Abs. 1 BtMG. In neuerer Zeit stand vor allem der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG im Mittelpunkt, sei es im Kontext der versagten Erlaubnis zum Umgang mit Cannabis zu medizinischen Zwecken[118] (infolge der seit 2017 bestehenden Möglichkeit, Cannabis als Phytopharmakon zu verschreiben, nunmehr obsolet[119]), sei es im Kontext der Erlaubnis für den Erwerb von Pentobarbital zu Suizidzwecken.[120] Gerade letztere Frage ist durch das Urteil des BVerfG, das den Tatbestand der geschäftsmäßigen Suizidförderung gemäß § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt hat,[121] wieder von höchster Aktualität, da nunmehr erneut der Frage nachgegangen wird, auf welche Weise das Recht der Sterbehilfe zu regulieren ist. Jedenfalls sollte beim nächsten Versuch einer Regulierung das Betäubungs- und Arzneimittelrecht bei den Reformüberlegungen ausreichend Berücksichtigung erfahren.[122] Soweit in § 29 Abs. 1 BtMG darauf abgestellt wird, dass der Umgang mit Betäubungsmittel „unerlaubt“, „ohne Erlaubnis“ oder „ohne schriftliche Erlaubnis“ strafbar ist, geht die h.M. davon aus, dass die Erlaubnis zu den Merkmalen des objektiven Tatbestands zählt.[123]
III. Zentrale Tatmodalitäten und ihre Erläuterung
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Bezieht sich das Täterverhalten auf ein Betäubungsmittel und hat er auch keine behördliche Erlaubnis, Handlungen im Bezug auf Betäubungsmittel vorzunehmen, kommt eine Verwirklichung des § 29 Abs. 1 BtMG in Betracht. Dieser weist bereits in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG – als „Kernstück“ des deutschen Betäubungsmittelstrafrechts[124] – zehn Tatmodalitäten auf, deren detaillierte Darstellung hier schon aus Gründen des Umfangs nicht erfolgen kann, angesichts des Umstands, dass bestimmten Modalitäten in Relation zu anderen eine verschwindend geringe Bedeutung zukommt, aber auch nicht erfolgen muss. Der umfassende Handlungskatalog erschwert indessen eine abschließende Systematisierung: So kann man zwar zwischen Geber- und Nehmerseite (Abgabe contra Erwerb bzw. bei fehlender „Zusammenarbeit“ Inverkehrbringen contra Sich-Verschaffen), sowie absatz- und nicht absatzorientierten Verhaltensweisen differenzieren, allerdings würde dies das reiche Spektrum an Tatmodalitäten bei weitem nicht abstecken.
1. Handeltreiben
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Als zentrale, absatzorientierte Tathandlung des BtMG bedarf das „Handeltreiben“ näherer Erläuterung. Grundsätzlich soll das „Handeltreiben“ das Unrecht erfassen, welches darin besteht, mit Betäubungsmitteln „Geld zu verdienen“. Es geht also nicht um einen einfachen Verstoß gegen den Erlaubnisvorbehalt (Abgabe, Erwerb, Inverkehrbringen, Anbau), sondern um eine „qualifizierte“ Handlung, bei der das Gewinnstreben im Mittelpunkt steht. Umsatzbezug und Eigennutz markieren den Unterschied zu allen anderen Umgangsformen und erleichtern die begriffliche Abgrenzung.
a) Definition, Erscheinungsformen und Deliktsnatur
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Als Handeltreiben ist nach tradierter und gefestigter Rechtsprechung jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich oder einmalig darstellt.[125] Der Begriff wird äußerst extensiv ausgelegt, was dazu führt, dass weitere Tathandlungen wie „Einfuhr“, „Abgabe“, „sonstiges Inverkehrbringen“ etc. bereits vom Handeltreiben erfasst sind und nur dann rechtlich eigenständige Bedeutung erlangen, „wenn sie nicht als rechtlich unselbstständige Teilakte des Gesamtgeschehens im Handeltreiben aufgehen“.[126] Das Handeltreiben unterscheidet sich, wie die Definition bereits vermuten lässt, von den anderen Tathandlungen darin, dass der Täter mit Umsatzwillen und eigennützig handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Täter ein eigenes Umsatzgeschäft betreibt. Weil jede auf einen Umsatz gerichtete Tätigkeit genügt, kann eine auf die Förderung fremder Umsatzgeschäfte gerichtete Tätigkeit ebenfalls den Tatbestand erfüllen.[127] Die Förderung von Fremdumsätzen kommt vor allem bei der Vermittlung von Umsatzgeschäften oder bei diesbezüglichen Hilfstätigkeiten in Betracht, wie z.B. bei Kurierdiensten, Transportleistungen, Lagerung und Verwahrung.
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Erfasst sind zunächst typische „Dealer“-Begehungsweisen, wie der Verkauf von Drogen mit Gewinnabsicht bzw. die Vermittlung in Provisionserwartung; aber selbstverständlich sind auch die absatzorientierte Beschaffung, der Transport (von Streckmitteln), die Überwachung von Kurieren oder die finanzielle Abwicklung des Geschäfts Tätigkeiten, die „auf“ den Umsatz von Betäubungsmitteln „gerichtet“ sind. Es genügt bereits der Anbau, der Ankauf zum Zwecke des Weiterverkaufs, ja selbst das Blicken aus dem Fenster in der Hoffnung, man werde einen Dealer treffen, könnte unter Zugrundelegung der weiten Definition unter das Handeltreiben subsumiert werden. Handlungen weit im Vorfeld (der Kauf von Betäubungsmittelsamen oder Digitalwaagen) können grds. vollendetes Handeltreiben darstellen, wenn diese mit der Intention erfolgen, Betäubungsmittel umzusetzen.
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Insofern muss das Handeltreiben als abstraktes Gefährdungsdelikt eingeordnet werden, das keinen Außenwelterfolg (im Sinne einer Verletzung bzw. konkreten Gefährdung) voraussetzt.[128] Es muss weder zu einem Umsatzerfolg, noch zu einer sonst erfolgreichen Abwicklung des Geschäfts gekommen sein. Wenn man insofern auch darauf hinweist, dass es sich beim Handeltreiben nicht um ein Erfolgs-, sondern um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handele, so greift dies noch zu kurz; vielmehr müsste man, da die Tätigkeit nicht abschließend beschrieben ist, von mehreren Tätigkeitsdelikten in einem sprechen bzw. könnte das Handeltreiben bei solch einer Auslegung auch als „multiples Tätigkeitsdelikt“ bezeichnen (zum Teil ist auch von einem unechten Unternehmensdelikt die Rede).[129]
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Eine Einschränkung erfährt der Tatbestand insofern nur über die subjektiven Merkmale des Umsatzwillens und des Eigennutzes: Am Umsatzwillen fehlt es bspw., wenn der Angeklagte ohne jegliches Zutun in ein Rauschgiftgeschäft verwickelt worden ist und deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln nicht wollte,[130] oder sich ernsthaft um Verständigen der Polizei bemüht hat, aber wegen sprachlicher Schwierigkeiten nicht ernst genommen wurde.[131]
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Eigennützigkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn es dem Täter auf seinen persönlichen Vorteil ankommt.[132] Der vom Täter beabsichtigte finanzielle Gewinn ergibt sich bei Verkaufsgeschäften auf Grund einer Überschussrechnung: Liegt der Verkaufspreis höher als der Einkaufspreis, so strebt der Täter einen Gewinn an.[133] Das Urteil muss konkrete Feststellungen zur Eigennützigkeit enthalten,[134] wobei Formulierungen wie „zum Selbstkostenpreis“[135] oder „zum Einstandspreis“[136] mit Vorsicht zu genießen sind:[137] diese können bedeuten, dass der Täter keinen Gewinn erzielt hat bzw. erzielen wollte, passen aber auch dann, wenn der Gewinn in dem zurückbehaltenen Eigenverbrauchsanteil liegt. Allein im Erlangen von Auskünften, Hinweisen oder Tipps[138] oder im Interesse an der Aufrechterhaltung einer gewinnbringenden Geschäftsbeziehung kann ein materieller Vorteil nicht gesehen werden, umso schwieriger wird die Feststellung – wie im Rahmen des Korruptionsstrafrechts auch – bei immateriellen Vorteilen (Aufrechterhaltung einer Liebesbeziehung etc.).[139]
b) Handeltreiben und Allgemeine Verbrechenslehre
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Als Strafvorschriften außerhalb des StGB (Nebenstrafrecht) finden auf die §§ 29 ff. BtMG die Vorschriften des Allgemeinen Teil des StGB gemäß Art. 1 EGStGB Anwendung. Unproblematisch ist dies vor allem hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht an die Tat (§§ 13 ff. StGB) knüpfen, man denke an die Verjährung gemäß §§ 78 ff. StGB, an das spezifische Strafzumessungsrecht (Sanktionsformen, Bewährung) oder an das Strafanwendungsrecht, wobei sich auch bzgl. dieser Normen partiell eine „betäubungsmittelrechtsspezifische“ Rechtsprechung herausgebildet hat.[140] Schwieriger scheint sich die Anwendung der Allgemeinen Verbrechenslehren zu gestalten, deren Anknüpfungspunkte die Vorschriften über die Tat (§§ 13–35 StGB) bilden. Jedenfalls beim Handeltreiben stößt die Allgemeine Verbrechenslehre an ihre Grenzen, was darauf zurückzuführen ist, dass der Verhaltensnorm ein objektiver Unrechtskern fehlt, an welche die im Rahmen der §§ 13 ff. StGB entwickelten Lehren knüpfen könnten.[141]
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Da schlicht jede Tätigkeit unter das Handeltreiben fallen kann (auch klassische Beihilfehandlungen, wie die der Kurier- bzw. Chauffeur-Tätigkeit), ist ein Rückgriff auf die Tatherrschaftslehre nicht möglich, vielmehr muss die Rechtsprechung hier in verstärktem Maße auf die subjektive Theorie zurückgreifen.[142] Die im ersten Schritt der Abgrenzung angewandte „Eigenhändigkeitsformel“ (wonach in Anlehnung an § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB jedenfalls derjenige Täter ist, der alle Merkmale in eigener Person erfüllt[143]) führt schließlich stets zur Täterschaft, da jede Tätigkeit für eine formelle Tatbestandsvollendung in personam genügt.[144] Für die Deliktsverwirklichungsstufen gilt, dass selbst in Situationen, in denen man bei unbefangener Betrachtung einen untauglichen Versuch annehmen würde, stets zu beachten bleibt, dass bereits der bloße Verbalhandel zur Vollendung führt; ob die Drogen jemals hätten geliefert werden können (weil der Hersteller sich weigert, zu liefern, oder weil die Drogen sichergestellt wurden, weil es sich bei dem Bezugsobjekt nicht um Drogen, sondern um Mehl handelte oder weil der Abnehmer ein verdeckter Ermittler ist), ist irrelevant.[145]
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Bis heute haben sich in der Rechtsprechung auch keine Mechanismen entwickelt, mit denen jenen geschilderten Unwägbarkeiten begegnet werden kann. Der 3. Strafsenat hatte in einem aufsehenerregenden Anfragebeschluss vorgeschlagen, das Handeltreiben anhand eines abgeschlossenen Katalogs von Handlungen näher zu bestimmen.[146] Der Große Senat lehnte diesen Vorstoß ab, hielt an der extensiven Auslegung fest und beschwichtigte mit der Überlegung, dass „ein großer Teil derjenigen Fälle, die im vorliegenden Zusammenhang als problematisch diskutiert werden, […] seine Lösung eher an der Grenzlinie zwischen Beihilfe und (Mit-)Täterschaft als in der Differenzierung zwischen versuchtem und vollendetem Handeltreiben“ finde.[147]
c) Einzelfallkasuistik und Kurierrechtsprechung
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Bei solch einer Begründung dürfte es einen Versuch des Handeltreibens eigentlich nicht mehr geben. Dennoch hat die Rechtsprechung auch nach der Entscheidung des Großen Senats Fallgruppen benannt, in denen ein bloß versuchtes Handeltreiben in Betracht komme: zum Teil wird darauf abgestellt, ob der Täter bereits Betäubungsmittel besitzt (wenn nicht, kein unmittelbares Ansetzen), was im Widerspruch dazu steht, dass der Anbauprozess als Teilakt des Handeltreibens anerkannt wird. Auch steht bis heute nicht fest, ob bereits ernsthafte Angebote ausreichen oder es zu Gesprächen gekommen sein muss. Warum ausgerechnet das fehlgeschlagene Bemühen, als Rauschgiftkurier zu agieren, einen Versuch darstellen soll,[148] bleibt fraglich; selbst wenn man den Versuch als solches ausblendet, kommt man nicht um eine Abgrenzung zum Bereich strafloser Vorbereitung umhin. Eine neuere „Errungenschaft“ der Rechtsprechung, als frühesten Bereich des unmittelbaren Ansetzens den Anbau der Betäubungsmittel anzusehen (so dass das bloße Anmieten eines Hauses zum Zwecke des geplanten Anbaus von Cannabis eine straflose Vorbereitungshandlung darstellt[149]) ist zwar in ihrer restriktiven Wirkung zu begrüßen. Die „Sperrwirkung“[150] des Anbautatbestands mutet aber zufällig an, wenn man bedenkt, dass in anderen Fällen mit weitaus weniger „Realisierungspotential“ ein vollendetes Handeltreiben bejaht wird. Jedenfalls zeigen sich – was zu begrüßen ist – vor allem in der neueren Rechtsprechung mittelfristige Auswirkungen der Entscheidung des Großen Strafsenats in Form einer grundsätzlich gesteigerten Tendenz, straflose Vorbereitungshandlungen in größerem Umfang als zuvor anzunehmen. Immer häufiger ist zu lesen, dass Handlungen „weit im Vorfeld des beabsichtigten, noch nicht näher konkretisierten Drogenumsatzes“ weder vollendetes noch versuchtes Handeltreiben darstellten. Als relevante Fallgruppen sind zu nennen: Bloße Anfragen, denen es ggf. auch an der Ernstlichkeit mangelt, Kuriervorbereitungen, Transport und Ankauf von Utensilien, die dem späteren Handeltreiben dienen sollen usw.[151] Auch der Antritt einer Fahrt in der Absicht, am Zielort Betäubungsmittel zu erwerben, soll nach einer neueren Entscheidung des Fünften Strafsenats noch kein (versuchtes) Handeltreiben darstellen, es sei denn, dem Täter ist am Zielort ein zuverlässiger Händler bekannt.[152]
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Diese restriktiven Tendenzen ändern freilich nichts an der wachsweichen Anwendung der „AT-Dogmatik“, die sich auch im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beobachten lässt. Da eine Einheitstäterschaft als Ergebnis der Eigenhändigkeitsformel in Anbetracht der im Raum stehenden Sanktionen für die zahlreichen „kleinen Fische“ weder praktizierbar noch gewünscht ist, hat sich sehr früh (also bereits vor der berüchtigten „Kurierrechtsprechung“, vgl. im Folgenden) eine Einzelfallrechtsprechung etabliert, die sich nicht an der tatbestandlichen Ausführungshandlung und somit nicht an Tatherrschaftskriterien orientiert, sondern die Tathandlung in den Kontext des Gesamtumsatzgeschäfts stellt. Diese Tendenz wurde durch die bereits zitierte Entscheidung des Großen Senats begünstigt, indem der Rückgriff auf die Beihilfe (oder genauer: auf die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 StGB) zur Methode erhoben wurde. Sie mündete kurze Zeit später in die einprägsam als „Kurierrechtsprechung“ bezeichnete Entscheidung des 2. Strafsenats,[153] wonach Personen, denen in der Abwicklung des „Gesamtgeschäfts“ eine eher untergeordnete Rolle zukommt (dies treffe auf Kuriere regelmäßig zu), als Gehilfen einzuordnen seien. Ähnlich wie bei der „Hemmschwellentheorie“ (beim Tötungsvorsatz) musste die höchstrichterliche Rechtsprechung kurz danach mehrmals klarstellen, dass der Rückgriff auf das „Schlagwort“ nicht genügt, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob nicht vielleicht doch eine Mittäterschaft vorliegt, mag der Beteiligte auch nur „Kuriertätigkeiten“ vorgenommen haben.[154] Schon diese Rechtsprechung lässt vermuten, dass das Schlagwort keinesfalls eine auf Anhieb bessere Zuordnung ermöglicht, sondern bei genauerem Hinsehen als plakativ-kasuistische Hülle fungiert, die im Einzelfall das „Schlupfloch“ der unvorhersehbaren Gesamtbewertung nicht beseitigt,[155] sondern allenfalls die Anforderungen an die tatrichterlichen Darstellungsanforderungen modifiziert.