Kitabı oku: «Handbuch zu Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«», sayfa 9

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Auf dieses Problem der Erhaltung von Lokalkolorit bei Übersetzungen geht Proust übrigens selbst in Sodom und Gomorrha ein, wenn er von den nicht wiedererkennbaren »korrekten« Namen bei Mardrus und dem »entstellten Titel« auf dessen Tausendundeiner Nacht spricht (S. 323 f.), nämlich »Mille nuits et une nuit« – was dem arabischen Titel »alf laila wa-laila«, ›Tausend Nacht und Nacht‹, mehr oder weniger wörtlich entspricht und wohl den breit angelegten orientalischen Erzählerduktus signalisieren soll, damit aber etwas in den Titel legt, was im Original so nicht vorhanden ist, denn »alf laila wa-laila« ist einfach nur die grammatisch richtige Ausdrucksweise, um auf Arabisch »tausendundeine Nacht« zu sagen – und wie Galland es auch mit »Mille et une nuits« wiedergibt.

Bei Zitaten aus anderen französischen Sprachkunstwerken, die ja meist auch in deutscher Übersetzung vorliegen, hatte ich ursprünglich vor, jeweils diese etablierten Übersetzungen anzuführen; es stellte sich aber bald heraus, dass Proust diese Zitate aus inhaltlichen Gründen wählt, für den Übersetzer von Gedichten oder Theaterstücken jedoch häufig ganz andere Merkmale, wie Lautung, Reim oder Rhythmus, im Vordergrund stehen, so dass ein Zitat der entsprechenden Stelle der deutschen Übersetzung oft nicht das enthält, weswegen sie von Proust überhaupt erst angeführt wurde. Ich habe daher sehr häufig auch Zitate selbst übersetzt; wo ich übernehmen konnte, habe ich das getan und in den Anmerkungen vermerkt. Bei Zitaten aus einem klassischen griechischen oder lateinischen Text kommt noch hinzu, dass er bereits auf französischer Seite in mehreren verschiedenen Übersetzungen vorliegt, man aber nicht immer weiß, welche Proust benutzt oder gekannt hat, und dann im Deutschen ebenfalls mehrere Übersetzungen mit ganz verschiedenen Auffassungen der Übersetzer vorliegen (man denke nur an Ovids Metamorphosen). Hier habe ich mich im allgemeinen für die Übersetzung entschieden, die dem »kanonischen« Textverständnis am nächsten kommt, wie es bei Roscher40 (für die Auffassung zu Prousts Zeiten) und bei Pauly41 (für die moderne Sicht) umrissen wird.

Generell werfen intertextuelle Anspielungen die Frage auf, wie viel des anderen Textes denn »mitgemeint« ist und damit, wie eng man am Wortlaut bleiben oder wie weit man sich von ihm entfernen muss, um die Intention des Autors einzufangen. Wenn Proust etwa in WZ, S. 229, vom »enfarinement« bestimmter Parteien nach dem Krieg schreibt (›Einmehlung‹, im Text als »in Mehl gewälzt« übersetzt), wie es die Katze in La Fontaines Fabel Die Katze und die alte Ratte (1668) zum Zweck der Camouflage macht, so würden wir im Deutschen im allgemeinen wohl eher sagen, dass die fraglichen Parteien »Kreide gefressen« hätten, wie der nach Geißen lüsternde Wolf in Grimms Märchen. Ob man aber mit einer Übersetzung zugleich eine so weitgehende Transformation auch des kulturellen Bezugsrahmens vornehmen sollte, erscheint mir höchst zweifelhaft, besonders insofern, als damit ja meist noch weitere Verschiebungen verbunden sind, in diesem Beispiel etwa der Charakterisierung der in Rede stehenden Parteigruppierung als einer »Katze« hin zu einem »Wolf«, zwei Konzepte, die mit ganz verschiedenen Assoziationsfeldern ausgestattet sind, wie ein Blick in Lexika deutscher oder französischer Redewendungen unmittelbar vor Augen führt. Im vorliegenden Fall legt allerdings der für den Proust-Leser unsichtbare Text La Fontaines eine bestimmte Entscheidung äußerst nahe: Die Ratte der Fabel bezeichnet die getarnte Katze als »bloc enfariné«, als ›mehlbepuderten Block/Klumpen‹, und die politische Gruppierung, um die es Proust geht, ist der »bloc national«, der ›nationale Block‹.

Ein eher persönliches Problem des Übersetzens, das sich wohl kaum umgehen lässt, liegt in der Tatsache, dass der Übersetzer im allgemeinen das Werk, das er übersetzt, sehr viel besser kennt als jeder Erstleser und er sich deshalb gelegentlich überlegen muss, ob er sich für eine Lösung entscheiden will, die von vielen vermutlich nicht nachvollzogen werden kann, da ihnen die nötige Vertrautheit mit dem Text fehlt, oder sich sicherheitshalber doch lieber mit einer weniger markanten, konventionellen Lösung begnügen sollte, die keine Fragen aufwirft. Wenn sich etwa gleich zu Beginn von WS der Erzähler »völlig zerschlagen« fühlt von der Last der »taille« einer erträumten Eva, so liegt es natürlich nahe, die Übersetzung »Hüfte« zu wählen, die sich schließlich in jedem Wörterbuch findet. Doch der Kenner des Textes hat spätestens nach seiner dritten Lektüre ziemlich unweigerlich den Verdacht entwickelt, dass auch der Erzähler (und nicht nur der Autor) die Sache mit der Eva biologisch nicht so genau nimmt – so ist zum Beispiel seine Eva »aus einer falschen Lage meines Schenkels entsprungen«: aber war das denn nicht Dionysos, der aus dem Schenkel Zeus’ geboren wurde? Hier bietet einem dann ein Wort wie »Lende«, dessen Anwendungsbereich ja keineswegs auf Männer beschränkt ist (vgl. etwa Luthers »Lob der tüchtigen Hausfrau« in den Sprüchen Salomonis oder Goethes »Wanderer und Pächterin«), das aber dank Odysseus’ notorischer »Kraft der Lenden« eine gewisse Konnotation von Maskulinität gewonnen hat, eine der seltenen Gelegenheiten, durch eine minimale Akzentverschiebung dem verständigen Leser einen Wink zu geben, der ihm schon vor der soundsovielten Lektüre des Textes eine Ahnung von der eigentlichen Lage der Dinge eröffnen kann (WS, S. 11).

Grundsätzlich habe ich mich bemüht, keine Eingriffe am Text vorzunehmen, da ich es nicht für die Aufgabe des Übersetzers ansehe, Texte zu erklären oder gar zu verbessern: Wo Satzteile fehlen wie in WG, S. 481, wo Metaphern unverständlich sind wie die von Tante Léonies Stirnwirbeln in WS, S. 77, so wird der deutsche Leser damit wohl ebenso zurechtkommen müssen wie der französische. Anders sieht es aus, wenn eine im Französischen perfekt verständliche Passage durch eine Eins-zu-eins-Übersetzung unverständlich würde, wie es bei den meisten Kalauern Cottards der Fall ist (z. B. in WS, S. 359, die Doppelbedeutung von »blague« als ›Witz‹ und ›Beutel‹), bei den Sprachschnitzern des Hoteldirektors (z. B. in SG, S. 232, die Verwechslung der fast gleichlautenden »sole«, ›Seezunge‹, und »saule«, ›Weide‹) oder bei dem verlotterten Französisch des Liftboys in SG, S. 270, dessen Widerwille gegen die im Französischen grammatisch korrekte doppelte Verneinung im Deutschen nicht reproduzierbar ist. In solchen Fällen habe ich so vorsichtig wie möglich den Zusammenhang angepasst, um die Textlogik zu retten; auch diese Fälle sind jeweils in den Anmerkungen identifiziert und erläutert.

Zum Abschluss dieses Abschnitts sei noch auf die Problematik des texthistorischen Kontextes eingegangen, die sich bei der Neuübersetzung eines Textes zwangsläufig einstellt – denn dass schon eine oder mehrere ältere Übersetzungen existieren, lässt sich natürlich nicht ignorieren. Damit tritt dann die Versuchung auf, gegen die alten Übersetzungen anzuarbeiten. Schon der erste Satz der Recherche wirft ein helles Licht auf dieses Problem. Schottlaender etwa ersetzt das Perfekt der Vorlage durch ein Präteritum und übersetzt fragwürdig, aber sehr prägnant, »ging ich schlafen« statt »bin ich schlafen gegangen«; ein T-Shirt, das ich bei Ebay erworben habe, propagiert nicht Rechel-Mertens’ »schlafen gegangen«, sondern »zu Bett gegangen«; bei Kleeberg geht der Erzähler »zu früher Stunde« schlafen, und nicht einfach »früh«; hier könnte man dann mit einer Umstellung der »Zeit« anschließen und »Lange … frühzeitig« statt »Lange Zeit … früh« erwägen; schließlich wäre noch »sich zu Bett begeben« oder »sich schlafen legen« zu bedenken. Das ergibt 48 Möglichkeiten, von denen sich allerdings die meisten schon auf den ersten Blick als unbrauchbar erweisen. Die theoretische Möglichkeit, »longtemps« einfach nur als »lange« zu übersetzen, wie das Wörterbuch es vorschlägt, und damit auch die Zehnsilbigkeit des Originals zu erhalten, die eine lange epische Tradition hat, verbietet sich hier, da zum einen das »temps« in »longtemps« offenkundig auf den Kernbegriff des Titels rekurriert und es zum anderen mit dem »dans le temps« am Textende – 4251 Seiten später – eine Klammer bildet. Das eigentliche Problem mit den schließlich verbleibenden Kandidaten – »lange Zeit ging ich abends früh zu Bett«, das die Zehnsilbigkeit des Originals bewahrt, allerdings nicht das Tempus; »lange Zeit habe ich mich früh schlafen gelegt«, das die Reflexivität des »se coucher« bewahrt, aber umständlich klingt; »lange Zeit bin ich früh zu Bett gegangen«, um das deutsche »schlafen« für das französische »dormir« zu reservieren, das aber ein wenig nach Schlafsaal klingt – ist jedoch: Wird nicht jeder von ihnen das unangenehme Odeur mit sich tragen, nur als Konkurrent zur tradierten Fassung ins Rennen geschickt worden zu sein? Wie immer man sich da entscheiden mag – ich habe dann schließlich der Tradition meine Reverenz erwiesen –: Es bleibt das noch unangenehmere Gefühl, sich nicht wirklich frei entschieden zu haben.

Zu den Fehlern, die der aufmerksame Leser hier und dort finden mag und die bei der Erstauflage eines Werkes von diesem Umfang (1,1 Millionen Wörter) und Anspruch unvermeidlich auftreten, bitte ich um Vergebung, doch lassen Sie mich eine Bemerkung Prousts in einem Brief an Constantin de Brancovan vom Januar 1903 (Corr. III, S. 221) zu seiner eigenen Ruskin-Übersetzung zitieren: »Wenn es Fehler in meiner Übersetzung gibt, dann in den klaren und einfachen Partien, denn die unklaren, schwierigen sind über Jahre hinweg begrübelt, umgearbeitet, ergründet worden.«


L’infini, raisonneur, dit à Kant: entends-tu?

L’impératif finit à ce turlututu

Das Unendliche, der Widerspruchsgeist, spricht zu Kant: Hörst du gut zu?

Der Imperativ endet bei diesem Turlututu

1926 Rudolf Schottlaender (Übers.): Auf den Spuren der verlorenen Zeit. Tl. 1: Der Weg zu Swann. 2 Bde. Berlin: Verlag Die Schmiede, 1926.

1926 Walter Benjamin / Franz Hessel (Übers.): Auf den Spuren der verlorenen Zeit. Zweiter Roman: Im Schatten der jungen Mädchen. Berlin: Verlag Die Schmiede, [1926]. Neuausg. in: Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Übersetzungen. Supplement II. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1987. Weitere Neuausg.: Köln: Anaconda, 2016.

1930 Walter Benjamin / Franz Hessel (Übers.): Auf den Spuren der verlorenen Zeit. Dritter Roman: Die Herzogin von Guermantes. 2 Bde. München: Piper, 1930. Neuausg. in: Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Übersetzungen. Supplement III. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1987.

1953 Eva Rechel-Mertens (Übers.): Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. I: In Swanns Welt. Bd. II: Im Schatten junger Mädchenblüte. Bd. III: Die Welt der Guermantes. Bd. IV: Sodom und Gomorra. Bd. V: Die Gefangene. Bd. VI: Die Entflohene. Bd. VII: Die wiedergefundene Zeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp / Zürich: Rascher, 1953–57. [Textgleiche Ausgabe für die DDR: Berlin: Rütten und Loening, 1974.]

1994 Luzius Keller (komm. Rev. der Übers. von Eva Rechel-Mertens auf der Grundl. der von Tadié rev. Fassung des frz. Textes): Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. I: Unterwegs zu Swann. Bd. II: Im Schatten junger Mädchenblüte. Bd. III: Guermantes. Bd. IV: Sodom und Gomorrha. Bd. V: Die Gefangene. Bd. VI: Die Flüchtige. Bd. VII: Die wiedergefundene Zeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1994–2004. [Ab Bd. II zus. mit Sibylla Laemmel; Abt. II der Frankfurter Werk-Ausgabe.]

2002 Michael Kleeberg (Übers.): Combray. München: Liebeskind, 2002. [Taschenbuchausg. München/Zürich: Piper, 2004.]

2004 Michael Kleeberg (Übers.): Eine Liebe Swanns. München: Liebeskind, 2004. [Taschenbuchausg. München/Zürich: Piper, 2005.]

2013 Bernd-Jürgen Fischer (Übers. und Komm.): Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. I: Auf dem Weg zu Swann. Bd. II: Im Schatten junger Mädchenblüte. Bd. III: Der Weg nach Guermantes. Bd. IV: Sodom und Gomorrha. Bd. V: Die Gefangene. Bd. VI: Die Entflohene. Bd. VII: Die wiedergefundene Zeit. Stuttgart: Reclam, 2013–16.

2017 Zweifel, Stefan (Übers. und Vorw.): Das Flimmern des Herzens. Aus den frz. Druckbogen erstmals übers. Berlin: Die Andere Bibliothek, 2017.

Ins Englische

Der mit Proust befreundete englisch-jüdische Autor Sydney Schiff bemühte sich seit 1920 bei Proust darum, zumindest den ersten Band der Recherche ins Englische übersetzen zu dürfen, doch Proust hielt ihn unter anderem für einen »Dilettanten« (Corr. XXI, S. 342) und entschied trotz seiner Freundschaft mit den Schiffs, der Übertragung der Aufgabe durch Gallimard an den professionellen Übersetzer Charles-Kenneth Scott-Moncrieff (1889–1930) zuzustimmen, der 1923 den ersten Band seiner Übersetzung vorlegte.


Titelblatt des ersten Teilbandes (von zwei) der Erstausgabe der Scott-Moncrieff-Übersetzung von Sodome et Gomorrhe.

Scott-Moncrieff hatte 1920 seine Stelle bei der Times aufgegeben, für die er gelegentlich Artikel schrieb, um sich ganz seiner Übersetzungsarbeit widmen zu können: 1921 beendete er die Übersetzung des altenglischen Beowulf, und ab 1922 arbeitete er an der Übersetzung von Prousts À la recherche du temps perdu. 1923 ging er wegen gesundheitlicher Probleme nach Italien, wo er abwechselnd in Florenz und Pisa und ab 1928 in Rom lebte; er starb 1930 in Rom an Magenkrebs und wurde im Campo Verano beigesetzt.

Die ersten drei Bände von Scott-Moncrieffs Übersetzung der Recherche waren noch in verhältnismäßig dichter Folge erschienen, 1922, 1924 und 1925, doch dann trat ein Hiatus von vier Jahren ein. Der Grund war nicht nur, dass Scott-Moncrieff inzwischen Pirandello, sondern mehr noch, dass der Verlag Chatto & Windus Sodome et Gomorrhe I entdeckt hatte, das in England kaum eine Chance gehabt hätte, die Zensur zu überstehen: »Werden Sie dafür sorgen, dass ich nicht verfolgt werde, wenn ich Sodome et Gomorrhe übersetze?« (Scott-Moncrieff an Winston Churchills Sekretär Edward March am 28. 11. 1924, zit. nach Findlay,42 S. 232). Der amerikanische Verleger Thomas Seltzer brauchte damals solche Bedenken zwar nicht in diesem Maße zu haben, schlug aber dennoch vor, »die schlimmsten Stellen auf Französisch, unübersetzt, zu belassen, dann werden sich unsere Zensoren ja vielleicht nicht einmischen« (Seltzer an Scott-Moncrieff am 18. 12. 1925, zit. nach Findlay, S. 249). Seltzer hatte bereits einschlägige Erfahrungen mit D. H. Lawrences Women in Love gemacht – die ihn in den Bankrott trieben, noch bevor er mit Scott-Moncrieff handelseinig werden konnte. Seine Neffen und Nachfolger Albert und Charles Boni kauften Scott-Moncrieff für $ 3000 die Rechte an den restlichen Bänden für den Fall ab, dass Chatto & Windus nicht publizieren sollte; so erschien eine erste, auf 2000 Exemplare limitierte und numerierte amerikanische Ausgabe 1927 unter dem camouflierenden, aber immerhin noch biblischen Titel Cities of the Plain bei Albert and Charles Boni, Inc., der schließlich, 1929, unter gleichem Titel auch eine Ausgabe beim amerikanischen Partner-Verlag von Chatto & Windus, Alfred A. Knopf, folgte, die auch in England vertrieben wurde, bis dann in den Vierzigern Chatto & Windus den englischen Markt wieder selbst versorgte. Merkwürdigerweise – merkwürdig insofern, als völlig unerklärlich ist, wie sich das alles vertrags- und urheberrechtlich dargestellt haben sollte – erschien parallel zur Boni-Ausgabe auch eine Ausgabe bei der amerikanischen Modern Library (New York: Random House). Diese beiden Ausgaben zumindest tragen die erklärungsbedürftige »Widmung des Übersetzers für Richard und Myrtle Kurt und ihren Schöpfer«, die Titelpersonen nämlich von Sydney Schiffs (1868–1944) Roman Richard Kurt, den dieser 1919 unter dem Pseudonym »Stephen Hudson« bei M. Secker (London) mit einer Widmung »To M. P.« veröffentlichte, wobei die Figur Richard Kurts im allgemeinen als eine Hommage an Proust gedeutet wird, mit dem Schiff befreundet war.

Nach dem Tod Scott-Moncrieffs übersetzte 1931 Sydney Schiff (abermals unter seinem Pseudonym »Stephen Hudson«) den letzten Band für Chatto & Windus mit dem Titel Time Regained; wenig später (1932) erschien in den USA eine weitere Übersetzung des letzten Bandes für den Verlag The Modern Library von Frederick A. Blossom unter dem Titel The Past Recaptured. Mit dem englischen Gesamttitel Remembrance of Things Past, den Scott-Moncrieff dem 30. Sonett Shakespeares entlehnt hatte (der sich seinerseits auf Wisdom of Solomon 11:12 in der Bishops’ Bible, 1572, bezog), war Proust allerdings nicht sehr glücklich: »›À la recherche du temps perdu‹ heißt das keineswegs«; auch der Titel Swann’s Way missfiel Proust wegen seiner unerwünschten Doppeldeutigkeit: »Swann’s Way kann Du côté de chez Swann bedeuten, aber auch ›auf Swanns Art und Weise‹. Hätten Sie ein ›to‹ hinzugefügt, wäre alles gerettet«, schrieb er im Oktober 1922 an Scott-Moncrieff (beide Zitate in Corr. XXI, S. 499). Dieses »to« begründet und rechtfertigt übrigens die Richtungskomponente »zu« in den neueren deutschen Titel-Übersetzungen Unterwegs zu Swann (Keller) bzw. Auf dem Weg zu Swann (Fischer).

Bei Proust-Kennern stießen auch die anderen von Scott-Moncrieff gewählten Einzeltitel, Within a Budding Grove für Bd. 2, Cities of the Plain für Bd. 4 und The Sweet Cheat Gone für Bd. 6, auf wenig Gegenliebe (»prissy euphemisms«: Graham Robb im Telegraph, 12. 10. 2002). Dennoch behielt die von Terence Kilmartin und Andreas Mayor auf der Grundlage des Clarac/Ferré-Textes 1981 durchgeführte Überarbeitung diesen Titel bei, wie auch die Untertitel für Bd. 2 und Bd. 4. Bd. 6, dessen Titel The Sweet Cheat Gone zwar sehr poetisch war, nämlich einem Gedicht von Walter de la Mare43 entlehnt, aber auch gänzlich unzutreffend, wurde jetzt mit The Fugitive neu betitelt. Die Kilmartin/Mayor-Bearbeitung bemüht sich neben der Anpassung an den neuesten Forschungsstand auch um eine Entrümpelung des ins Preziöse (»purplish ­prose«, R. Douglas-Fairhurst in The Observer, 17. 11. 2002) neigenden Stils Scott-Moncrieffs: Bei allen Meriten, die seiner Übersetzung zukommen, war es doch riskant, daraus zu zitieren, denn oft genug musste man dann feststellen, dass das, worauf es einem ankam, so bei Proust gar nicht stand (vgl. etwa Peter Bien in The Times Literary Supplement, 19. 11. 2014, S. 6). Scott-Moncrieff hatte kein Problem damit, Proust zu verbessern (»more Proustian than Proust«, A. N. Wilson in The Times Literary Supplement, 31. 10. 2014, S. 5), mit dessen Werk er sich offenbar derart identifizierte, dass »er mich für gewöhnlich mit einer Schimpfkanonade über Albertine empfing, deren Launen und üble Gewohnheiten ihn damals sehr beschäftigten« (Ernst Robert Curtius 1931 an Scott-Moncrieffs Mutter Jessie Margaret, 1858–1936, zit nach Findlay S. 284).

Bei der Überarbeitung 1992 des Kilmartin/Mayor-Textes wiederum durch D. J. Enright und Andreas Mayor, die durch die Neuordnung der französischen Textgrundlage durch Tadié notwendig geworden war, entschloss man sich beim Verlag Chatto & Windus, bei dem auch alle früheren Ausgaben erschienen waren, mit In Search of Lost Time einen Titel zu wählen, der dem des Originals deutlich näher kommt. Auch der Einzeltitel des 4. Bandes wurde jetzt in Sodom and Gomorrah geändert, den sehr lyrischen, aber wenig originalgetreuen Titel des zweiten Bandes, Within a Budding Grove, den Scott-Moncrieff dem Gedicht The Lover and Birds44 von William Allingham entnommen hatte, behielt die Bearbeitung jedoch bei.

2002 erschien bei Allen Lane (Penguin) eine Neuübersetzung unter dem Titel In Search of Lost Time, die von einem Team unter der Leitung von Christopher Prendergast erarbeitet wurde und bei der auch der zweite Band nun einen originalgetreueren Titel trägt, In the Shadow of Young Girls in Flower. Die einzelnen Bände wurden von jeweils eigenen Übersetzern bearbeitet, eine Vorgehensweise, die nicht überall auf Beifall stieß (»why use seven transla­tors rather than 70? Or 700?«, Douglas-Fairhurst in The Observer, 17. 11. 2002). Auch die Änderung des Titels des 7. Bandes, der auf Sydney Schiff zurückgeht, von Time Regained (»triumphant past-partici­ple«) in Finding Time Again erschien der Kritik wenig glücklich (»mealy-mouthed«, beide Zitate Graham Robb, a. a. O.). Die Prendergast-Übersetzung berücksichtigt zudem Prousts Kritik an der Doppeldeutigkeit des Moncrieffschen Titels für den ersten Band, fügt jedoch kein »to« hinzu, wie von Proust angeregt, sondern ein »by«, womit sie allerdings mit The Way by Swann’s der Bedeutung von Du côté de chez Swann deutlich näher kommt; erstaunlicherweise heißt dann jedoch der erste Band in der amerikanischen Ausgabe wieder Swann’s Way – vielleicht ja, weil »swans weg« aus Scott-Moncrieffs Übersetzung des Beowulf stammt.

Zum hundertsten Jahrestag des Erscheinens des ersten Bandes der Recherche startete die Yale University Press eine von William C. Carter kommentierte und überarbeitete Neuausgabe der ursprünglichen Übersetzung von Scott-Moncrieff unter Berücksichtigung der späteren Revisionen unter dem Titel In Search of Lost Time. Der erste Band, wieder mit dem heiklen Titel Swann’s Way, erschien im Januar 2014, der zweite im Januar 2016 unter dem Titel In the Shadow of Young Girls in Flower. Diese Ausgabe erspart dem Leser die Last des Blätterns, da die Anmerkungen an den Rand der jeweiligen Text-Seite gesetzt wurden.

1922 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.): Remembrance of Things Past. Bd. I: Swann’s Way. London: Chatto & Windus, 1922. Bd. II: Within a Budding Grove. Ebd. 1924. Bd. III: The Guermantes Way. Ebd. 1925. Bd. IV: Cities of the Plain. London: Knopf, 1929. Bd. V: The Captive. Ebd. 1929. Bd. VI: The Sweet Cheat Gone. Ebd. 1930. – In England: Stephen Hudson (d. i. Sydney Schiff; Übers.): Bd. VII: Time Regained. London: Knopf / [später:] Chatto & Windus, 1931. – In den USA: Frederick A. Blossom (Übers.): Bd. VII: The Past Recaptured. New York: Random House, 1932. (Modern Library Edition.) [Der Band »Time Regained« konnte von Scott Moncrieff nicht mehr fertiggestellt werden. Der Band »Cities of the Plain« erschien in den USA bereits 1927 in numerierter Auflage bei Albert & Charles Boni (New York) sowie bei Random House in der Modern Library Edition (New York).]

1970 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.) / Stephen Hudson (Übers., Bd. VIII und XII) / Terence Kilmartin (Rev. von Bd. I–VI der Übers. von 1922–30 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Clarac/Ferré) / An­dreas Mayor (Rev. von Bd. VII der Übers. von 1931 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Clarac/Ferré): Remembrance of Things Past. Bd. I/II: Swann’s Way. Bd. III/IV: Within a Budding Grove. Bd. V/VI: The Guermantes Way. Bd. VII/VIII: Cities of the Plain. Bd. IX/X: The Captive. Bd. XI: The Fugitive. Bd. XII: Time Regained. London: Chatto & Windus, 1981. [Mayors Revision der Hudson-Übers. erschien bereits 1970 unter dem Titel »The Past Recaptured«.]

1992 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.) / Stephen Hudson (Übers.) / Terence Kilmartin (Rev. 1970) / D. J. Enright (Rev. von Bd. I–VI der rev. Übers. von 1970 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Tadié) / An­dreas Mayor (Rev. von Bd. VII der rev. Übers. von 1981 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Tadié): In Search of Lost Time. Bd. I: Swann’s Way. Bd. II: Within a Budding Grove. Bd. III: The Guermantes Way. Bd. IV: Sodom and Gomorrah. Bd. V: The Captive / The Fugitive. Bd. VI: Time Regained / A Guide to Proust. London: Chatto & Windus, 1992.

2002 Christopher Prendergast (Hrsg., Ltg. der komm. Neuübers. auf der Grundl. der frz. Textfassung von Tadié): In Search of Lost Time. Bd. I: The Way by Swann’s (Übers. Lydia Davis). Bd. II: In the Shadow of Young Girls in Flower (Übers. James Grieve). Bd. III: The Guermantes Way (Übers. Mark Treharne). Bd. IV: Sodom and Gomorrah (Übers. John Sturrock). Bd. V: The Prisoner / The Fugitive (»The Prisoner«: Übers. Carol Clark / »The Fugitive«: Übers. Peter Collier). Bd. VI: Finding Time Again (Übers. Ian Patterson). London: Allen Lane, 2002. London: Penguin, 2003. [In den USA erschien Bd. I bei Viking unter dem Titel »Swann’s Way«.]

2013 William C. Carter (Hrsg., komm und überarb. Fassung der Übers. von 1922–31/32): In Search of Lost Time. Bd. I: Swann’s Way. New Haven: Yale University Press, 2013. Bd. II: In the Shadows of Young Girls in Flower. Ebd. 2015.


Umschlag-Vorderseite des ersten Teilbandes (von zwei) von Bd. I in der spanischen Übersetzung von 1920. Auf der Innenklappe befindet sich die Ankündigung von Bd. II.

Ins Spanische

Im Januar 1920 schreibt Proust an Gallimard, er solle dem peruanischen Schriftsteller Ventura García Calderón (1886–1959), damals Chefredakteur der Zeitschrift Hispania, keine Fotos mehr schicken, denn er habe schon mehrere – ein Hinweis, dass Proust sich aktiv um eine spanischsprachige Lesergemeinde bemüht hat. Dafür mag ein Grund gewesen sein, dass Proust nicht nur mit dem in Venezuela geborenen Reynaldo Hahn eng befreundet war, sondern zu seinem Bekanntenkreis noch weitere Ibero-Amerikaner zählte, wie den aus Peru stammenden Geliebten Montesquious, Gabriel Yturri (1860–1905), den in Kuba geborenen Schriftsteller José-Maria de Heredia (1842–1905), den in Mexiko geborenen Schriftsteller Ramon Fernandez (1894–1944) und den Maler Antonio de La Gandara (1862–1917), der einen mexikanischen Vater hatte und zwar in Paris lebte, jedoch bis zu seinem vierunddreißigsten Lebensjahr die mexikanische Staatsbürgerschaft beibehielt – ähnlich wie Ramon Fernandez, der sich auch erst mit dreiunddreißig nationalisierte. Einen weiteren Ausdruck findet Prousts Faible für die spanischsprachige Welt in seinem Aktien-Portefolio, das sich stark um südamerikanische Werte gruppierte45. Die Übersetzung von Du côté de chez Swann als Por el camino de Swann durch Pedro Salinas (1891–1951), die 1921 zweibändig im Verlag CALPE, Madrid, erschien (Druckvermerk 1920; gelegentlich irrtümlich José Ortega y Gasset zugeschrieben), dürfte dann auch die erste Übersetzung eines kompletten Bandes der Recherche überhaupt gewesen sein; der zweite und der dritte Band folgten 1922 bzw. 1931 unter dem Gesamttitel En busca del tiempo perdido. Es ist unklar, warum der Proust-begeisterte Salinas sich mitten in der Arbeit am dritten Band aus dem Projekt zurückzog und den zweiten Band von Guermantes dem Schriftsteller José María Quiroga Plá (1902–55) überließ, und vor allem, warum die CALPE nun ebenfalls das Projekt einstellte – freilich legt ein Blick auf die englische Übersetzungsgeschichte den Verdacht nahe, dass auch hier die Schere im Kopf der Schere des Zensors vorausgeeilt ist. So dauerte es vierzehn weitere Jahre, bis schließlich der in Buenos Aires angesiedelte Verleger Santiago Rueda den argentinischen Übersetzer Marcelo Menasché mit der Übersetzung der restlichen vier Bände für seinen erst 1939 gegründeten Verlag beauftragte – ein Raubdruck des zweiten Bandes, der 1937 in Chile beim Verlag Zig-Zag erschien, hatte das anhaltende Interesse in der spanischsprachigen Welt an Proust hinlänglich verdeutlicht, der vor allem in Chile und in Argentinien lebhaft diskutiert wurde. Santiago Rueda legte auch die ersten drei Bände neu auf und gab so 1944–46 die erste spanische Gesamtausgabe heraus (1946 auch als einbändige Dünndruckausgabe). Sie wurde in Argentinien lobend aufgenommen, in Spanien dagegen sah sich Menasché mit seiner Neigung zu einem argentinischen Spanisch heftiger Kritik ausgesetzt, obwohl ja unter der Knute des Franco-Faschismus an eine europäische kastilianische Ausgabe vorerst gar nicht zu denken war. Erst 1952, nachdem die Boykott-Maßnahmen gegen Franco-Spanien ihre Wirkung zu zeigen begannen und das Regime eine vorsichtige Öffnung nach Westen wagte (1953 wurde der erste US-Stützpunkt in Spanien errichtet), konnte eine Übersetzung im kastilianischen Spanisch der letzten vier Bände von dem spanischen Schriftsteller und multilingualen Übersetzer (Lampedusa, Pasternak) Fernando Gutiérrez (1911–84) erscheinen. Sie wird zwar vom internationalen Fachpublikum als deutlich besser bewertet als die Übersetzung von Menasché, hat diese aber nicht aus der Gunst der südamerikanischen Leserschaft verdrängen können.

In den Jahren 2000–05 publizierte der spanische Verlag Valdemar eine Neuübersetzung von Mauro Armiño, und 2000–09 der mexikanisch-uruguayische Verlag Lumen eine weitere Neuübersetzung von Carlos Manzano. Während sich Armiños Übersetzung durch eine penible Originaltreue auszeichnet – anders als die alte Übersetzung von Salinas, der, wie auch Scott-Moncrieff, nicht davor zurückschreckte, proustischer als Proust zu sein –, bemüht sich Manzano um eine Hispanisierung des Textes, indem er barocke Traditionen der spanischen Syntax aufnimmt, um Prousts komplexen Satzbau im Kastilianischen nachvollziehen zu können. Eine dritte Neuübersetzung durch die argentinische Autorin Estela Cantó (1916–94), die eine dem argentinischen Spanisch vertrautere Sprache zu finden sucht, indem sie die typisch kastilianischen Ausdrucksweisen Pedro Salinas’ vermeidet, ohne sich jedoch, wie Menasché es gelegentlich tut, mit »Rioplatismen« als Argentinierin ausweisen zu wollen, erschien in Buenos Aires im Losada-Verlag in den Jahren 2000–10. Allerdings ist nicht bekannt, wann Cantó – die 1994 gestorben ist – ihre Übersetzung angefertigt hat und also, auf welcher Textgrundlage; verschiedene Details deuten jedoch darauf hin, dass zumindest die ersten Teile ihrer Übersetzung noch auf dem Clarac/Ferré-Text beruhen. Craig46 betont in seiner Besprechung für La Nación, dass die drei neuen Übersetzungen von Cantó, Armiño und Manzona jene Wörtlichkeit vermeiden, zu der die Übersetzung ins Spanische aus dem so nahe verwandten Französisch einlädt und die die Übersetzungen von Menasché, Gutierrez und de la Serna kennzeichnet, und dass sie zudem auch davor zurückschrecken, Prousts Syntax »begradigen« zu wollen, wie es die Übersetzung von Consuelo Berges aus den Sechzigern noch für geraten hielt.

Eine detaillierte Darstellung sowie eine umfangreiche Bibliographie der in Europa bislang kaum wahrgenommenen Proust-Rezeption im spanischsprachigen Amerika gibt Herbert E. Craigs Marcel Proust and Spanish America (s. S. 82).

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